Lebensphasenorientierte Personalentwicklung

Abschlussarbeit eines 1-jährigen Lehrgangs Executive Management


Studienarbeit, 2014

96 Seiten, Note: Sehr gut mit Auszeichnung


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Personalentwicklung
2.1 Definition
2.2 Drei Säulen der Personalentwicklung
2.3 Verschränkung und Phasen der Personalentwicklung
2.4 Personalentwicklung im engeren Sinn

3 Lebensphasenorientierung
3.1 Berufliche Entwicklung
3.2 Lebensphasenorientiertes Arbeiten
3.3 Exkurs: Karriereanker

4 Lebensphasenorientierte Personalentwicklung
4.1 Einbettung in das Human Resource Management
4.2 Definition lebensphasenorientierter Personalentwicklung

5 Forschungsfeld
5.1 Das Diakonie Zentrum SPATTSTRAßE und das Programm LEO
5.2 Personalstrukturanalyse
5.3 Eigene Definition von Lebensphasen
5.4 Erhebung
5.5 Sample

6 Forschungsdesign
6.1 Fragestellung und Forschungsziel
6.2 Die Methodologie der Grounded Theory
6.3 Textauswahl, Datenanalyse und Kodierverfahren

7 Ergebnispräsentation
7.1 Beschreibung der Erwerbslebensphasen
7.2 Beantwortung der Forschungsfrage
7.3 Relevanz der Ergebnisse und Methodenkritik

8 Diskussion: Lebensphasenorientierte Personalentwicklung

9 Conclusio und Ausblick
9.1 1000 Menschen, 1000 Lebensentwürfe?
9.2 Generationen Management und Personalentwicklung
9.3 Chancen einer lebensphasenorientierten Personalentwicklung

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Die Säulen der PE

Abbildung 2: Handlungsfelder eines lebensphasenorientierten HRM

Abbildung 3: Altersverteilung nach Geschlecht Diakonie Zentrum Spattstraße

Abbildung 4: Altersentwicklung Diakonie Zentrum Spattstraße gesamt in 4-Jahres- Schritten

Abbildung 5: Betriebszugehörigkeit Diakonie Zentrum Spattstraße

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Zusammenhang zwischen Karrierephasen und Lebenssphären

Tabelle 2: Betriebliche Lebensphasen und zentrale Anforderungen

Tabelle 3: Beispiele für Kodes mit Interviewausschnitten

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1 Einleitung

Das Leben jedes Menschen ist durch Höhen und Tiefen, prägende Ereignisse und auch durch außerberufliches Engagement gekennzeichnet und Arbeitnehmer geben dieses persönliche Leben nicht vor dem Arbeitsbeginn am Eingang ab (Rump et al., 2011, 25). Vielmehr können sich daraus im kritischen Falle erhebliche Herausforderungen ergeben, wenn Qualifikation, Motivation und Leistungsfähigkeit in Mitleidenschaft gezogen werden.

Ein Lebensverlauf kann immer nur ein heuristisches Abbild eines „typischen“ Lebens cha­rakterisieren, Überlappungen und gänzlich unterschiedliche Lebensgestaltungen mögen den Begriff der Lebenshintergründe oder -themen passender als Lebensphasen erscheinen lassen (ibd.). Nichtsdestotrotz soll in dieser Arbeit der in der Literatur bereits eingeführte letztere Begriff herangezogen werden und gleichermaßen mit dem Begriff der Lebenszyklen ver­wendet werden.

Human Resource Management und speziell der Teilaspekt Personalentwicklung haben nicht nur eine beobachtende, sondern vor allem auch eine empfehlende und aktivierende Funktion für die Führungsgestaltung (Stahl, 2013, 61). In diesem Sinne sieht es die Verfasserin die­ser Arbeit als wesentlich an, wachsam Entwicklungen, Veränderungen und Trends, wie z.B. den Generationenwechsel und den damit einhergehenden Wertewandel, den demographi­sche Wandel und den zukünftig noch stärker werdenden Fachkräftemangel im Unternehmen, aktiv wahrzunehmen und gemeinsam mit der Unternehmensführung strategisch zu steuern. Angesichts des vielfach vorhergesagten drohenden Fachkräftemangels und der unausweich­lichen Alterung der Arbeitnehmer geht es für Unternehmen jedoch nicht mehr nur darum, qualifizierte und leistungsfähige Mitarbeiter zu rekrutieren und diese zu binden (Buck et al., 2002, 66). Mittlerweile ist es essentiell geworden, bei allen Beschäftigten einen Prozess der lebensbegleitenden Kompetenzentwicklung zu fördern und zu fordern. Darüber hinaus wird eine stärkere Bedeutung des Human Resource Managements im Allgemeinen und der Per­sonalentwicklung im Besonderen gefragt sein, um eine alternsgerechte Arbeits- und Perso­nalpolitik entwickeln und durchführen zu können.

Jeder Lebensabschnitt ist von unterschiedlichen Schwerpunkten, Lebensmittelpunkten und Bedürfnissen geprägt. Unter Berücksichtigung der einzelnen Lebensphasen fokussiert eine lebensphasenorientierte Personalpolitik die Entwicklung und Erhaltung der nachhaltigen Leistungs- und Beschäftigungsfähigkeit aller Mitarbeitenden, die Vereinbarung von Lebens­und Berufssituationen sowie den Umgang mit den Demographieeffekten durch eine alters­gerechte Personalpolitik. Ziel einer lebensphasenorientierten Personalpolitik ist es, die Ar­beitsfähigkeit der Mitarbeiter zu erhalten und zu fördern und diese langfristig und psychisch wie physisch gesund im Unternehmen zu halten und daran zu binden.

Das Diakonie Zentrum Spattstraße beschäftigt sich seit geraumer Zeit mit lebensphasenori­entierter Arbeitsgestaltung. Ursprünglich als zeitlich begrenztes Projekt ausgerichtet, stellte sich heraus, dass das sogenannte LEO vielmehr ein laufendes, sich weiterentwickelndes Pro­gramm bzw. eine Unternehmensstrategie ist.

Der zukünftige Schwerpunkt soll in der gezielten und auf LEO ausgerichteten Personal- und Organisationsentwicklung liegen und Weiterbildungsmaßnahmen sowie Maßnahmen zur Psychohygiene und Gesundheitsförderung unter dem Aspekt der Mitarbeiterbeteiligung (Empowerment) laufend gestalten und weiterentwickeln. Dies nahm die Verfasserin dieser Arbeit zum Anlass, sich noch tiefer mit der Thematik auseinanderzusetzten und diese beson­ders auf die Personalentwicklung umzulegen.

Die vorliegende Arbeit stellt sowohl eine Literatur- als auch eine Forschungsarbeit dar und gliedert sich daher in zwei große Bereiche. Der erste Teil ist theoretischer Natur, zur Ergän­zung und Weiterführung folgt anschließend eine empirische Auseinandersetzung mit der Thematik lebensphasenorientierte Personalpolitik und -entwicklung im Unternehmen.

Ziel der Arbeit ist eine Sensibilisierung für Bedarf und Bedürfnisse im Diakonie Zentrum Spattstraße in puncto Lebensphasen der Mitarbeiter, aber auch ein Informationsgewinn und eine Ableitung von unternehmens- und branchenunabhängigen Handlungsempfehlungen.

2 Personalentwicklung

Die ob der Kürze der Arbeit auf das für die Verfasserin Wesentliche reduzierte literarische Aufarbeitung der Themen Personalentwicklung und Lebensphasen diente einerseits als the­oretische Sensibilisierung für den empirischen Teil, andererseits schien es notwendig und wünschenswert, sich mit diesen Begriffen auch theoretisch in ganzheitlicher Art und Weise auseinanderzusetzen. Nachfolgend werden die einzelnen Bereiche vorgestellt und diskutiert sowie theoretische Modelle erläutert.

2.1 Definition

In der Literatur lassen sich unterschiedlichste Begriffsdefinitionen der Personalentwicklung finden. Berthel und Becker (2010, 388) wählen ihrerseits pragmatisch eine Fassung, die die meisten der übereinstimmend benutzten Merkmale enthält:

„ Unter Personalentwicklung ist eine Summe von Tätigkeiten zu verstehen, die für das Personal nach einem einheitlichen Konzept systematisch vollzogen werden. Sie hat (...) Veränderung ihrer Qualifikation und/oder Leistungen durch Bildung, Kar­riereplanung und Arbeitsstrukturierung zum Gegenstand. Sie geschehen unter Be­rücksichtigung des Arbeitskontextes, wobei ihre Orientierungsrichtung die Errei­chung (...) von betrieblichen und persönlichen Zielen ist.“

2.2 Drei Säulen der Personalentwicklung

Inspiriert von den Arbeiten MANFRED BECKERS (z.B. 2005, 4) erscheint es sinnvoll, drei Bereiche oder „Säulen“ der PE zu unterscheiden:

- Bildung (PE im engeren Sinn)
- Förderung (PE im erweiterten Sinn)
- Organisationsentwicklung (PE im weiten Sinn)

Die nachfolgende Abbildung soll verdeutlichen, welche Funktionen diese drei Säulen erfüllen:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Die Säulen der PE.1

Der Bereich Bildung stellt den Kern einer jeden Personalentwicklung dar. Hier kann konkret vom Angebot und der Organisation von Aus-, Fort- und Weiterbildungen gesprochen wer­den.

Die zweite Säule der PE, die Förderung von Mitarbeitern, beinhaltet Maßnahmen zur Er­kennung der individuellen Potenziale sowie der Motivation von Mitarbeitern. Die Förderung beginnt bei Eintritt bzw. schon vor Eintritt und endet beim Austritt des Mitarbeiters. Insbe­sondere im sozialen Bereich, wo Mitarbeiter meist nicht mit finanziellen Anreizen gelockt werden können, muss das Unternehmen andere Anreize schaffen, die unter anderem durch die PE vermittelt bzw. kommuniziert werden können.

Personalentwicklung und Organisationsentwicklung stellen in den Augen der Verfasserin einen Kreislauf dar. Aus Personalentwicklung wird auch wieder Organisationsentwicklung generiert. Jedoch ist mit der dritten Säule vorwiegend der indirekte Organisationsentwick­lungsprozess gemeint, d.h. jene Maßnahmen, die diesen Prozess begleiten und erleichtern sollen, z.B. Lernnetzwerke, Gruppenarbeiten etc. Einige dieser Maßnahmen werden in Ka­pitel zu Personalentwicklung im engeren Sinn (vid. 2.4.) erklärt.

hn Anlehnung an: BECKER, M. (2005, 4)

2.3 Verschränkung und Phasen der Personalentwicklung

Dynamischer wird Personalentwicklung von Stahl (2013, 281), von Hornstein (2014,8ff.) bzw. Neuberger (1994, 13) dargestellt:

Personalentwicklung ist in andere Entwicklungsbereiche eingebunden (Berthel, Becker, 2010, 390). Jede Einführung eines Personalentwicklungsinstruments stellt einen Eingriff in die Organisation dar, „Einpersonen-“ bzw. Personalentwicklung führt zur Teamentwicklung und daraus entwickelt sich die (lernende) Organisation (von Hornstein, 2014, 9). Personal­entwicklung ist in einem Dreiklang gemeinsam mit Organisations- und Teamentwicklung zu sehen, diese drei Gebiete sind nicht isoliert zu betrachten, sondern überschneiden sich und „klingen“ somit gemeinsam. Neuberger (1994, 12) sieht jede Maßnahme im Betrieb als Personalentwicklung, da jegliche Veränderung der Arbeitsbedingungen individuelle, in­terpersonale und/oder organisatorische Anpassungsreaktionen nach sich zieht.

Die Deutsche Gesellschaft für Organisationsentwicklung spricht von Organisationsentwick­lung als einen geplanten, gelenkten und systematischen Prozess zur Veränderung von Struk­turen, Kulturen und Verhalten einer Organisation mit dem übergeordneten Ziel, die Organi­sation zukunftsfähig zu machen. (GOE, 2014). Während Teamentwicklung sich vor allem mit Themen wie Kooperation und Autonomie beschäftigt, konzentriert sich Personalent­wicklung vielmehr auf Fähigkeiten und Fertigkeiten und die Weiterbildung und Qualifizie­rung der Mitarbeiter (Stahl, 2014, 281).

Personalentwicklung kann in 5 Stufen (ibd., 284ff.)gedacht werden:

1. Bedarfsschätzung: Welche qualitativen Veränderungen werden in welchen Berei­chen gebraucht (Performance etc.)?
2. PE-Plan: Konkrete output-orientierte Ziele werden formuliert, PE-Grundsätze des Unternehmens fixiert und die Bereitschaft der Weiterzubildenden eruiert.
3. Durchführung: Personalentwicklungsmaßnahmen im engeren Sinn erfolgen on the job, near the job, off the job uvm.
4. Transfersicherung: Gemeinsam mit der 5. Phase die kritischste, hier soll die dauer­hafte Anwendung des Gelernten am Arbeitsplatz sichergestellt werden, Empower­ment durch Führungskräfte erfolgen.
5. Erfolgskontrolle: Effektivität und Effizienz der Maßnahmen werden quantitativ z.B. mittels Balanced Scorecard und qualitativ durch Nachfragen bei relevanten Sta- keholdern bewertet. „Zufriedenheit“ ist hierbei ein sekundäres Kriterium.

2.4 Personalentwicklung im engeren Sinn

Nachfolgend sollen mögliche Personalentwicklungsmaßnahmen im engeren Sinn vorgestellt werden:

2.4.1 Personalentwicklung into the job

Personalentwicklung beginnt nach Stahl (2014, 2ff.) bereits bei der Personaleinführung, dem sogenannten „Onboarding“. Für die Einarbeitung und das „Ankommen“ in der neuen Tätigkeit eignen sich Trainee- und Vertretungsprogramme sowie Hospitanz- und Einfüh­rungsprogramme. Nicht zur PE into the job gehört jedoch die Lehrlingsausbildung, da die berufliche Qualifikation mit Blick auf gesellschaftliche Verantwortung, Arbeitsmarkt etc. als eine überbetriebliche zu sehen ist. Einige Elemente der PE into the job werden an dieser Stelle angeführt (ibd.)

2.4.1.1 Onboarding

Die Bedeutung des Onboarding wird in der heutigen Arbeitswelt oftmals noch unterschätzt. Gerade die ersten Monate in einer neuen Tätigkeit bedeuten für Arbeitnehmer enorme Be­lastung. Nicht nur, dass Fähigkeiten und Abläufe oftmals erst erlernt oder erarbeitet werden müssen, auch die soziale Komponente ist nicht zu unterschätzen. Der interne Umgang mit­einander, sei es im Kollegenkreis, mit Vorgesetzen und auch die Unternehmenskultur gene­rell, stellt neue Mitarbeiter nicht selten vor große Herausforderungen. Aufgrund fehlender Onboarding-Maßnahmen kann z.B. Frustration oder Demotivation entstehen, die nicht selten in einem Wechsel des Unternehmens enden. Doch diese Fluktuation kann vermieden wer­den, denn mit einer Einweisung in den neuen Job sowie einer sozialen Integration (Enkultu- ration) können Schwierigkeiten am Anfang oftmals unterbunden werden. Hierbei werden zwei Einführungsarten unterschieden. Die Einführung durch Personen kann durch Vorge­setzte, Kollegen, Mentoren oder Paten, aber auch durch andere neue Mitarbeiter erfolgen, mit denen man sich über die neue Arbeitssituation austauschen kann. Die Einführung durch Tätigkeiten wiederum umfasst Orientierungsveranstaltungen wie Mitarbeitereinfüh­rungstage, Freizeitaktivitäten, Geschäftsreisen oder Außer-Haus-Schulungen, die oftmals im Zusammenhang mit Team-Building-Maßnahmen stehen.

2.4.1.2 Patensystem

Bei der Einführung bzw. Begleitung durch einen Paten stehen die menschliche Betreuung sowie die fachliche und persönliche Beratung im Vordergrund. Doch auch das Vertraut ma­chen mit der neuen Arbeitsumgebung, mit anderen Mitarbeitern sowie mit den ungeschrie­benen Regeln der Organisation sind wichtiger Bestandteil eines Patensystems. Der Pate soll das Unternehmen in jedem Fall sehr gut kennen (formelle und informelle Strukturen) sowie Respekt und Anerkennung im Unternehmen besitzen. Dieses wertvolle Vertrauensverhältnis zwischen Mitarbeiter und Pate kann auch nach erfolgter Einschulung bestehen bleiben.

2.4.1.3 Traineeprogramme

Ein Traineeprogramm wird im Gabler Wirtschaftslexikon (2014) als eine „speziell von Großunternehmen angebotene Möglichkeit des Berufseinstiegs von (Fach-)Hochschulab- gängern“ definiert. Damit kann eine Ausbildung im eigenen Unternehmen in Kombination von Learning „on the job“, „off the job“, und Job Rotation (vid. 2.4.2, 2.4.4 und 2.4.2.2) verstanden werden (Stahl, 2014, 11). Ein Platz in einem Traineeprogramm ist unter Be­rufsanfängern sehr begehrt, bei der Auswahl der Bewerber wird daher häufig ein Assessment Center vorgeschaltet. Das Gehalt der Trainees liegt grundsätzlich unter dem „normalen“ Akademiker-Niveau, jedoch versprechen Unternehmen eine kostenlose Zusatzausbildung, die rasch für eine Führungs-, Projekt- oder Expertenlaufbahn vorbereiten soll. Traineepro­gramme werden oft mit Mentorensystemen kombiniert. Nicht selten knüpft das Unterneh­men an das Traineeprogramm Bedingungen, die den Verbleib des Wissensträgers im Betrieb zumindest für einige Zeit sichern soll, z.B. mittels Rückzahlungsvereinbarungen.

2.4.2 Personalentwicklung on the job

Die Maßnahmen des TON findet für die einzelnen Mitarbeiter direkt am Arbeitsplatz, also im betrieblichen Alltagsgeschehen, Anwendung und werden nachfolgend exemplarisch vor­gestellt (Wirtschaftslexikon24, 2014).

2.4.2.1 Learning by Doing

Robert Baden-Powell und John Dewey prägten den Begriff „learning by doing“, allerdings kann dieser pädagogische Zugang in seinen Anfängen bereits zu Aristoteles rückdatiert wer­den. In seiner „Nikomachischen Ethik“ erklärt Aristoteles, dass tugendhaftes Verhalten und fachliches Können nicht durch einfache Belehrung sondern vielmehr durch praktisches Nachmachen, Üben und Anwenden erlernt wird (Knoll, 2013). John Dewey erklärte an seinem 90. Geburtstag: „I don’t believe people learn merely by doing. The important things are the ideas that a man puts into his doing. Unintelligent doing will result in his learning the wrong thing.“Dies kann 1:1 in das Konzept der Personalentwicklung umgelegt werden, denn nur durch geplante, umgesetzte und kontrollierte Maßnahmen kann Personalentwick­lung sinnvolle und mit der Unternehmensstrategie im Einklang stehende Ziele erreichen. Personalentwicklung on the job bedeutet also, dass durch Reflexion und Einordnung ge­machter Erfahrungen in größere persönliche und organisatorische Zusammenhänge neue Einsichten und Verhaltensweisen ermöglicht werden (Stahl, 2013, 296). Dies setzt Mut zum Entdecken neuer Fähigkeiten, Ausdauer, Begeisterungsfähigkeit und Zivilcourage vo­raus.

2.4.2.2 Job Rotation

Job Rotation bedeutet die individuelle Qualifizierung von Mitarbeitern durch planmäßigen Wechsel von Arbeitsplätzen. Das bedeutet Veränderungen von Aufgaben, Kompetenz und Verantwortung und bezieht sich auf die gesamte Arbeitssituation, ähnlich einer Versetzung (Berthel, Becker, 2010, 446). Neben einer Erweiterung und Vertiefung von Fachkennt­nissen, möglicher Vorbereitung oder Ergänzung von Führungsaufgaben bedeutet dies Ab­wechslung und interessante Gesamtarbeit (Stahl, 2013, 297), setzt allerdings auch ein ho­hes Maß an Flexibilität und Mut voraus. Die Mitarbeiter sind laut Becker (2005, 423) für solche Stellenwechsel vor allem dann aufgeschlossen, wenn es sich bei diesen Maßnahmen um systematisch geplante Entwicklungsmaßnahmen und Karrierebausteine handelt. Diese müssen in Personalentwicklungsplänen, Mitarbeitergesprächen etc. klar kommuniziert sein. Vorteile der Job Rotation sind (Berthel, Becker, 2010, 448):

- Statt Spezialisten werden Generalisten entwickelt und die Zusammenarbeit so geför­dert (es braucht beide).
- Neue Herausforderungen verhindern ein „Einrosten“.
- Ein rotierender Mitarbeiter bringt „frischen Wind“ in Arbeitsbereiche bzw. möglich­erweise „betriebsblinde“ Abteilungen.
- Erhöhung der Flexibilität bietet gleich zwei Vorteile: die Karrierechancen vergrö­ßern sich für den Mitarbeiter und für das Unternehmen verringert sich das Risiko, bei Arbeitszuwachs keine geeignete Personalbesetzung zur Verfügung zu haben.
- Mitarbeiter werden in wechselnden Positionen eingesetzt, wenn im Betrieb keine Aufstiegschancen möglich sind bzw. der Arbeitnehmer selbst nicht aufstiegsfähig oder -willig ist.
- Generell bietet Job Rotation zudem hohen Knowhow- und Kultur-Transfer, die Ver­besserung von Kommunikation und Kooperation uvm.

Job Rotation birgt auch einige Herausforderungen (Berthel, Becker, 2010, 449):

- Einarbeitungszeiten bedeuten mögliche Verzögerungen in betrieblichen Arbeitsab­läufen.
- Erfahrung am jeweiligen Arbeitsplatz ist bei rotierenden Mitarbeitern weniger vor­handen, jedoch oftmals notwendig (Erkennen von Problemen etc.).
- Die sogenannte „binnenorientierte, interne Stellenbesetzungspolitik“ könnte wieder Betriebsblindheit verursachen.
- Veränderung bedeutet oftmals Vorurteile oder Widerstand, z.B. Vorgesetzte, die sich sträuben, gute Mitarbeiter aus ihrer Abteilung in andere zu schicken. Hierbei ist gute Kommunikation, die Herausarbeitung des kollektiven Nutzens und das „Ins-Boot- Holen“ essentiell.
- Neben versetzungswilligen Mitarbeitern bedarf es auch den Mitarbeiter, die einen reibungslosen Ablauf garantieren („Systemerhalter“).

2.4.2.3 Job Enlargement

Unter Job Enlargement versteht die gängige Literatur die Arbeitserweiterung um Teilaufga­ben mit gleichwertigen Anforderungen. Dies bedeutet ebenfalls eine Veränderung der Ar­beitsinhalte, womit höhere Leistung, größere Flexibilität und eine verbesserte Personalein­satzplanung erzielt werden soll. Die Dynamik der Anforderungen bewirkt nach Ansicht von Becker (2005, 423) eine dauerhafte Veränderung der Arbeitsmenge und -qualität.

Unter anderem werden beim Job Enlargement die Fachkompetenz und Organisationsfähig­keit gefördert. Trotz der Gefahr der Überlastung überwiegen die chancen dieser Methode: Die Tätigkeit wird abwechslungsreicher, Mitarbeiter können sich bewähren und auf die Übernahme erweiterter Aufgaben vorbereitet werden (Krämer, 2007, 56). Bei Erweiterung des Arbeitsumfangs wird gleichzeitig die Arbeitsteilung verringert (Stahl, 2013, 298), da gleichartige Aufgaben oder im Arbeitsablauf vor- oder nachgeordnete Tätigkeiten zum ur­sprünglichen Arbeitsgang hinzugefügt werden. Damit können die Nachteile einer übermä­ßigen Spezialisierung abgeschwächt werden. Das würde beispielhaft für das Diakonie Zent­rum Spattstraße bedeuten, dass ein Sozialpädagoge nicht nur die Betreuung eines Jugendli­chen und die Elterngespräche durchführt, sondern auch wesentlichen Anteil bei der vorge­ordneten Zuweisung, der laufenden Falldiagnostik und -besprechung sowie der Nachbetreu­ung des bereits „ausgegliederten“ Jugendlichen übernimmt.

2.4.2.4 Job Enrichment

Während die Ziele ähnlich denen des Job Enlargements sind, wird jedoch beim Job Enrich­ment die Tätigkeit um höherwertige Teilaufgaben erweitert (Becker, 2005, 423), es erfolgt also eine „Bereicherung“ um Aufgaben, die zuvor einer höheren hierarchischen Ebene zu­geordnet waren oder qualitativ höherwertig und anspruchsvoller sind. Beispielsweise wurde in der Abteilung Human Resource Management eine Sachbearbeiterin zur Personalverrech- nerin entwickelt, diese übernahm somit nicht nur neue Tätigkeiten, sondern auch mehr Ver­antwortung.

Job Enrichment eignet sich auch optimal für die Entwicklung von Nachwuchsführungskräf­ten, da die vertikale Ausweitung des Arbeitsbereiches bzw. -inhaltes dazu führt, die eigene Tätigkeit in einem bestimmten Ausmaß eigenverantwortlich zu planen, zu steuern, zu orga­nisieren und die erzielten Ergebnisse selbst zu kontrollieren. Der Entscheidungs- und Kon- trollspielraum wird durch die Zusammenfassung von strukturell verschiedenen Elementen ausgebaut und trägt so zu einer Erweiterung der Autonomie bei (Nolte, 2006, 194). Durch Job Enrichment werden die Selbstständigkeit, das unternehmerische Denken und Handeln, die Entscheidungsfähigkeit und das Verantwortungsbewusstsein gefördert. Krämer (2007, 57) Es wird jedoch diese Art der Förderung „on the job“ oftmals nicht bewusst als Möglich­keit zur Personalentwicklung eingesetzt. Dies scheint verwunderlich, da diese Methode ne­ben der Steigerung der Mitarbeitermotivation auch ein kontrolliertes, systematisches Entwi­ckeln nach und nach ermöglicht und somit wenig Risiken birgt, sofern der zu entwickelnde Mitarbeiter sorgsam begleitet wird.

2.4.3 Personalentwicklung near the job

Diese Maßnahmen stehen in enger räumlicher, zeitlicher und inhaltlicher Nähe zum Arbeits­platz, um einen hohen Lerneffekt zu erzielen (Personalmanagement Info, 2014) und bein­halten zumeist ein Arbeiten in Gruppen. Als Instrumente gelten beispielsweise Qualitätszir­kel, Lernstatt, Coaching etc., sie werden nachfolgend exemplarisch vorgestellt.

2.4.3.1 Qualitätszirkel

Ein Qualitätszirkel ist eine Kleingruppe zwischen sechs und zehn Mitgliedern, die üblicher­weise derselben hierarchischen Ebene angehören und gemeinsame Erfahrungsgrundlage im Betrieb besitzen. In regelmäßigen Abständen wird unter Anleitung eines geschulten Mode­rators systematisch nach Verbesserungsmöglichkeiten bei Arbeitsprozessen, Produkt- bzw. Dienstleistungsqualität sowie Arbeitsbedingungen (Sozialqualität) gesucht. Die Gruppe ist idealerweise Bestandteil eines übergeordneten Qualitätszirkel-Systems, das aus einem orga­nisationsweit verantwortlichen Steuerungskomitee (GF, BR etc.), Koordinatoren (Führungs­kräfte) und ggf. aus Experten zu bestimmten Fragestellungen besteht. Im Rahmen der Per­sonalentwicklung bzw. des Trainings near the job können Qualitätszirkel dazu beitragen, Mitarbeitern gezielt fachliche wie soziale Qualifikationen zu vermitteln (Personalmanage­ment Info, 2014). Vorrangiges Ziel beim Einsatz von Qualitätszirkeln ist die Steigerung der Leistungsfähigkeit eines Betriebs durch gezielten Einsatz des Problemlösungspotentials der Mitarbeiter (z.B. Abbau von Fehlzeiten, Entwicklung neuer Verfahren etc.). Eine nachran­gige Zielsetzung ist die erweiterte Mitsprache der Mitarbeiter (gesteigerte Motivation und Arbeitszufriedenheit) in Bezug auf für sie relevante betriebliche Gegebenheiten (BECKER, 2005, 466).

2.4.3.2 Lernstatt

Der Begriff setzt sich aus Lernen und Werkstatt zusammen und, wie der Name suggeriert, werden hier in einer Art temporären Organisation Themen erarbeitet. Lerngruppen zwischen acht und zehn Mitarbeitern treffen sich regelmäßig für eine bestimmte Dauer, z.B. einige Monate. Danach löst sich die Lernstatt wieder auf und es wird eine neue mit einem anderen Ziel bzw. Thema gegründet. Gegenstand der Lerngruppenarbeit sind Probleme der Teilneh­mer und nicht vorbestimmte Lernkonzepte, allerdings kann ein Experte bei ungeklärten Fra­gen hinzugezogen werden (Stahl, 2013, 301). Vorreiter war im Jahr 1973 BMW, das die Lernstatt zur fachlichen wie sozialen Integration ausländischer Arbeitnehmer nutzte. Bis heute wird dieses Weiterbildungsmodell vor allem im gewerblichen Bereich verwendet (Be­cker, 2005, 464f.). Die Idee der Lernstatt wird von der Unternehmensspitze durch die Ein­richtung eines Beraterkreises unterstützt und verbreitet. Die Lernstattaktivität dient vor al­lem der Informationsvermittlung und der Förderung der sozialen Kompetenz, d.h. dass die persönliche Mitarbeiterförderung vorrangig gegenüber einer ökonomischen Zielsetzung ist.

2.4.3.3 Action Learning

Ein wichtiger Baustein der lernenden Organisation ist das Erfahrungslernen, eine weitere Methode davon ist das sogenannte Action Learning, das von Reginald Revans in den 1940er Jahren bei Kohlebergwerkarbeitern eingeführt wurde, um die Probleme des Gruppendenkens zu eliminieren. Gruppen weisen laut Stahl (2013, 88) eine hohe Kohäsion auf, die ihnen ein Gefühl von Geschlossenheit verleiht. So ist das einzelne Gruppenmitglied eher geneigt, seine Meinung dem vermeintlichen Konsens der Gruppe unterzuordnen. Nicht der eigene Verstand entscheidet, sondert die Gruppennorm. Die Idee des Action Learning ist daher, dass in einer Gruppe reale Probleme aus verschiedenen Perspektiven gemeinsam reflektiert werden, wobei sich alle Beteiligten als Lernende verstehen, die nicht über die absolute Wahr­heit verfügen und somit eine bewusst offene, reflektive und kritische Haltung einnehmen und so, oftmals mit Unterstützung eines Gruppencoachs, Probleme lösen.

Gefördert kann nach Krämer (2007, 53) unter anderem Selbstständigkeit, Teamfähigkeit, Projektmanagement etc. werden, ein großer Vorteil ist der Praxisbezug der Aufgaben und die daraus resultierende Motivation der Beteiligten, eine große Chance ist die enge Verbin­dung zwischen Geschäfts- und Personalentwicklungszielen. Nachteilig ist, dass in der Praxis nicht immer eine optimal zum Förderbedarf passende Aufgabenstellung verfügbar ist und die Aufgabe zumeist parallel zum Tagesgeschäft erledigt werden muss.

Diese Methode erfreut sich überaus großer Beliebtheit und ist trotz ihrer Einfachheit höchst wirksam. Unternehmen wie Microsoft, Samsung, Deutsche Bank, Boing, Rotes Kreuz Ame­rika, US Department of Agriculture, Novartis uvm. nutzen Action Learning um komplexe Probleme zu lösen, Führungskräfte und Teams zu entwickeln und betriebliche Möglichkei­ten zu erweitern (WIAL, 2013). Dabei eignet sich diese Methode sowohl für privatwirt­schaftliche, öffentliche als auch Non-Profit-Unternehmen, die die Verfasserin dieser Arbeit bevorzugt als Social-Profit-Unternehmen bezeichnet.

2.4.3.4 Entwicklungsarbeitsplatz

Bei dieser Methode wird der sogenannte Entwicklungsarbeitsplatz als Quasi-Stabstelle ei­nem Linienarbeitsplatz angegliedert und dient als Vorbereitung für die spätere Übernahme ähnlicher Aufgaben. Die zu bzw. sich entwickelnde Person bearbeitet jegliche Aufgaben, die an dem Linienarbeitsplatz anfallen, hat jedoch keinerlei Entscheidungs- und Ausfüh­rungsbefugnisse. Hierbei handelt es sich meistens um zeitlich begrenzt besetzte Positionen, deren vorrangiges Ziel die individuelle Förderung des/der Mitarbeiter ist.

2.4.4 Personalentwicklung off the job

Aus- Fort- oder Weiterbildung ohne räumliche Nähe zum Arbeitsplatz wird als off-the-Job- Training bezeichnet. Hier wird Fachwissen in Trainings- oder Ausbildungseinrichtungen überbetrieblich vermittelt (Gabler Wirtschaftslexikon, 2014).

Bei der Personalentwicklung off the job wird in der Literatur begrifflich oft synonym die betriebliche Fort- und Weiterbildung beschrieben (WERNING, 2013, 12). FRANKENREITER (1996, 212) beschreibt diese als vom Unternehmen gestaltete Lernprozesse außerhalb des reinen Arbeitsvollzugs erfolgend und sich hierbei an dem Ziel orientierend, einen Beitrag zur Erreichung der unternehmerischen Gesamtzielsetzung leisten zu können. Unter dem As­pekt des lebenslangen Lernens, bzw. der Verantwortung der Arbeitnehmer, die individuelle Leistungsfähigkeit zu erhalten bzw. auszubauen (Stahl, 2013, 305), sieht die Verfasserin dieser Arbeit es als beiderseitige Aufgabe (Arbeitgeber und Arbeitnehmer), die Beschäfti­gungsfähigkeit der Mitarbeiter im Verlauf des ganzen Erwerbslebens zu erhalten. Die Un­ternehmen sind somit für die dauerhafte Leistungsfähigkeit ihrer Belegschaft mitverantwort­lich, was die Bereitschaft der Beschäftigten voraussetzt, sich ständig weiter qualifizieren und entwickeln zu wollen.

Neue Möglichkeiten für TOF bietet Blended Learning. Dies ist ein integriertes Lernkonzept, das die heute verfügbaren Möglichkeiten der Vernetzung über Inter- und Intranet in Verbin­dung mit „klassischen“ Lernmethoden und -medien in einem sinnvollen Lernarrangement optimal nutzt und folgende Chancen bietet (Stahl, 2013, 306):

- Lernen, Kommunizierten, Informieren, Wissensmanagement, Expert Debriefing etc.
- Ist zeit- und ortunabhängig.
- Kann mit Erfahrungsaustausch und Rollenspielen sowie persönlichen Begegnungen individuell kombiniert werden.

Weitere Beispiele für PE off the job sind Konferenzen und Fachseminare, Studium oder Lehrgänge an einer (Fach-)Hochschulen, Trainee-Programme etc. (KUßMAUL, 2011, 50). Besonders Ausbildungen werden in der Praxis, sofern vom Unternehmen gewünscht und gefördert, oftmals mit Rückzahlungsvereinbarungen versehen.

2.4.5 Personalentwicklung along the job

Personalentwicklung along the job bzw. parallel to the job kann als Unterstützung der Per­sonalentwicklung gesehen werden (Werning, 2013, 12). Hier sind neben dem Coaching und Mentoring auch Maßnahmen zur Karriere- und Laufbahnplanung gemeint, die jedoch auch als die Festlegung von Qualifizierungsmaßnahmen über einen längeren Zeitraum zu verste­hen sind. In welcher Form diese Qualifizierungsmaßnahmen stattfinden, also on, near oder off the job, bleibt letztlich offen. Der Begriff ist somit Werning (ibd.) zufolge nicht über­schneidungsfrei.

Kurz sollen hier beispielhaft noch zwei Maßnahmen der PE along the job vorgestellt werden. Neuberger (2002, 604) zufolge, haben Feedback, Coaching, Supervision, Mentoring uvm. deshalb so eine hohe Bedeutung, da sie das (bisher) nicht Gesehene sicht- und behandelbar machen sollen.

Die Arbeitswelt von heute zeigt neben hoher sachlicher, sozialer, kognitiver und zeitliche Komplexität, hoher Arbeitsteiligkeit (=Aufteilung von Arbeitsaufgaben in Teilaufgaben für mehrere Mitarbeiter) auch das Erfordernis von Kooperation. Demzufolge ist nach Stahl (2014, 307) oftmaliges, regelmäßiges, systematisches und konstruktives Feedback (Rück­meldung) dringend notwendig. Zwei Instrumente sind hierfür bestens geeignet, Coaching und Mentoring.

2.4.5.1 Coaching

Nach der Definition des Österreichischen Dachverband für Coaching (Austrian Coaching Council, 2014) ist Coaching „ein interaktiver personenzentrierter Beratungs- und Beglei­tungsprozess im beruflichen Kontext, der zeitlich begrenzt und thematisch (zielorientiert) definiert ist.“ Das Gespräch zielt immer auf eine Förderung von Selbstreflexion bzw. -wahr­nehmung, Bewusstsein, Verantwortung und Selbstmanagement ab. Der Coachee (Klient) wird vom Coach mit Gesprächs- und Fragetechniken dazu angeregt, eigene Lösungen zu produzieren (Hilfe zur Selbsthilfe) (Stahl, 2014, 308). Coaching wird zum Beispiel bei folgenden Aufgabenstellungen genutzt:

- Berufliche und persönliche Zielerreichung
- Einzelcoaching und Persönlichkeitsentwicklung
- Gruppencoaching und Teamentwicklung
- Konfliktlösung am Arbeitsplatz
- Burn-out
- Mobbing
- Orientierung in Veränderungsprozessen
- Projekt- und Prozessbegleitung
- Führungskräfteentwicklung

Bei entsprechender Schulung können Berthel und Becker zufolge (2010, 473) neben ex­ternen und betriebsinternen Beratern auch Vorgesetzte die Coaching-Rolle übernehmen.

2.4.5.2 Mentoring

Eine erfahrene Führungskraft (Mentor) betreut und berät eine/n jüngeren, bzw. am Anfang des Berufslebens stehenden Beschäftigten bzw. Mitarbeiter (Mentee). Der Zeitraum des Mentoring sollte laut Krämer (2007, 58) vor dem Start definiert werden. Das Mentoring bietet die Möglichkeit, Nachwuchsführungskräfte außerhalb des üblichen Vorgesetzter-Mit- arbeiter-Verhältnisses zu fördern, informelle und implizite Regeln des jeweiligen Unterneh­mens zu vermitteln, in bestehende Netzwerke einzuführen, praktische Tipps für das Errei­chen beruflicher Ziele zu geben, langfristig die firmeninterne Karrieren zu fördern sowie die Mentees an das Unternehmen zu binden (Stahl, 2014, 309). So kann Motivation, Mitarbei­terbindung, Konfliktbewältigung uvm. gestärkt werden (Krämer, 2007, 58). Chancen: All­tagsprobleme können bearbeitet und firmenspezifische Themen von „Insidern“ diskutiert werden, auch die Mentorentätigkeit selbst kann als Methode der Personalentwicklung ge­nutzt werden. Allerdings birgt nicht vorhandenes oder mangelndes Training der Mentoren selbst die Gefahr, dass die Qualität der Förderung sehr unterschiedlich ist und Chancen un­genutzt bleiben.

3 Lebensphasenorientierung

Unternehmen, die sich mit dem Thema Lebensphasenorientierung beschäftigen, werden nicht selten nach dessen Nutzen gefragt. Folgende Argumente lassen jeden Kritiker verstum­men:

- Steigender Wettbewerb um qualifizierte Arbeitskräfte (gute Bewerber sind rar)
- Demographische Entwicklung in der Bevölkerung (steigende Lebenserwartung bei gleichzeitigem Geburtenrückgang)
- Auswirkungen des Altersstrukturwandels auf den Personalbedarf
- Technologische Entwicklungen und Forschung (Automatisierung von Arbeitspro­zessen, Digitalisierung etc.)
- Veränderungen am Arbeitsmarkt durch Steigerung des Bildungsniveaus (Fachkräf­temangel, weniger Lehrlinge, mehr Akademiker etc.)
- Generationenwechsel und damit einhergehend der Wertewandel in puncto Ansprü­che an den Arbeitsplatz
- Arbeitgeberattraktivität (Arbeitnehmer suchen sich Arbeitgeber aus, Unternehmen müssen sich genau überlegen, wofür sie stehen: Reputation, Marketing)
- Verkleinerung der sozialen Einheiten (soziale Stützsysteme in puncto Pflege, Betreu­ung fehlen oder sind zu klein und erfordern dadurch flexibleres Arbeiten) (Kraus, 2014)
- Die Arbeits- und Qualifikationsanforderungen wandeln sich schneller (ibd.)

Diese und weitere Gründe lassen eine Lebensphasenorientierung in jedem Betrieb langfristig notwendig werden, die Frage ist nicht ob, sondern wann der Nutzen dieser Ausrichtung in der Arbeitswelt erkannt wird. Sensibilisierung auf die Altersstruktur im Unternehmen , Er­halt der Beschäftigungsfähigkeit (Gesundheit, Wissen, Kompetenzen) und Möglichkeiten der Vereinbarkeit von Beruf-, Privat- und Familienleben erfordern nach Ansicht der Verfas­serin eine Neuausrichtung des HRM und der PE. Nur ein lebensphasenorientierter Ansatz im HRM wird diesen vielfältigen Anforderungen und Herausforderungen am ehesten ge­recht.

Im Folgenden werden einige zum Teil heterogene Elememente in der Literatur zum Thema Phasen im beruflichen Leben erörtert, um eine begriffliche Orientierung zur Verfügung zu stellen sowie eine theoretische Basis für die am Schluss stehende Diskussion der Forschungsergebnisse (vid. 8) aufzuzeigen. Je nach Relevanz für diese Arbeit werden die Ansätze detailliert oder nur flüchtig besprochen und selektiv diskutiert.Es wurde bewusst darauf verzichtet, näher auf entwicklungspsychologische Ansätze wie

Intelligenzentwicklung, soziales Verhalten uvm. einzugehen, da dies leider den Rahmen dieser Abschlussarbeit sprengen würde.

Grundsätzlich ist in der Literatur ob der Neuheit des Themas dazu relativ wenig Relevantes zu finden, aus diesem Grund stellt die Verfasserin im empirischen Teil (vid. II) auf der Basis der zuvor diskutierten Denkansätze selbst gewählte Erwerbslebensphasen vor.

3.1 Berufliche Entwicklung

Lediglich in einem kurzen Abriss soll auf die berufliche Entwicklung aus Sicht der Entwicklungspsycholgie eingegangen werden, um ein kurzen Überblick über die Stadien eines Erwerbslebens zu erhalten

Typische Verläufe der beruflichen Entwicklung werden häufig in Form von Stadienmodellen abgebildet (Krampen und Reichle, In: Oerter, Montada, 2002, 333). Un­gefähr mit der Volljährigkeit beginnt das Stadium der Exploration, in welchem sich das Berufsbild herauskristallisiert. Diese Erkundungsphase erfolgt üblicherweise nicht nur in der Zeit der Ausbildung, sondern kann viele Jahre andauern. Die Zeit des Ausprobierens soll dazu dienen, herauszufinden, welche Art von Arbeit und Karriere im Erwerbsleben langfristig vorstellbar ist. Diese Phase sollte laut Krampen und Reichle (ibd.) etwa in der Mitte des dritten Lebensjahrzehnts abgeschlossen sein.

Das vierte Lebensjahrzehnt steht oftmals für eine Stabilisierung im Erwerbsleben. Mitarbeiter haben genauere Vorstellung über die für sie „passende “ Tätigkeit, Branche, Art des Unternehmens etc. und fühlen sich angekommen. in der Entwicklungspsychologie folgt nach dem Ankommen eine Phase des „Establishments“ mit Konsolidierung (Verfestigung, Vertiefung) und Aufstieg. Darunter wird die Etablierung im Unternehmen in einer bestimmten Karrierelaufbahn, wie z.B. Führungs-, Projekt- oder Expertenlaufbahn, verstanden, die auch einen hierarchischen Aufstieg bedeuten kann. Krampen und Reichle (ibd.) identifizieren anschließend eine Phase der Aufrechterhaltung, bei der die erreichte Position bzw. der Status bewahrt und gegebenenfalls auch gerechtfertigt wird und in der jeweiligen Tätigkeit aktiv gearbeitet wird.

Als spätere Phasen in einem Erwerbsleben werden von Krampen und Reichle (ibd.) Spezialisierung, Disengagement und schließlich Ruhestand identifiziert. Mit steigendem Lebensalter sinkt zwar die Leistungsfähigkeit, jedoch erhöht sich die Erfahrung, somit spezialisieren sich ältere Arbeitnehmer auf ausgewählte Bereiche und leisten dort wertvolle Arbeit. Nach dem Disengagement, das gleichbedeutend mit dem Loslösen von Aufgaben wie auch vom Unternehmen und dem Zuwenden zu anderen Lebensinhalten ist, folgt schließlich die Pensionierung.

3.2 Lebensphasenorientiertes Arbeiten

Lebensphasen beschreiben einen realtiv genau prognostizierbaren Verlauf in einem menschlichen Leben, ohne dieses in ein starres System zu pressen (Edinger, 2009, 45). Allerdings können bestimmte Merkmale für eine Lebensphase charakteristisch sein. Unter lebensphasenorientiertem Arbeiten kann die Orientierung von Unternehmen an den unterschiedlichen, individuellen Lebenszyklen, -themen und -phasen verstanden werden. Diese Begriffe werden im Laufe der Arbeit synomym verwendet. In engem Zusammenhang zur beruflichen Entwicklung eines Menschen steht die persönliche. In einer lebensphasenorientierten Arbeitsgestaltung werden vom Betrieb nicht nur berufliche, sondern auch private, individuelle Aspekte der derzeitigen Lebensphase in die Entwicklung und Aufgabenstellungen miteinbezogen. Davon wird der Mehrwert erwartet, dass die Leistungsfähigkeit und Motivation der Mitarbeiter langfristig im Unternehmen erhalten bleiben (ibd.). Im Folgenden sollen drei Ansätze, das Erwerbsleben in Lebensphasen zu unterteilen, vorgestellt werden: 3.2.1 Karriere- und Lebensphasen nach Schein

Für eine systematische Karriere- und Laufbahnplanung ist die Kenntnis typischer Entwick­lungsphasen im Leben hilfreich, damit mit Beratungsleistungen die Realisierbarkeit der in­dividuellen Erwartung geprüft und unrealistische Karrierevorstellungen vermieden werden können (Berthel, Becker, 2010, 465). Schein (1978, 36) hat drei Karrierephasen identi­fiziert und den einzelnen Lebenssphären (Arbeitssphäre, Soziale Sphäre, Biopsychische Sphäre) Ereignisse zugeordnet, die diese Phasen prägen können.

Grundsätzlich sei gesagt, dass jegliche Unterscheidungen in Lebensphasen nur idealtypi­schen Charakter haben können und ausschließlich von heuristischem Wert sind, da interin­dividuelle Unterschiede Realität sind (Berthel, Becker, 2010, 465). Mögliche Inhalte die­ser idealtypischen Phasen sind in der nachfolgenden Tabelle dargestellt.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 1: Zusammenhang zwischen Karrierephasen und Lebenssphären2

2Berthel und Becker (2010, 465) nach Schein (1978, 36)

Nachfolgend soll auf die einzelnen Karrierephasen in der Tabelle näher eingegangen wer­den.

3.2.1.1 Frühe Karrierephase

Nach der Ausbildung und nachdem die Berufswahl grob feststeht, stehen Berufseinsteiger im Mittelpunkt ihrer Karriereplanungsaktivitäten (Berthel, Becker, 2010, 465ff.). Der Eintritt in ein Unternehmen ist oftmals mit großen Erwartungen verbunden, eine anspruchs­volle Tätigkeit wird gewünscht. Doch nicht selten werden Berufsanfänger mit restriktiven und kompetenzarmen Arbeitssituationen konfrontiert, woraus aufgrund der empfundenen Diskrepanz zwischen Soll- und Ist-Zustand ein Realitätsschock entstehen kann, der sich auf die Leistung und Zufriedenheit der Arbeitnehmer auswirken kann. Folgen dieses Pra­xisschocks können sein: Zurechnung der Ursachen der unbefriedigenden Arbeitssituation durch den Berufseinsteiger auf sich selbst (interne Zurechnung), Verringerung des An­spruchsniveaus und Senkung der Einsatzbereitschaft und Leistung. Bei externer Zurechnung (Ursache liegt nach Meinung des Berufsanfängers nicht bei sich selbst) entstehen aufgrund der Unzufriedenheit eine Art Widerspruchshaltung sowie eine Abwanderungsneigung. Die Fluktuationsquote ist am Berufsanfang besonders hoch. Auch treten oftmals Diskrepanzen zwischen den erwarteten und den tatsächlich erreichten sozialen Beziehungen auch, vor al­lem zum Vorgesetzten und seiner Rollenausfüllung.

3.2.1.2 Mittlere Karrierephase

In der mittleren Karrierephase findet nicht selten eine kritische Reflexion der eigenen pri­vaten wie beruflichen Position statt. Erfolgsorientierte Menschen suchen verstärkt Manage­mentaufgaben und betreiben für sich eine gezielte Karrierepolitik. Personen mit Erfolgs­ängsten oder privaten Problemen, neigen hingegen eher zur Resignation, steigen aus oder versuchen einen zweiten Karriereweg. Kritisch ist für diese Menschen eine Art „stuck in the middle“-Position, d.h. jüngere, qualifiziertere Mitarbeiter werden zu Konkurrenten um die eigene Stelle, jedoch ist ein Aufstieg mangels Wissens etc. nicht möglich. Gefühle der Un­sicherheit und Angst könnten eine dramatische Krise der Lebensmitte zur Folge haben. Um­orientierung in einer karrierebezogenen Wahrnehmung, Zielen und Werten kann entstehen, auch wenn dies nicht zwangsläufig den Abbruch der Karriere zur Folge haben muss. Es kann ebenso gelingen, eine positive Einstellung zu veränderten Motiven zu entwickeln und die Befriedigung im Unternehmen, etwa durch die Veränderung vom Spezialisten zur Führungs­kraft (mit allgemeineren Aufgaben) oder zum Mentor, zu erhalten.

3.2.1.3 Späte Karrierephase

Die späte Karrierephase ist gekennzeichnet von Erfahrung (Berthel, Becker, 2010, 467). Hier gelangen erfolgreiche Führungskräfte oftmals an die Spitze der betrieblichen Hierar­chie, aber auch Spezialisten können als renommierte Experten wirken. Die große Menge an gesammelten Erfahrungen, die gute Kenntnis des Unternehmens und seiner „Philosophie“ können hierbei zu Gute kommen. Andere Mitarbeiter versuchen dagegen lediglich, ihren Status-Quo zu halten bzw. diesen gedanklich in die Pension zu überführen bzw. zumindest bis zum letzten Arbeitstag beizubehalten. In dieser Phase wird das eigene biologische Alter, die Verringerung bzw. möglicherweise das Obsoletwerden der eigenen Fähigkeiten wahrge­nommen, was das große Risiko eines Disengagements in sich birgt und bis hin zu einer so­genannten „Pensionskrise“ führen kann.

3.2.2 Lebensphasen nach Graf

Graf (2006, 272f.) untergliedert im Vergleich zu Schein (1978, 36) den betrieblichen Le­benszyklus in vier Phasen und erweitert diesen somit um eine Phase.

An jede dieser Phasen werden zentrale Anforderungen gestellt, die mit dem Privatleben in Einklang gebracht werden sollen, um eine ausgeglichene Work Life Balance herstellen zu können (Edinger, 2009, 49). Die vier Phasen, bestehend aus Ausbildung

(Einführungsphase), Einstieg in das Unternehmen und Aufstieg (Wachstumsphase), Konsolidierung (Reifungsphase) und die Phase des Ausscheidens (Phase der Sättigung und Austritt), werden in der nachfolgenden Tabelle gemeinsam mit möglichen Maßnahmen der Personalentwicklung dargestellt:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 2: Betriebliche Lebensphasen und zentrale Anforderungen3

Der betriebliche Lebenszyklus beginnt nach der Ausbildung mit dem Eintritt in die Organisation, Mitarbeiter erleben eine Phase der Einführung (betrieblicher Sozialisationsprozess) (Graf, 2006, 272f.). Die individuelle Laufbahn führt zu einer Phase des Wachstums, bei der horizontale, vertikale oder radiale (mehr Einbezogensein bei Entscheidungen/Zentralität) Karrieren, die weniger als Abfolge von Positionen, sondern vielmehr als fortwährendes Lernen und Gewinnen von Erfahrungen verstanden werden, möglich sind. Im Verlauf des betrieblichen Lebenszyklus können Mitarbeiter in eine Phase der Reife gelangen, die Wahrscheinlichkeit auf das Erreichen eines Karriereplateaus steigt. PE-Maßnahmen sollen bestmöglich verhindern, dass die Leistung der Mitarbeiter sinkt oder eine Phase der Sättigung erreicht wird, die sowohl durch den Wechsel in eine andere 3Graf (2006, 273 und 276f.)

[...]

Ende der Leseprobe aus 96 Seiten

Details

Titel
Lebensphasenorientierte Personalentwicklung
Untertitel
Abschlussarbeit eines 1-jährigen Lehrgangs Executive Management
Hochschule
Management Center Innsbruck Internationale Fachhochschulgesellschaft mbH
Veranstaltung
Personalmanagement - Human Resource Management in lernenden Organisationen
Note
Sehr gut mit Auszeichnung
Autor
Jahr
2014
Seiten
96
Katalognummer
V284968
ISBN (eBook)
9783656854159
ISBN (Buch)
9783656854166
Dateigröße
1528 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
lebensphasenorientierte Arbeitsgestaltung, Personalentwicklung, Personalmanagement, Organisationsentwicklung, Grounded Theory, altersgemischte Teams, Haltung
Arbeit zitieren
Clara Wenger-Stockhammer (Autor:in), 2014, Lebensphasenorientierte Personalentwicklung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/284968

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