Finanzinstrumente und IFRS 39


Seminararbeit, 2004

69 Seiten, Note: Sehr gut


Leseprobe


Inhaltsangabe

Abkürzungsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

1. Ziele, Bedeutung und Definitionen von IFRS 39
1.1 Einführung
1.2 Ziele des IFRS 39
1.3 Anwendungsbereich des IFRS 39
1.4 Definitionen nach IFRS 39
1.5 Abgrenzung zu anderen Rechnungslegungsstandards

2. Erfassung und Darstellung bankspezifischer Risiken nach IFRS
2.1 Überblick
2.2 Kreditrisiken
2.3 Zinsrisiken
2.4 Währungsrisiken

3. Ansatz und Bewertung von Finanzinstrumenten nach IFRS 39
3.1 Kategorien von Finanzinstrumenten
3.2 Zugangsbewertung und erstmaliger Ansatz
3.3 Folgebewertung
3.4 Umwidmung
3.5 Abgang und Ausbuchung

4. Besonderheiten ausgewählter Finanzinstrumente
4.1 Sicherheiten
4.2 Pensionsgeschäfte
4.3 Wertpapierleihe
4.4 Treuhandgeschäfte
4.5 Devisentermingeschäfte
4.6 Zinstermingeschäfte
4.7 Zins- und Zins-/Währungsswaps
4.8 Aktien- und Aktienindexgeschäfte
4.9 Optionen
4.10 Embedded Derivatives, strukturierte Produkte, Split Accounting

5. Hedge Accounting
5.1 Hedging vs. Hedge Accounting
5.2 Regeln des Hedge Accounting
5.3 Formen des Hedge Accounting
5.3.1 Fair Value Hedge
5.3.2 Cash Flow Hedge
5.3.3 Hedging einer Nettoinvestition

6. Ausblick

Quellenverzeichnis

Eidesstattliche Erklärung

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Anwendungsbereich des IFRS 39

Abbildung 2: Kategorien von finanziellen Vermögenswerten

Abbildung 3: Folgebewertung

Abbildung 4: Umwidmung

1. Ziele, Bedeutung und Definitionen von IFRS

1.1 Einführung

Für viele multinationale Unternehmen und Banken, insbesondere solche mit grossen Portfolios an Finanzanlagen oder solche, die Derivate und andere Finanzinstrumente zur Absicherung von Markpreis-, Wechselkurs- und Zinsrisiken einsetzen, haben die Vorschriften des IFRS 39 signifikante Auswirkungen auf die Jahresrechnung, die nach den Vorschriften der IFRS erstellt wird.

Der Standard „International Financial Reporting Standard 39: Finanzinstrumente: Ansatz und Bewertung – IFRS 39“ (zunächst „International Accounting Standard 39 - IAS 39“; seit 2003: IFRS 39) wurde im März 1999 vom Executive Board des IASC veröffentlicht und in das Regelwerk der „International Accounting Standards“ (IAS; seit dem Jahre 2003: „International Financial Reporting Standards“ – IFRS) integriert. Der Standard trat für Berichtsperioden in Kraft, die am oder nach dem 1. Januar 2001 begannen.[1] Unternehmen mussten im Zuge der Erstanwendung des IFRS 39 ihre Finanzanlage- und Absicherungsstrategien grundlegend überprüfen und massive organisatorische und systemtechnische Änderungen waren erforderlich, damit ab dem Zeitpunkt der Erstanwendung sichergestellt ist, dass die erforderlichen Verfahren und Dokumentationen vollständig verfügbar sind.[2]

Der Standard setzt erstmals Anforderungen für die Bilanzierung eines umfassenden Spektrums an Finanzinstrumenten, einschliesslich aller Derivate, Schuld- und Eigenkapitalinstrumente, zu Handelszwecken gehaltener finanzieller Vermögenswerte und finanzieller Schulden sowie sonstiger Schulden des Unternehmens. Des Weiteren deckt er auch die bilanzielle Abbildung der kurzfristigen Finanzinstrumente wie Forderungen und Schulden aus Lieferungen und Leistungen ab.[3]

Insgesamt regelt IFRS 39 erstmalig die Anforderungen für die Erfassung, die Ausbuchung und die Bewertung von sämtlichen Finanzinstrumenten, d.h. im Besonderen von Derivaten, allen monetären Vermögenswerten und Schulden sowie von Eigenkapitalinstrumenten. Nicht abgedeckt vom Standard IFRS 39 sind u.a. Beteiligungen an assoziierten Unternehmen[4], Leasingverhältnisse[5], Leistungen an Arbeitnehmer[6] und steuerliche Posten[7], die durch andere Standards geregelt werden. Der Standard setzt enge Grenzen für die Bilanzierung von Sicherungsgeschäften, auch für wirtschaftlich wirksame Sicherungsgeschäfte.[8]

Vor Implementierung des IFRS 39 enthielten die IFRS kaum Vorschriften zur Bewertung von finanziellen Schulden oder zur Bilanzierung von Sicherungsgeschäften. Die Vorgaben im IAS 25[9] vor Inkrafttreten des IFRS 39 im Jahre 2001 zur Behandlung von Finanzinvestitionen waren sehr unterschiedliche interpretierbar, mit der Folge, dass dem zentralen Bereich der Finanzinstrumente uneinheitliche Bilanzierungspraktiken Anwendung fanden.[10]

Die in den IFRS enthaltenen Regelungen zu den Finanzinstrumenten sind weitgehend in Übereinstimmung mit den in den USA geltenden Rechnungslegungsgrundsätzen nach US-GAAP, obgleich letztere detaillierter gefasst sind. Mit bestimmten Ausnahmen, insbesondere auch in Bezug auf Anforderungen hinsichtlich der Klassifizierung von Schulden und Eigenkapital, erfüllt ein Unternehmen, das die US-GAAP-Regeln für Finanzinstrumente befolgt, auch die Bilanzierungs- und Bewertungsvorschriften nach IFRS. Umgekehrt ist dies nicht unbedingt der Fall. Unternehmen müssen hier bei einer Überleitung von IFRS auf US-GAAP einen detaillierten Vergleich auf der Grundlage ihrer spezifischen Transaktionen und Bedingungen vornehmen.[11]

Für Banken ergänzt der IFRS 39 den Standard IFRS 32. IFRS 32 regelt die Unterteilung von Finanzinstrumenten in Schulden oder Eigenkapital[12], die Saldierung von Vermögenswerten, Schulden und Angabepflichten zu Zins- und Ausfallrisiken sowie zu den beizulegenden Zeitwerten der bestehenden Finanzinstrumente, einschliesslich derivativer Finanzinstrumente, behandelt. IFRS 39 enthält zusätzliche Angabepflichten zu Risikomanagementstrategien, -zielen und -methoden sowie zu den verwendeten Bilanzierungs- und Bewertungsmethoden sowie den dabei getroffenen Annahmen.[13]

1.2 Ziele des IFRS 39

Das Hauptziel des IFRS 39 ist die vollständige Erfassung, korrekte Bewertung und vollständige Offenlegung von sämtlichen entscheidungsrelevanten Daten von Finanzinstrumenten im Rahmen eines Abschlusses nach den IFRS-Vorschriften unter Beachtung der den Finanzinstrumenten zugrunde liegenden Risiken sowie des IFRS-Hauptprinzips (overriding principle) der Vermittlung eines den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bildes der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage (true and fair view/fair presentation).[14] Dieses Prinzip geht inhaltlich sehr viel weiter als das gleich lautende Prinzip für Abschlüsse nach dHGB und nicht in Ausserbilanzpositionen.[15]

Das Ziel der vollständigen Erfassung von Finanzinstrumenten umfasst insbesondere die Erfassung von sämtlichen finanziellen Vermögenswerten und Derivaten in der Bilanz selbst.[16]

Eine korrekte Bewertung ist insbesondere vor dem Hintergrund der ständig steigenden Komplexität, die durch die ständigen Finanzinnovationen hervorgerufen wird und der enormen praktischen Bedeutung von Finanzinstrumenten ein zentrales Ziel des IFRS 39, da nur bei einer risikoadäquaten Bewertung eine solche geforderte fair presentation gewährleistet ist und der IFRS-Abschluss auch eine gewisse Aussagekraft für Entscheidungsträger sowie share- und stakeholder [17] im Bereich der Finanzinstrumente besitzt.[18]

Das Ziel der vollständigen Offenlegung soll die Transparenz im Zusammenhang mit den Finanzinstrumenten im Jahresabschluss fördern. Durch eine Offenlegung von wichtigen Daten soll insbesondere gewährleistet werden, dass Investoren mit den notwendigen Informationen versorgt werden, um entsprechende Investitionsentscheidungen treffen zu können.[19]

1.3 Anwendungsbereich des IFRS 39

IFRS 39 ist auf die folgenden finanziellen Vermögenswerte und Schulden anzuwenden[20]:

- Finanzinvestitionen: Börsennotierte und nicht börsennotierte Schuldtitel, börsennotierte Eigenkapitalinstrumente, nicht börsennotierte Eigenkapitalinstrumente;
- Ausgegebene und gekaufte bzw. übernommene Kredite;
- Rückkaufvereinbarungen, Wertpapierpensions- und Wertpapierleihegeschäfte;
- zu Handelszwecken gehaltene finanzielle Vermögenswerte;
- derivative Finanzinstrumente, unabhängig davon, ob diese zu Handelszwecken gehalten oder zu Sicherungszwecken abgeschlossen werden;
- Forderungen aus Lieferungen und Leistungen und sonstige Forderungen;
- Zahlungsmittel und Zahlungsmitteläquivalente;
- Schulden aus Handelsgeschäften: Short-Positionen und Derivate mit negativen beizulegenden Zeitwerten;
- Schulden aus Lieferungen und Leistungen und sonstige Schulden;
- kurz- und langfristige Bankkredite;
- ausgegebene Anleihen und Schuldverschreibungen.

Nicht monetäre Vermögenswerte wie Grundstücke und Gebäude, immaterielle Vermögenswerte, Vorräte und Vorauszahlungen sind keine Finanzinstrumente und fallen nicht unter den IFRS 39.[21]

Die eigenen Eigenkapitalinstrumente eines Unternehmens, einschliesslich eigener Aktien, emittierter bzw. gekaufter Optionen auf eigene Aktien und Bezugsrechte auf eigene Aktien, fallen auch nicht unter den Anwendungsbereich des IFRS 39.[22]

Wetterderivate fallen ebenfalls nicht in den Anwendungsbereich des IFRS 39, da sie versicherungsartige Verträge darstellen, die Zahlungen in Abhängigkeit von klimatischen oder geologischen Variablen vorsehen.[23]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Anwendungsbereich des IFRS 39[24]

Rechte und Verpflichtungen aus Versicherungsverträgen, die Zahlungen auf der Grundlage physischer Variablen erfordern, fallen des Weiteren nicht unter den Anwendungsbereich des Standards. Im Rahmen dieser Verträge basiert die Zahlung üblicherweise auf der Höhe des vom Unternehmen erlittenen Verlustes. Wäre dies nicht der Fall, dann könnten die Verträge als Derivate klassifiziert werden.[25]

Garantieverträge für die Nichterfüllung einer bestimmten Partei, einschliesslich Akkreditive und Gewährleistungspflichten, werden nicht durch den IFRS 39 behandelt. Andere Garantien, die sich auf ein Basisobjekt wie einen Preis oder Index beziehen, sind Derivate, auf die der Standard anzuwenden ist.[26]

Auch wenn Warenterminverträge nach IFRS 39 grundsätzlich nicht in den Anwendungsbereich fallen, ist der Standard auf Warenterminverträge anzuwenden, wenn der Warenterminkontrakt beiden Parteien das Recht zur Begleichung durch Zahlungsmittel oder andere Finanzinstrumente einräumt.[27] Hiervon sind jedoch wieder Warenterminverträge ausgenommen, die nicht durch Zahlungsmittel beglichen werden können oder, die vom Unternehmen zur Abdeckung des erwarteten Einkaufs-, Verkaufs- oder Nutzungsbedarfs eingegangen wurden und diesem Bedarf auch zukünftig entsprechen, die von Beginn an für diesen Zweck vorgesehen waren und die voraussichtlich durch physische Erfüllung beglichen werden. Erfolgt jedoch kontinuierlich ein Nettoausgleich, fordert IGC 14-2 eine Behandlung als Derivat. Die vorstehenden Regeln gelten nach IFRS 39.14 nicht ausschliesslich für Warenterminverträge, sondern grundsätzlich für alle Terminkäufe bzw. -verkäufe von nicht-finanziellen Vermögensgegenständen und Schulden, wie bspw. auch für Terminkäufe von Immobilien.[28]

1.4 Definitionen nach IFRS 39

Der Begriff „Finanzinstrumente“ ist der zentrale Begriff im Rahmen des IFRS 39, da dieser spezielle Standard für eben solche Finanzinstrumente implementiert worden und nur für diese anzuwenden ist. Ein Finanzinstrument gemäss IFRS 39 kann originären, derivativen oder hybriden Charakter besitzen und es dient direkt oder indirekt dem Austausch von Zahlungsmitteln.[29] IFRS 39.8 definiert ein Finanzinstrument als eine „vertragliche Vereinbarung, die gleichzeitig bei einem Unternehmen zur Entstehung eines finanziellen Vermögenswerts (financial asset) und bei einem anderen Unternehmen zur Entstehung einer finanziellen Verpflichtung (financial liability) oder eines Eigenkapitalinstruments (equity instrument) führt“[30].

IFRS 39.8 subsumiert somit unter den Begriff „Finanzinstrument“ sämtliche finanzielle Vermögenswerte, finanzielle Verpflichtungen und Eigenkapitalinstrumente anderer Unternehmen.

Als finanzielle Vermögenswerte gelten

- Barmittel,
- vertragliche Rechte, flüssige Mittel oder andere Vermögenswerte von einem anderen Unternehmen zu erhalten, bspw. Anleihen,
- das Recht, Finanzinstrumente mit anderen Unternehmen unter potentiell vorteilhaften Bedingungen austauschen zu können, bspw. gekaufte Optionen,
- ein als Aktivum gehaltenes Eigenkapitalinstrument eines anderen Unternehmens.

Als finanzielle Verpflichtungen gelten jede vertraglichen Verpflichtungen

- flüssige Mittel oder andere finanzielle Vermögenswerte an ein anderes Unternehmen abzugeben, bspw. Schuldverschreibungen, oder
- Finanzinstrumente mit einem anderen Unternehmen unter potentiell nachteiligen Bedingungen austauschen zu müssen, bspw. Stillhalterpositionen bei Optionen.

Eigenkapitalinstrumente basieren gemäss der IFRS-Definition auf vertraglichen Vereinbarungen, die einen Residualanspruch an den Vermögenswerten eines Unternehmens nach Abzug aller Schulden begründen.[31]

Da auch derivative Finanzinstrumente gemäss den Regeln des IFRS 39 zu bilanzieren sind, ist die IFRS-Definition des Begriffs „Derivat“ ebenfalls von Bedeutung: Als Derivat gelten sämtliche Finanzinstrumente, deren Wert in Abhängigkeit von einem Basiswert (underlying) schwankt, die keine oder nur geringe Anfangsinvestitionen erfordern[32] und die in der Zukunft abgewickelt bzw. erfüllt werden.[33]

Hybride Instrumente bestehen aus einer Kombination von originären Instrumenten und eingebundenen Derivaten.[34]

1.5 Abgrenzung zu anderen Rechnungslegungsstandards

Wesentliche Unterschiede hinsichtlich der Bilanzierung von Finanzinstrumenten gemäss IFRS 39 im Vergleich zu traditionellen Bilanzierungs- und Bewertungsmethoden – bspw. nach dem deutschen bzw. österreichischem Handelsgesetzbuch oder den schweizerischen FER-Standards – lassen sich folgendermassen zusammenfassen[35]:

- Sämtliche derivativen Finanzinstrumente werden in der Bilanz erfasst und grundsätzlich zum beizulegenden Zeitwert (fair value) fortlaufend bewertet.
- Gewinne und Verluste aus Änderungen des beizulegenden Zeitwerts von derivativen Finanzinstrumenten und – wie nach derzeitiger Praxis – von zu Handelszwecken gehaltenen Vermögenswerten und Schulden werden zum Bilanzstichtag erfolgswirksam in der Gewinn- und Verlustrechnung erfasst, sofern nicht die strengen Kriterien zur Wirksamkeit einer hedge accounting -Beziehung erfüllt ist bzw. kompensierende Wirkungen bei einer Absicherung des beizulegenden Zeitwertes vorliegen.[36]
- Die meisten Anlagen in Eigenkapitalinstrumenten sowie häufig Forderungen, die im Regelfall zu historischen oder fortgeführten Anschaffungskosten ausgewiesen wurden, werden nach IFRS 39 zum beizulegenden Zeitwert bewertet. Ausnahmen hierzu bilden bis zur Endfälligkeit zu haltende Instrumente, wobei diese Kategorie einer sehr eng gefassten Definition unterliegt und vom Unternehmen ausgereichte originäre Darlehen und Forderungen.
- Für Gewinne und Verluste aus der zum beizulegenden Zeitwert erfolgenden Bewertung von Finanzinstrumenten der Kategorie available-for-sale besteht ein einmaliges Wahlrecht zwischen der sofortigen Einbeziehung in das Periodenergebnis und der ergebnisneutralen Erfassung in der Neubewertungsrücklage im Eigenkapital bis das zugrunde liegende Finanzinstrument veräussert wird.
- Die Ausbuchung von finanziellen Vermögenswerten und Schulden im Sinne eines Abgangs aus der Bilanz, bspw. im Rahmen von Pensionsgeschäften, Wertpapierleihetransaktionen und der Verbriefung von Vermögenswerten, unterliegt strengen Anforderungen, die sicherstellen sollen, dass eine Ausbuchung nur dann erfolgt, wenn die Verfügungsmacht über die Vermögenswerte effektiv übertragen wird und die Entbindung von der ursprünglichen Verpflichtung ohne Rückgriffsmöglichkeit rechtlich wirksam ist. Zusammen mit den IFRS-Regelungen zur Konsolidierung von Zweckgesellschaften[37] besteht im IFRS-Regelwerk die Möglichkeit zur Einschränkung von Konstruktionen zur Auslagerung von Risikoaktiva bzw. Schulden.[38]

2. Erfassung und Darstellung bankspezifischer Risiken nach IFRS

2.1 Überblick

Die korrekte und vollumfängliche bilanzielle Erfassung, Bewertung und Offenlegung von bankspezifischen Risiken ist gerade für die Investoren von Banken von enormer Bedeutung, da diese Risiken für die Banken existenzgefährdende Ausmasse annahmen können und bei falschen bzw. mangelnden Angaben es zu gravierenden Fehlentscheidungen auf Seiten der Investoren kommen kann. Die speziellen Regelungen für bilanzielle Behandlung von bankspezifischen Risiken finden sich im IFRS 30 sowie im IFRS 32.[39]

Von besonderer Bedeutung für Banken sind die Kredit- bzw. Ausfallrisiken, die Zinsrisiken und die Währungsrisiken.[40]

Die Behandlung von weiteren bankspezifischen Risiken, bspw. das allgemeine Risiken aus der Tätigkeit als Kreditinstitut, Länderrisiken oder operationelle Risiken, spielt im Rahmen von IFRS eine tendenziell untergeordnete Rolle. Die Bildung von bankspezifischen stillen Reserven, die nach Art. 340 f. dHGB erlaubt sind, ist nicht zulässig.[41] Die Bildung offener bankspezifischer Reserven ist unter Restriktionen für Kreditrisiken und zur Absicherung gegen die allgemeinen Risiken der Tätigkeit eines Kreditinstituts möglich. Die Bildung solcher Reserven haben im Rahmen der Gewinnverteilung zu erfolgen und nicht erfolgswirksam, um so eine Verzerrung der Darstellung der Ertragslage zu vermeiden. Somit stellt eine Auflösung dieses Postens keinen Ertrag dar, sondern erhöht die Gewinnrücklagen.[42]

Die Darstellung von bestehenden Marktpreisrisiken stellt ebenfalls kein zentraler Problembereich der IFRS-Bilanzierung dar, da IFRS dem Grundsatz der fair value -Bewertung folgt und so die Finanzinstrumente grundsätzlich zu ihrem jeweiligen Zeitwert zu bilanzieren sind sowie IFRS keine besonderen Offenlegungspflichten für Marktpreisrisiken vorsieht.[43]

2.2 Kreditrisiken

Kredit- bzw. Ausfallrisiken gehören zu den grundlegenden Risiken für Banken. IFRS definiert explizit den Begriff des „Ausfallrisikos“: „Das Ausfallrisiko ergibt sich aus der Gefahr, dass ein Vertragspartner bei einem Geschäft über ein Finanzinstrument seinen Verpflichtungen nicht nachkommen kann und dadurch bei dem anderen Partner finanzielle Verluste verursacht.“[44] Aufgrund der sehr grossen Bedeutung von Ausfallrisiken müssen diese korrekt durch die IFRS-Jahresrechnung widergespiegelt werden und insbesondere umfangreiche Offenlegungspflichten beachtet werden.[45]

Gemäss IFRS 30 müssen Banken durch die Dotierung von Wertberichtigungen und Direktabschreibungen Risikovorsorge für akute und latente Kreditrisiken zu bilden. IFRS verwendet dabei den Begriff „Verluste aus dem Kreditgeschäft“, der Synonym mit dem (traditionellen) Begriff „Risikovorsorge im Kreditgeschäft“ zu verstehen ist.[46]

IFRS unterscheidet – wie auch das deutsche Handelsrecht – zwischen einzeln identifizierbaren Risiken, denen durch Einzelwertberichtigungen und Länderwertberichtigungen bzw. Direktabschreibungen Rechnung getragen werden muss und den nicht einzeln identifizierbaren Risiken, denen durch Pauschalwertberichtigungen oder pauschalierten Einzelwertberichtigungen für ein Portfolio gleichartiger finanzieller Vermögenswerte im Massengeschäft entsprochen wird. Im Gegensatz zu den deutschen Rechnungslegungsvorschriften erlaubt IFRS 30 lediglich die Bildung offener Reserven; die Bildung stiller, für den Bilanzleser nicht ersichtlicher Reserven ist explizit in IFRS 30.52 verboten, da dies mit dem Grundsatz der fair presentation unvereinbar ist.[47]

Für die Kreditrisiken bestehen umfangreiche Offenlegungspflichten. Der Bilanzierende hat für jede Klasse von Finanzinstrumenten[48] folgende Informationen hinsichtlich der Ausfallrisiken offen zu legen:

- Der Betrag, der am Besten das maximale Ausfallrisiko – ohne Berücksichtigung der Zeitwerte von Sicherheiten – widerspiegelt, dem das bilanzierende Unternehmen am Bilanzstichtag ausgesetzt ist, wenn die Gegenpartei ihren Verpflichtungen nicht nachkommen, und
- Angaben über wesentliche Ausfallrisikokonzentrationen, den sog. Klumpenrisiken.[49]

Bei der Ermittlung des maximalen Ausfallrisikos sind die gestellten Sicherheiten nicht zu berücksichtigen, sondern getrennt zu bilanzieren und auszuweisen, um so die Anwendung einer einheitlichen und konsistenten Methode zur Messung der Kreditrisiken zu gewährleisten.[50] Die Angabe von Ausfallwahrscheinlichkeiten ist nicht gefordert.[51] Im Anhang sind zudem umfassende Angaben zu den Ausfallrisiken sowie den Schuldnern und Art der Forderungen durch Bildung von verschiedenen Klassen notwendig.[52] Durch die Übernahme von Garantien und Bürgschaften, bspw. im Rahmen der Verbriefung von Bilanzaktiva, ist das bilanzierende Unternehmen einem zu bewertenden und offen zu legenden Ausfallrisiko ausgesetzt. IFRS 32.73 nennt hierfür als Beispiel Verbriefungs-Transaktionen, bei denen der Bilanzierende weiterhin das Adressenausfallrisiko trägt, bspw. wenn Rückgriffsvereinbarungen mit der der Zweckgesellschaft[53], vereinbart worden sind.[54]

Konzentrationen des Kreditausfallsrisikos sind im Anhang offen zu legen. Solche Klumpenrisiken können aus Geschäftsbeziehungen zu einzelnen Kreditnehmern oder homogenen Gruppen von Kreditnehmern mit ähnlichen Merkmalen, der gleichen regionalen Herkunft oder aus gleichen und/oder verwandten Branchen resultieren.[55]

Die Bemessung der Risikovorsorge obliegt dem Management. IFRS 39 spezifiziert die Berechnungsmethode für die Höhe der Wertberichtigungen genau. Vom Bilanzierenden ist zum Bilanzstichtag zunächst zu überprüfen, ob Wertminderungen (impairment) für einzelne oder ein Portfolio von Vermögenswerten vorliegen. Bestehen Anzeichen von Wertminderungen, dann ist ein sog. impairment test durchzuführen. Eine Wertminderung liegt immer dann vor, wenn der voraussichtlich einbringliche Betrag eines finanziellen Vermögenswertes niedriger ist als der jeweilige Buchwert. Gemäss IFRS 39.110 bestehen verschiedene Indikatoren, die eine Wertminderung als wahrscheinlich erachten lassen: Finanzielle Schwierigkeiten des Emittenten, Vertragsbruch, Zugeständnisse von Seiten des Kreditgebers, Konkurs, bereits bilanzierte Wertminderungen in den Vorperioden, das Verschwinden eines aktiven Marktes, Erfahrungen im Rahmen des Forderungseinzuges, verspätete oder kompletter Ausfall der Tilgung, etc. Der Buchwert ist um den nicht einbringlichen Betrag zu kürzen. Grundsätzlich sind Wertberichtigungen auf Einzelbasis durchzuführen; im Massengeschäft sind jedoch auch pauschale Wertberichtigungen für ganze Gruppen an Risikoaktiva aufgrund eines spezifischen Anlasses möglich. Die Möglichkeit zur Bildung von Pauschalwertberichtigungen[56], die nicht zu verwechseln sind mit den pauschalierten Wertberichtigungen im Massengeschäft da diese nicht auf statistischen Daten beruhen, sondern auf konkreten Anlässen, ist explizit erlaubt, sofern die Pauschalwertberichtigung auf fundierten Annahmen beruht.[57]

Im Anhang besteht die Pflicht zur Offenlegung der Entwicklung der Risikovorsorge zwischen den jeweiligen Bilanzstichtagen in Form eines Risikovorsorgespiegels.[58]

2.3 Zinsrisiken

Nach IFRS 32 hat der Bilanzierende über Zinsrisiken, denen Finanzinstrumente unterliegen, zu berichten. Eine solche Offenlegung soll es dem Bilanzleser erleichtern, Beträge, Zeitpunkt und Wahrscheinlichkeit von Cash-Flows sowie den Umfang der Zinsrisiken, abzuschätzen.[59]

IFRS 32.57 unterscheidet die Zinsrisiken in Cash Flow-Risiken und Preis-Risiken. Änderungen der Marktzinssätze können direkte Auswirkungen auf die vertraglich vereinbarten Zahlungsströme, bspw. bei variabel verzinslichen Wertpapieren, von Finanzinstrumenten (cash flow risk) oder auf den fair value (price risk) von Finanzinstrumenten, bspw. bei festverzinslichen Finanzinstrumenten, haben.

Für jede Kategorie von Finanzinstrumenten[60] sind Angaben zum Umfang des Zinsrisikos, zu den vertraglich vereinbarten Fälligkeitsterminen mittels der Bildung von Restlaufzeitbändern, zu den Zinsanpassungsterminen bei variabel verzinslichen Wertpapieren sowie zu den Effektivzinssätzen zu tätigen, wobei die Darstellung der Zinsrisiken sich nach den Fälligkeitsterminen oder gegebenenfalls nach den Zinsanpassungsterminen zu richten hat. Dabei sind Daten für beide IFRS-Kategorien für Zinsrisiken, das bedeutet für cash flow risks und price risks, offen zu legen. Die Angabe von Restlaufzeitbändern ermöglicht es dem Bilanzleser die Volumina von Risikoaktiva, die einem Zinsrisiko ausgesetzt sind, den jeweiligen Laufzeiten zuzuordnen. Die Angabe von Effektivzinssätzen soll dem Investor die Möglichkeit geben, die Höhe der vereinbarten Zinssätze für die jeweilige Risikoaktiva-Kategorie und für die jeweilige Laufzeit abzuschätzen.[61]

2.4 Währungsrisiken

Währungsrisiken bestehen darin, dass sich der Wert eines Finanzinstrumentes aufgrund von Wechselkursschwankungen verändert.[62]

Sämtliche in Fremdwährung abgeschlossenen Transaktionen, die einem Währungsrisiko unterliegen, sind im Rahmen der Zugangsbewertung in die Berichtswährung zum historischen Kurs, der zum Zugangszeitpunkt gegolten hat, umzurechnen. Ein Fremdwährungsposten ist zum Ende der Periode seines Zugangs sowie zum Ende sämtlicher Folgeperioden erneut in die Berichtswährung umzurechnen, wobei sich die bilanzielle Behandlung danach richtet, ob es sich um monetäre Posten oder um nicht monetäre Posten handelt. Monetär sind Barreserven, Forderungen, verzinsliche Wertpapiere, Derivate, latente Ertragssteueransprüche, Verbindlichkeiten, Rückstellungen sowie latente Ertragssteuerverbindlichkeiten. Nicht monetär sind erworbene Eigenkapitalinstrumente, immaterielle Vermögensgegenstände, Abgrenzungsposten sowie das Eigenkapital der Bank. Die Umrechnung hat für monetäre Posten anhand des am Bilanzstichtag gültigen Stichtagskurses zu erfolgen. Für nicht monetäre Posten, die zum fair value bewertet werden ist der Kurs entscheidend, der zum Zeitpunkt der Bewertung massgeblich war bzw. ist. Für nicht monetäre Posten, die zu fortgeführten Anschaffungskosten angesetzt sind, erfolgt die Bewertung anhand des historischen Kurses. Bei der Bewertung ist zuerst die Bewertung des Postens in Fremdwährung vorzunehmen und erst danach die Währungsumrechnung zu tätigen. Sämtliche Währungsumrechnungsdifferenzen, sofern sie nicht auf ein wirksames hedge -Geschäft zurückgehen, sind erfolgswirksam zu verbuchen.[63]

[...]


[1] Vgl. IFRS 39.171

[2] Vgl. PwC (2000), S. 7 f.

[3] Vgl. Pape/Breker (1999), S. 1 ff.

[4] Vgl. IFRS 24 und IFRS 31 (Joint Ventures)

[5] Vgl. IFRS 17

[6] Vgl. IFRS 19

[7] Vgl. IFRS 12

[8] Vgl. Kapitel 6 Hedge Accounting

[9] Später: IFRS 25

[10] Vgl. Krumnow (1996), S. 396 ff.

[11] Vgl. PwC (2000), S. 11

[12] Einschliesslich der getrennten Bilanzierung, dem sog. split accounting, von zusammengesetzten Instrumenten bzw. strukturierten Produkten mit sowohl Eigenkapital wie auch Fremdkapital-Komponenten.

[13] Vgl. IFRS 39.1- IFRS 39.10

[14] Vgl. IFRS 39.Introduction

[15] Vgl. Pellens (1999), S. 25 ff.

[16] Vgl. Pape/Breker (1999), S. 4 f.

[17] Vgl. IFRS 1 (vormals IAS 1) 1.10-1.18

[18] Vgl. Scharpf (2001), S. 36 f.

[19] Vgl. für Banken IFRS 32

[20] Vgl. IFRS 39.1, vgl. Krumnow (1996), S. 396 ff. und vgl. Scharpf (2001), S. 31

[21] Vgl. Scharpf (2001), S. 34

[22] Vgl. IFRS 32

[23] Reichel/Kütter/Bedau (2001), S. 54

[24] PwC (2000), S. 15

[25] Das IFRSC arbeitet derzeit an einem eigenen Standard für Versicherungskontrakte. Vgl. Reichel/Küttner/Bedau (2001), S. 55

[26] Vgl. Scharpf (2001), S. 68

[27] Vgl. IFRS 39.6

[28] Vgl. IGC 14-3

[29] Vgl. IFRS 32.9

[30] IFRS 39.8

[31] Vgl. IFRS 39.8 und IFRS 39.1

[32] Die IGC-Stellungnahmen 10-3, 10-4-a und 10-10 konkretisieren das Kriterium „keine oder nur eine geringe Anfangsinvestition“: Zins- und Währungsswaps mit Ausgleichszahlungen zu Beginn und/oder zum Ende der Laufzeit gelten trotz der Liquiditätsflüsse als Derivate. Optionen gelten auch als Derivate, jedoch mit der Ausnahme, dass eine Call-Option, die „tief im Geld“ ist und die bezahlte Prämie annährend dem Wert des Basisinstruments entspricht nicht als Derivat gilt.

[33] Vgl. IFRS 39.10

[34] IFRS 39.22 und IFRS 39.23

[35] Vgl. dazu ausführlich Achleitner/Behr (2002), S. 33 ff., vgl. Reichel/Kütter/Bedau (2001), S. 67-98 und Vgl. Kapitel 6 Hedge Accounting

[36] Vgl. Kapitel 6 Hedge Accounting

[37] Vgl. SIC 12

[38] Vgl. hierzu detailliert: Kapitel 3.5 Abgang und Ausbuchung

[39] Vgl. Reichel/Kütter/Bedau (2001), S. 102 ff.

[40] Vgl. Scharpf (2000), S. 630

[41] Vgl. IFRS 30.52

[42] Vgl. IFRS 30.50, IFRS 30.50 und IFRS 30.44

[43] Vgl. PwC (2002), S. 704 und vgl. IFRS 32.43

[44] IFRS 32.42 (b)

[45] Vgl. Scharpf (2000), S. 629 ff.

[46] Vgl. Scharpf (2001), S. 39

[47] Vgl. Reichel/Kütter/Bedau (2001), S. 117 ff.

[48] Vgl. Kapitel 3.1 Kategorien von Finanzinstrumenten

[49] Vgl. IFRS 32.66

[50] Vgl. IFRS 32.66

[51] Vgl. IFRS 32.68

[52] Vgl. hierzu ausführlich: PwC (2002), S. 149

[53] Engl.: special purpose vehicle

[54] Vgl. Scharpf (2001), S. 201

[55] Vgl. Pellens (1999), S. 58

[56] Beispiel: Länderwertberichtigungen bei politischen Unruhen

[57] Vgl. IFRS 30.44, IFRS 30.45, IFRS 39.112, IGC 111-3 und IGC 112-1

[58] Vgl. IFRS 30.42

[59] Vgl. PwC (2002), S. 156 ff.

[60] Vgl. Kapitel 3.1 Kategorien von Finanzinstrumenten

[61] Vgl. IFRS 32.1, IFRS 32.56, IFRS 32.64 und IFRS 32.56

[62] Vgl. IFRS 21.1

[63] Vgl. IFRS 21.8, IFRS 21.9, IFRS 21.7 und IFRS 21.15

Ende der Leseprobe aus 69 Seiten

Details

Titel
Finanzinstrumente und IFRS 39
Hochschule
Hochschule Liechtenstein  (Institut für Finanzdienstleistungen)
Veranstaltung
Seminar Betriebswirtschaftslehre
Note
Sehr gut
Autor
Jahr
2004
Seiten
69
Katalognummer
V28431
ISBN (eBook)
9783638302142
ISBN (Buch)
9783638734707
Dateigröße
982 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Finanzinstrumente, IFRS, Seminar, Betriebswirtschaftslehre
Arbeit zitieren
Rainer Hepberger (Autor:in), 2004, Finanzinstrumente und IFRS 39, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/28431

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