Wahrheit und Fiktion. Die Ereignisse vor der Meiji-Restauration in "Ryoma ga yuku" von Shiba Ryotaro

Anhand eines Vergleichs mit Jansens historiographischem Werk und dem rekishi bzw. gakushu manga


Hausarbeit (Hauptseminar), 2014

18 Seiten


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Historiographische Grundlage

3. Vergleich zwischen historiographischem Werk, Roman und Manga
3.1 Vergleich zwischen historiographischem Werk und historischem Roman
3.2 Vergleich zwischen historiographischem Werk und rekishi manga sowie gakushū manga

4. Zusammenfassender Darstellungsvergleich zwischen historiographischem Werk, historischem Roman und rekishi/gakushū manga

5. Fazit

6. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Zu den Ereignissen kurz vor der Meiji-Restauration und zu Sakamoto Ryōmas Beiträgen zu dieser gibt es heute zahlreiche Nacherzählungen in modernen Romanen und Filmen. Der Wahrheitsgehalt dieser Erzählungen ist allerdings meist nur zum Teil erhalten und in modernen Werken wird vielmehr der Schwerpunkt darauf gelegt, die Atmosphäre der damaligen Zeit aufzugreifen als wahrheitsgetreu historische Fakten wiederzugeben. Das Ziel dieser Arbeit soll sein, wahre und fiktive Ereignisse durch Vergleich zwischen Shiba Ryōtarōs historischem Roman und Marius B. Jansens historiographischem Werk voneinander zu trennen. Dabei soll zusätzlich die Darstellungsart verglichen werden und eine Antwort auf die Frage gegeben werden, ob und inwiefern sich die Werke inhaltlich voneinander unterscheiden. Hinzugezogen wird außerdem noch das Medium des Manga, nämlich das des gakushū und des rekishi manga um auch bei diesem die Darstellungsweisen und den Realitätsgehalt vergleichend zu den eben genannten Werken zu analysieren.

2. Historiographische Grundlage

Vorerst sollen im Folgenden die historischen Begebenheiten zu der Zeit kurz vor der Meiji-Restauration beschrieben werden um die Grundlage für ein besseres Verständnis der Situation damals zu erschaffen. Für diesen Zweck wird Jansens[1] Werk „Sakamoto Ryōma and the Meiji restoration“ hinzugezogen. In diesem Werk werden hauptsächlich historische Fakten aufgezählt, die gelegentlich durch überlieferte Briefe von Sakamoto Ryōma an seine Angehörigen und Freunde belegt werden.

Die Gefahr für Japan von außerhalb beginnt laut Jansen (1966: 24) damit, dass 1853 Commodore Perrys schwarze Schiffe in Japan ankommen und die Japaner unsicher sind, wie sie darauf reagieren sollen. Es kommen zusätzlich weitere westliche Einflüsse ins Land, viel mehr als zuvor durch Verbreitung der westlichen Bräuche und Lebensweisen. Im Tosa Gebiet (in der heutigen Präfektur Kōchi gelegen), bildete sich daraufhin eine Gruppe von Samurai (die „Tosa Loyalist Party“), die es sich zum höchsten Ziel machte, den Shogun zu stürzen und den Tennō wieder an die Macht zu bringen. Passend dazu wird Sakamoto Ryōma aus einem seiner überlieferten Briefe, in dem seine abwertende Haltung gegenüber den Daimyō und dem Shogun sowie sein Glaube an die Rückgabe der Macht an den Tennō zum Ausdruck gebracht werden, zitiert:

The daimyō … do not understand the idea of returning the Emperor to a position of power, and yet it is the thing that needs most to be done. What, then, are men of low rank to do to ease his Majesty’s mind? You know that one should hold the Imperial Court more dear than one’s country and more dear than one’s parents. The idea that in times like these it is a violation of your proper duty to put your relatives second, your hand second, to leave your mother, wife, and children – this is certainly a notion that comes from our stupid officials… (Sakamoto Ryōma zit. nach Jansen 1966: 40)

Einige Jahre nach Sakamoto Ryōmas Eintritt in die „Tosa Loyalist Party“ kommt es 1866 dazu, dass Sakamoto es schafft, die lange verfeindeten Regionen Satsuma und Chōshū zu einigen und die Feindschaft wird damit beendet. Außerdem wird der Handel zwischen den Regionen begonnen. Obwohl die Einigung im Verborgenen geschieht, wird Sakamoto zum Rōnin und wenig später als Feind des Shogunats verfolgt (Jansen: 220-223). Im selben Jahr kommt es zum berühmten Attentat im Teradaya, das oft in Filmen und in der Literatur nachgestellt wird: Sakamoto Ryōma und sein Begleiter Miyoshi Shinzō übernachten in einem Gasthaus in Kyoto; sie werden von der dort angestellten Oryō geweckt und rechtzeitig über den Angriff auf sie informiert, so dass sie entkommen können. Allerdings trägt Sakamoto Verletzungen an den Händen davon. Oryō und Sakamoto Ryōma, der von dem Einsatz der Teradaya-Angestellten begeistert ist, heiraten kurz darauf und ihre Hochzeitsreise geht nach Satsuma (in der heutigen Präfektur Kagoshima gelegen), um die heißen Quellen zu besuchen da Saigō, ein Mitstreiter Sakamotos, der dem Verwundeten einen Arzt bereitstellt, ebenfalls nach Satsuma aufbricht (Jansen 1966: 228-231). Es wird an dieser Stelle erwähnt, dass Saigō Satsuma wieder verlässt und Oryō und Ryōma noch eine Weile dort bleiben: „Sakamoto and his bride, however, had a restful stay which served as honeymoon and recuperation from his Teradaya wounds. […] Sakamoto’s letters to his sister tell of his enjoyment of the Kirishima hot spring, of mountain hikes, and of new sights and places“. (Jansen 1966: 231)

Es wird außerdem die von Gotō Shōjirō geleitete Organisation Kaiseikan erwähnt, in der beispielsweise Schifffahrtswege erforscht, Waren hergestellt und Waren wie Schiffe und Waffen aus dem Ausland gekauft werden. Die Verantwortung für diese Organisation wird nach dem Zusammentreffen und einem intensiven Gespräch zwischen Gotō und Sakamoto – zu dem es keine überlieferten Quellen gibt – an letzteren übergeben und er benennt die Organisation in Kaientai um. Die Aufgaben innerhalb des Kaientai werden später zunehmend ausgeweitet (Jansen 1966: 265-268).

3. Vergleich zwischen historiographischem Werk, Roman und Manga

Nun da die historischen Begebenheiten in Kapitel 2 dargelegt wurden, soll ein Vergleich zwischen Jansens Werk und den Werken von Shiba und Kurogane stattfinden. Der Vergleich soll vor allem auf die verschiedenen Arten der Darstellung und die inhaltlichen Unterschiede eingehen. Zum Analyseverfahren hinzugezogen wird auch das Werk von Meyer (2006) um die Werke auf die Disposition der Erzählinstanz, Erzählmodi und Erzähltechniken, den Anteil der Fiktionalisierung, die Selektionsstruktur und die Relationen zu Erkenntnissen der wissenschaftlichen Historiographie zu untersuchen.

3.1 Vergleich zwischen historiographischem Werk und historischem Roman

Es gibt bei Jansen einen neutralen Erzähler mit einer Identität, nämlich ihn selbst, und wie bereits in den vorherigen Kapiteln erwähnt, beschränkt sich das Buch ausschließlich auf die Aufzählung von wahren Ereignissen, für die oft Sakamotos Briefe als wissenschaftliche Belege dienen. Alle anderen aufgezählten Ereignisse, die nicht durch überlieferte Briefe belegt werden können, werden fortlaufend durch andere wissenschaftliche Quellenverweise belegt. Im starken Kontrast zu dem Roman von Shiba gibt es einen Verzicht auf direkte Figurenreden und Monologe, was den Text wissenschaftlich-faktisch erscheinen lässt. Um den Gegensatz genauer darzustellen, soll im Folgenden dieselbe historische Szene sowohl in Shibas als auch in Jansens Werk aufgezeigt werden. In dieser Szene geht es darum, dass Gotō und Sakamoto sich das erste Mal treffen und ein Gespräch führen. In Shibas (2005a: 186-189) Werk ist die Szene so dargestellt, dass die zwei Männer unter sich über die Zukunft Japans reden.

„Ich habe Größeres vor.“

„Was denn?“

„Sobald sich die Situation in Japan beruhigt hat, möchte ich das Land verlassen und mit einer Flotte den Pazifik und den Atlantik befahren, um Handel mit der ganzen Welt zu treiben.“

„Wie?“

Gotō riss die Augen weit auf. Niemals hätte er es für möglich gehalten, dass ein junger Mann in Japan einen dermaßen kolossalen Traum hegen würde. (Shiba 2005a: 188)[2]

Hinzugezogen wird die von Jansen beschriebene Szene:

Mizobuchi had told Sakamoto about Gotō’s plans for naval expansion, and now he could tell Gotō about Sakamoto’s plans for maritime profits. Through Mizobuchi, then, Sakamoto met Gotō early in 1867 in a Nagasaki house of pleasure. Gotō had wisely provided sake, Mizobuchi, and one other guest, and, in addition, Sakamoto’s current favorite from the licensed quarter. Unfortunately, neither has given a full account of the discussion that took place over the sake cups. […] Then, after the talk, he expressed his astonishment and gratification that Gotō, who might after all have looked upon Sakamoto as an enemy of long standing, had not said a single word about the past. Instead they talked only about the big issues. (Jansen 1966: 265-266)

Auffallend sind hier nicht nur die bereits zuvor beschriebenen Darstellungstechniken, sondern auch die voneinander abweichenden szenischen Unterschiede. Während Gotō Sakamoto in Shiba Ryōtarōs Roman noch bittet, leiser über seine Absichten zu reden (Shiba 2005a: 189), ist es fast undenkbar, dass Gotō dies zu Sakamoto gesagt hätte während sie sich, wie von Jansen (1966: 265-266) beschrieben, in einem Freudenhaus trafen, und außerdem noch mit anderen Gästen Sake tranken. In Shibas Darstellung von dem laut Jansen eigentlich nicht überlieferten Gespräch im Freudenhaus werden Figurenreden detailliert ausgearbeitet und Gotōs Monolog und seine Gedanken über Sakamoto werden ausführlich geschildert. Auf die gleiche Weise beschreibt Shiba (2005a: 315-316) auch in anderen Abschnitten die Monologe anderer Personen, so dass ein auktorialer Erzähler nicht auszuschließen ist. Im Folgenden wird der Gedankengang von Saigō Takamori geschildert. Dabei ist zusätzlich zu erkennen, dass inhaltlich auf ein im Verlauf der Geschichte folgendes schicksalhaftes Ereignis hingedeutet wird:

Saigō, der all das überdachte, vermutete „ – Alles ist ein Plan des Himmels.“, dass es die Gnade eines höheren Wesens war, die er erhalten hatte. Der Himmel hatte, um Saigōs Leben zu bewahren, um darüber hinaus dieses Leben dafür zu verwenden eine Wirkung in der Geschichte zu erzielen, das Schicksal seiner Verbannung auf die Insel verursacht. (Shiba 2005a: 315-316; Übers. d. Verf.)

Zudem werden über Sakamoto Ryōma Aussagen gemacht, die auf die Gegenwart des Lesers Einfluss nehmen: „Man kann sagen, dass der Anfang dieses Brauchs in Japan von diesem Mann ausging“ (Shiba 2005a: 316; Übers. d. Verf.). Nach den Kriterien von Meyer (2006) lässt sich aus all dem schließen, dass es eine Nicht-Identität von Autor und Erzähler gibt und fiktive Figurenreden sowie innere Monologe zahlreich vorhanden sind.

Allerdings lassen sich in Shibas Roman auch Widersprüche für diese Annahme finden. Denn es gibt im selben Werk auch einen Erzähler mit einer Identität, nämlich der des Autors. Shiba Ryōtarō macht sich selbst zum Helden seines Romans und erzählt über seine eigenen Erlebnisse, wodurch reale Gegenwartsbezüge gebildet werden. Er erzählt, wie er selbst zu den heißen Quellen in Kagoshima reist, zu denen auch Sakamoto Ryōma und seine Frau reisten:

Es gibt einen Ort mit dem Namen „Shiohitashi“. Heutzutage scheint das durch Vereinigung einiger Städte und Dörfer genannte Makizonochō einer Kommune anzugehören. Also brach ich nach Kagoshima auf, und als ich zwei, drei am Flughafen getroffene Bekannte fragte „Wie weit ist es von hier zum Shiohitashi-Onsen?“, sahen mich alle verwundert an. Von so einem Ort hätten sie noch nie gehört, sagten sie. (Shiba 2005b: 319)

Durch Shiba Ryōtarōs Auftauchen in dem Roman ist das Werk als fiktional mit eindeutigen Realitätsbezügen einzuordnen. Nicht nur die historischen Ereignisse sind zu einem großen Teil richtig dargestellt, auch bei der Erzählung des Autors von seinen eigenen Erlebnissen, in denen er in der Gegenwart an einen Ort aus der Vergangenheit reist, handelt es sich um faktisch-reale Ereignisse.

[...]


[1] Marius Berthus Jansen, Professor für japanische Geschichte an der Princeton Universität (Princeton University 2000: http://www.princeton.edu/pr/news/00/q4/1213-jansen.htm, letzter Abruf: 23.12.2013).

[2] Übersetzung entnommen aus MEYER (2010: 88).

Ende der Leseprobe aus 18 Seiten

Details

Titel
Wahrheit und Fiktion. Die Ereignisse vor der Meiji-Restauration in "Ryoma ga yuku" von Shiba Ryotaro
Untertitel
Anhand eines Vergleichs mit Jansens historiographischem Werk und dem rekishi bzw. gakushu manga
Hochschule
Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn
Autor
Jahr
2014
Seiten
18
Katalognummer
V283919
ISBN (eBook)
9783656837978
ISBN (Buch)
9783656837985
Dateigröße
2486 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
wahrheit, fiktion, ereignisse, meiji-restauration, ryoma, shiba, ryotaro, anhand, vergleichs, jansens, werk
Arbeit zitieren
Irina Kriger (Autor:in), 2014, Wahrheit und Fiktion. Die Ereignisse vor der Meiji-Restauration in "Ryoma ga yuku" von Shiba Ryotaro, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/283919

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