Der salomonische Tempel in Jerusalem


Bachelorarbeit, 2014

50 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Vorwort

2. Einführung - der salomonische Tempel

3. Die Zuverlässigkeit des biblischen Bauberichtes

4. Vorgeschichte

5. Die Tempelarchitektur
5.1. Die Vorhalle
5.2. Der Hauptraum
5.3. Das Allerheiligste
5.4. Die Fenster, das Dach und die Tür
5.5. Innendekoration
5.6. Die Tempelbautypen

6. Ausstattung des salomonischen Tempels
6.1. Die Bundeslade im Allerheiligsten
6.2. Keruben im Allerheiligsten
6.3. Schaubrottisch und Räucheraltar im Hauptraum
6.4. Leuchter im Hauptraum
6.5. Die Säulen Jachin und Boas im Vorhof
6.6. Brandopferaltar im Vorhof
6.7. Das eherne Meer im Vorhof
6.8. Die zehn Kesselwagen im Vorhof
6.9. Sonstige Gerätschaften

7. Die weitere Geschichte des salomonischen Tempels und seine Rezeption im Abendland

8. Nachwort

9. Quellenverzeichnis
9.1. Literatur
9.2. Internet

10. Abbildungen

1. Vorwort

Folgende Studienarbeit beschäftigt sich mit dem salomonischen Tempel, der von 965 v. Chr. bis 587 v. Chr. auf dem Tempelberg von Jerusalem existierte. Da es sich um ein berühmtes und gerne rezipiertes Heiligtum handelt, ist die Literaturlage sehr gut und vielfältig.

Besonders ergiebig war Der salomonische Tempel von Wolfgang Zwickel, dessen Werk knapp, aber präzise und fundiert einen tiefen Einblick in alle wichtigen Aspekte des Tempels gibt. Ebenso schenkt Theodor Busink umfangreiches Wissen über die Ursprünge bishin zum herodianischen Tempel. Dabei zählt er alle bis dahin bekannten Thesen auf und wägt sie gegeneinander ab, ohne zu sehr persönliche Ansichten einzubringen. Sein zumeist objektives Werk war eine wertvolle und hilfreiche Ergänzung zu Zwickels Buch, wenn sich dort offene Fragen und Unklarheiten stellten. Sehr wissenschaftlich und zuverlässig geht Volkmar Fritz in seiner Monographie auf den salomonischen Tempel ein und konzentriert sich auf den archäologischen und architekturgeschichtlichen Aspekt. Am wenigsten nützlich empfand ich Der Berg des Herrn von Benjamin Mazar, der scheinbar willkürlich einige Thesen herauspickte und als feststehende und einzig wahre Sätze darstellte, so zumindest wirkt es. Dieses Werk ist sogar jünger als Businks wissenschaftliche Lektüre, dennoch liefert er manche Thesen zum salomonischen Tempel, die bereits widerlegt wurden. Archäologisch hingegen bietet er gute Informationen.

Da das Thema mit der europäischen Kunstgeschichte wenig zu tun hat - abgesehen vom künstlerischen Aspekt - , bestand die Herausforderung darin, sich mit Tempelbauten des alten Vorderen Orients und ihrer vieldeutigen Dekoration zu befassen. Der außerordentliche Vorteil zu meinen Gunsten ist, dass mein Interesse für die Archäologie des Vorderen Orients geweckt wurde und ich nun im weiteren Verlauf meiner kunsthistorischen Karriere einen Schwerpunkt in diesem Bereich anstrebe.

2. Einführung - der salomonische Tempel

« Als aber die Königin von Saba alle Weisheit Salomos sah und das Haus, das er gebaut hatte, und die Speise auf seinem Tisch und die Wohnung seiner Knechte und das Auftreten seiner Dienerschaft und ihre Kleidung, auch seine Mundschenken und auch die Brandopfer, die er im Haus des Herrn darbrachte, da geriet sie außer sich vor Staunen!» (1. Könige 10,4-5).

Die Pracht, der Glanz und die Schönheit des Königtums Salomos war in allerlei Munde.

Dies galt wohl auch für den Tempel, dem Haus des Herrn, der zusammen mit dem Königspalast auf dem höchsten Punkt der Stadt Jerusalem lagerte, d.h. auf dem heutigen Berg Zion. Dieser Anblick musste für Einwohner und Durchreisende faszinierend gewesen sein. Daher ist das Hauptanliegen dieser Arbeit, nach dem tatsächlichen Aussehen des Tempels zu forschen. Zudem hielt sich über viele Jahrhunderte hinweg die hartnäckige Vorstellung im Abendland, der Tempel Salomos sei ein Rundbau gewesen.1 Ein weiteres Anliegen ist es herauszufinden, inwiefern der salomonische Tempel architektonisch und künstlerisch eine Besonderheit im Vergleich zu anderen Tempeln bildet.

Die Lage des salomonischen Tempels ist heute nicht präzise und mit Sicherheit zu bestimmen. Man ist sich unter den Forschern jedoch weitestgehend einig, dass sich der Tempel auf dem Haram asch-Scharif bzw. auf dem Tempelberg (auch Berg Zion genannt) in der Altstadt Jerusalems befunden hatte. Da der Tempelberg der islamischen Stiftung Waqf untersteht, sind Ausgrabungen und sonstige archäologische Arbeiten nicht gestattet.2 Die Al-Aqsa Moschee und alles weitere, das sich auf dem Tempelberg befindet, ist heute islamisches Eigentum (Abb. 1). Aktuell ist es Juden verboten, auf diesem Berg zu beten und heilige Gegenstände oder Schriften mitzuführen.

Streng gläubige Juden betreten den Tempelberg nicht einmal, denn sie fürchten sich davor, sie können das Allerheiligste somit beschreiten, was dem Volk absolut verboten war. Das Allerheiligste wird nur einmal im Jahr durch den Hoherpriester am Tag des jüdischen Fests Jom Kippur, dem Versöhnungsfest, besucht.3 Aus diesem Grund ist man für die Rekonstruktion auf zweierlei angewiesen: einerseits auf die biblischen Texte und andererseits auf das Heranziehen vergleichbarer Bauwerke.4 Dadurch dass sich der salomonische Tempel hauptsächlich durch die Bauberichte im ersten Buch der Könige und im zweiten Buch der Chronik rekonstruieren lässt, wird die folgende Arbeit textwissenschaftlich orientiert sein und geeignete archäologische Befunde miteinbeziehen.

Die Textwissenschaft bzw. Exegese beschäftigt sich mit schriftlichen Überlieferungen und interpretiert diese. Die Archäologie hingegen stellt Untersuchungen von Funden mit den üblichen wissenschaftlichen Methoden an und kann Hintergrundwissen zum Alltags- und Kulturleben liefern. Dennoch handelt es sich bei diesen Ergebnissen nur um Näherungswerte, die keine präzise historische Nachbildung geben können.5 Die Exegese und Archäologie in Kombination bieten ein relativ zuverlässiges Bild der Vergangenheit.

3. Die Zuverlässigkeit des biblischen Bauberichtes

Während man damals die historische Verlässlichkeit der Bibel kaum anzweifelte, wird der Archäologie nun Vorrang gegeben. Sowohl bei biblischen als auch außerbiblischen Texten handelt es sich nämlich um Propagandatexte, die vom Autor mit einer tendenziösen Absicht geschrieben wurden. Logischerweise waren königliche Schreiber dem aktuellen Regenten treu ergeben und waren damit auch bemüht, ihren Herrscher in ein gutes Licht zu rücken. "Texte haben jedoch den Vorteil, den archäologischen Hinterlassenschaften in der Regel nicht bieten können: Sie können uns Gedanken, Stimmungen und Gefühle vermitteln. Nur über Texte erfahren wir etwas von der Denkweise der Menschen im Altertum."6 Doch soll in diesem Zusammenhang noch erwähnt sein, dass jedoch dank des biblischen Bauberichtes einige nützliche Kriterien für die Bestimmung von Tempeln entwickelt wurden.7

Der Baubericht des salomonischen Tempels befindet sich in den alttestamentlichen Königebüchern, welche zum sogenannten deuteronomistischen Geschichtswerk gehören. Dieses Geschichtswerk wurde durch eine Gruppe von Schreibern in der Zeit des babylonischen Exils zwischen 587 und 538 v. Chr. verfasst. Ziel war wohl die schriftliche Aufbewahrung der Traditionen, damit sie durch die miserablen exilischen Umstände nicht verloren gingen. Man vermutet, sie hätten dabei Zugang zum Jerusalemer Tempelarchiv und zu höfischen Annalen.8

Insgesamt lässt sich feststellen, dass das deuteronomistische Geschichtswerk weitestgehend authentisch und zuverlässig ist, wobei man stets zwischen reiner historischer Quelle und individueller Interpretation unterscheiden muss. Schließlich ist eine vollkommen objektive Sicht nicht gewährleistet. Darum ist es wichtig, dass entsprechende Texte sowohl nach ihrer Entstehung als auch nach ihrer Absicht geprüft werden.9

4. Vorgeschichte

Jedes Ding unter der Sonne hat seine Herkunft bzw. Vorgeschichte. Aus diesem Grund soll ein kleiner umfassender Einblick in die Geschichte Israels vor der Zeit Salomos und dem Tempel gegeben werden.

Die Geschichte Israels beginnt bezeichnenderweise mit den Erzvätern Abraham, Isaak und Jakob, die allesamt Verheißungen von Gott erhalten hatten. Jakob, der von Gott den neuen Namen Israel bekam (Genesis 32,25-33), zeugte zwölf Söhne, die die zwölf Stämme Israels zukünftig bilden würden (Exodus 1,1-5). Durch verschiedene Umstände und Situationen, welche die Bibel im ersten Buch Mose genauer berichtet, kam das Volk nach Ägypten und wurde dort 400 Jahre lang versklavt. Schließlich spielte Mose eine besondere Rolle als Diener Gottes, der als ehemaliger Palastbewohner nun das Leben eines Hirten in Midian führte, da er wegen eines begangenen Mordes aus Ägypten geflüchtet war (Exodus 2,11-15). Diese Abgeschiedenheit erlaubte es ihm jedoch, Gott im brennenden Dornbusch auf dem Berg Horeb zu begegnen (Exodus 3f.). Gott griff nun ein, um die Verheißung über die Befreiung seines Volkes zu erfüllen (Genesis 15,13). Er offenbarte seinen Plan Mose. Viele Begegnungen zwischen Gott und seinen Dienern fanden auf dem Berg statt. Dies mag wohl auch eine Bedeutung bei der Wahl des Bauplatzes gespielt haben.

Mit der Einsetzung des Passahs und damit gleichzeitig der zehnten und letzten Plage Ägyptens, nämlich die Tötung der Erstgeburt, war der Weg der Hebräer ins gelobte Land geebnet. Auf der Flucht vor dem ägyptischen Heer wanderte das israelische Volk trockenen Fußes durch das Rote Meer (Exodus 12ff.). Bald daraufhin offenbarte sich Gott JHWH auf dem Sinai, indem er die zehn Gebote auf steinernen Tafeln präsentierte und Weisungen für die Stiftshütte, dem Zeltheiligtum, überreichte (Exodus 19ff.). Die Idee für die Stiftshütte wurde also auf dem Berg gegeben.

Die Stiftshütte als Gottes wanderndes Haus bestand aus drei Bereichen:

- dem Vorhof, auf welchem sich das Volk versammeln durfte,
- dem heiligen Ort, sozusagen dem Hauptraum der Stiftshütte, und
- das Allerheiligste, von der Tempelhalle mit einem Vorhang abgetrennt.

Im Allerheiligsten wurde die Bundeslade mit den zehn Geboten aufbewahrt. Gleichzeitig bedeutete sie die heilige Gegenwart Gottes. Das Allerheiligste durfte nur der Hoherpriester einmal jährlich zum Versöhnungsfest betreten (Leviticus 16).

Der erste quasi-demokratische Gedanke in der Geschichte Israels bildete sich etwa 1020 v. Chr. heraus, als das Volk nämlich einen sichtbaren König verlangte, denn Gott regierte bis dato als unsichtbarer König (1. Samuel 8). Somit wurde Saul zum ersten König Israels gesalbt (1. Samuel 10) und zwei Jahrzehnte später erlebte David aus Bethlehem die königliche Salbung durch den Propheten Gottes Samuel (1. Samuel 16). Zunächst war David König über das kleine Juda und regierte von Hebron aus (1. Samuel 2,4). Sieben Jahre später wurde er zusätzlich zum König über ganz Israel erhoben und wählte Jerusalem als Hauptsitz für seine Regierung und Verwaltung aus (1. Samuel 5,1ff.). Jerusalem war zu jener Zeit frei und unabhängig. Zudem lag es idealerweise an der Grenze zwischen Israel und Juda. Damit konnte David das Land sehr gut lenken, militärisch sichern und kultisch ausbauen, indem er die Bundeslade des Gottes JHWH nach Jerusalem brachte. Sein Ziel war offensichtlich auch, dass Davids persönlicher Gott zum Nationalgott Israels wurde.10

Eines Tages hatte David den Wunsch, seinem Gott ein anständiges und festes Heiligtum zu bauen, denn so sagte er: « Siehe doch, ich wohne in einem Haus aus Zedernholz, aber die Lade Gottes wohnt unter Teppichen! » (2. Samuel 7,2). Gott offenbarte sich ihm und hieß den Wunsch gut, jedoch sollte sein Sohn Salomo den Bau ausführen (2. Samuel 7). Der König Salomo, bekannt als weisester Mensch der Erde, regierte über das vereinte Reich von 965 bis 926 v. Chr..11 Im Gegensatz zu seinem Vater David, der ein tüchtiger Kriegsmann war, stellte sich Salomo als verständiger und gebildeter König heraus, dessen Interesse vor allem dem Handel galt. Er unterhielt Handelsbeziehungen zu Nachbarländern, um sich Güter herbringen zu lassen, und führte eine Art Besteuerung über Israel ein, damit seine teure Hofhaltung und seine architektonischen Pläne realisiert werden konnten (1. Könige 4,7). Darüber hinaus wurde Bergbau an reichhaltigen Kupfer- und Eisenvorkommen betrieben, welche Salomo wohl zu einem der « ersten und reichsten Kupferkönige der Weltgeschichte » machten.12 Salomo befestigte Jerusalem, ließ sich einen Palast und ein Verwaltungskomplex bauen und nahm an der Ausführung des Tempelbaus teil. Hierfür ließ er sich bei Hiram, König von Tyrus, Material und technischen Rat einholen (1. Könige 5: 15ff.). Hiram stellte Architekten und Handwerker zur Verfügung, die die architektonischen Pläne konzipierten und dessen Realisierung überwachten. Dies lässt die Schlussfolgerung zu, dass demnach die Phönizier einen besonderen Einfluss auf die Gestaltung des Tempels hatten, was im Verlauf der Ausarbeitung näher betrachtet werden soll.13

5. Die Tempelarchitektur

Die Bibelstelle 1. Könige Kapitel 6, Verse 2 - 3 und 6 - 8 beschreiben die Tempelarchitektur:

2 Das Haus aber, das der König Salomo dem Herrn baute, war 60 Ellen lang, 20 Ellen breit und 15 Ellen hoch. 3 Und die Vorhalle vor der Tempelhalle des Hauses: 20 Ellen lang, gemäß der Breite des Hauses, und 10 Ellen breit, vor dem Haus her. [...] 6 [Der untere Seitenraum] war 5 Ellen breit, das mittlere 3 Ellen und das dritte 7 Ellen breit; [denn Mauerverkürzungen gab es für das Haus außen ringsherum, so dass man nicht in die Mauern des Hauses eingreifen musste].7 Und als das Haus erbaut wurde, da wurde es aus Steinen gebaut, die fertig behauen aus dem Bruch kamen, so daß man weder Hammer noch Meißel noch sonst ein eisernes Werkzeug im Haus hörte, während es erbaut wurde.8 Der Eingang [des mittleren Seitenraums] befand sich an der rechten Seite des Hauses, und man stieg auf Wendeltreppen hinauf zum mittleren und vom mittleren zum dritten Stockwerk.

Der Tempel besteht demgemäß aus drei Räumen: der Vorhalle (hebr. Ulam oder griech. Pronaos), dem Hauptraum (hebr. Hekal oder griech. Cella) und dem Allerheiligsten (hebr. Debir oder griech. Adyton).14 Um das Gebäude herum waren dreigeschossige Seitenräume angebracht, in welchen vermutlich die Gerätschaften für den Kult aufbewahrt wurden (Abb. 2). Naredi-Rainer und Zwickel schreiben, sie seien nachträglich hinzugefügt worden, denn auch im biblischen Bericht seien diese Absätze später hinzugekommen.15 16 Die Errichtung derartiger Seitenräume ist höchst außergewöhnlich.

5.1. Die Vorhalle

Das Ulam bzw. die Vorhalle mit den Maßen 20 Ellen lang und 10 Ellen breit scheint ein Vorbau ohne Funktion gewesen zu sein, wie es bei palästinischen Tempeln jener Zeit üblich war. Lediglich sollte der Vorbau seiner Umwelt signalisieren, dass es sich um ein besonderes Gebäude handelt, nämlich der Wohnstätte eines Gottes.17 Der Baubericht erzählt weiterhin von eingestellten Säulen in der Vorhalle und vorgezogenen Seitenwänden, Anten genannt. Daraus folgt, dass der Typ des Antentempels vorliegen muss.18 Busink und Wright erwähnen, dass am Vorbau vermutlich eine Treppe angebaut war.19 20 Jedoch tritt dies aus dem biblischen Bericht nicht hervor. Zudem war eine derartige Treppe im ganzen vorhellenistischen Tempelbau Palästinas unüblich. Es sei denn, es müsste eine Höhendifferenz überwunden werden, wovon man weniger ausgeht, denn für einen derartigen Tempelbau sucht man sich normalerweise von vornherein einen statisch guten Platz aus.21 À propos meint der Hellenismus die Verbindung zwischen griechischen und orientalischen Kulturtraditionen.22

5.2. Der Hauptraum

Der Hauptraum wird im 1. Könige 6,17 als « das Haus, das ist die Tempelhalle » bezeichnet, welches für sich stehend 40 Ellen maß (Abb. 3). Etymologisch meint das Hekal einen größeren Raum mit reicher Ausschmückung.23 Oft wurde angenommen, das Hekal sei ein Säulenraum gewesen, doch werden derartige Stützen im biblischen Text nicht erwähnt. Sicherlich kann man davon ausgehen, dass so eine wichtige Ausstattung vom Schreiber erwähnt würde.24

Die Größe und Höhe des Tempels sind im Vergleich zu anderen Tempeln Palästinas außerordentlich (Abb. 4). Zwar lässt sich über die Höhe anderer palästinischer Tempel nicht viel sagen, jedoch kann man aufgrund der geringeren Mauerstärke schließen, dass sie aus statischen Gründen nicht allzu hoch gewesen sein mussten. Aber im Gegensatz zu ägyptischen und hellenistischen Anlagen war das Jerusalemer Heiligtum ein relativ kleiner Bau.25 Benjamin Mazar schreibt, dass eine Treppe zwischen Hekal und dem Allerheiligsten eingebaut war.26 Dies hätte zur Folge, dass der Schrein auf einem Podium stehen müsste. Ein solches Konstrukt lässt sich mit Sicherheit ablehnen, da es erstens im Baubericht nicht genannt wird und zweitens es die Stützkonstruktion am Dach nicht erlauben würde.27

Näheres zur Dachkonstruktion wird in Kapitel 5.4 beschrieben.

5.3. Das Allerheiligste

Der Schrein bzw. das Allerheiligste bestand aus einem hölzernen, mit Türen verschließbaren Kubus mit einer Seitenlänge von jeweils 20 Ellen, welches in das hintere Drittel des Hauptraumes eingestellt wurde und oberhalb einen hohlen Raum von 10 Ellen frei ließ (Abb. 5). So erschien es dem Betrachter, der Debir reiche nahezu bis ans Dach heran. Die Außergewöhnlichkeit bestand darin, dass der Schrein eine eigenständige 4Und er machte [für das] Haus Fenster mit [verschlossenen Rahmen].5 Und er baute [auf der Mauer] des Hauses [eine Stützkonstruktion] ringsum, [und zwar an den Mauern des Hauses bezüglich des Hauptraumes und des Schreins), und erstellte Seitenräume ringsum. [...]

Installation bildete, denn üblicherweise wurde die Heiligkeit architektonisch als Nische im syrischen Bau ausgedrückt und teilweise durch ein Podium ergänzt.28 Beispielhaft wäre der Tempel von Arad zu nennen, wo Kultnischen verwendet wurden (Abb. 6).29 Höhe, Tiefe und Länge des Allerheiligsten messen jeweils 20 Ellen. Die Zahl 20 ist die Verdoppelung der Zahl 10 und damit die Verdoppelung oder die Erfüllung des Gesetzes, d.h. die Gnade. « Gleichzeitig verweist die Verdoppelung auch auf das zweifache Gebot der Liebe, in der sich die zehn Gebote erfüllen. »30

Beim Schrein handelte es sich also um einen hölzernen Kubus, der mit Türen verschlossen werden konnte und die Gottheit als Bild bzw. die Bundeslade beherbergte. Ein ähnliches Motiv findet sich in Ägypten wieder. « Dort stellte man die Götterbilder häufig sitzend in einem meist hölzernen Schrein (Naos) dar, dessen Tür für die Kulthandlungen geöffnet werden konnte. » (Abb. 7).31 Diese Schreine waren nicht allzu groß, da sie für Prozessionen mitgeführt wurden. Demnach kann man den salomonischen Schrein als gigantisches Naos sehen, der jedoch nicht mehr für Prozessionszwecke ausgestaltet war.32 Denn die Zeit der Wanderung mit der Bundeslade war nun vorbei.

Die ägyptischen Schreine wurden darüber hinaus mit der Uräusschlange verziert, einem Schutzsymbol, das manchmal mit Beinen oder mit mehreren Flügelpaaren ausgestattetwar (Abb. 8). Die Phönizier, ein wanderndes künstlerisch begabtes Volk, waren gemäß 1. Könige 7 für die Metallarbeiten am Tempel zuständig und möglicherweise auch für die Holzschnitzereien. Nach heutigem Wissensstand ist bekannt, dass sich die phönizischen Handwerker besonders gerne an ägyptischen Bildmotiven orientierten. Man geht davon aus, dass am oberen Rand des Schreins ein Friesband mit solchen Uräen angebracht wurde.33

5.4. Die Fenster, das Dach und die Tür

Der Abschnitt 1. Könige 6, Verse 4 - 5 berichtet uns von den Fenstern:

9 So baute er das Haus und vollendete es; und er deckte das Haus [die Auflagenkonsolen und die Schrägstreben mit] Zedernholz.10 Er baute [die Stützkonstruktion] am ganzen Haus, 5 Ellen hoch, und [verkleidete das] Haus durch Zedernbalken.

Wie genau die Fenster für den Tempel konzipiert wurden, ist nicht feststellbar. Man kann lediglich Vermutungen anstellen. Mit großer Sicherheit kann man sagen, dass die Fenster aufgrund der Seitenräume relativ hoch eingebaut wurden. Aus statischen Gründen musste man zusätzlich darauf achten, dass die Wände durch die Fenster nicht allzu sehr geschwächt wurden. In Palästina war eine Fensterart bis in die Zeit der Gotik bekannt, die man insbesondere an größeren Gebäuden gerne benutzte. Es handelte sich dabei um Fenster mit steinernen Gitterstäben, die bei der Außenbetrachtung einen verschlossenen Eindruck machten. In Ägypten sind solche Fenster an Tempelbauten bekannt, welche lamellenförmige Durchbrechungen hatten (Abb. 9). Solche Öffnungen garantierten dreierlei: genügend Luft, Licht und eine gute Statik.34

Folgende Verse im 1. Könige Kapitel 6 erläutern die Dachkonstruktion:

31 [Und als Eingang des Schreins machte er Türflügel aus dem Holz der Aleppokiefer; der Rahmen der Türpfosten war gefünftet.] […]

33 Ebenso machte er auch [für den Eingang des Hauptraumes] viereckige Pfosten [aus der Aleppokiefer]

34 und zwei Türen von Wacholderhölzern, sodass jede Tür zwei [Tür]flügel hatte, die sich drehten.

Im Orient waren Flachdächer verbreitet. Darum liegt die Vermutung nahe, dass auch beim salomonischen Tempel ein Flachdach Verwendung fand, welches mit Reisigwerk und Putz bedeckt und jährlich ausgebessert wurde. Da die Spannweite des Tempels von 20 Ellen bzw. ca. 10 Metern sehr groß war, musste das Dach zusätzlich durch Schrägstreben befestigt werden. Diese Schrägstreben lasteten auf hölzernen Auflagekonsolen, welche widerum in die Wand eingetieft und somit fest verankert waren. Diese Methode war zu jener Zeit bestens bekannt und erlaubte es, größere Spannweiten problemlos zu überbrücken. Darüber hinaus wurde das starke Zedernholz für die Dachkonstruktion benutzt (Abb. 10).35

Gemäß den Versen 31 und 33 gab es eine Tür am Haupteingang und eine Tür zum Schrein. Für die Tür zum Schrein wurde ein gefünfteter Türpfosten gefertigt, d.h. es handelte sich um eine Staffelung des Türrahmens von fünf Rücksprüngen. Eine derartige Konstruktion mit solcher Staffelung ist derzeit nirgends beispielhaft zu finden. Allerdings gibt es eine phönizische Elfenbeinarbeit, genannt die Frau im Fenster, welches eine Staffelung mit drei Rücksprüngen zeigt (Abb. 11). Die Tür zum Haupteingang hatte dementsprechend eine vierfache Staffelung.36

5.5. Innendekoration

Der ganze Baukörper war von innen mit Zedernholz ausgekleidet. Dies bedeckte das scharfe Gestein und machte zudem Schnitzereien an den Wänden möglich.37 Die Zeder, ein immergründer Nadelbaum, galt als König der Bäume und wurde im ganzen Orient für seine ausgezeichnete Qualität, seinem Duft und seiner ausgeprägten Belastbarkeitgepriesen. Das Holz war ein Symbol für Stärke, Adel und Würde. Mit dieser Holzart wurde stark gehandelt. So sagt uns die Bibel, dass Salomo mit dem König von Tyrus verhandelte, um Zedernholz für seinen Tempelbau zu importieren (1. Könige 9, 10 - 14).38

29 An allen Wänden des Allerheiligsten ließ er ringsum Schnitzwerk machen von Cherubim, Palmen und [Rosetten], innen und außen. 30 Auch überzog er innen den Boden mit Goldblech.31 [Und als Eingang des Schreins machte er Türflügel aus dem Holz der Aleppokiefer; der Rahmen der Türpfosten war gefünftet.]32 und ließ Schnitzwerk darauf machen von Cherubim, Palmen und [Rosetten] und überzog sie mit Goldblech.33 Ebenso machte er auch [für den Eingang des Hauptraumes] viereckige Pfosten [aus der Aleppokiefer] 34 und zwei Türen von Wacholderhölzern, sodass jede Tür zwei [Tür]flügel hatte, die sich drehten,35 und machte Schnitzwerk darauf von Cherubim, Palmen und [Rosetten] und überzog es mit Gold, [plattgeschlagen auf dem Eingeritzten].

Über die Gestalt der Keruben lässt sich genauso viel sagen, wie Friedrich Delitsch 1881 feststellte: « Alles was wir wissen, ist dass sie geflügelt waren; ob sie aber vogelartig oder vierfüssig oder menschengestaltig waren, bleibt unklar. »39 Man vermutet jedoch, die Keruben seien geflügelte Sphinxe, d.h. geflügelte Löwen mit menschlichem Kopf. Dieses Mischwesen war ein weit verbreitetes Bildmotiv in der vorderorientalischen Kunst. Derartige geflügelte Sphinxe kamen in Elfenbeinarbeiten und zahlreichen palästinischen Siegeln vor (Abb. 12). Darüber hinaus waren sie oft in Verbindung mit einem Baum abgebildet, den sie von beiden Seiten flankierten. Damit erfüllten sie eine Schutzfunktion, welche ihnen auch durch zahlreiche Bibelstellen zugeschrieben wird.40

[...]


[...]


1 Von Naredi-Rainer, Paul: Salomos Tempel und das Abendland. Monumentale Folgen historischer Irrtümer, Köln 1994, S. 65.

2 Zwickel, Wolfgang: Das Heilige Land. Geschichte und Archäologie, München 2009, S. 89.

3 http://www.israelnationalnews.com/Articles/Article.aspx/11290#.UbWViOf0GSp, 10.06.2013.

4 Von Naredi-Rainer, Paul: Salomos Tempel und das Abendland. Monumentale Folgen historischer Irrtümer, Köln 1994, S.13f.

5 Zwickel, Wolfgang: Das Heilige Land. Geschichte und Archäologie, München 2009, S. 23.

6 Zwickel, Wolfgang: Einführung in biblische Landes- und Altertumskunde, Darmstadt 2002, S. 42.

7 Zwickel, Wolfgang: Der Tempelkult in Kanaan und Israel, Tübingen 1994, S. 12f.

8 Zwickel, Wolfgang: Der salomonische Tempel, Kamen 2011, S. 10.

9 Ebd., S. 12.

10 Zwickel, Wolfgang: Der salomonische Tempel, Kamen 2011, S. 18ff.

11 Zwickel, Wolfgang: Das Heilige Land. Geschichte und Archäologie, München 2009, S. 82.

12 http://www.zeit.de/1950/05/wo-koenig-salomo-handel-trieb , 11.06.2013.

13 Wright, G. Ernest: Biblische Archäologie, Göttingen 1958, S. 134.

14 Von Naredi-Rainer, Paul: Salomos Tempel und das Abendland, Köln 1994, S. 16.

15 Ebd., S. 17.

16 Zwickel, Wolfgang: Der salomonische Tempel, Kamen 2011, S. 61. 8

17 Zwickel, Wolfgang: Der salomonische Tempel, Kamen 2011, S. 58f.

18 Fritz, Volkmar: Tempel und Zelt. Studien zum Tempelbau in Israel und zu dem Zeltheiligtum der Priesterschrift, Neukirchen-Vluyn 1977, S. 30.

19 Wright, G. Ernest: Biblische Archäologie, Göttingen 1958, S. 136.

20 Busink, Th. A.: I. Band. Der Tempel von Jerusalem. Von Salomo bis Herodes, Leiden 1970, S. 171.

21 Zwickel, Wolfgang: Der salomonische Tempel, Kamen 2011, S. 70.

22 Mazar, Benjamin: Der Berg des Herrn, Regensburg 1979, S. 266.

23 Busink, Th. A.: I. Band. Der Tempel von Jerusalem. Von Salomo bis Herodes, Leiden 1970, S. 181.

24 Ebd., S. 182.

25 Zwickel, Wolfgang: Der salomonische Tempel, Kamen 2011, S. 58.

26 Mazar, Benjamin: Der Berg des Herrn, Regensburg 1979, S. 94.

27 Zwickel, Wolfgang: Der salomonische Tempel, Kamen 2011, S. 74.

28 Ebd., S. 75.

29 Zwickel, Wolfgang: Der Tempelkult in Kanaan und Israel, Tübingen 1994, S. 282.

30 Von Naredi-Rainer, Paul: Salomos Tempel und das Abendland, Köln 1994, S. 53.

31 Zwickel, Wolfgang: Der salomonische Tempel, Kamen 2011, S. 77.

32 Zwickel, Wolfgang: Der salomonische Tempel, Kamen 2011, S. 77f.

33 Ebd., S. 79ff.

34 Zwickel, Wolfgang: Der salomonische Tempel, Kamen 2011, S. 66f. 11

35 Ebd., S. 70.

36 Zwickel, Wolfgang: Der salomonische Tempel, Kamen 2011, S. 84.

37 Ebd., S. 70.

38 Zohary, Michael: Pflanzen der Bibel, Stuttgart 1995, S. 104f.

39 Busink, Th. A.: I. Band. Der Tempel von Jerusalem. Von Salomo bis Herodes, Leiden 1970, S. 267.

40 Zwickel, Wolfgang: Der salomonische Tempel, Kamen 2011, S. 85f.

Ende der Leseprobe aus 50 Seiten

Details

Titel
Der salomonische Tempel in Jerusalem
Hochschule
Universität Karlsruhe (TH)  (Kunst- und Baugeschichte)
Veranstaltung
Architektur der Erinnerung - Jerusalem
Note
1,7
Autor
Jahr
2014
Seiten
50
Katalognummer
V283917
ISBN (eBook)
9783656837480
ISBN (Buch)
9783656837497
Dateigröße
13577 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Salomo, Jerusalem, Tempel, Orient, Tempelarchitektur, Allerheiligstes, Jerusalemer Tempel, Erster Tempel von Salomo
Arbeit zitieren
Diana Migura (Autor:in), 2014, Der salomonische Tempel in Jerusalem, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/283917

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