Zusammenhang von Intelligenz und Vorstellungen von Intelligenz


Hausarbeit, 2011

18 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Theoretischer Hintergrund
2.1. Definition zentraler Begriffe
2.2. Grundlegendes Modell

3. Empirischer Kenntnisstand
3.1. Typische Forschungsstrategien
3.2. Wichtige Forschungsergebnisse
3.3. Weiterführende Untersuchungen und Ergebnisse

4. Schlussfolgerungen für die Gestaltung von Lehr- und Lernsituationen

Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Fortlaufend ist Intelligenz ein faszinierendes Thema in alltäglichen Diskussionen, aber vor allem auch intensiv besprochener sowie unablässig erforschter Gegenstand in der wissenschaftlichen Psychologie. Aktuell werden Vorstellungen über Intelligenz wieder sehr stark öffentlich und wissenschaftlich debattiert, wozu das umstrittene Buch Thilo Sarrazins „Deutschland schafft sich ab“ einen Beitrag geleistet haben dürfte. Eine seiner in dem Buch dargelegten provokanten Thesen bezieht sich auf die Vererblichkeit und der sich daraus ergebenden Unabänderlichkeit von Intelligenz.

Lange vor der durch Sarrazin angestoßenen Diskussion ging auch die psychologische Forschung davon aus, dass Intelligenz eine eher feste Eigenschaft der Persönlichkeit ist, wie es beispielsweise Studien an eineiigen Zwillingen nahe legten. Bei diesen wurden Zwillingspaare im frühen Kindesalter getrennt, um sie nach dem Erreichen des Erwachsenenalters wieder zu vergleichen. Dabei wurde festgestellt, dass beide ähnliches Aussehen, Interessen und sogar Persönlichkeitsmerkmale hatten (Dweck, 2008).

Anlass zum Umdenken gaben Erkenntnisse, die aufdeckten, dass die erreichten Leistungen im IQ-Test einer Person keine Aussage über deren spätere schulische und akademische Erfolge machen können (Dweck, 1986).[1] Mit dem Fortschreiten der Forschung stellte sich heraus, dass Intelligenz und Persönlichkeit eher flexible Gebilde sind, die von den Denkmustern, also Überzeugungen, des jeweiligen Menschen und den Erfahrungen, die ein Mensch macht, wesentlich beeinflusst werden. Individuelle Überzeugungen haben Einfluss auf Denken, Interpretation und Handlungen des Einzelnen und damit auch auf seine Intelligenz. Aufgabe der Forschung in den folgenden Jahren war und ist es auch aktuell noch, herauszustellen, welche Vorstellungen von Intelligenz es gibt, wie diese den Lernerfolg beeinflussen und auf welche Weise man diese Vorstellungen von außen steuern kann.

Vor allem angehende Lehrer sollten sich mit diesen Forschungsergebnissen auseinandersetzen, denn oft haben sie falsche Vorstellungen über Intelligenz, auf deren Grundlage dann versucht wird, Kinder zu selbstständig denkenden, lernenden und erfolgreichen Individuen im privaten oder schulischen Bereich anzuleiten. Allein mit alltäglichen Vorstellungen über Intelligenz kann insbesondere der professionelle Pädagoge nicht kompetent agieren, denn intuitive Entscheidungen über die Art und Häufigkeit von motivationalen Maßnahmen können leicht falsch oder gar kontraproduktiv sein. Jeder Lehrer sollte daher den Anspruch haben, sein Handeln nach wissenschaftlich begründeten Wissensbeständen auszurichten, um so den Heranwachsenden zum Lernerfolg zu verhelfen. Noch nie war Lernerfolg von solch gesellschaftlicher und individueller Bedeutsamkeit wie heute, denn er ist der Schlüssel, um mit sich, anderen und der Welt angemessen sowie selbstständig umgehen zu können, was nicht zuletzt den sozialen Ausgleich sichert.

Diese Arbeit möchte einen Beitrag zum wissenschaftlich fundierten Lehrerhandeln leisten, indem zunächst kurz die wichtigsten Fachbegriffe definiert werden und ein Überblick über relevante Konstrukte und Erklärungsmodelle gegeben wird. Anschließend sollen typische Studien und Forschungsfragen zusammenfassend dargestellt werden. Schlussfolgernd werden Konsequenzen für Lehr- und Lernsituationen gezogen sowie konkrete Handlungsvorschläge für den Lehrer gemacht, wie dieser die Intelligenzvorstellungen seiner Schüler lernerfolgsgünstig beeinflussen kann. Um dies zu leisten, folgt die Arbeit der Frage: Wie und warum wirken sich Vorstellungen von Intelligenz auf den Lernerfolg der Schüler aus und wie kann ich diese Vorstellungen beeinflussen?

2. Theoretischer Hintergrund

2.1. Definition zentraler Begriffe

Bis heute ist auch in der Psychologie noch nicht abschließend geklärt, ob Intelligenz eine bestimmte kognitive Fähigkeit ist, die allen andern Fähigkeiten zugrunde liegt, oder ob Intelligenz eher aus verschiedenen sich nicht beeinflussenden Fähigkeiten besteht (Myers, 2008). Als Erster vertrat Charles Spearman (1863-1945) die Vorstellung davon, dass es eine allgemeine Intelligenz gibt, die beeinflusst, welche Fähigkeiten ein Mensch auch in anderen kognitiven und emotionalen Bereichen hat. Allgemeine Intelligenz wird bei Spearman mit dem so genannten g-Faktor ausgedrückt und lässt sich nach Spearmans Auffassung verlässlich mit einem Test messen (Myers, 2008). Diese Theorie ist bis heute umstritten und viele Psychologen fassen Intelligenz anders auf. Vertreter wie Gardner (1983, 1999), der sich auf Thurstone (1887-1955) bezieht, meinen, dass sich Intelligenz aus verschiedenen Fähigkeiten zusammensetzt, die nicht voneinander abhängen. Er meint, Intelligenz unterteilt sich in verschiedene Arten, womit Intelligenz schwer quantifizierbar wird (Myers, 2008). Da sich die Definition von Intelligenz als kompliziert darstellt, hat sich die Psychologie auf eine sehr allgemeine Bestimmung des Fachbegriffs geeinigt. Intelligenz wird in der Psychologie als die Fähigkeit, aus Erfahrungen zu lernen, Probleme zu lösen und Wissen zu nutzen, um neue Situationen zu bewältigen, verstanden (Myers, 2008). Wissenschaftlich gesehen ist Intelligenz das in einem Intelligenztest erreichte Ergebnis. Unter Intelligenz wird in jeder Kultur etwas anderes verstanden, doch in jeder Kultur ist Intelligenz das, was das Individuum in dieser zum Erfolg führt (Sternberg & Kaufmann, 1998, zitiert in Myers, 2008).

Unter Berücksichtigung dieser Definition drängt sich in schulischen Kontexten die Frage auf, ob die Existenz einer allgemeinen messbaren Intelligenz überhaupt bedeutsam ist, wenn diese nichts über den Erfolg eines Menschen in seinem Leben aussagt.[2] Viel mehr scheint es darauf anzukommen, was der Einzelne aus seinen festen Anlagen und veränderlichen Fähigkeiten macht. Wie er diese Fähigkeiten fördert, nutzt und nicht zuletzt, wie sehr er daran glaubt, selbst an seinen Fähigkeiten arbeiten zu können. Die Überzeugungen eines Menschen sind viel bedeutsamer für seine kognitive Entwicklung als der Fakt, einen hohen Intelligenzwert erreicht zu haben. Psychologisch verstanden sind solche Überzeugungen mentale Repräsentationen des Individuums über sich selbst, über seine inneren Prozesse, aber auch über die Natur menschlicher Beziehungen und über die Welt (Dweck, 2008). Bedeutsam für die Weiterentwicklung der eigenen Fähigkeiten ist vor allem, ob der Einzelne die Möglichkeit erkennt, sich zu entwickeln. Inwiefern ein Individuum diese Chance erkennt, hängt davon ab, wie er das Zustandekommen seiner Leistungen erklärt, was in der Psychologie Attribution genannt wird. Attributionsmuster werden im Wesentlichen von den jeweiligen Überzeugungen des Individuums beeinflusst. Attributionen sind in der Psychologie Zuschreibungen der Ursache für Erfolg oder Misserfolg, die wesentlich bestimmen, wie ein Mensch auf ein bestimmtes erreichtes Ergebnis reagiert und schließlich beeinflussen, welche Chancen ein Mensch sieht, seine Fähigkeiten weiterzuentwickeln (Heckhausen, 1977). Es gibt zwei verschiedene Attributionsmögichkeiten: Ist für ein Individuum sein erreichtes Ergebnis Folge von Dingen, die er beeinflussen kann, wie zum Beispiel seine eigene Anstrengung, so wird er seine Fähigkeiten und Strategien auch ständig weiterentwickeln. Sieht ein Individuum jedoch seine Ergebnisse bedingt durch Faktoren, die es selbst nicht beeinflussen kann, wird es auch keine Verbesserung seiner Fähigkeiten vornehmen und möglicherweise Fehler wiederholen (Weiner, 1985).

Im schulischen Lehren und Lernen scheint es daher sinnvoller, zu fragen, wie die Intelligenz als Konstrukt anstatt als festes greifbares Objekt, genutzt werden kann, um Schüler zum schulischen und privaten Erfolg zu verhelfen.

2.2. Grundlegendes Modell

Um zu erklären, weshalb Intelligenz und Fähigkeiten sich nicht zwangsläufig in entsprechenden schulischen und akademischen Leistungen widerspiegeln, sind Vorstellungen über Intelligenz geeignet, um diese Differenz zu erklären (Dweck, 1886). Die Psychologie versucht mithilfe dieses Konstrukts herauszufinden, warum Leistungen und Erfolg eines Menschen nicht nur von seinen tatsächlichen Fähigkeiten abhängen, sondern durch seine jeweiligen Überzeugungen und Zielorientierungen beeinflusst werden.

Es gibt zwei grundlegend verschiedene Vorstellungen über Intelligenz und Fähigkeiten, welche sich durch Erfahrungen und Beobachtungen herausbilden. Vor allem sind es Erlebnisse einer Person in Leistungs- und Lernsituationen, die prägend für die Ausbildung der individuellen Überzeugung sind. Beispielsweise ist relevant, wie Dritte auf die Leistungen des Kindes reagieren, wie mit Misserfolg und Erfolg umgegangen wird. Wird ein junger Mensch ständig für seine Fähigkeiten und Intelligenz gelobt, dann bildet er tendenziell eine andere Vorstellung über Intelligenz aus als ein Heranwachsender, der für seine Strategien und seinen Fleiß gelobt wird.

Derjenige, der immer nur für seine inneren Fähigkeiten gelobt wird, bildet die Überzeugung aus, dass Intelligenz und Fähigkeiten feste Größen sind, welche von Individuum selbst nicht verändert werden können (entity theory). Die Person hingegen, die für ihre Strategien und ihren Fleiß gelobt wird, entwickelt die Vorstellung, dass Intelligenz und individuelle Eigenschaften veränderlich sind und weiterentwickelt werden können (incremental theory). Auch wenn sich Menschen mit diesen unterschiedlichen Konzepten nicht in ihren intellektuellen Fähigkeiten unterscheiden, interpretieren sie akademische Leistungssituationen aufgrund ihrer inneren Vorstellungen über Intelligenz anders und reagieren deshalb verschieden (Dweck, 1986). Warum und wie kommt es zu dieser differenzierten Bewertung von Leistungssituationen?

Weil beide Theorien unterschiedliche Intelligenzvorstellungen und Überzeugungen bezüglich der eigenen Fähigkeiten implizieren, entwickeln die jeweiligen Personen entsprechend verschiedene Ziele für Lern- und Leistungssituationen sowie unterschiedliche Erklärungen für das Zustandekommen ihrer Leistungen (Attributionsmuster).

Die Menschen mit einer veränderlichen Vorstellung von Intelligenz möchten, da sie davon überzeugt sind, dass sie ihre Eigenschaften stetig verändern können, in Leistungs- und Lernsituationen ihre Fähigkeiten verbessern, auch unabhängig davon, ob sie ihre Fähigkeit als gering oder hoch einschätzen. Incremental theorists haben Lernziele und daher gehen sie auch Wettbewerbe ein, weil sie sich von diesen versprechen, gefordert und mögliche Lücken oder Fehler in ihren Strategien aufgezeigt zu bekommen. Ihr Ziel ist es, ihre Fähigkeiten, Fertigkeiten und ihr Wissen durch Fleiß weiter zu entwickeln und zu verbessern (Dweck, 1986).

Dagegen glauben entity theorists, dass ihre Intelligenz und ihre Fähigkeiten feste, unveränderliche Größen sind, die sie von Geburt an haben. Daher verfolgen entity theorists im Unterschied zu Menschen mit der Vorstellung von einer veränderlichen Intelligenz Leistungsziele (Dweck, 1986). Darum möchten Menschen, die annehmen, Intelligenz sei eine fixe Größe, in Lern- und Leistungssituationen ihre Fähigkeiten beweisen und gute Urteile über diese erlangen, denn nur so erhalten sie Bestätigung über ihre Kompetenzen. Sie tendieren dazu ihre Fähigkeiten herauszustellen, aber ihre Unfähigkeiten zu verbergen, womit diese Menschen schwer etwas Neues lernen oder sich verbessern können. Daher vermeiden Personen mit fester Vorstellung von Intelligenz Wettbewerb, da dort die Gefahr besteht, dass eine ihrer unzulänglichen Fähigkeiten aufgedeckt wird. Nur diejenigen Menschen mit fester Überzeugung über Intelligenz, die großes Vertrauen in ihre Fähigkeiten haben, gehen Wettbewerbe ein, denn sie können sich sicher sein, dass sie die jeweilige Fähigkeit beherrschen und nicht versagen können (Dweck, 1986). Indem jedoch Wettbewerbe vermieden werden, ist es schwerer, die eigenen Fähigkeiten und auch Fehler aufzudecken, was zu einer Erschwerung des Lernprozesses führt. Zudem legt es diese feste Theorie nicht nahe, den Lernstoff tiefer kognitiv zu verarbeiten oder über das Soll hinauszuarbeiten, denn um die Leistung bestätigt zu bekommen, muss nur so viel geleistet werden wie gefordert wird.

Hieran zeigt sich ganz deutlich, aus welchem Grund entity theorists gegenüber incremental theorists dem eigenen Lernerfolg im Weg stehen. Lernerfolg und Schulleistungen sind aber auch davon abhängig, wie Menschen auf Rückschläge und negatives Feedback reagieren. Aus Fehlern kann gelernt oder neuer Ansporn gewonnen werden, jedoch bergen sie auch die Gefahr der Resignation. Inwiefern Rückschläge als Chance oder als Gefahr wahrgenommen werden, hängt davon ab, worin die Quelle für dieses Ergebnis gesehen wird.

[...]


[1] “One might suppose that children who had the highest IQ score, achievement test scores, and grades would be the ones who had by far the highest expectancies for future test scores and grades, as well as for performance on novel experimental tasks. Surprisingly often, this is not the case.” (Dweck, 1986, S. 1043).

[2] Beispielweise hatte keiner der Präsidentschaftskandidaten 2000 in den USA einen besonders hohen IQ-Wert bei der Aufnahme zur Universität erreicht, aber alle waren erfolgreich in ihrem Leben (Myers, 2008).

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Details

Titel
Zusammenhang von Intelligenz und Vorstellungen von Intelligenz
Hochschule
Technische Universität Dresden
Note
1,0
Autor
Jahr
2011
Seiten
18
Katalognummer
V283117
ISBN (eBook)
9783656824206
ISBN (Buch)
9783656824183
Dateigröße
412 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
zusammenhang, intelligenz, vorstellungen
Arbeit zitieren
Louisa Frintert (Autor:in), 2011, Zusammenhang von Intelligenz und Vorstellungen von Intelligenz, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/283117

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