Impressionen der Pariser Großstadt in den Gedichten "Les Bruits des Cabarets, la Fange du Trottoir" und "Fenêtres Ouvertes"


Hausarbeit, 2013

16 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Definition „Moderne“

3 Großstadtimpressionen im Spiegel der Lyrik
3.1 „Le bruit des cabarets, la fange du trottoir“ (Paul Verlaine)
3.2 „Fenêtres ouvertes“ (Victor Hugo)

4 Fazit

5 Anhang

6 Literaturverzeichnis

7 Internetquellen

1 Einleitung

ÄGott machte das Land, der Mensch die Stadt.“1 Dieses Zitat von William Cowper verdeutlicht, dass die Natur von Gott erschaffen und die Stadt eine Schöpfung aus menschlicher Hand ist. Damit hat der Autor dieses Zitats nicht Unrecht, denn erst im Zuge der Modernisierung kommt es, wie sich herausstellen wird, durch vom Menschen entworfene revolutionäre Maschinen zum Ausbau der Stadt. In dieser Zeit der Moderne wurde der Grundstein für die Herausbildung der Großstädte, wie man sie heute kennt, gelegt.

Im Folgenden wird die Großstadt mit ihren städtischen Reizen im Rahmen des Seminars ÄPariscope“ thematisiert. Dabei spielen Natur und der Einfluss des Menschen eine wesentliche Rolle. Ziel dieser Arbeit ist es, die ÄGroßstadtimpressionen“, also die Wahrnehmung der Großstadt, anhand zeitgenössischer Gedichte herauszuarbeiten.

Um diese Eindrücke im Gedicht erörtern zu können, wird zuerst der Bezugsrahmen betrach- tet, um die Hintergründe und somit die Intention des Autors besser deuten zu können. An- schließend kann das Gedicht analysiert und interpretiert werden. Gleichermaßen erfolgt auch der Untersuchungsverlauf: Zuerst wird eine kurze Definition der ÄModerne“ (Punkt 2) gege- ben, um die Gedichte im historischen Kontext besser einordnen zu können. Anschließend werden die Großstadtimpressionen im Spiegel der Lyrik (Punkt 3) untersucht. Dazu gehören auch die detaillierte Analyse und Interpretation der Gedichte ÄLe bruit des cabarets, la fange du trottoir“ von Paul Verlaine (Punkt 3.1) und ÄFenrtres ouvertes“ von Victor Hugo (Punkt 3.2), dabei werden zusätzlich einige Ergebnisse bzw. Aussagen anderer Autoren unterstützt oder kritisiert. Es werden jeweils am Ende noch mal der Bezug zur Großstadt und eventuelle Parallelen zwischen den beiden Gedichten knapp in den Blick genommen.

2 Definition „Moderne“

Die Moderne kennzeichnet eine Epoche, die vom 19. bis ins 20. Jahrhundert andauerte und auf Erfahrungen und Effekten der Modernisierung beruht. Dieser Prozess der Veränderung beinhaltet sozialen, kulturellen und wirtschaftlichen Wandel, der mit alten Traditionen und durch Industrialisierung und Urbanisierung ein völlig neues Spektrum an Möglichkeiten bie- tet.2

Weiterhin ist die Industrialisierung im Zuge der Modernisierung als wichtigste Ent- wicklung zu erwähnen, die sich folgendermaßen kennzeichnen lässt: Nach Christoph Nonn charakterisieren drei Besonderheiten die Industrialisierung. Erstes Kennzeichen ist der sekt- orale Wandel. Zuvor waren die Regionen nur landwirtschaftlich geprägt und gehörten damit dem primären Sektor an. Im Zusammenhang mit der entstehenden Industrie wuchs auch der Bevölkerungsanteil, der im weiterverarbeitenden, industriellen Sekundärsektor arbeitete.3 Zweites Kennzeichen sind die Ätechnischen Neuerungen“. Das impliziert den Gebrauch von Maschinen zur Intensivierung der Produktivität menschlicher Leistungsfähigkeit und schließ- lich den Ersatz menschlicher Leistungskraft durch den ÄAntrieb durch fossile Energien“.4 Die Erfindung der Dampfmaschine hat in der Lyrik dieser Epoche eine tragende Rolle und ist ein Paradebeispiel für den Antrieb durch fossile Energien. Dabei wird Wasser in einem Kessel durch Kohle oder Holz erhitzt und anschließend der Dampf zu einem Zylinder übertragen, der einen Kolben hin und her bewegt. Damit lassen sich Räder oder auch andere Maschinen an- treiben und ersetzen so die körperliche Arbeit eines Menschen.5 Letztes Kennzeichnen nach Nonn ist das Wirtschaftswachstum, gekennzeichnet durch dynamische Entwicklungen.6 Laut Stephanie Gomolla korrelieren die beiden Größen Großstadt und Moderne als Äunauflösliche Einheit“7, demnach verhilft die Modernisierung mit ihren Faktoren Regionen zum Aufstieg als Großstadt. Kurzum ereignen sich in der Moderne Prozesse, die Städte zur Industriegesell- schaft heranwachsen lassen.

3 Großstadtimpressionen im Spiegel der Lyrik

Das 19. Jahrhundert ist das Jahrhundert des Wandels. Die meisten europäischen Länder ent- wickelten sich von einer überwiegend ländlichen Gesellschaft zu einer Industriegesellschaft mit ihren Metropolen, gekennzeichnet durch moderne Wirtschaft. Fabriken entstanden und neue Erfindungen eroberten die Welt. Waren es vor dem industriellen Umbruch noch Gott und die Natur, welche die Dichter inspiriert haben, so sind es seit diesem Wandel neue Werte: Produktivität und technischer Fortschritt, die zur Entstehung der Großstädte führen. Von nun an verschwanden Grünflächen und Eisen- und Stahlgebilde nahmen ihren Platz ein. Der Reiz, aber auch der Verdruss über diesen Umschwung, spiegelt sich in der Poesie wider.8

Im Folgenden werden die beiden Gedichte ÄLe bruit des cabarets, la fange du trottoir“ und ÄFenrtres ouvertes“ hinsichtlich ihrer Form und ihres Kontexts mit besonderem Fokus auf die Impressionen der Großstadt analysiert.

3.1 „Le bruit des cabarets, la fange du trottoir“ (Paul Verlaine)

Paul Verlaine (*30.03.1844 in Metz; ‚08.01.1896 in Paris)9 zeigt in seinem Gedicht ÄLe bruit des cabarets, la fange du trottoir“, erschienen im Band ÄLa bonne chanson“ (1870)10, seine Abneigung gegen die verdreckten und lärmenden städtischen Verhältnisse. Die ganze Situation wird aus der Sicht des lyrischen Ichs dargestellt, welches durch die Stadt flaniert, was sich wiederum aus den Substantiven Äcabarets“ (V. 1), Ätroittoir“ (V. 1), Äouvriers“ (V. 6), Äbitume“ (V. 9), Äégout“ (V. 9) und Äomnibus“ (V. 3) erschließen lässt. Dabei wandert sein Blick über Straßenkneipen (V. 1), Schlamm auf Bürgersteigen (V. 1), Bäume (V. 2), Omnibusse (V. 3), Arbeiter, die paffend unterwegs zum Stammtisch sind (V. 6), triefende Dächer, feuchte Mauern, glitschiges Pflaster (V. 8), zerbeulten Asphalt und ver- stopften Rinnstein (V. 9), bis es am Ende seines Weges (Äma route“ V. 10), im ÄParadies“, angekommen ist (V. 10).11 Das lyrische Ich nimmt hier die Rolle des Flaneurs ein und Äobser- viert seine Umwelt sehr genau“12. Die trübsinnige Beschreibung der Umgebung deutet sowohl auf die wehmütigen und kläglichen Gefühle des lyrischen Ichs, als auch auf die drückende Stimmung des Gedichts selbst hin. Ebenso wird die Bedeutung der Melancholie und Nostalgie durch die vielen an Regen erinnernden Wörter (Schlamm, triefende Dächer, feuchte Mauern, verstopfter Rinnstein) akzentuiert.

Äußerlich betrachtet besteht das Gedicht aus zehn Versen, die in Alexandrinern (zwölfsilbig) verfasst sind. Verlaine hat für dieses Gedicht Paarreime gewählt, bei denen folgendes Reim- schema auftritt: aa-bb-cc-dd-ee (troittoir/noir - boues/roues - lentement/fumant - poli- ce/glisse - égout/bout). Dieses Reimschema erweckt den Eindruck, als ob die eingängigen, sich rhythmisch wiederholenden Reime den kontinuierlichen Lärm von Maschinen, insbeson- dere der seinerzeit dampfbetriebenen Omnibusse, auf formaler Ebene widerspiegeln. Das sprachliche Bild des Omnibus, hier in der Metapher Äouragan de feraille et de boues“ (V. 10, ÄOrkan aus Eisen und aus Kot“), unterstreicht die Antipathien gegen die gegenwärtigen In- ventionen, z. B. den Omnibus, der Lärm, Dreck und Aufregung mit sich bringt. Diese Emp- findung lässt sich mit dem starken Geruch von verbrannter Kohle und Öl, der Vibration des Dampfmotors und höchstwahrscheinlich mit umherfliegenden Rußpartikeln in Verbindung bringen.13 Die Personifikationen Äqui grince, mal assis entre ses quatre roues“ (V. 4) und Äroule ses yeux verts et rouges lentement“ (V. 5) sollen diesen Eindruck unterstützen.

So wird diesem damals fremdartigen Transportmittel etwas Begreifbares zugeschrieben, das es für die Leser des 19. Jahrhunderts transparent und erfassbar macht. Aber nicht nur das steckt dahinter, auch geht aus diesen Personifikationen Kritik hervor: Das lyrische Ich betont die Unbequemlichkeit (Ämal assis“) und abermals die Unruhe bzw. das ÄKreischen“ (Äqui grince), das diese neue Erfindung verursacht. Das Bild des Omnibusses ist hier demnach das einer Furcht erregenden Maschine und ÄDreckschleuder“.

Dass die Welt sich rapide verändert, ist auch Verlaines Zeitgenossen Louis Huart aufgefallen. Er misstraut ebenso dem technischen Fortschritt und kritisiert warnend die Zukunft: ÄDéci- dément aujourd’hui tout est en progrès. - On ne peut plus dire que le siècle marche, - il roule en voiture! - et avec les chemins de fer en perspective, qui sait où il s’arrrtera!“14 Während man heute den Erfindern der Vehikel dankbar ist und Fortschritt auf Ausstellungen zelebriert

- auch Presse und Literatur bedienen sich dieser Mittel -, lehnt die damalige (Pariser) Literatur diese Sensationen spürbar ab, was vielleicht damit zusammenhängt, dass Äihre moderne Banalität zu aggressiv [war], um sie sogleich ästhetisch verfügbar zu machen“.15

[...]


1 William Cowper (1731-1800), englischer Dichter, Wegbereiter der Romantik. In: http://www.aphorismen.de/suche?f_thema=Stadt&seite=3 (09.11.2013).

2 Vgl. Uni Münster. Einführung in die Neuere und Neueste Geschichte (WS 2011/12). Industrialisierung und Modernisierung im 19. Jahrhundert, S. 1-3.

3 In: http://www.wiwi.uni-muenster.de/wisoge/studieren/Skripte/neuere_neuste_neu/S05-Modernisierung.pdf(09.11.2013).

4 Vgl. Nonn, Christoph (2007): Das 19. und 20. Jahrhundert. Paderborn: Schöningh UTB, S. 36. Vgl. ebd.: S. 37-41.

5 Vgl. HNA Online. Eine tolle Erfindung: Dampfmaschinen.

6 In: http://www.hna.de/nachrichten/kindernetz/eine-tolle-erfindung-dampfmaschinen-1079948.html(09.11.2013).

7 Vgl. ebd.: S. 41.

8 Vgl. Gomolla, Stephanie (2009): Distanz und Nähe. Der Flaneur in der französischen Literatur zwischen Moderne und Postmoderne. Würzburg: Königshausen & Neumann, S. 21

9 Vgl. L’homme et la Nature: Le Romantisme. In: http://tpe-romantisme.blogspot.de/ (05.11.2013). Encyclopedia Britannica. In: http://www.britannica.com/EBchecked/topic/626138/Paul-Verlaine (04.11.2013).

10 Vgl. Hinderberger, Hannelise (1979): Paul Verlaine Gedichte ± Französisch und Deutsch. Heidelberg: Lam- bert Schneider GmbH, S. 5.

11 Deutsche Version: Vgl. ebd.: S. 103.

12 Gomolla (2009): S. 31.

13 Vgl. Vorläufer des Verbrennungsmotors und des Automobils. In: http://projekte.geschichte.uni- frei-burg.de/neutatz/automobile/Erfindung%20und%20Verbreitung%20des%20Automobils/vorlaeufer.html.(05.1 1.2013).

14 Huart, Louis (1834): Nouveau tableau de Paris au dix-neuvième siècle, S. 181. Zit. n. Stierle (1993): S. 213.

15 Stierle, Karlheinz (1993): Der Mythos von Paris. Zeichen und Bewußtsein der Stadt. München: Carl Hauser Verlag, S. 214.

Ende der Leseprobe aus 16 Seiten

Details

Titel
Impressionen der Pariser Großstadt in den Gedichten "Les Bruits des Cabarets, la Fange du Trottoir" und "Fenêtres Ouvertes"
Hochschule
Universität Osnabrück  (Sprach- und Literaturwissenschaft)
Veranstaltung
Pariscope
Note
2,0
Autor
Jahr
2013
Seiten
16
Katalognummer
V282919
ISBN (eBook)
9783656823278
ISBN (Buch)
9783656823261
Dateigröße
952 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Pariscope, Paris, Großstadt, Impression, Großstadtimpressionen, Paul Verlaine, Victor Hugo, Les bruits des cabarets la fange du troittoir, fenêtres ouvertes, les bruits des cabarets, la fange du trottoir, fenêtres, ouvertes, Literaturwissenschaft, Kulturwissenschaft, Gedichtanalyse, Französisch, Gedichtanalyse Romanistik, Romanistik, Paris der Moderne, Moderne, Lyrik Paris, Eisenbahn Gedicht, Dampfmaschine Gedicht, Metropole, steamer poem, analysis paris, pensée technique, Flaneur, Baudelaire, Paris Impressionismus, 19. Jahrhundert, 20. Jahrhundert, Exposition universelle Poème, mythos von paris, Zeichen und Bewusstsein der Stadt, Großstadtlyrik, Natur Paris, Technik Paris, Paris Gedicht
Arbeit zitieren
Marie-Christin Grigoleit (Autor:in), 2013, Impressionen der Pariser Großstadt in den Gedichten "Les Bruits des Cabarets, la Fange du Trottoir" und "Fenêtres Ouvertes", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/282919

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