Quantitative Randanalyse in der Zahnmedizin

Eine methodenkritische Untersuchung


Fachbuch, 2012

154 Seiten, Note: gut


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Zusammenfassung

2. Einleitung und Zielstellung
2.1. Methodenkritische Untersuchungen
2.2. Literatur zur Randspaltproblematik
2.2.1. Komposits
2.2.2. Smart Restaurative Materials
2.2.3. Polymerisation
2.2.4. Lichthärtung
2.2.5. Verbund zwischen Komposit und Schmelz
2.3. Erkenntnisse zur Verwendung für die Versuchsplanung
2.3.1. Zur Versuchsmethodik
2.3.2. Überlegungen zur Messmethodik

3. Material und Methoden
3.1. Material
3.1.1. Zähne
3.1.2. Schleifkörper
3.1.3. Präparationshilfsmittel
3.1.4. Füllungsmaterial und Hilfsmittel
3.1.5. Abdruckmaterialien
3.1.6. Untersuchungsmittel
3.2. Methoden
3.2.1. Vorversuche zur Kavitätenpräparation
3.2.2. Kavitätenpräparation für den Hauptversuch
3.3.3. Gruppenbildung
3.2.4. Applikation des Füllungsmaterials
3.2.5. Ausarbeitung der Füllungsoberfläche
3.2.6. Markierung der Präparate
3.2.7. Abdruckverfahren
3.2.7.1. Silikonabformung der Primärpräparate (gefüllte Kavitäten nach Beschreibung in Abschnitt 2.2.2. bis 2.2.6.)
3.2.7.2. Vorversuche für die Replikaherstellung
3.2.7.3. Replika - Anfertigung
3.2.8. Kriterien für die Beurteilung des Randspaltes (nach BLUNCK)
3.2.9. Prüfung des Randspalts / Messmethodik
3.2.9.1. Prüfung mit dem Rasterelektronen-Mikroskop (REM)
3.2.9.2. Prüfung mit dem Laser
3.2.9.3. Prüfung mit dem Weisslicht-Interferenz-Mikroskop (WLM)
3.3. Hypothesenbildung
3.4. Mathematisch-statistische Prüfmethoden

4. Resultate der Untersuchungen
4.1. Prüfung der Hypothese H0-1, Teil 1: Intrapersonellen Reproduzierbarkeit
4.1.1. Hypothese H0-1, Teil 2
4.2. Hypothese H0 -2, Teil 1
4.2.1. Hypothese H0-2, Teil 2
4.2.1. Hypothese H0 3, Teil 2
4.3. Hypothese H0-4
4.4. Hypothese H0-5
4.5. Hypothese H0-6
4.6. Hypothese H0-7
4.7. Hypothese H0-8

5. Diskussion
5.1. Diskussion der Nullhypothesen-Prüfung
5.1.1. Diskussion der Nullhypothese H0-1
5.1.2. Diskussion der Nullhypothese H0-2
5.1.3. Diskussion der Nullhypothese H0-3
5.1.4. Diskussion der Nullhypothese H0-4
5.1.5. Diskussion der Nullhypothese H0-5
5.1.6. Diskussion der Nullhypothese H0-6
5.1.7. Diskussion der Nullhypothese H0-7
5.1.8. Diskussion der Nullhypothese H0-8
5.2. Schlussfolgerung
5.3. Methodenkritik
5.3.1. Markierung der Präparate
5.3.2. Alternativen zum Rasterelektronen-Mikroskop (REM)

6. Literaturverzeichnis
6.1. Anhang
6.1.1. REM-Aufnahmen
6.1.2 Materialliste

1. Zusammenfassung

In der vorliegenden Studie wurde die quantitative Randanalyse (Vergrößerung 200fach), auf Sensibilität, Reliabilität und Validität überprüft. Im Gegensatz zur zirkulären Abtastung im Rasterelektronen-Mikroskop (REM) der o.g. Methode wurde in dieser Arbeit bei unter standardisierten Bedingungen gelegten Füllung lediglich ein Bildausschnitt einer kreisrunden Füllung im REM abgebildet und zwar an der grössten visuellen Spaltausdehnung zwischen Füllungsmaterial und Zahnhartsubstanz. Die Vergrösserungen waren 500, 1000- und 2000fach. Das Spaltareal wurde auf dem im REM gewonnenen Fotos von drei Untersuchern unabhängig voneinander mittels einer Schublehre vermessen und anschliessend statistisch ausgewertet.

Für die Untersuchung wurden bei 18 kariesfreien Prämolaren, die aus kieferorthopädischer Indikation extrahiert worden sind, jeweils drei senkrechte (90°) Kavitäten und drei Kavitäten mit einer 30° Schmelzanschrägung präpariert.

Als Füllungsmaterial diente Ariston pHc. Das Komposit wurde unter verschiedenen Konditionierungen der Kavitäten, feucht, trocken mit und ohne Liner eingebracht. Die Füllungen wurden materialgerecht und nondestruktiv ausgearbeitet. Von den einzelnen Präparaten wurden jeweils 4 Abdrücke (Serien 1-4) mit einem dünnfliessenden Silikon genommen. Die Negative wurden anschließend mit Epoxidharz ausgegossen und 72 Replikas angefertigt. In einer weiteren Versuchsanordnung wurden durch wiede holte Abdrucknahme von ein und demselben Präparat 10 Replikas zur Prüfung der Sensibilität angefertigt.

Bei 9 randomisierten Zahnpräparaten wurde der Abdruck mit 100 g Auflagedruck gemacht, um festzustellen, ob sich die Spaltbreite und Darstellung gegenüber den anderen drucklosen Abformungen der gleichen Präparate unterscheiden und im REM analysiert. Jeweils 4 Replikas wurden mehrmals mit zwei unterschiedlichen nondestruktiven Abtastmethoden untersucht und sollten mit den entsprechenden REM-Aufnahmen verglichen werden.

1. Laser

2. Weisslichtinterferenz-Mikroskop (WLM)Die durch Laserabtastung, WLM ermittelten Resultate konnten nicht mit denen im REM abgebildeten verglichen werden, waren aber im Vergleich zum REM aussagekräftiger, was die Größe von Überschuss und Unterschuss von Füllungsmaterial und Präparationsrand betrifft.

Im Ergebnis kann festgestellt werden, daβ die quantitative Randanalyse ausreichend sensibel ist, bestimmte Materialeigenschaften von plastischen Füllungswerkstoffen bezüglich ihres Randschlussverhaltens zur intakten Zahnsubstanz darzustellen. Sie ist aber nicht sensibel genug bei einem Vergrösserungsfaktor von 200fach, alle relevanten Spaltbereiche zu berücksichtigen, die aufgrund ihrer Größe noch eine mikroökologische Nische bieten. Zur Reliabilität kann festgestellt werden, daβ sie nur schwer zu erreichen ist. Die Reproduzierbarkeit der einzelnen Auswertungen eines jeden Untersuchers nach einem Kriterienkatalog ist nur ungenügend objektivierbar. Bei einer zweiten, dritten, usw. Messung müssen die Replikas neu im REM eingerichtet und der Startsektor mit Markierung an der gleichen Stelle eingestellt werden. Das ist für nachfolgende in vitro und in vivo Untersuchungen mit der Fragestellung, wie sich der Werkstoff nach längerer Verweildauer und funktioneller Belastung verhält, mit dieser Art der Methode unzureichend möglich; bei zunehmender Vergrößerung erst recht nicht.Die Validität ist proportional abhängig von der Gültigkeit der Reliabilität und hängt in hohem Masse von der Eichung, Methodentraining und interpersoneller Abstimmung der Untersucher ab. Voraussetzung ist sowohl bei der Einzelbewertung als auch bei den Wiederholungen ein korrektes Wiederauffinden der Restaurationsareale, bei gleichen physikalischen Voraussetzungen einschließlich Betrachtungswinkel. Die Vermessung der im Rasterelektronen-Mikroskop abgebildeten Randspalten diverser Replikas von ein und demselben Präparat zeigte speziell unter den Messserien Unterschiede auf.

2. Einleitung und Zielstellung

Ein wesentliches Untersuchungsprinzip in Wissenschaft und Technik – wenn auch nicht das Einzige – sind Zählungen von Masseinheiten physikalischer Kriterien wie Strecken, Massen, Volumen, Druck.

Messungen solcher Kriterien sind methodisch gesehen Zählungen, die durch entsprechende Hilfsmittel summa summarum ermittelt und meist von Skalen abgelesen werden.

In der Medizin setzen sich durch Messungen objektivierte Befunde immer mehr durch.

Methodenkritische Untersuchungen dienen dem Ziel, solche Messmethoden einschließlich der verwendeten Hilfsmittel zu prüfen und ggf. zu verbessern.

Zwei Ergebnisse solcher Untersuchungen sind denkbar:

1. Die geprüfte Methode entspricht voll den Anforderungen und wird deshalb unverändert beibehalten.
2. Die Messmethode wird verworfen und durch eine neue Methode (vermeintlich bessere) ersetzt, die dann allerdings erneut methodenkritisch überprüft werden muss.

Im Zuge der Entwicklung in Wissenschaft und Technik sind diese ständigen Veränderungen der Messtechnik eine objektive Notwendigkeit ohne subjektive Bindung an Personen und Institutionen. Gegenwärtig vollzieht sich gerade der Einzug der sog. Nanotechnologie in alle Bereiche von Wissenschaft und Technik und zieht neue Messtechniken nach sich.

Diese Studie setzt sich das Ziel, aus der Palette zahnmedizinisch relevanter Untersuchungsmethoden, die nachfolgend genannte methodenkritisch zu untersuchen.

Unter den Qualitätskriterien zur Beurteilung einer Zahnfüllung nimmt die Beurteilung des sog. Randspalts einen besonderen Platz ein, da die Verbindung zwischen Zahnschmelz und Füllungsmaterial einen Locus minoris resistentiae darstellt, weil Sekundärkaries häufig am Randspalt auftritt und damit den Zahn ebenso gefährdet wie die zuvor behandelte Primärkaries (Hugo et al. 2001, Krejci et al. 2004)

Untersuchungsmethoden (eingeschlossen alle Arten von Messtechniken) unterliegen Qualitätskriterien. Nur wenn diese nachgewiesen worden sind, hat die Methode einen wissenschaftlichen Wert.

Studien, die mit ungeprüften Methoden durchgeführt werden, stehen auf „tönernen Füssen“. Ihre Ergebnisse sind in Zweifel zu ziehen.

Die wichtigsten Qualitätskriterien für Untersuchungsmethoden sind:

1. Validität (Gültigkeit)
2. Sensivität (Empfindlichkeit)
3. Reliabilität (Zuverlässigkeit)

Als Untersuchungsobjekt für diese Studie wurde der „so genannte“ Randspalt gewählt, der bei der Applikation von Füllungsmaterial zwischen diesem und der gefrästen Kavität entsteht, um einen ursprünglich kariösen Zahndefekt zu verschliessen.

Der Übergang vom Zahnschmelz zum Füllungsmaterial kann unter verschiedenen Aspekten beurteilt werden, wobei sich der Randspalt gut zur Überprüfung eignet, weil jeder Spalt ein metrisch eindeutig zu bestimmendes Objekt ist.

1980 hatte LUTZ die Methode der quantitativen Randanalyse vorgestellt, wobei er einen Kriterienkatalog zur Bewertung von Füllungsrandqualitäten zu Grund legte.

Die Studie lehnt sich an Beurteilungskriterien von BLUNCK (1987) an, die dieser im Rahmen seiner Dissertation zur Einschätzung von Zahnfüllungsrändern auf der Basis von LUTZ (1980) verwendet hat, ohne jedoch diese Methode der Randspaltenanalyse in Gänze zu prüfen.

Für die schon erwähnten methodenkritischen Qualitätskriterien werden folgende Definitionen angegeben:

1.Validität

„Mit Validität wird die Gültigkeit einer wissenschaftlichen Untersuchung genauer eines Experiments oder Tests bezeichnet. Es handelt sich dabei um ein Kriterium für die Qualität eines Tests, das angibt, in welchem Mass ein Test tatsächlich das misst, was er zu messen vorgibt“ (Zitat aus Net-Lexikon)

Die Validität wird deshalb auch als „Beweiskraft“ oder als „Rechtskraft“ bezeichnet.

„Man kann zwischen interner und externer Validität unterscheiden“

1. Interne Validität: Ein Experiment ist in dem Mass intern valide, in dem es gelungen ist, potentielle Störvariablen zu kontrollieren.
2.Externe Validität: Ein Experiment ist in dem Mass extern valide, in dem die Ergebnisse verallgemeinert werden können.“ (Zitat: Net-Lexikon)

2. Sensivität

Die Sensivität bezeichnet die Empfindlichkeit (Sensibilität) einer Methode und wird durch die Trennschärfe bestimmt, mit der die physikalischen oder chemischen Gegebenheiten des Untersuchungsobjekts geprüft und unterschieden werden können. Die Trennschärfe nimmt demzufolge zu, wenn die verwendete physikalische Maßeinheit (definiert als 1,01) in den negativen Potenzbereich verschoben wird, z.B. 1,01 mm ® 10-2, 10-3, 10-4 mm usw.

Für 10-3 wird die Abkürzung µm (Mikrometer), für 10-6 mm die Abkürzung nm (Nanometer) verwendet.

Zwischen der Sensivität und Validität besteht ein Zusammenhang dahingehend, daβ bestimmte Masseinheiten nur für bestimmte Zwecke eine Validität besitzen, z.B. das Lichtjahr für extraterrestrische Streckenmessung, aber nicht für erdgebundene Distanzen, das Millimeter nicht für Messungen im Weltraum, um bei diesem einen Beispiel zu bleiben.

Diese Studie wird sich in dieser Frage auf Randspaltenmessungen beziehen.

3. Reliabilität

Die Reliabilität einer Untersuchungsmethode bezeichnet das Mass der Zuverlässigkeit, gewonnene Ergebnisse durch Wiederholung der Untersuchung zu reproduzieren.

Man unterscheidet:

1. Die interpersonelle Reliabilität

Dieses Kriterium bewertet den Grad der Übereinstimmung, den ein Untersucher durch wiederholte Messung(en) am gleichen Untersuchungsobjekt erzielt. Für Untersuchungen, die mit einer zuverlässigen Methode durchgeführt wurden liegen dann sog. reproduzierbare Ergebnisse vor. Voraussetzung für die Reproduzierbarkeit von Ergebnissen ist allerdings die Standardisierung der Versuchsbedingungen, d.h. die gleichartige Durchführung der Tests oder Untersuchungen hinsichtlich Material und Methode.

2. Die intrapersonelle Reliabilität

Mit diesem Kriterium wird bewertet, welche Übereinstimmung mehrere Untersucher durch unabhängig voneinander durchgeführte Messungen am gleichen Untersuchungsobjekt erzielen.

Der Grad der Übereinstimmung wird durch den Korrelationskoeffizienten (r) bestimmt.

Folgende Bewertungen sind üblich:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

2.1. Methodenkritische Untersuchungen

Obwohl es in der Zahnmedizin eine Fülle von Untersuchungsmethoden gibt sind methodenkritische Untersuchungen sehr selten.

Das wirft zum Teil ein schlechtes Licht auf dieses Fachgebiet, weil nach Einteilung genannter Prämisse wissenschaftliche Arbeiten ohne geprüfte Methoden und Verfahren sich selbst in den Rang von „Pseudowissenschaft“ einordnen. Letztlich scheint darin auch die Meinung der naturwissenschaftlichen klassischen Fächer (Physik, Chemie u. a.) begründet zu sein, die Medizin nicht als „reine“ Naturwissenschaft anzusehen.

Nicht umsonst fordert der Wissenschaftsrat der Medizin u. a. mit Recht, die Qualität der Promotionsarbeiten zu erhöhen. Der Vorsitzende des Wissenschaftsrates gab am 12.02.2004 der Wochenzeitschrift „Die Zeit“ ein Interview, in dem er in Bezug auf das gängige Niveau von medizinischen Doktorarbeiten sagte: „Diese Doktorarbeiten entsprechen jedoch häufig nicht wissenschaftlichen Anforderungen“. Überspitzt gesagt, untersuchen manche solche Dissertationen irrelevante Fragestellungen mit unzulässigen Methoden und erhalten zu guter Letzt noch einen wohlklingenden Titel.

Unabhängig davon ist die Promotion (Dr. – Titel) in fast allen Europäischen Ländern und in Tschechien, Russland, USA, Ukraine, Kroatien, Serbien etc. automatisch mit dem Examen verknüpft, ohne das jemals eine wissenschaftliche Arbeit angefertigt werden musste.

Die in der Tabelle 1 aufgeführten methodenkritischen Arbeiten wurden in der Literatur ermittelt.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tab. 1: Methodenkritische Literatur

Alle oben aufgeführte Autoren haben sich mit Kriterienkatalogen für Randverhalten von Füllungswerkstoffen und deren Auswertung befasst. Es zeigt sich, dass nicht nur innerhalb der oben genannten Arbeiten, sondern auch in weiteren vielfältigen Veröffentlichungen es nicht unerhebliche Unterschiede innerhalb der Bewertungskriterien gibt, was denn nun ein „Randspalt, Überschuss, Unterschuss“ ist und wie es sich letztendlich mit der Verlässlichkeit dieser Aussagen unter standardisierten Bedingungen verhält (Manhart 2002).

2.2. Literatur zur Randspaltproblematik

Ein besonderes Anliegen der Zahnheilkunde ist es seit jeher, kariöse Defekte und Läsionen dauerhaft mit einem Werkstoff zu versorgen, der dem natürlichen Zahn entspricht.

Im sichtbaren Zahnbereich, speziell im Frontzahnbereich wurden über einen langen Zeitraum Silikat Zemente eingesetzt.

Im okklusionstragenden Seitenzahnbereich hatte sich Amalgam aufgrund seiner niedrigen Kosten, der relativ einfachen und schnellen Verarbeitung und der langen Lebensdauer als Mittel der Wahl etabliert (Roulet 1988).

Aufgrund der von den Medien sehr subjektiv betriebenen Diskussion über eine vermutete Amalgam gesteuerte Quecksilberintoxikation ist dieser Werkstoff derart in Verruf geraten, daβ durch das BGA (Bundesgesundheitsamt [Deutschland]) 1992 und 1995 durch das BfArM (Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte [Deutschland]) eine Indikationsbeschränkung aus Gründen des Gesundheitsschutzes angeordnet worden ist. Die Suche nach einem zahnfarbenen Füllungsmaterial als Amalgamersatz wurde gefordert (Roulet und Lösche 1994).

In den letzten 30 Jahren hat die Entwicklung der zahnfarbenen Füllungswerkstoffe grosse Fortschritte gemacht. Die zahnfarbenen Materialien entsprechen in vielerlei Hinsicht annähernd der natürlichen Zahnsubstanz (Zantner et al. 2004).

Die Verschleissfestigkeit von Hybridkomposits kommt bei hohem Verarbeitungsaufwand und eingeschränktem Indikationsbereich dem von Amalgam nahe (Davidson und De Gee 1996).

Trotzdem konnten und können bei näherer Betrachtung die Versprechungen der Hersteller hinsichtlich eines Amalgamersatzes nicht realisiert werden

(Lutz et al. 2000).

Nach wie vor gelten für zahnfarbene Füllungsmaterialien auch als Amalgamalternative folgende Postulate (Roulet 1994):

- Perfekte, dichte und belastungsfreie marginale Adaption im Schmelz / Dentin
- Adäquate Verschleissfestigkeit
- Nonabrasivität gegenüber Schmelzantagonisten
- Ausreichende Dimensionsstabilität
- Bleibende, zahnfarbene Ästhetik
- Biokompatibilität
- Einfache Verarbeitbarkeit
- Einfache, nondestruktive Ausarbeitbarkeit
- Reparierbarkeit
- Einfache, gegenüber der Zahnhartsubstanz nondestruktive Ersetzbarkeit

Nach LUTZ et al. 2000 ist die Definition von Amalgamalternativen eindeutig. Zielvorgabe bei Amalgamersatz ist der Erhalt der Zahnhartsubstanz, Schutz der Pulpa und Wiederherstellung des Zahnes in Form und Funktionalität. Da bei dieser Art der Wiederherstellung die ästhetischen Belange nicht von Bedeutung sind, aber sowohl vom Patienten als auch vom Behandler gefordert werden, wurden von LUTZ Restaurationsgrade mit entsprechenden Zielvorgaben in Abhängigkeit vom Restaurationstyp erstellt (Lutz et al. 2000).

LUTZ kommt zu der Feststellung, daβ der Restaurationsgrad 2 für Zahnhart- substanzerhalt und Wiederherstellung der Form und Funktion mit Amalgamersatz bei den marktüblichen plastischen, zahnfarbenen Füllungswerkstoffen zur Zeit nicht verfügbar ist.

Die Verarbeitung ist nach wie vor wesentlich aufwendiger als beim Amalgam.

Volumenveränderungen durch Wasseraufnahme (Blunck und Roulet 1997) und vom Schmelz abweichende thermische Ausdehnungskoeffizienten (Blunck und Haller 1999, Stiesch-Scholz und Hannig 1999) haben bei Kavitäten im Seitenzahnbereich eine grössere Bedeutung.

Es wird mehr Material benötigt und die Füllungen sind stärker dem Kaudruck ausgesetzt (Roulet et al. 1991).

Besonders die marginale Adaption und die Verschleissfestigkeit sind nach ROULET und RENG 1995, ROULET 1987 die Problempunkte.

Der Füllungsrandbereich ist oftmals ein Ort der Plaqueretention und damit die Eintrittspforte für kariogene Keime (Schwarz und Gängler 1998).

Durch die Verbesserung der Säure-Ätz-Technik seit BUONOCORE 1955 und SILVERSTONE 1974 erreicht man mit dem Stand der heutigen Adhäsivtechnik relativ gute Ergebnisse (Blunck 1998, 2004, Ernst 2004).

In Kombination mit dem Einbringen von Inkrementen (Dietrich et al. 1999) und lichtgerichteter Umhärtungstechnik (Lösche et al. 1997) konnte die Polymerisationsschrumpfung der Komposite zusätzlich reduziert, und die Spaltgröße zwischen Füllung und Zahnhartsubstanz verkleinert werden (Roulet 1989).

Trotz anders lautender Meinung der Hersteller gibt es zurzeit noch kein schrumpfungsfreies Komposit auf dem Markt, sondern lediglich schrumpfungsarme Komposite (Davidson und Feilzer 1997).

2.2.1. Komposits

Komposite bestehen hauptsächlich aus drei Phasen (Meiners und Lehmann 1998), nämlich:

- der organischen Phase aus polymerisierenden Kunststoffen auf Acrylat-Basis und Zusatzstoffen,
- der anorganischen Phase aus Füllstoffen und Pigmenten, sowie
- der Verbundphase mit Silanen als Haftvermittlern, die mit dem Kunststoff polymerisieren können.

Die organische Phase besteht vorwiegend aus Monomeren und Komonomeren. Die Monomere werden nach der Gruppierung der C-Atome zwischen den Methacrylsäureresten in aliphatische, alicyclische und aromatische Dimethacrylate unterteilt. Das 1962 von BOWEN entwickelte Bis-GMA (Bisphenol-A-Glycidyl-Methacrylat), auch unter der Bezeichnung „Bowen-Harz„ bekannt, mit Siliziumdioxidteilchen als Füllstoff besitzt immer noch die gleiche Matrix der heute verwendeten Kunststoffe (Klumpp 1999) (Abb. 2.1).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 2.1: Aufbau des BOWEN-Monomers

Die vorher verwendeten Methacrylate wiesen noch einen Schrumpf von bis zu 22 Vol.-% auf, der durch das Bis-GMA auf 7 - 10 Vol.-% reduziert werden konnte (Geurtsen 1989).

Die heutigen modernen Hybridkomposite weisen derzeit noch einen Polymerisationsschrumpf von 2 - 3 Vol.-% auf (Hannig und Bott 2000).

Die niedrig viskösen Komonomere werden zur Verbesserung der Verarbeitungseigenschaften mit den viskösen Monomeren kombiniert (Geurtsen 1989).

Durch die Reduktion der Oberflächenspannung des Monomers ist eine bessere Adaption und Polymerisation des Komposits in der Kavität gewährleistet. Die Nachteile sind aber eine höhere Wasseraufnahme und eine grössere Polymerisationsschrumpfung (Feilzer et al. 1990 b). Gängige Komonomere sind Triethylenglycol-Dimethacrylat (TEDMA) und Ethylenglykol-Dimethacrylat (EDMA).

Die anorganische Phase besteht hauptsächlich aus diversen anorganischen Füllstoffen, die entscheidenden Einfluss auf die physikalischen Eigenschaften nehmen. Die Polymerisationsschrumpfung, Quellung und thermische Ausdehnung verringern sich. Druck-, Zug-, Biege-, Abrasionsfestigkeit und Elastizitätsmodul erhöhen sich. Die Füllstoffe bestehen aus Quarz, Gläsern und Silikaten, welche in Form von Kugeln, Stäbchen oder Kristallen vorkommen, und die mit ungesättigtem Silan überzogen sind (Viohl et al. 1986).

Die Pigmentanteile stellen ca. 1 % der anorganischen Phase dar und dienen lediglich der Farbgebung.

Die Verbundphase wird durch Silane als Haftvermittler zwischen den anorganischen Füllstoffen und der organischen Matrix erreicht. BOWEN verwendete Vinylsilan, heute handelt es sich meist um 3-Methacryloxy-propyl-trimethoxy-Silan (MPTMS), das mit seinen Alkoxy-Gruppen durch eine Veresterungsreaktion eine Bindung an die Silanol-Gruppen der Fülleroberfläche eingeht und gleichzeitig eine kovalente Bindung zu den Methacrylatgruppen der Monomere und Komonomere herstellt. Die Klassifizierung der Komposite kann nach verschiedenen Merkmalen erfolgen.

VIOHL et al. hatten 1986 eine Einteilung nach Art der Monomere und Komonomere vorgenommen.

ROULET 1987 (Abb. 2.2) und LUTZ et al. 1983 hatten einer Einteilung nach der Partikelgrösse der Füllstoffe den Vorzug gegeben.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 2.2: Klassifikation von Kompositen nach ROULET

Die verschiedenen Konstruktionselemente der Komposite werden durch das Pfeilgitter angezeigt.

Diese Art der Einteilung war sinnvoll, sind es doch die anorganischen Füllstoffe, welche die organische Matrix entschieden verbesserten hinsichtlich der physikalischen und mechanischen Eigenschaften.

Die ersten konventionellen Komposite besassen noch einen Füllstoffgehalt von 60.- 80 % aus anorganischen Makrofüllern, welche aus Quarzen, Gläsern oder Silikaten durch Mahlen auf eine Korngrösse von 5 - 100 µm reduziert wurden (Lutz et al. 1983).

Nachteilig waren aber eine schlechte Polierbarkeit und eine ungenügende Silanverbindung, wobei es durch Hydrolyse zum Herauslösen von Füllkörpern kam (Roulet 1987).

Homogene Mikrofüllerkomposite enthalten Präzipitate aus amorphem Siliziumdioxyd mit einer Teilchengrösse von etwa 0,04 µm (Aerosil). Der Nachteil dieses Komposits war eine mühsame Verarbeitung, aufgrund der Klebrig- und Zähigkeit dieses Werkstoffes.

Die Herstellung von Mikrofüllern mit einer Korngröße von 0,005 - 0,05 µm war erst möglich, als man homogene Komposite zerkleinerte und die Splittervorpolymerisate als Füller verwendete. Auf dieser Basis wurden die inhomogenen Mikrofüllerkomposite entwickelt. Sie führten zu guten ästhetischen Resultaten, waren hochglanzpolierbar und wurden nicht stumpf. Aus werkstoffkundlicher Sicht wurden auf Kosten der Ästhetik die physikalischen Eigenschaften verschlechtert, so daβ in diesem Bereich die mikrogefüllten Komposite den mit Makrofüllern enthaltenen Kompositen unterlegen sind (Lambrechts et al. 1988).

Durch eine verbesserte Mahltechnologie von Quarzen und Gläsern war es möglich, Makrofüller mit einer mittleren Partikelgröße von ca. 0,6 µm herzustellen (Roulet 1987).

Durch Kombination aus einer mit Mikrofüllern angereicherten Matrix, und Makrofüllern unterschiedlicher Grösse wurden die Hybridkomposite entwickelt. Diese haben verbesserte Materialeigenschaften gegenüber konventionellen und inhomogenen Kompositen (Roulet 1987).

Diese Hybridkomposite und deren Weiterentwicklungen, wie die Feinstpartikel-Hybridkomposite und in letzter Zeit die Nanokomposite (Nanohybrid-Komposite, „Ästhetische Komposite“), kommen heutzutage hauptsächlich zur Anwendung (Syrek 2000, Ernst et al. 2003). Der Vorteil dieser neuen Komposite ist eine dem Schmelz vergleichbare Lichtdurchlässigkeit und Opaleszenz. Dies wird nach SYREK durch die Verwendung von Partikeln im Nanometerbereich ermöglicht, die denselben Refraktionsindex aufweisen wie die Füllkörper der umgebenden Matrix

Andere Autoren wie LEINENFELDER 1991 und JANDA 1988, 1990 machten ähnliche, leicht modifizierte Einteilungen.

Für die Neuentwicklungen und Vermischung von unterschiedlichen Werkstoffen zu neuartigen Materialien wie die Ormocere oder Kompomere, empfahlMcLEAN et al. 1994 eine Unterteilung in harzmodifizierte Glasionomerzemente und durch Polysäure modifizierte Komposite.

Auf dem Dentalmarkt gibt es mittlerweile bei den Kompositen eine schier unübersichtliche Fülle von neuen Produkten, die es dem Anwender schwer machen, sich in diesen „ultimativ-innovativen“ Werkstoffen zurechtzufinden. Nach GEITEL et al. 2004 sind es allein in Deutschland über 80 verschiedene Komposits in den letzten 10 Jahren.

Eine vernünftige Klassifizierung der zahnfarbenen plastischen Werkstoffe ist nur noch bedingt möglich und dies führte dazu, daβ sich führende Wissenschaftler auf diesem Gebiet mehr oder weniger auf eine neue Einteilung einigten (Hickel 1998).

Danach gibt es streng genommen zwei grosse Gruppen von zahnfarbenen plastischen Füllungswerkstoffen:

- Komposite: Hierzu gehören Kompomere, Orcomere und Polyglass.
- Glasionomere:Differenzierung nach Wassergehalt, bzw. nach Säure-Basen-Reaktion während der Abbindephase.

Der entscheidende Unterschied zwischen beiden Materialgruppen ist, daβ Glasionomere mehr oder weniger Wasser enthalten und in der Verarbeitung wesentlich einfacher zu handhaben sind als Komposite, die unter absoluter Trockenlegung möglichst unter Kofferdamm verarbeitet werden sollten (Stoll et al. 1999, Blunck 2004)

2.2.2. Smart Restaurative Materials

Mit Ariston pHc ist ein Füllungswerkstoff entwickelt worden, der in der Matrix einem modernen Hybridkomposit mit ähnlichen Festigkeitswerten entspricht (Koch 1998).

Über ein Barium-, Aluminium-, Fluorsilikatglas sind zusätzlich Fluorid-, Kalzium- und Hydroxylionen integriert, die am Füllungsrand positiv in Form von Remineralisationen wirken, und ausserdem das Bakterienwachstum hemmen sollen (Boer 1999, Klumpp 1999).

Nach BOER soll Ariston pHc dem Standard 2 von LUTZ entsprechen.

Es wird bewusst auf eine mikroadhäsive Verankerung verzichtet, damit es bei einem eventuellen Abriss des Adhäsivverbundes inklusive der Hybridschicht nicht zu einer Eröffnung der Dentintubuli kommt.

Ariston pHc wird aus diesem Grund lediglich mit einem Liner verarbeitet, der in seiner Zusammensetzung Ähnlichkeiten mit einem Einkomponenten-Haftvermittler (Glockner 1999) aufweist.

Dieser Liner soll in Form von „Tags“ die freigelegten und angeschnittenen Dentintubuli versiegeln. Er wird in die Kavität eingepinselt, verblasen und nach ca. 20 s Einwirkung für 40 s lichtgehärtet. Durch den Liner sollen postoperative Beschwerden verhindert werden.

Da die Randspaltenproblematik bei herkömmlichen Kompositen hinlänglich bekannt ist, wird bei Ariston pHc ein Randspalt bewusst in Kauf genommen (Blunck 1998).

Die inkorporierten Kalzium- und Fluoridionen dienen zur Rekalzifizierung des remineralisierten Schmelzes. Hydroxylionen sollen bei sinkendem pH-Wert die bakteriellen Säuren abpuffern und eine Sekundärkaries verhindern (Koch 1998); laut BLUNCK 1998 scheinen in vivo und in vitro Untersuchungen dies zu bestätigen.

Eine Schwächung des Materials durch die ständige Ionenfreisetzung soll nicht stattfinden, der Ionenspeicher der Matrix soll sich, durch die in der Mundhöhle vorhandenen Ionen selbständig permanent wieder aufladen (Boer 1999).

Bei der Verarbeitung kann laut BOER auf eine absolute Trockenlegung mittels Kofferdamm verzichtet werden. Eine relative Trockenlegung ist ausreichend, lediglich Blut, Speichel und Sulkusflüssigkeiten sollten vermieden werden. Da aber Ariston pHc von der Struktur her ein Komposit ist, sollte es zur Optimierung der Resultate auch lege artis unter absoluter Trockenheit mittels Kofferdamm-Technik verarbeitet werden (Stoll et al. 1999).

Da bei der Verarbeitung auf die Säure-Ätz-Technik inklusive Adhäsivverbund verzichtet wird, muss die Kavitätenform entsprechende Retentionen aufweisen wie bei Amalgamfüllungen (Blunck 1998).

Durch die rein weisse Farbe von Ariston pHc kann das Komposit in bis zu 4 mm starken Inkrementen eingebracht werden, eine komplette Lichtdurchhärtung innerhalb von 40 s ist dadurch gewährleistet (Koch 1998).

Nach HARTMANN 1999 sollte laut ISO-Norm für Füllungskunststoffe (ISO 4049 EN 24049, März 1994) die Biegefestigkeit von Kompositen mindestens 50 MPa betragen. An diesen Wert kommt Ariston pHc heran.

Die Haftwerte sollten nach FRANKENBERGER und KRÄMER 1998 am Schmelz und Dentin wenigstens 20 MPa betragen.

Der Haftwert für Ariston liegt nach BOER 1999 bei 5 MPa. Die Aushärtung durch konventionelle UV-Geräte kann direkt von okklusal erfolgen, es bedarf keiner lichtgerichteten Umhärtungstechnik.

Untersuchungen von GLOCKNER 1999, GLOCKNER et al. 1998 zur marginalen Randadaption zwischen marktüblichen Kompositen und Ariston nach Temperaturwechselbelastung und okklusaler Belastung ergaben mittels Replikatechnik bei 100facher Vergrößerung im REM keinen signifikanten Unterschied bezüglich der Randqualität.

Ariston pHc wies mit 96 % einen perfekten Rand im Schmelz und mit 97 % einen perfekten Rand im Dentin auf, ähnlich wie „Tetric Ceram“. GLOCKNER erklärt sich dieses Ergebnis so, daβ eventuell der Liner doch eine größere adhäsive Wirkung besitzt und der vom Hersteller angegebene Schrumpf von Ariston kleiner ist.

HARTMANN 1999 kam bei seinen Untersuchungen zu einem gänzlich abweichenden Ergebnis.

Ariston pHc wies nach seinen Versuchen stark reduzierte adhäsive Eigenschaften auf, kombiniert mit einer ausgeprägten Randspaltenbildung, die um ein Vielfaches grösser war als bei lege artis verarbeiteten Kompositen.

LUTZ et al. 2000 kam in seiner in vitro Analyse zu Amalgamersatzmaterialien mit Ariston zu ähnlich negativen Ergebnissen.

Nach Belastung waren bei Ariston weniger als 10 % der gesamten Randlänge spaltfrei. Nach MOLL und HALLER 1998 bleibt abzuklären, ob große Randspalten durch protektive Ionenfreisetzung über einen längeren Zeitraum zuverlässig eine Bakterienpenetration verhindern können.

Für die vorliegenden Untersuchungen wurde gezielt Ariston pHc ausgewählt, weil bei der Aushärtung laut dem Hersteller Vivadent bewusst ein Randspalt in Kauf genommen wird (Blunck 1998, Klumpp 1999). Da Randspalten zur Vermessung vorhanden sein sollten, brauchten durch Thermocycling und Belastungsstress keine produziert zu werden. Bei der Verwendung dieses Materials wurde von dem Vorhandensein von Spalten ausgegangen.

2.2.3. Polymerisation

Komposite können grundsätzlich chemisch, thermisch oder mit Licht gehärtet werden (Roulet 1987, Viohl et al. 1986).

Polymerisation ist die Reaktion von ungesättigten Verbindungen zu Makromolekülen. Diese Reaktion wird durch entsprechende Initiatoren ausgelöst.

Die Startreaktion beginnt mit Kettenstart, gefolgt von Kettenwachstum und endet mit einem Kettenabbruch. Dabei öffnen sich die Doppelbindungen der Methacrylatgruppen, um sich anschliessend wieder zu vernetzen (Kullmann 1990). Während des Polymerisationsprozesses führt die Anordnung der Monomere zu Ketten von Polymeren und gleichzeitig zu einer Volumenverringerung durch die Verkleinerung des intermolekularen Abstandes.

Diese Polymerisationskontraktion entspricht ca. 2,3 - 5,7 Vol.-% (Geis-Gerstorfer et al. 1991). Neuere Messmethoden mit Präzisionswaagen haben allerdings gezeigt, daβ neuere Kompositmaterialien eine Schrumpfung von unter 2 % haben, wobei allerdings diverse Parameter wie Wasseraufnahme zu berücksichtigen sind (Soltez 2004).

Durch den Verbund des Komposits mit der Kavitätenwand, dem Schmelz und Dentin wird die freie Kontraktion eingeschränkt. Dadurch entstehen zusätzlich Spannungen, die diesen Verbund gefährden (Ilie et al. 2003)

Während des Polymerisationsprozesses findet eine Verformung des Komposits statt, der durch das Verschieben der Polymerketten als „Fliessen“ (Flow) bezeichnet wird.

Dieser Flow ist bis zum Erreichen des Gelpunktes, wenn sich das Material zu verfestigen beginnt, durchaus in der Lage, entstehende Spannungskräfte zu kompensieren (Goldmann 1983).

Der Flow entsteht direkt am Anfang der Polymerisation und zwar exakt dann, wenn die Kontraktionsspannung die Elastizitätsgrenze des Füllungsmaterials übersteigt (Van Meerbeek et al. 1992).

Allerdings wirkt auch dieser Flow einer maximalen Polymerisation entgegen (Haller 1994).

Entscheidenden Einfluss auf die Polymerisation hat Art und Menge des reagierenden Monomers (Lutz et al. 1993). Je grösser die Menge von kleinen reagiblen Monomeren ist, umso grösser ist die Polymerisationsschrumpfung; eine Verminderung hat eine Reduktion der Schrumpfung zur Folge (Goldmann 1983).

Ob der durch den Volumenverlust entstandene Schrumpf durch hygroskopische Expansion reduziert oder gänzlich kompensiert werden kann ist umstritten (Torstenson und Brännström 1988). Sicher ist aber, daβ durch Flüssigkeitsaufnahme eine Quellung des Kunststoffes stattfindet und das Ausmass der hygroskopischen Expansion von der chemischen Struktur abhängig ist. Je kleiner der Anteil der organischen Matrix, desto geringer ist die Expansion (Feilzer et al. 1990 a).

Weiterhin ist der Schrumpf abhängig von der Art der Härtung und der Aushärtungsgeschwindigkeit. Im Gegensatz zu schnell aushärtenden lichtpolymerisierenden Kompositen kann bei langsamer Abbindereaktion wie bei chemischen Kompositen noch über einen längeren Zeitraum ein Spannungsausgleich durch den Polymer-Flow stattfinden (Feilzer et al. 1990 b, Van Meerbeek 1992).

Bei den chemisch härtenden Kompositen findet durch eine gleichmässige und relativ langsame Aushärtung der Schrumpf in Richtung Massenzentrum statt

(Reinhardt 1991).

2.2.4. Lichthärtung

Die Lichtpolymerisation hat sich in der Praxis weitestgehend durchgesetzt (Lutz et al. 1992). Lichtpolymerisierende Komposite weisen gegenüber chemisch härtenden und den dualhärtenden Materialien eine Reihe von Vorteilen auf (Pioch et al. 1998).

- Komposite werden einphasig in Karpulen angeboten, dadurch entfällt der Anmischvorgang, die Homogenität ist besser, Fehler beim Dosieren von Base und Katalysator entfallen und es kommt nicht zu Lufteinschlüssen mit nachfolgenden Porositäten, welche die Füllungseigenschaften massiv verschlechtern (Meiners und Lehmann 1998, Krejci 1992).
- Rasche Polymerisation mit einer Konvergenzrate von 70 - 80 %.
- Ausreichende Verarbeitungszeit.
- Die Verarbeitung besonders bei grösseren Klasse-III-Kavitäten kann sukzessive mit der Mehrschichttechnik erfolgen, die anatomische Wiederherstellung des okklusalen Reliefs lässt sich leichter und besser modellieren (Krejci 1993).
- Der Polymerisationsgrad ist, vorausgesetzt bei Verarbeitung lege artis, höher als bei Zwei-Komponenten-Kunststoffen (Geurtsen 1989).
- Dadurch ist der Restmonomeranteil geringer und die Gefahr von Pulpairritationen wird vermieden.
- Es besteht die Möglichkeit, die Schrumpfungsvektoren in einem gewissen Mass durch lichtgerichtete Polymerisation zu steuern und eventuell eine bessere marginale Adaptionzu erreichen (Lutz et al. 1986, 1991, Krejci et al1988).
- Durchstrahlbarkeit von Zahnsubstanz und zahnfarbenen Füllungsmaterialien und Werkstücken (Reinhardt und Vahl 1981).
- Die Restaurationen können ohne grossen Zeitverlust ausgearbeitet werden.

Vorteile der chemisch härtenden Kunststoffe liegen darin, daβ sie bei der Zementierung von nicht lichtdurchlässigem Zahnersatz gleichmässig und langsam durchhärten (Feilzer et al. 1988), unabhängig von der Schichtstärke. Sie weisen zudem eine bessere Randadaption auf (Krejci et al. 1986) und kommen aus diesem Grunde auch noch zur Anwendung.

Die Polymerisation der lichthärtenden Komposite wird durch die Freisetzung eines chemisch lichtaktivierbaren Initiatorsystems gestartet.

Durch die Reaktion von Methacrylatgruppen der Monomere werden lange quervernetzte Ketten gebildet, die ein dreidimensionales Geflecht bilden (Meiners und Lehmann 1998, Geurtsen 1989) (Abb. 2.3).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 2.3: Lichthärtung; nach GEURTSEN 1989

Die Photopolymerisate reagieren nach Lichtbestrahlung durch den Zerfall von Photoinitiatoren, hauptsächlich Campherchinon und Aminakzeleratoren. Es entstehen nach MEINERS und LEHMANN 1998 Startradikale, welche die Polymerisation in Gang setzen Die Radikale reagieren mit den Doppelbindungen der Monomere und ermöglichen so das Kettenwachstum mit Ausbildung der Polymermatrix (Balkenhol 1999).

Diese Polymerisation ist von weiteren Faktoren abhängig:

- Die Lichtdurchlässigkeit des Komposits, die bestimmt wird durch die Transluzenz des Werkstoffes in Abhängigkeit von Reflexion, Brechung und Beugung des Lichtes (Lutz und Krejci 1992), beeinflusst durch die Zusammensetzung der Kunststoffmatrix in Korrelation zu Art, Grösse und Anzahl der Füllkörper, sowie Pigmentanteil (Balkenhol 1999).
- Die Kavitätenform (Blunck und Roulet 1997).
- Die hygroskopische Expansion.

Eine unerwünschte Eigenschaft lichthärtender Komposite ist die von der Polymerisationsschrumpfung verursachte Randspaltenbildung. Im Gegensatz zu der chemischen Härtung sind bei den lichthärtenden Kompositen die Schrumpfungsvektoren direkt der Lichtquelle zugewandt (Abb. 2.4).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 2.4: Polymerisationsschrumpfung bei Lichthärtung und Mehrschicht-technik nach HILBIG 1992

Verschiedene Methoden wurden entwickelt, diesen Schrumpf zu reduzieren und die Grösse des Randspaltes zu minimieren, speziell durch die Schichttechnik (Ernst et al. 1997, Dietrich et al. 1999, Lösche et al. 1996).

LÓPEZ et al. 2004 beschreibt in seiner Arbeit Versuche diverser Füllungs- und Schichttechniken zur Randspaltvermeidung verursacht durch die Kontraktion des Komposits (cuspal deflection), daβ keine seiner angewendeten Füllungstechniken den Schrumpf verhindern kann.

GENTE und SOMMER beschrieben 1999 die Methode der selektiven Bestrahlungstechnik.

Der lineare Schrumpf wurde nach ihren Untersuchungen um 30 - 50 % reduziert. Die Spaltbildung im zervikalen Bereich konnte durch Leuchtkeile reduziert werden (Lösche et al. 1994), (Abb. 2.5).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 2.5: Mehrschichttechnik mit selektiver Bestrahlungstechnik und Einsatz eines Leuchtkeiles nach HILBIG 1992

Eine Bestrahlung durch die seitlichen Kavitätenwände scheint aber nach VERSLUIS et al. 1998 und GONZÁlES-LÓPEZ et al.2004 wenig Erfolg versprechend, da nach ihren Untersuchungen die Schrumpfungsrichtung nicht entscheidend von der Richtung des einfallenden Lichtes abhängig ist, sondern unabhängig von der Lichtquelle und ihr nicht zugewandt. Zusätzlich sind nach HOFF 1998 und GENTE et al. 1999 Kavitäten mit entsprechendem Dentinanteil ein optisches System zu bilden, bei dem das einfallende Licht parallel zu den Dentinkanälchen direkt Richtung Pulpa geleitet wird. Ein möglicherweise guter Lösungsansatz ist die Einbringung von grösseren lichtleitenden Inserts (Hannig et al. 1995).

Eine anfänglich zu hohe Lichtenergiemenge ist nicht unbedingt von Vorteil, sie führt nach ERNST et al. 1997 zu einer zu hohen Polymerisationsspannung.

Der Schrumpf ist relativ hoch und es kann zu Abrissen des Adhäsivverbundes kommen. Das hat natürlich besonders Auswirkungen auf die Randständigkeit, (Chen et al. 2001).

Die Entwicklung zweistufiger Polymerisationsleuchten soll dem entgegenwirken. Das Ziel ist es, mit einer anfänglich geringen Lichtintensität von 120 mW/cm² eine stressfreie Polymerisation zu starten (Mehl et al. 1997, Hickel 1997), bei welcher der Gelpunkt und die Viskosität herabgesetzt sind und noch die Möglichkeit besteht, daβ die Schrumpfung bei gleichzeitig hoher Vernetzung verlangsamt werden kann. Auftretende Materialspannungen können durch die Fliessmöglichkeit des noch viskösen Komposits ausgeglichen werden. Anschliessend wird die Lichtintensität nach 10 - 15 s erhöht und mit der zweiten Stufe die Füllung bei 800 mW/cm² während weiteren 30 s komplett ausgehärtet (Mehl et al. 1997).

Als Lichtquelle in den Polymerisationsgeräten dienen meist Halogen-Reflektorlampen, die polychromatisches Licht verschiedener Wellenlängen aussenden. Für die Aushärtung der Komposite wird Licht in der Wellenlänge von 380 - 520 nm benötigt. Andere Wellenbereiche wie die langwellige Wärmestrahlung werden durch entsprechende Filter herausgefiltert. Die Ausbreitung des Lichtes erfolgt kegelförmig am Ende des Lichtleiters und die Lichtintensität verhält sich umgekehrt proportional zum Quadrat der Entfernung (Geurtsen 1989).

Die Bestrahlungsstärke ist zusätzlich abhängig vom Durchmesser des Lichtaustrittsfensters (Lutz et al. 1992).

Bei zunehmendem Abstand des Lichtleiters findet besonders am Rand des Beleuchtungsfensters ein Intensitätsabfall der Strahlenflussdichte statt (Rueggeberg und Jordan 1993).

Der Lichtleiter sollte möglichst direkt auf die Füllung gehalten werden, sonst ist die Lichtintensität stark verringert und die Polymerisationstiefe eingeschränkt; der ideale Abstand ist ca. 1 mm vom Objekt (Ernst et al. 2000).

Das gilt auch bei verschmutzten Lichtleitern, defekten Filtern, in der Leistung nachlassenden Halogenbirnen und gealterten Geräten. Die Vorteile von plastischen Füllungswerkstoffen können sich sehr schnell zum Nachteil umkehren, wenn die Verarbeitung nicht lege artis erfolgt.

Bei ungenügender Lichtleistung und/oder zu kurzer Bestrahlungszeit (Rueggeberg et al. 1994) entsteht eine ungenügende Polymerisation verbunden mit einem höheren Restmonomeranteil und zusätzlich massiv verschlechterten mechanischen und physikalischen Eigenschaften.

Auch eine Überlagerung der Karpulen und ein zu warmer Aufbewahrungsort führen zu mangelhaften Resultaten.

[...]

Ende der Leseprobe aus 154 Seiten

Details

Titel
Quantitative Randanalyse in der Zahnmedizin
Untertitel
Eine methodenkritische Untersuchung
Hochschule
Freie Universität Berlin
Note
gut
Autor
Jahr
2012
Seiten
154
Katalognummer
V282638
ISBN (eBook)
9783656823056
ISBN (Buch)
9783656823049
Dateigröße
7939 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Schlagworte
Zahnmedizin, Randanalye
Arbeit zitieren
Klaus Eisert (Autor:in), 2012, Quantitative Randanalyse in der Zahnmedizin, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/282638

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