Die Darstellung der Elektra bei Sophokles und Euripides. Ein Vergleich


Hausarbeit, 2013

13 Seiten, Note: 1,3

Lina Jacobs (Autor:in)


Leseprobe


Die Frau: das war ein auf den Mann bezogenes, vom Mann abhängiges,
vom Mann ernährtes und durch den Mann lebendes Wesen...
ein Wesen, das zeitlebens unter der Ägide eines Vormunds stand:
des Vaters, des Ehemanns oder des Bruders.
(Jens Walter: Mythen der Dichter1 )

1. Einleitung

Elektra ist eine Figur, die besonders in der Kunst und Literatur stets wieder aufgegriffen und neu interpretiert wird. Die Tochter des Agamemnon, die nach dessen Ermordung durch ihre Mutter Klytaimnestra und Aighistos allein mit den Feinden zurück bleibt und sehnsüchtig die Rückkehr, des vor den Vatermördern in Sicherheit gebrachten Bruders, erwartet. Er soll den Vater rächen und die Herrschaft über Mykene übernehmen. Die Figur Elektra ist vor allem für ihre Treue und Liebe gegenüber dem Vater und ihrem Hass gegenüber der Mutter bekannt.

Sowohl Sophokles als auch Euripides haben der Königstochter ein ganzes Drama gewidmet und das in einer Zeit, in der Frauen nicht hoch angesehen waren.

Die Philologen sind sich bis heute nicht einig, welches Werk zuerst entstanden ist, sodass nicht nachgewiesen werden kann, wer wen inspiriert hat.2

In dieser Hausarbeit werden die beiden Tragödien in Hinblick auf die Darstellung der Figur Elektra analysiert und verglichen. In welchen Punkten ähneln sich die Elektren und in welchen unterscheiden sie sich? Wie schaffen Sophokles und Euripides es, den Titel Elektra zu rechtfertigen?

Dabei wird zunächst Elektra untersucht, anschließend aber auch die neben ihr stehenden Figuren: ihr Bruder Orestes, ihre Mutter Klytaimnestra und bei der sophokleischen Elektra die Schwester Chrysothemis.

Die Analyse stützt sich auf die deutsche Übersetzung von Kurt Steinmann (Euripides) und Wolfgang Schadewaldt (Sophokles). Desweiteren werden insbesondere wissenschaftliche Arbeiten von Hellmuth Flashar, Ruth Harder und das Einführungswerk Gustav Seecks hinzugezogen.

2. Vergleich der Darstellung der Elektra bei Sophokles und Euripides

Der Mythos der Elektra findet seinen Ursprung in der griechischen Mythologie. Elektra gehört zur Familie der Atriden. Die Atriden-Sage wird erstmals von Homer in seiner Odyssee verschriftlicht. Weitere Dokumente, so zum Beispiel die epische Dichtung Oresteia von Xanthos und Stesichoros, oder Pindars 11. Pythische Ode behandeln den Mythos um die Familie des Agamemnon.3 Alle Verschriftlichungen der Atriden-Sage vor Aischylos haben eine Gemeinsamkeit: Sie kennen die Figur Elektra nicht. Es wird weder der Name genannt, noch wird eine der erwähnten Töchter mit dem Muttermord in Zusammenhang gebracht. Die Aussagen über Anzahl und Namen Agamemnons und Klytaimnestras Töchter widersprechen sich. Aischylos ist der erste, der die Figur Elektra einführt und mit dem von Orest durchgeführten Mord an Klytaimnestra in Zusammenhang bringt. Mit dem Mittelstück seiner Trilogie die Orestie, etabliert Aischylos den Namen und die Figur Elektra, die wir heute kennen.4

Während Elektra bei Aischylos noch eine untergeordnete Rolle spielt und ihr Bruder Orestes und sein Schicksal im Vordergrund stehen, rücken Sophokles und Euripides die Tochter Agamemnons in den Mittelpunkt des Geschehens. Die Ausgangssituation ist bei beiden Tragikern die gleiche: Agamemnon zieht in den Krieg und kehrt Jahre später zurück. In der Zwischenzeit hat sein Cousin Aighistos seine Frau Klytaimnestra geheiratet und die Herrschaft über Mykene übernommen. Bei Agamemnons Rückkehr wird er hinterhältig von Klytaimnestra und Aighistos getötet. Sein Sohn Orestes wird in Sicherheit gebracht, da Aighistos fürchtet von ihm gestürzt zu werden, sobald er das Mannesalter erreicht hat. Elektra bleibt zurück und erwartet sehnsüchtig die Rückkehr ihres Bruders. An dieser Stelle setzt die Handlung der sophokleischen und euripideischen Elektra ein.

Beide Dramen enthalten dieselben Grundelemente: „(1) Erniedrigtheit der Elektra- (2) Rückkehr des Orest- (3) Anagnorismos der Geschwister- (4) Ermordung der Klytaimnestra und des Aighistos“.5

2.1. Darstellung der Figur Elektra bei Sophokles

Sophokles beginnt sein Stück mit einem Prolog (1-85) indem Orestes, der Alte und Pylades auftreten und die Handlung im Hinblick auf den späteren Racheakt einleiten. Obwohl Elektra nicht direkt auftritt, ist ihr Klagen aus dem Palast zu hören (77). Sowohl Orestes als auch der

Alte reagieren auf ihre Worte und räumen ihr somit eine passive Präsenz ein. Nach dem Prolog ist Elektra die erste die auftritt. „This is the only surviving play by Sophocles in which the main character delivers a solo before the arrival of the Chorus.“6 Diese Tatsache unterstützt die Wichtigkeit der Figur Elektra und stellt zu Beginn sicher, dass sie die Protagonistin des Dramas ist. Ihr erster Auftritt ist von einer tiefen Trauer um den Vater gezeichnet: Aus ihrer Klage geht hervor, dass sie bereits lange Zeit trauert und auch nicht davon ablassen wird, solange der Mord an Agamemnon nicht gerächt wurde (100-120). Auch wird in diesem Abschnitt bereits die Abneigung Elektras gegenüber ihrer Mutter Klytaimnestra deutlich, die sie für den Mord an ihrem Vater verantwortlich macht. „Elektras Monodie steht so am Anfang einer sich über das gesamte Drama hin ausdehnenden Erkundungsreise ins Innere der Elektra.“7

Anschließend tritt der Chor, eine Gruppe mykenischer Frauen, auf und es folgt ein Dialog zwischen Elektra und dem Chor (121-322). Sieben mal versucht der Chor Elektra zu überzeugen, dem Trauern ein Ende zu setzen. Aber keins der Argumente, zum Beispiel, dass Agamemnon nicht wieder auferstehen wird (138), dass sie nicht allein ist und ihre Geschwister ebenso trauern (157-160), dass sie sich auf Zeus den Göttervater verlassen soll (174) oder, dass sie nicht „Unheil über Unheil“ gebären soll (235), kann Elektra überzeugen. Es folgt ein langer Monolog Elektras (253-309) indem sie ihre Position noch einmal darlegt. Der ihr wohlwollende Chor kann Elektra nicht besänftigen, was ihre Entschlossenheit und ihr Durchhaltevermögen sowie auch die Treue zum Vater unterstreicht. In diesem ersten Abschnitt erleben wir Elektra hauptsächlich als Leidende8:

Kindlos, ich Arme, und hochzeitlos immer dahingeh, von Tränen feucht, und trage dieses unendliche Schicksal der Leiden! (164-167)

Sie lebt gemeinsam mit ihren Feinden innerhalb des Palastes. Sie muss zusehen, wie Aighistos als Herrscher auf dem Tron ihres Vaters sitzt (268) und sie lebt in ständiger Erniedrigung, ja sie führt beinahe das Leben einer Sklavin (264-266).

Im folgenden Abschnitt, trifft Elektra auf ihre Schwester Chrysothemis (318- 471), die sich, ganz anders als Elektra, mit der vorherrschenden Situation abgefunden hat. In dieser Passage wird Elektra als die auf Rache sinnende dargestellt9:

[...]


1 Walter, Jens: Mythen der Dichter, Modelle und Variationen, vier Diskurse, München: Kindler 1993.

2 Gründig, Claudia: Elektra durch die Jahrhunderte, Ein antiker Mythos in Dramen der Moderne, München: Martin Meidenbauer 2004.

3 Gründig: Elektra durch die Jahrhunderte, S. 145.

4 Ebenda.

5 Latacz, Joachim: Einführung in die griechische Tragödie, Göttingen: Vandenhoeck und Ruprecht 2003, S. 239.

6 Dugdale, Eric: Electra, Sophocles, A new translation and commentary, Cambrige: C. University Press 2008, S.12.

7 Moll, Ursula: Anthropologisches Nachdenken. Die attischen Tragiker und der Elektra-Mythos (Dissertation), München: Ludwig-Maximilians-Universität München 2013, S. 213.

8 Seeck, Gustav A.: Die griechische Tragödie, Stuttgart: Reclam 2000.

9 Latacz: Einführung in die griechische Tragödie, Göttingen 2003.

Ende der Leseprobe aus 13 Seiten

Details

Titel
Die Darstellung der Elektra bei Sophokles und Euripides. Ein Vergleich
Hochschule
Universität Hamburg  (Institut für Geschichte)
Veranstaltung
Griechische Mythologie
Note
1,3
Autor
Jahr
2013
Seiten
13
Katalognummer
V282513
ISBN (eBook)
9783656770213
ISBN (Buch)
9783656769958
Dateigröße
479 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Elektra, Sophokles, Euripides
Arbeit zitieren
Lina Jacobs (Autor:in), 2013, Die Darstellung der Elektra bei Sophokles und Euripides. Ein Vergleich, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/282513

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