Die Macartney-Gesandtschaft 1792-1794


Seminararbeit, 2001

25 Seiten, Note: 2+


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Das Qing-Reich
2.1 Chinesen und Mandschuren
2.2 Das Tributsystem
2.3 Kjachta- und Kanton-System
2.4 Verhältnis zu den Ausländern

3. Das britische Imperium
3.1 Interesse an Asien
3.2 Die Chinasicht Englands

4. Die Macartney-Gesandtschaft
4.1 Ziele
4.2 Die Zusammensetzung der Gesandtschaft
4.3 Reiseverlauf
4.4 Erste Probleme
4.5 Treffen mit dem Kaiser
4.6 Das Scheitern der Mission zeichnet sich ab
4.7 Rückreise

5. Bedeutung und Analyse der Gesandtschaft
5.1 Entstehen eines neuen Chinabildes
5.2 Ursachenforschung
5.3 Ein kulturelles Mißverständnis

6. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Im Jahr 1792 sandte der englische King George III eine Gesandtschaft unter der Führung von Lord George Macartney an den chinesischen Kaiserhof. Die Ziele waren die Verbesserung der gegenseitigen Handelsbedingungen, das Wecken von Konsuminteresse an britischen Produkten sowie der Erwerb von Informationen über China.

Macartneys Mission scheiterte aufgrund zahlreicher Missverständnisse, welche sich aus der unterschiedlichen Entwicklung der beiden expandierenden Imperialmächte und des verschiedenen Weltbildes der beiden Nationen im 18.Jahrhundert begründen. Deshalb ist es notwendig, sich zunächst einen Überblick über die jeweiligen Herrschaftssysteme zu verschaffen.

2. Das Qing-Reich

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Die Qing-Herrschaft, welche sich zur Zeit der Ankunft der Macartney-Gesandtschaft in China gerade in ihrer letzten Phase befand, war eine Fremdherrschaft der Mandschuren, die im Jahr 1644 in Beijing einmarschiert waren. Die erste und langwierigste Aufgabe des Kaisers bestand darin, die neue Herrschaft über Innerasien zu etablieren.

Bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts hatte die mandschurische Expansionspolitik China durch Eingliederung ostmongolischer Stämme sowie Taiwan, Xinjiang und Tibet, zu einem Großreich ausgedehnt. Um diesen Vielvölkerstaat kontrollieren zu können, übernahmen die Mandschus das traditionelle System der liu bu (sechs Ministerien) für die Verwaltung des chinesischen Kernlandes von der Ming-Dynastie, die neu eroberten Grenzgebiete wurden durch das neu etablierte Lifanyuan (Amt zur Verwaltung von Randvölkern) kontrolliert.[1]

Die Herrschaftszeit des Qianlong-Kaisers (1711-1799) gilt als Blütezeit der Qing-Dynastie, Qianlong verhalf China zur größten territorialen Ausweitung überhaupt, die Bevölkerungszahl hatte sich seit der Ming-Zeit aufgrund der florierenden Wirtschaft verdoppelt, die nicht zuletzt der Landwirtschaft zu verdanken war. Durch die Einfuhr von neuen Anbauprodukten, wie z.B. Erdnüssen, konnten nun Teile des Landes bebaut werden, die vorher brachlagen. Die Regierung versuchte auch, das Nomadentum durch Landwirtschaft zu ersetzen.[2]

2.1 Chinesen und Mandschuren

Da es im neuen mandschurischen Großreich viel mehr Chinesen als Mandschuren gab, mussten diese mit in die Bürokratie einbezogen werden. Ab 1644 teilten sich je ein Mandschu und ein Chinese die höheren Positionen. Dieser Kompromiß sollte einerseits die Dominanz der Mandschus sichern, auf der anderen Seite sollten die Chinesen befriedet werden. Außerdem war man auch auf deren Kenntnisse in der Führung von Institutionen angewiesen. Dennoch war es wichtig für die Qing-Herrscher, ihre nationale Identität zu bewahren. Deswegen wurde eine Segregationspolitik praktiziert.

Hochzeiten zwischen Chinesen und Mandschuren waren verboten. Den Frauen wurden nicht, wie den Chinesinnen, die Füße gebunden und Chinesen durften auch nicht in die Mandschurai. Diese Maßnahmen blieben aber ohne Erfolg. Im 18. Jahrhundert konnten nahezu alle Mandschus chinesisch lesen und schreiben, und hatten die Gebräuche der Chinesen adaptiert.[3]

Zu dieser Zeit hatte auch die Korruption im Beamtenapparat merklich zugenommen.

2.2 Das Tributsystem

Ein weiteres traditionelles Merkmal der Qing-Herrschaft war das Tributsystem. Bereits im 1.Jahrhundert v.Chr. hatte China Tribut von anderen Ländern erhoben, im Vielvölkerstaat der Tang (618-907) hatte sich die Tributzahlung von neu unterworfenen Völkern als wichtiges Mittel bewährt, um die Beziehung zum chinesischen Reich zu zementieren. Dabei spielte das Tribut wirtschaftlich keine besonders große Rolle, da die Ausgaben, die der Staat für die Kommoditäten der Gesandten aufbringen musste, den Wert der Tributzahlungen aufwogen. Wichtiger war die Anerkennung des chinesischen Kaisers als tianzi, Sohn des Himmels. Die universelle Bedeutung des chinesischen Kaisertums beruht auf der Vorstellung des Kaisers als Mittler zwischen Himmel und Erde, d.h. zwischen Kosmos und Menschheit. „Dazu gehörte das konfuzianische Weltbild, das China als die Zivilisation schlechthin und als ein Imperium ohne gleichberechtigte Nachbarstaaten betrachtete und für das alle nicht in den Reichsverband eingeschlossenen Völker geringgeachtete Barbaren waren.(..) Für Fremdherrscher wie die mandschurische Qing-Dynastie legitimierte die Universalität dieses Herrscherbildes auch Nicht-Chinesen als Kaiser über China. Eine Aura des „über allem Erhabenen“ umgab daher die Qing-Monarchen.“[4]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Über das Tributsystem war auch der innerasiatische Handel organisiert, Tributmissionen führten immer Kaufleute mit sich, die die Gelegenheit nutzten um in China Handel zu betreiben und Beziehungen aufzubauen. Die Entrichtung des Tributs selbst hatte streng rituellen Charakter und richtete sich nach den Wuli, den fünf traditionellen Ritualen, zu denen auch das Gastritual gehörte, mit welchem Macartney 1793 vom Qianlong-Kaiser Hongli begrüßt wurde.

2.3 Kjachta- und Kanton-System

Im starken Gegensatz zu diesem Verfahren stand das „Kjachta-System“, das den kontinentalen Grenzhandel mit Russland kontrollierte, und das in der ersten Hälfte des 18.Jahrhunderts entwickelte „Kanton-System“. Dabei wurden die Hafenstädte Kanton, Zhangzhou, Ningbo und Yuntaishan für den privaten Monopolhandel mit Europa geöffnet. Eine lokale Bürokratie überwachte die hangs (Firmen), die von der Regierung gegen eine Lizenzgebühr mit dem maritimen Außenhandel betraut waren. Diese hangs hatten sich 1720 zum gonghang (in Europa „Co-Hong“ genannt) zusammengeschlossen, dem maximal dreizehn hangs angehören sollten, wobei er in der Wirklichkeit nur aus sechs oder sieben bestand. Sie unterstanden einem kaiserlichen Zollbeamten, einem hoppo, der dem Kaiser regelmäßige Zolleinkünfte überweisen musste, und auch selber noch an den Kaufleuten verdiente, indem er sie erpresste. Das führte zum Bankrott und zur Verschuldung der hangs, die sich Geld von ihren ausländischen Handelspartnern leihen mussten, und 1759 auch dazu, dass der Qianlong-Kaiser das Kanton-System kodifizieren ließ, wodurch die Willkür des hoppo aber eher noch zunahm.

2.4 Verhältnis zu den Ausländern

Nach der Reform des Handelssystems war der Überseehandel auf Kanton beschränkt. Ausländer bekamen zwar am Perlfluß ein kleines Territorium zugewiesen wo sie in der Handelssaison Geschäfte abwickeln durften, es war ihnen aber nicht erlaubt, Land zu erwerben. Sie durften auch weder die chinesische Sprache erlernen, noch chinesische Werke lesen. Der Kontakt war nur auf die hang -Kaufleute beschränkt. Diese wurden auch als Bürgen für das Verhalten der Ausländer angesehen.[5]

Diese Isolation der Ausländer lässt sich auf das Misstrauen der Mandschu-Herrschaft bezüglich Kontakten der chinesischen Untertanen mit anderen Völkern zurückführen. Man befürchtete, dass Chinesen in Kooperation und mit der Finanzierung von westlicher Seite, eine mandschufeindliche Fraktion bilden könnten. Zwar gab es Ausländer, die in Peking am kaiserlichen Hof einen Dienst innehatten, aber diese durften nie wieder in ihre Heimat zurückkehren.

Andererseits hegten die Qing-Monarchen auch Interesse für die westlichen Naturwissenschaften und Techniken der Kriegsführung. Die Portugiesen waren bereits 1514 nach China gekommen und 1601 hatte der Kaiser den Jesuiten Matteo Ricci empfangen.[6] Aus diesem Grund war ein weiteres Ziel der Begrenzung der Kontakte mit dem Westen die Kontrolle des Informationsflusses.[7]

Während der Jesuitenorden in Europa 1773 verboten wurde, waren noch Jesuiten als Repräsentanten am Kaiserhof tätig, wo sie europäisches Wissen an hohe Beamte und Gelehrte vermittelten. Als ein sehr früher Kontakt zwischen Chinesen und Europäern, ist das dadurch entstandene Bild sehr prägend für die folgenden Ereignisse, und die Missverständnisse sind schon dadurch entstanden, „dass die Jesuiten (..) die Kenntnisse über die europäischen Wissenschaften nur lückenhaft übermittelt hatten. So drang die kopernikanische Theorie erst in der Mitte des 18.Jahrhunderts vollständig nach China vor. Sie stand, wie einige chinesische Gelehrte bald bemerkten, im Widerspruch zu früheren Darstellungen der Jesuiten. Daher stieß die Theorie bei vielen Chinesen auf Misstrauen. Dies missdeuteten wiederum europäische Beobachter als grundsätzliche chinesische Ablehnung des westlichen Fortschritts.“[8]

Zur Zeit von Macartneys Ankunft in China war der Kaiserhof in bezug auf die Einstellung Europäern gegenüber gespalten. Der Ministerpräsident He Shen (1745-99) war einer von vielen Konservativen, die von einer tiefen Abneigung gegenüber den Fremden erfüllt waren.

Einige hohe Beamte zeigten auch starkes Interesse an den westlichen Technologien. Doch je stärker das Interesse der Gelehrten an westlichem Wissen wurde, um so größer das von He Shen geschürte Misstrauen des Kaisers. Durch das „Primat der Innenpolitik“ und dadurch, dass Innen- und Außenpolitik in China nicht getrennt wurden, unterlag die Stimmung gegenüber den Europäern den Schwankungen der chinesischen Politik, und Faktoren „die sich dem Einfluß des ausländischen Gesprächspartners entzogen und ihm zum Teil sogar verborgen blieben“[9] bestimmten den Verlauf von Gesandtschaftsbesuchen.

[...]


[1] Johann Christian Hüttner, Nachricht von der britischen Gesandtschaftsreise durch China, Jan Thorbecke Verlag Sigmaringen, 1996,

[2] Conrad Schirokauer, A Brief History of Chinese and Japanese Civilization, Harcourt Brace Jovanovich College Publishers, 1989,

[3] Adam Yuen-Chung Lui, Ch´ing Institutions and Society, Centre Of Asian Studies, University Of Hong Kong, 1990

[4] Mark Mancall, The Ch´ing Tribute System. An Interpretative Essay, in: John K. Fairbank (Hg.), The Chinese World Order. Traditional China´s Foreign relations, Cambridge, mass. 1968, S.63, zitiert nach Johann Christian Hüttner, Nachricht von der britischen Gesandtschaftsreise durch China und einen Teil der Tartarei, Jan Thorbecke Verlag Sigmaringen, 1996

[5] Johann Christian Hüttner, Nachricht von der britischen Gesandtschaftsreise durch China und einen Teil der Tartarei, Jan Thorbecke Verlag Sigmaringen, 1996,

[6] Conrad Schirokauer, A Brief History of Chinese and Japanese Civilization, Harcourt Brace Jovanovich College Publishers, 1989,

[7] James L. Hevia, Cherishing Men From Afar, Duke University Press, Durham and London, 1995,

[8] Johann Christian Hüttner, Nachricht von der britischen Gesandtschaftsreise durch China, Jan Thorbecke Verlag Sigmaringen, 1996,

[9] Johann Christian Hüttner, Nachricht von der britischen Gesandtschaftsreise durch China und einen Teil der Tartarei, Jan Thorbecke Verlag Sigmaringen, 1996,

Ende der Leseprobe aus 25 Seiten

Details

Titel
Die Macartney-Gesandtschaft 1792-1794
Hochschule
Philipps-Universität Marburg  (Institut für Sinologie)
Veranstaltung
Seminar
Note
2+
Autor
Jahr
2001
Seiten
25
Katalognummer
V2822
ISBN (eBook)
9783638117036
Dateigröße
1082 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Macartney, Qing-Dynastie, China, Mandschu, Qianlong, George III
Arbeit zitieren
Nina Richter (Autor:in), 2001, Die Macartney-Gesandtschaft 1792-1794, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/2822

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