Depressionen bei Kindern und Jugendlichen

Kindheit gar nicht kinderleicht


Facharbeit (Schule), 2014

70 Seiten, Note: 2


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Einleitung

1. Einführung
1.1. Vorübergehende Niedergeschlagenheit oder Depression?
1.2. Bedeutung der Wörter „Depression“ und „Melancholie“
1.3. Historischer Überblick

2. Was sind Depressionen
2.1. Verschiedene Unterteilungen und Formen der Depression
2.1.1. Depressive Störung/MAJOR Depression
2.1.2. Disthymie
2.1.3. Bipolare Depression/Bipolare Störung
2.1.4. Zyklothymie
2.1.5. Symptomatische Depression
2.1.6. Depression bei Abhängigkeitserkrankungen
2.1.7. SAD-Saisonal abhängige Depression
2.2. Die Ursachen der Depression
2.3. Theorien, um Depressionen besser zu verstehen
2.3.1. Tiefenpsychologie
2.3.2. Verhaltenspsychologie

3. Depressionen bei Kindern und Jugendlichen
3.1. Können Kinder und Jugendliche überhaupt depressiv werden?
3.2. Was macht Kinder und Jugendliche überhaupt depressiv? – Übersicht über die Ursachen
3.2.1. Familienleben
3.2.2. Gewalt gegen Kinder
3.2.3. Schule und Beruf
3.2.4. Genetische Ursachen
3.2.5. Ein depressiver Elternteil
3.3. Die Gesichter einer Depression im Kindes- und Jugendalter
3.3.1. Symptomatik
3.3.2. Vorkommende Formen im Kindes- und Jugendalter
3.4. Diagnostik
3.4.1. Die Problematik der Diagnostik
3.4.2. Alter und Entwicklungsstadium
3.4.3. Die klinische Diagnostik
3.5. Epidemiologie
3.6. Verlauf der Krankheit-von leichter Depression bis hin zu Suizid

4. Depressionen bei Kindern und Jugendlichen in unserer Gesellschaft
4.1. Prävention
4.2. Intervention
4.2.1. Kognitive Verhaltenstherapie (KVT)
4.2.2. Interpersonelle Psychotherapie (IPT)
4.2.3. Familientherapie
4.2.4. Pharmakotherapie
4.3. Gespräche mit Experten
4.4. Auswertung des Fragebogens

5. Zusammenfassung

6. Quellenverzeichnis

7. Anhang

In der vorliegenden Fachbereichsarbeit wird bei allen Bezeichnungen, die sich auf beide Geschlechter beziehen können, nur die maskuline Form verwendet. Die gewählte Formulierung meint aber immer beide Geschlechter.

Einleitung

Das Lieblingsspielzeug verstaubt, ein guter Schüler bringt plötzlich schlechte Noten nach Hause oder ein friedfertiges Mädchen wird zum Raufbold. Hinter jedem dieser Symptome kann eine schwere Depression stecken. Eine Depression zu diagnostizieren, stellt schon bei Erwachsenen eine Herausforderung dar. Noch schwieriger gelingt dies bei jungen Menschen. Lange Zeit wurde angezweifelt, ob es Depressionen bei Kindern überhaupt gibt. Selbst wenn Kinder ohne erkennbare Ursache traurig sind, das Interesse am Spielen verlieren und schnell ermüden, denken die wenigsten an eine Depression.

Aber welche Gründe gibt es, dass Depressionen bei Kindern und Jugendlichen oft nicht erkannt werden? Ist die mangelnde Information Schuld? Viele Experten sind der Meinung, dass Depressionen im Kindes- und Jugendalter oft nicht als Krankheit anerkannt werden, ja sie meinen sogar, dass diese psychische Erkrankung tabuisiert wird. Da ich Behauptungen dieser Art während des Verfassens meiner Fachbereichsarbeit immer wieder gelesen habe, wollte ich diesen auf den Grund gehen. Daher haben mich die Fragen „Sind Depressionen bei Kindern und Jugendlichen ein Tabuthema in unserer Gesellschaft? Oder ist die mangelnde Information für das „Nichterkennen“ verantwortlich?“ immer wieder beschäftigt. Mithilfe eines von mir selbst ausgearbeiteten Fragebogens habe ich versucht herauszufinden, wie Schüler und Eltern unserer Schule zu diesem Thema stehen.

Da es scheint, als ob Depressionen bei Kindern und Jugendlichen ein Tabuthema in unserer Gesellschaft sind, stellte sich mir auch die Frage, welche Fortschritte es in den letzten Jahren in der Forschung gab. Welche neuen Erkenntnisse gibt es zur Prä- und Intervention von Depressionen im Kindes- und Jugendalter? Durch Gespräche mit Fachleuten möchte ich mehr über die neuen Therapiemöglichkeiten sowohl in der Schulmedizin als auch in der Alternativmedizin erfahren.

Das von mir gewählte Thema wirft nicht nur die Frage auf, was eine Depression überhaupt ist, sondern auch welche Unterschiede es zwischen einer Depression bei Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen gibt, welche Schwierigkeiten die Diagnostik von Depressionen bei den jungen Patienten mit sich bringt und vor allem, wie den Kindern und Jugendlichen geholfen werden kann. Ziel meiner Fachbereichsarbeit ist es, diese und damit verbundene Fragen zu beantworten. Da es Personen, die noch nie unter einer Depression gelitten haben, oft schwer fällt, sich in die Lage der Betroffenen zu versetzen, werde ich immer wieder versuchen mit Fallbeispielen zu verdeutlichen wie sehr Kinder und Jugendliche unter einer Depression leiden.

1. Einführung

1.1. Vorübergehende Niedergeschlagenheit oder Depression?

Ganz einfach und ohne viel nachzudenken gehen einem die Worte „Ich fühle mich heute so depressiv“ über die Lippen. Egal ob das Wetter, der ungerechte Chef oder ein einschneidendes Ereignis, es gibt viele alltägliche Situationen, die für Menschen zu Auslösern von Depressionen werden. Manchmal braucht man aber nicht einmal einen Grund, um sich niedergeschlagen zu fühlen und um diesen Zustand dann auch mit dem Wort „Depression“ zu beschreiben. Jedoch heißt es nicht automatisch, dass man an einer Depression leidet, wenn man sich unwohl fühlt. Auch wenn man in unserer heutigen Gesellschaft die Begriffe „Depression“ und „depressiv“ oft und ohne viel nachzudenken verwendet, ist die Gesellschaft dennoch nicht ausreichend über dieses Thema informiert und kennt nicht das „wahre Gesicht“ der Depression. Dieses Unwissen, dass kurzzeitige Verstimmungen keineswegs etwas mit Depressionen zu tun haben, macht es den Betroffenen umso schwieriger ihren Zustand als Krankheit zu erkennen und zu akzeptieren. Daher ist es wichtig, dass man zwischen dem alltäglichen Begriff und dem in der Medizin und in der Psychologie verwendeten Begriff für eine Depression unterscheidet. Tatsache ist, dass die Niedergeschlagenheit, also die alltägliche Form, von jedem einzelnen selbst überwunden werden kann, die Prävention einer „echten“ Depression ist aber ohne Hilfe von Ärzten und Psychologen nicht möglich. Die Depression ist eine Krankheit und hat nichts mit Stimmungsschwankungen und Trauer gemein. Jedoch werden die Divergenzen nach einem kurzen Vergleich schnell sichtbar.

Stimmungsschwankungen-wenn die Gefühle Achterbahn fahren

Stimmungsschwankungen sind ein dauerndes Auf und Ab der Gefühle. Ein Stimmungshoch kann in sehr kurzer Zeit in ein Stimmungstief umschwenken, ohne dass der Betroffene seine Emotionen beeinflussen kann. Stimmungsschwankungen sind meist auf derzeitig vorhandene Probleme, wie zum Beispiel auf Stress in der Arbeit, zurückzuführen. Auch wenn es dem Betroffenen schwer fällt, mit diesen unkontrollierbaren Schwankungen seiner Gefühlswelt klarzukommen, müssen Stimmungsschwankungen grundsätzlich nicht von einem Fachmann behandelt werden. Mit genügend Ausdauer und Wille kann sie jeder selbst überwinden. Um sich von der Gefühlsachterbahn abzulenken steigt aber bei vielen Betroffenen der Alkohol-, Tabakkonsum oder es werden auch häufig Beruhigungsmittel eingenommen. In diesen Fällen besteht Handlungsbedarf, damit der Betroffene keine Abhängigkeit entwickelt.

Trauer-ein natürlicher Prozess um Abschied zu nehmen

Trauer ist eine ganz natürliche, adäquate und notwendige Reaktion auf einen Verlust. Durch die Trauer nehmen Menschen nicht nur Abschied, sondern sie lernen auch den Tod eines anderen beziehungsweise eine Trennung besser zu bewältigen. Zu Beginn reagieren die Mitmenschen auf einen Trauernden sehr nachsichtig. Dauert die Trauer länger an, wird der Betroffene aber bald als „unnormal“ oder als „depressiv“ abgestempelt. Wie in vielen Bereichen des Lebens ist der Mensch auch in seiner Trauer sehr individuell. Bei manchen Menschen dauert der Trauerprozess länger, manche brauchen weniger Zeit um Abschied von einer geliebten Person zu nehmen. Nach dem unmittelbaren Verlust sind die Betroffenen oft wie gelähmt, sie beginnen erst Monate später zu trauern. Solange der Trauernde noch fähig ist sich zu freuen und Entscheidungen zu treffen, sollte man, wenn man den Betroffenen helfen möchte, diesen die nötige Zeit geben, um den Verlust zu verarbeiten.

(vgl. Nuber 2006)

1.2. Bedeutung der Wörter „Depression“ und „Melancholie“

Das Wort „Depression“ leitet sich vom lateinischen Wort „deprimere“ ab und bedeutet „niederdrücken“, „hinunterdrücken“ oder „unterdrücken“ (vgl. Pons 2007). Jedoch ersetzte der Begriff „Depression“ erst seit circa 1930 kontinuierlich das Wort „Melancholie“. Die „große Depression“ in der Wirtschaft könnte zu dieser Zeit fördernd für die Begriffsveränderung gewesen sein. „Melancholie“ bezeichnete früher den seelischen Zustand von Schwermut oder Traurigkeit, ohne auslösenden Ursprung. Dieses Wort kommt aus dem Griechischen „melancholia“ und bedeutet „schwarze Galle“. Im Mittelalter wurde unter „Melancholie“ oder „Schwermut“ ein „Überwiegen der schwarzen Galle“ verstanden. Daher hat man versucht, das fehlende Gleichgewicht zwischen den vier Säften Blut, helle Galle, schwarze Galle und Schleim durch eine Reduktion der schwarzen Galle wieder herzustellen. Die Behandlung bestand aus Musik, Gesprächen und Bewegung, aber auch aus dem Verzicht auf dunkelfarbige Speisen. Auch wenn der Begriff „Melancholie“ eine große Beachtung durch viele Jahrhunderte sowohl in der Medizin, als auch in der Philosophie, Literatur, Kunst und Musik fand, wird der Begriff in der modernen Medizin, Psychiatrie und Psychologie nicht mehr verwendet. Stattdessen spricht man heute von einer „Depression“, welche verschiedene Schweregrade und Ausprägungen aufweisen kann.

(vgl. http://www.raus-ins-leben.de/alles/default.asp [Stand: 11.10.2013])

1.3. Historischer Überblick

Auch wenn Depressionen in unserer heutigen Zeit immer häufiger vorkommen, ist eine Depression dennoch gewiss keine Modekrankheit. Schon im 4. Jahrhundert vor Christus beschrieb Hippokrates die Melancholie als jenen Zustand der Traurigkeit und Niedergeschlagenheit. Jedoch führt bis zum heutigen Begriff „Depression“ eine komplizierte Wissensgeschichte. Nach Hippokrates sah mehrere Jahrhunderte später, im 2. Jahrhundert nach Christus, der Arzt Aretaeus von Kappadokien als erster einen Zusammenhang zwischen der Melancholie und der Manie (griechisch: mainesthai= wahnsinnig sein). Ein Zitat von ihm lautet: „Eine Erkrankung ohne Fieber, bei der der traurige Geist unablässig auf die nämliche Idee fixiert bleibt und sich beharrlich festklammert. Es scheint mir der Beginn einer Melancholie oder einer Art halber Manie zu sein. Der Unterschied zwischen der einen und der anderen Krankheit liegt darin, dass in der Manie der Geist mal in Traurigkeit, mal in Fröhlichkeit verfällt, während er in der Melancholie in ständiger Traurigkeit und Niedergeschlagenheit verharrt.“ 1621 hat sich auch Robert Burton, ein Geistlicher und Gelehrter, mit der Melancholie beschäftigt. In seinem Lebenswerk „Die Anatomie der Melancholie“ findet man drei Formen dieser Krankheit. Er unterscheidet zwischen der Kopfmelancholie, die vom Gehirn ausgelöst wird, der Melancholie, die den ganzen Körper betrifft und deren Ursache, die aus dem Gleichgewicht geratene „schwarze Galle“ ist, und der „hypochondrischen“ oder „blähenden“ Form, die von den Eingeweiden herrührt. 1930 wurde zum ersten Mal das Wort Melancholie durch das Wort Depression ersetzt, aber der Begriff selbst tauchte auch schon im 19. Jahrhundert immer wieder auf. Auch der Münchner Psychiater Emil Kraepelin beschäftige sich mit Depressionen und unterschied zwei Hauptgruppen schwerer psychischer Erkrankungen: die Dementia praecox, heute Schizophrenie genannt, und die manisch depressive Psychose. Von ihm stammen auch die Grundlagen für die Klassifizierung psychischer Störungen. Kraepelin gilt auch als Begründer der modernen, empirisch orientieren Psychopathologie (= Lehre von den psychischen Erkrankungen). Besonders bedeutsam ist aber seine Vorgehensweise, um die beiden Hauptgruppen der psychischen Störungen zu unterscheiden. Denn er teilte die psychischen Störungen nicht nur, wie zuvor üblich, allein nach der von außen feststellbaren Ähnlichkeit ihrer Symptome ein, sondern er berücksichtigte bei seinen Forschungen auch die Veränderung der Symptome im Laufe der Zeit. In der 6. Auflage seines psychiatrischen Lehrbuches von 1899 initiierte er die noch heute geltende Zweiteilung der Psychosen, indem er die Dementia praecox dem manisch depressiven Irrsein gegenüberstellte. Er prägte damit maßgeblich den Begriff des „depressiven Zustandes“. (vgl. Nuber/ 2006)

Nach Kraepelin gab es immer wieder Definitionsversuche, wie zum Beispiel von Jaspers, der die Depression als „tiefe Traurigkeit“ beschrieb, und Wissenschaftlern, die sich mit Depressionen und ihren Ursachen auseinandersetzten. Um organische und nicht-organische Ursachen zu unterscheiden, kamen unter anderem die Begriffe neurotische (exogene) und endogene Depression auf. Diese Bezeichnungen werden heute zugunsten einer ganz beschreibenden Klassifikation nicht mehr verwendet. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) fasst in diesem Klassifikationssystem, welches auch ICD-10 genannt wird, alle Depressionen, Manien, Dysthymien und Zyklothymien unter dem Begriff der affektiven Störungen zusammen. Die Unterscheidung der verschiedenen Krankheitsbilder basiert heute ausschließlich auf den Kategorien Symptomatik, Schweregrad, Dauer und Rückfallrisiko. (vgl. http://www.raus-ins-leben.de/alles/default.asp [Stand: 11.10.2013])

2. Was sind Depressionen?

In der Depression

lebe ich ohne Sinn und Bewusstsein.

Ich sehe, ohne wahrzunehmen.

Ich fühle ohne Empfindung und Gefühl.

Ich schmecke ohne Genuss.

Ich rieche ohne Empfindung.

Ich denke ohne Geist und Sinn und Phantasie und Kombinationsfähigkeit.

Ich lache ohne Freude.

Ich weine ohne Schmerzensstachel.

Ich bewege mich ohne motorische Harmonie und Ausdrucksvermögen.

Ich kenne weder Hoffnung noch Maß noch Ziel.

Schlaf und Tod sind mir das Erstrebenswerteste.

Ich freue mich nicht, ich begeistere mich nicht, ich liebe nicht, ich trauere nicht.

Ich male nicht, ich spreche nicht, ich dichte nicht, ich singe nicht, ich tanze nicht,

und wenn ich es dennoch tue, dann ohne Ausdruck und Phantasie und ohne dabeizusein, ohne Leben. (Gedicht einer depressiven Frau)

(vgl. Wolfersdorf1995, S.1)

Depressionen haben, wie schon erwähnt, keineswegs etwas mit einer vorübergehenden Traurigkeit oder Niedergeschlagenheit zu tun. Eine Depression ist eine Krankheit, eine psychische Störung, […] „die vor allem die Stimmung und Gefühlswelt eines Menschen, aber auch darüber hinaus auch weite Teile seines Denkens und Verhaltens längerfristig betreffen.“ (Groen/Ihle/Ahle/Petermann 2012, S.11) Sowohl die tiefgehende und anhaltende Traurigkeit, als auch der erhebliche Verlust an Antrieb, Energie und Lebensfreude zeichnen eine Depression aus. (vgl. Groen/Ihle/Ahle/Petermann 2012) Viele Betroffene beschreiben, dass sie weder Freude noch Trauer empfinden können, dass sie sich wie taub fühlen. Diese Gefühllosigkeit ist ein typisches Merkmal einer Depression. Wie jeder Mensch ein Individuum ist, sind auch die Depressionen von Betroffenem zu Betroffenem individuell. Während die einen an einer lähmenden Taubheit ihrer Gefühle leiden, haben die anderen mit Stimmungsschwankungen oder einer Traurigkeit zu kämpfen, die so weit gehen kann, dass die Patienten auch Suizidgedanken haben. Ein Teil der Betroffenen setzt diese Gedanken dann auch wirklich in die Tat um. Fakt ist, dass eine depressive Erkrankung nicht plötzlich auftritt, sondern sie entwickelt sich über Wochen und Monate hinweg schleichend. Es kommt zu Veränderungen der Vitalität und Leistungsfähigkeit. Die gedrückte Stimmung kann sich auch durch körperliche Anzeichen äußern. (vgl. Woltersdorf 1995) Kopf- und Bauchschmerzen, sowie veränderter Appetit oder Schlafprobleme zählen zu den häufigsten körperlichen Anzeichen. (vgl. Groen/Ihle/Ahle/Petermann 2012) Da Depressionen oft an körperlichen Beschwerden gebunden sind, suchen schätzungsweise 90 Prozent der Betroffenen zunächst einen Hausarzt oder einen Internisten auf. Die Untersuchung der körperlichen Symptome führt meist zu keinem Befund, aber die Symptome verschwinden dennoch nicht. (vgl. Nuber 2006) Ein Ärztemarathon beginnt, bis endlich ein Arzt herausfindet, dass diese Symptome von einer psychischen Krankheit, einer Depression, ausgelöst werden. Bis zur endgültigen Diagnose können Wochen, aber auch Monate vergehen. Daher wäre es wichtig, dass Hausärzte besser über Depressionen Bescheid wüssten, denn somit könnte den Betroffenen schneller geholfen werden.

2.1. Verschiedene Unterteilungen und Formen der Depression

Depressionen sind eine der am häufigsten vorkommenden psychischen Erkrankungen. Aber spricht man von einer Depression, muss man auch wissen, dass diese viele Gesichter hat. Die Symptome und Intensität einer Depression sind von Patient zu Patient unterschiedlich, da die Ausprägung der Depression von vielen Faktoren abhängt. Diese verschiedenen Faktoren sind auch dafür verantwortlich, dass die Krankheitsbilder und die folgenden Behandlungsverfahren ganz unterschiedlich sind. Dennoch versucht man schon lange die verschiedenen Erscheinungsformen zu gliedern und eine bestimmte Ordnung aufzustellen. Experten bemühen sich schon seit Jahrzehnten um eine Verbesserung der Klassifikation psychischer Störungen, besonders aber auch der depressiven Erkrankungen. Die internationale medizinische Diagnostik und Statistik hat dazu ein ganz neues Einteilungssystem entworfen. Dazu wurden die nicht vermeintlichen Ursachen als Unterscheidungskriterien gewählt. Die Hauptkriterien für die Unterteilung einzelner Unterformen depressiver Erkrankungen sind aber nur praktische Erwägungen, die sowohl den Ärzten, als auch den Betroffenen bei der Diagnostik helfen sollen. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) gibt heute als verbindliches Einteilungssystem für psychische, also auch depressive Erkrankungen das ICD10 (International Classification of Diseases, 1992 = Internationale Klassifikation der Diagnose aller erfassten Krankheiten) (Niklewski/Reicher-Niklewski 1998, S.68) vor. Die Zahl 10 steht für die zehnte Überarbeitung der ICD. Diese Einteilung ist als Kapitel V der ICD10 weltweit seit den 90er Jahren eingeführt. Im Kapitel V werden besonders die depressiven Störungen nach groben Kriterien wie Schweregrad, Verlauf und ihrem Bezug auf äußere oder innere Auslöser eingeteilt. Bei dieser Einteilung wird jedoch nicht auf die vermuteten Ursachen und Bedingungen eingegangen. Jedoch sollte jeder Arzt seine Diagnose nach diesen Vorgaben formulieren. (vgl. Niklewski/Reicher-Niklewski 1998)

Bevor man die Depression einer bestimmten Form zuordnet, teilt man diese nach dem Schweregrad und dem Verlauf ein.

Der Schweregrad der Depression:

Depressionen, egal welcher Form sie angehören, weisen bestimmte Einzelsymptome auf. Die Einteilung nach dem Schweregrad hängt von der Anzahl der verschiedenen Einzelsymptome ab, die bereits bei der Diagnose vorliegen. Für diese Beurteilung ist es wichtig zu entscheiden, inwiefern der Betroffene durch seine depressive Störung in seinem Alltagsleben eingeschränkt ist. Es ist also wichtig herauszufinden, ob der Patient noch am Alltagsleben teilnehmen kann, noch arbeits- oder erlebnisfähig ist, oder nicht. Außerdem sollte überprüft werden, ob man vielleicht das depressive Denken korrigieren kann. Ist der Betroffene noch durch Familie, Freunde oder Kollegen beeinflussbar? Oder steckt er schon tief in seinem depressiven Denken? Ein letzter, aber sehr wichtiger Punkt ist das Überprüfen des Vorhandenseins von Suizidalität.

Wenn die Betroffenen zwar Schwierigkeiten haben Beruf und soziale Aktivitäten in gewohnter Weise fortzusetzen, aber noch in der Lage sind den beruflichen und privaten Alltag aufrechtzuerhalten, spricht man von einer leichten Depression.

Bei einer mittleren Depression ist die Bewältigung des Alltags nur mehr unter erheblichen Schwierigkeiten möglich.

Von einer schweren Depression spricht man, wenn die Betroffenen außerstande sind den Alltag zu bewältigen, beziehungsweise ihr Leben in gewohnter Weise fortzusetzen. Das Suizidrisiko ist bei einer schweren Depression besonders hoch. Neben dem Suizidrisiko steigt bei diesem Schweregrad auch die Häufigkeit der körperlichen Symptome. Ein sehr geringes Selbstwertgefühl und das Gefühl psychisch taub zu sein sind typisch für eine schwere Depression. (vgl. Niklewski/Reicher-Niklewski 1998)

Bei der Einteilung der Depressionen nach Schweregrad ist es wichtig zu wissen, dass die verschiedenen Schweregrade auch in Episoden auftreten können. Unter dem episodischen Auftreten versteht man, dass die Betroffenen beispielsweise einige Wochen an einer leichten Depression leiden, dann eine schwere Episode auftreten kann und sich die Betroffenen nach dieser Episode wieder besser fühlen und man wieder „nur“ unter einer leichten Depression leidet. Daher sollten Patienten regelmäßig zur Kontrolle gehen, damit ein Spezialist die jeweils bestmögliche Behandlung garantieren kann.

Verlauf der Depression:

Depressionen kann man aber auch nach dem bisherigen und weiteren Verlauf der Störung einteilen. Dabei unterscheidet man zwischen einmaligem Auftreten, der wiederkehrenden Depression und den depressiven Zuständen, die in unterschiedlichen Intensitäten und über längere Strecken einer Lebensgeschichte auftreten. Oft ist das erstmalige Einsetzen gar nicht mehr rekonstruierbar. Die depressive Stimmung hat sich langsam, aber immer stärker werdend in das Leben der Betroffenen eingeschlichen. Zu den wiederkehrenden Formen der Depression sollte man auch noch erwähnen, dass man hier noch eine weitere Unterteilung vornimmt. Es gibt sowohl die bipolare, als auch die unipolare Form. Die bipolare Depression bringt nicht nur Phasen der Niedergeschlagenheit, sondern auch Phasen des Frohseins und Tatendrangs mit sich. (vgl. Niklewski/Reicher-Niklewski 1998)

Auch wenn Depressionen von Betroffenen ganz verschieden erlebt werden, versucht man dennoch Depressionen in bestimmte Formen einzuteilen. Die Formen der Depression wurden durch das Beobachten und Vergleichen von verschiedenen Fällen entwickelt. Diese Einteilung hängt nicht nur vom Verlauf und dem Schweregrad der Krankheit ab, sondern vor allem auch von den vorhandenen Symptomen. Diese Einteilung ist zwar nur oberflächlich, dennoch hilft sie den Psychiatern/Psychologen bei einer schnellen Diagnostik. Somit kann dem Betroffenen auch schneller geholfen werden.

Die Depression ist eine Krankheit mit vielen Gesichtern, daher würde das Vorstellen aller Formen den Rahmen meiner Arbeit sprengen. Im Folgenden werde ich jedoch auf die am häufigsten vorkommenden Formen näher eingehen.

2.1.1. Depressive Störung/Major Depression

Die Major Depression wird oft als „typische Depression“ bezeichnet, da sie am häufigsten auftritt. Man kann sie auch als unipolare Störung bezeichnen. Daher ist sie, dem Verlauf nach, eine wiederkehrende Depression. Das Wiederkehren von depressiven Phasen ist bei dieser Form der Depression charakteristisch. Dennoch beträgt die Dauer des ununterbrochenen Schwermuts, einer depressiven Phase, mindestens 2 Wochen. Wichtig ist, dass sich die Betroffenen, in der depressiven Phase selbst, ununterbrochen mit den Symptomen quälen, ohne Besserung ihres Leidens. Bezüglich des Schweregrades kann man sagen, dass es sich bei dieser Form um eine schwere Depression handelt. Die Betroffenen sind nicht mehr in der Lage ihren Alltag aufrechtzuerhalten. Rund 15 Prozent der Patienten beenden ihr Leiden durch Suizid, wenn ihre psychische Erkrankung nicht rechtzeitig behandelt wird.(vgl. Niklewski/Reicher-Niklewski 1998) Zu den Hauptsymptomen zählen unter anderem Niedergeschlagenheit, Erschöpfungszustände, Gefühl- und Wertlosigkeit, Ess- und Schlafstörungen, sozialer Rückzug oder Konzentrationsstörungen. (vgl. Haring 2013)

2.1.2. Disthymie

Sozusagen die kleine Schwester der depressiven Störung wird als Disthymie bezeichnet. Die Disthymie ist eine mildere Form des Schwermuts, jedoch halten die Symptome deutlich länger an. Wie die depressive Störung ist auch die Disthymie eine Depression mit wiederkehrenden Phasen. Jedoch kann bei dieser Form eine einzelne Phase bis zu zwei Jahre andauern. Es treten auch die gleichen Symptome auf, diese sind jedoch weniger stark ausgeprägt. (vgl. Haring 2013) Die Symptome sind zwar schwächer ausgeprägt, dennoch verzweifeln die Betroffenen an der Hartnäckigkeit und an der Dauer der depressiven Phasen. (vgl. Musalek 2013)

2.1.3. Bipolare Depression/bipolare Störungen

Die bipolare Störung wurde früher auch als manisch-depressive Erkrankung bezeichnet, da sowohl manische, als auch depressive Phasen auftreten können. Heute wird der Begriff manisch depressiv nicht mehr verwendet. (vgl. Niklewski/Reicher-Niklewski 1998) Aufgrund des Wechsels von depressiven und manischen Phasen wird diese Form als „zwei-seitige Störung“ bezeichnet. (vgl. Nevermann/Reicher 2009) Die Stimmung der Betroffenen pendelt oft sehr schnell zwischen depressiven und manischen Phasen hin und her. Wobei die Betroffenen oft die manische Phase nicht als Leiden erleben. Sie sind besonders unternehmungslustig, brauchen wenig Schlaf und sprudeln über von neuen, oft sehr riskanten, Ideen. Durch hochriskante Abenteuer bringen sie nicht nur sich, sondern auch andere in Gefahr. In der manischen Phase neigen die Betroffenen Fehlentscheidungen zu treffen. Dies kann weitgehende Folgen haben und eine Familie innerhalb von wenigen Stunden finanziell ruinieren. Die Betroffenen sind durch ihre sprunghaften Stimmungen sehr stark in ihrem Alltag beeinträchtigt und in vielen Fällen ist eine Klinikeinweisung zum Schutz der Patienten unumgänglich. Auch die Suizidrate ist bei dieser Form besonders hoch. Bezüglich des Schweregrades gehört die bipolare Störung zu den schweren Depressionen und durch das Auftreten in Phasen gehört sie, bezüglich des Verlaufes, zu den wiederkehrenden Depressionen.

2.1.4. Zyklothymie

Die Symptome ähneln einer bipolaren Störung, diese sind aber keineswegs so stark ausgeprägt, dass man von einer schweren Depression spricht. (vgl. Haring 2013) Die Betroffenen leiden zwar unter Stimmungsschwankungen, diese sind jedoch nicht so gravierend, daher wird die Zyklothymie auch oft nicht diagnostiziert und bleibt unbehandelt. Die Betroffenen sind in ihrem alltäglichen Leben durch die Zyklothymie nicht stark eingeschränkt, dennoch ist es für die Familie, Freunde und Kollegen des Betroffenen schwierig mit den jeweiligen Stimmungslagen umzugehen. (vgl. Niklewski/Reicher-Niklewski 1998)

2.1.5. Symptomatische Depression

Depressionen, die als Begleiterscheinung einer körperlichen Erkrankung auftreten, werden als symptomatische Depressionen bezeichnet. Diese Form kann nach einem Schlaganfall, Herzinfarkt, in Zusammenhang mit Stoffwechselerkrankungen wie Diabetes, Tumorleiden oder AIDS und bei Veränderungen des Hormonhaushaltes auftreten. (vgl. Haring 2013) Um die symptomatische Depression gut zu behandeln ist es wichtig, dass die Behandlung der Grundkrankheit im Vordergrund steht. Durch die Besserung der Grundkrankheit wird auch die Depression leichter, beziehungsweise verschwindet diese komplett. (vgl. Niklewski/Reicher-Niklewski 1998) Zu dieser Gruppe gehört auch die postnatale Depression, die nach der Geburt aufgrund der starken Belastung des Hormonspiegels auftritt und im Volksmund besser als Wochenbettdepression bekannt ist. (vgl. Haring 2013)

2.1.6. Depression bei Abhängigkeitserkrankungen

Sucht und Abhängigkeit sind zwar eigenständige psychische Störungen, können jedoch gemeinsam mit einer Depression auftreten. Es ist jedoch oft unklar, ob die Abhängigkeit von Medikamenten und Alkohol Folge oder Ursache einer Depression sind. (vgl. Haring 2013) Es gibt eine Gruppe von Patienten, die in Eigenregie versuchen ihre Depression mit Alkohol oder Medikamenten zu lindern, dabei werden immer größere Mengen des jeweiligen Suchtstoffes benötigt, um die Symptome zu lindern. Es kommt zu einem Kontrollverlust und die Betroffenen werden abhängig. Die andere Gruppe von Betroffenen wird im Laufe ihrer Abhängigkeit depressiv. Es treten immer mehr emotionale Störungen auf, die dann letztendlich zu einer Depression führen. Wird eine Depression durch eine Abhängigkeit hervorgerufen, spricht man von einer pharmakogenen Depression.

Da es zwei verschiedene Arten von Depressionen bei Suchterkrankungen gibt, ist die Abstinenz sehr wichtig, um herauszufinden welche depressiven Symptome noch vorhanden sind und behandelt werden müssen. (vgl. Niklewski/Reicher-Niklewski 1998)

2.1.7. SAD-Saisonal abhängige Depression

Die Winterdepression kommt vor allem in den letzten Jahren immer häufiger vor. Die Betroffenen klagen über Stimmungs- und Verhaltensänderungen im Herbst und Winter. Im Frühling und Sommer hingegen sind ihre Symptome verschwunden, sie fühlen sich wie neugeboren. Neben den für die Depression typischen Merkmalen, stehen vor allem zwei Symptome im Vordergrund. Das hohe Schlafbedürfnis und der vermehrte Appetit auf kohlenhydratreiche Nahrung. Auch wenn es scheint, als ob die Symptome nur Einbildung wären, sind diese dennoch „echt“ und jahreszeitabhängig. Daher ist es vor allem für die ältere Generation, die an einer Winterdepression erkrankt, ratsam in den Wintermonaten ein paar Wochen in einem sonnigen und warmen Land zu verbringen. (vgl. Niklewski/Reicher-Niklewski 1998)

2.2. Die Ursachen der Depression

Um Ereignisse oder bestimmte Vorgänge besser zu verstehen, versuchen wir den Dingen auf den Grund zu gehen, Ursachen für einen bestimmten Zustand, wie zum Beispiel die Ursache für eine Krankheit, zu finden. Haben wir dann eine Ursache gefunden, fällt es uns leichter mit der Situation oder mit der Krankheit umzugehen. Leider kann man die Ursachen einer Depression nicht eindeutig klären. Es gibt verschiedenste Ansätze, um die Frage nach der Ursache zu klären. Aber dennoch hat die Wissenschaft noch lange nicht das letztmögliche Forschungsergebnis erreicht. (vgl. Nuber 2006) Tatsache ist, dass es sehr unwahrscheinlich ist, dass ein einziger Faktor für die Entstehung einer akuten Depression verantwortlich ist. Erklärungsmodelle, die, wie der Name schon verrät, versuchen, die Ursachen einer Depression zu klären, setzen sich daher immer aus mehreren Faktoren zusammen. Im Folgenden werde ich nun verschiedene Erklärungsmodelle vorstellen, die zur Klärung der Ursachen von Depressionen relevant sind. Diese Erklärungsmodelle sind für die Behandlung von Depressionen sehr wichtig, denn diese sollen vor allem dem Arzt helfen die Störung eines individuellen Patienten „zu klären“. Die einzelnen Erklärungsmodelle sind sehr unterschiedlich und zum Teil auch widersprüchlich. Dennoch sollte man sich beim Suchen nach der Ursache einer Depression nicht in einem einzigen Modell festfahren. Da die einzelnen Modelle, betrachtet man sie aus einem bestimmten Blickwinkel, ergänzend sein können. Erst durch das Betrachten von den verschiedenen Modellen kann eine optimale Problemanalyse durchgeführt werden, die dann zu einer optimalen Behandlung führt. (vgl. Hautzinger 2010) Auch wenn der wissenschaftliche Ansatz von Depressionsforschern sehr unterschiedlich ist, ist man sich dennoch einig, dass biochemische, genetische, psychische und soziale Faktoren zusammenwirken, wenn es um die Entstehung einer Depression geht. (vgl. Nuber 2006) Aber um die Ursachen einer Depression besser verstehen zu können, werde ich im Folgenden auf die verschiedenen Erklärungsmodelle näher eingehen.

Lebensereignisse und soziale Einflussfaktoren

Zahlreiche Fälle zeigen, dass vor dem Ausbruch einer Depression gehäuft negative Ereignisse und chronische Schwierigkeiten auftreten und diese dann eine Depression verursachen. Dazu haben einige Autoren herausgefunden, dass während eines halben Jahres nach einem kritischen oder stressreichen Ereignis das Depressionsrisiko sechsfach erhöht ist. Man hat dazu auch eine prospektive Untersuchung bei einer Bevölkerungsstichprobe durchgeführt, die der Frage nachging, welche Rolle unangenehme Lebensereignisse bei der Entwicklung depressiver Störungen spielen. Vor allem in den Monaten vor dem Ausbruch der Krankheit war bei den Depressiven, im Vergleich zu der einen Kontrollgruppe, eine, um das dreifach erhöhte Rate negativer Lebensereignisse nachzuweisen. Neben negativen Lebensereignissen sind vor allem chronische Lebensschwierigkeiten und ungünstige soziale Lebensbedingungen, wie die Zugehörigkeit zu einer sozial benachteiligten Schicht, Ursachen für eine Depression. Es ist also anzunehmen, dass Lebensereignisse als „auslösende Faktoren“ eine Depression anstoßen können. Dafür ist jedoch auch eine bestimmte Anfälligkeit, wie eine leichte Verletzbarkeit, Voraussetzung. Es gibt sowohl die auslösenden beziehungsweise provozierenden Faktoren, die bestimmen wann eine Depression auftritt, als auch Vulnerabilitätsfaktoren, die bestimmen, ob sich die depressive Wirkung auch entfalten kann. Die Wechselwirkung der unterschiedlichen Faktoren kann man an der Grafik von Brown und Harris aus dem Jahre 1978 besonders gut erkennen. (vgl. Hautzinger 2010)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 1: Zusammenhang von belastenden Lebensereignissen sowie Einflussfaktoren bzw. Misslingens der Bewältigung (Brown& Harris 1978)

Aspekte der Persönlichkeit

Im Zuge einer Längsschnittstudie, die tausende Erwachsene in einem Zeitraum von 12 Jahren untersuchte, fand man heraus, dass die Personen, die später an einer Depression erkranken emotional impulsiver (aggressiver) und labiler (ängstlicher, neurotischer) waren. Neben der emotionalen Instabilität zählt auch die soziale Abhängigkeit zu den auslösenden Faktoren. Die soziale Abhängigkeit beinhaltet unter anderem das Aufsuchen von engen Bindungen und Intimität, das Bedürfnis nach emotionaler Unterstützung oder Hilfe durch andere und auch die erhöhte Angst der Zurückweisung. Aber nicht nur emotional labile oder impulsive Menschen haben ein höheres Risiko an einer Depression zu erkranken. Denn auch immer mehr unabhängige, autonome Menschen, die nach Leistung streben und ein gewisses Kontrollbedürfnis haben, leiden an einer Depression. Misserfolge oder die Nichtzielerreichung führen zwar zunächst zu Aggressionen, jedoch schlägt diese Aggression auch bald in eine Depression um. (vgl. Hautzinger 2010)

Mangel an positiver Verstärkung und negative Interaktionen

Verliert man eine wichtige Person, die man als positiven Verstärker sehen kann, dann drückt dieser Verlust auf unser Gemüt. Diese Beobachtung führt zur „Verstärkerverlust-Hypothese“ bei Depressionen. Jedoch ist diese Hypothese nicht nur die anfängliche Ursache für eine Depression, sondern es kommt im Krankheitsverlauf immer wieder zum Neuaufkommen des Auslösers, der Verlust der positiven Verstärkung. Wie schon oben erwähnt können verschiedene Erklärungsmodelle vermischt werden. Auch wenn die Depression einer anderen Ursache zugrunde liegt, ist die positive Verstärkung oder die negative Interaktion für die Aufrechterhaltung der Krankheit dennoch von großer Bedeutung. Zu Beginn der Depression wird der Betroffene in Form sozialer Zuwendung positive Verstärkung erfahren. Dauert die Depression jedoch länger an, so werden die Sozialbeziehungen belastet und die positive Verstärkung reduziert. Durch Überforderung und Hilflosigkeit zieht sich in vielen Fällen dann der Sozialpartner zurück und meidet den Kontakt mit dem Depressiven. Dies führt aber wiederum zu einer Verschlechterung des emotionalen Zustandes des Betroffenen. Man kann sagen, dass es sich beim Mangel an positiver Verstärkung um einen Teufelskreis handelt, den man nicht so leicht entkommen kann. (vgl. Hautzinger 2010)

Nichtkontrolle und die daraus resultierende, erlernte Hilflosigkeit

Eine weitere Hypothese, die die Ursache einer Depression klären soll, ist die Hilflosigkeitshypothese. Wenn eine Person eine Nichtkontrolle in einem bestimmten Bereich erfährt, dann führt diese zu einer Einstellung der persönlichen Hilflosigkeit, die dann wiederum entscheidend für die Entstehung einer Depression ist. Gibt es eine vorausgehende Erfahrung der Nichtkontrolle über ein subjektiv bedeutsames Ereignis, dann erwarten die Betroffenen, dass auch ein zukünftiges Ereignis wieder ohne mögliche Kontrolle ablaufen wird, obwohl in der neuen Situation die Möglichkeit der Kontrolle besteht. Erlernte Erfahrungen werden auf neue und zukünftige Situationen generalisiert. Diese Misserfolgserwartung hinsichtlich zukünftiger Ereignisse führt bei vielen Betroffen zu einer Depression. (vgl. Hautzinger 2010) Die negative Haltung gegenüber der Zukunft ist für die Betroffenen sehr anstrengend, sie fühlen sich bald erschöpft und dieses „Erschöpftsein“ entwickelt sich dann langsam zu einer Depression weiter.

Dysfunktionale kognitive Schemata

Die Basis für die Entstehung einer Depression bildet oft eine kognitive Störung, die infolge von belastenden, ungünstigen Erfahrungen (Traumatisierung, Verluste) entstanden ist. Das Hauptmerkmal ist die negative Sichtweise der Betroffenen. Sowohl die Welt selbst, als auch die eigene Person und die Zukunft werden vom Betroffenen als negativ empfunden. Das Schema der negativen Sichtweise entsteht durch belastende Erfahrungen im Sozialleben und durch aktuelle stressreiche oder traumatische Ereignisse. Entsteht so ein depressives Schema, dann setzt auch ein zirkuläres Feedbackmodell ein, dass für die Aufrechterhaltung, Verfestigung und Vertiefung der Depression verantwortlich ist. Der Betroffene hat nicht nur negative Gedanken, sondern auch eine negative Grundüberzeugung, die dann auch in einzelnen Situationen zum Vorschein kommt. Während der Gedächtniszugang für negative Erinnerungen sehr rasch erfolgt und die Aufmerksamkeit sich vor allem auf negative Reize ausrichtet, werden positive Erfahrungen hingegen wenig im Gedächtnis behalten. (vgl. Hautzinger 2010)

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Ende der Leseprobe aus 70 Seiten

Details

Titel
Depressionen bei Kindern und Jugendlichen
Untertitel
Kindheit gar nicht kinderleicht
Veranstaltung
Matura
Note
2
Autor
Jahr
2014
Seiten
70
Katalognummer
V282195
ISBN (eBook)
9783656822011
ISBN (Buch)
9783656822004
Dateigröße
1985 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
depressionen, kindern, jugendlichen, kindheit
Arbeit zitieren
Janine Baumeister (Autor:in), 2014, Depressionen bei Kindern und Jugendlichen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/282195

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