Wirkungen medialer Gewalt

Hat die Darstellung eines Gewalt darstellenden Filmausschnitts einen Einfluss auf die Gewalteinstellung der Versuchsperson?


Wissenschaftliche Studie, 2013

54 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhalt

1. Einleitung und Theorie

2. Methode
2.1 Versuchspersonen
2.2 Apparate und Material
2.3 Versuchsplan
2.4 Durchführung

3. Ergebnisse

4. Diskussion

5. Literaturverzeichnis

1. Einleitung und Theorie

Es gibt eine hohe Zahl an Publikationen, die den Einfluss der Medien auf das Aggressionsverhalten untersuchen. Die verschiedenen Studien stammen von Forschern aus den Bereichen der Psychologie, Soziologie, Medienwissenschaften und Kriminologie und legen zum einen unterschiedliche inhaltliche Schwerpunkte und gründen sich zum anderen auf ein heterogenes methodisches Vorgehen. Die Aussagen, die in diesen empirischen Untersuchungen getroffen wurden, widersprechen sich zum Teil und manifestieren gegensätzliche Wirkungszusammenhänge.

Aufgrund der Diversität und der Allgegenwärtigkeit von Medien in der heutigen Zeit ist der generelle Einfluss von Medien schwer zu untersuchen. Zuletzt wurde dieser Versuch im Jahr 1986 in einer Feldstudie von Joy, Kimball und Zabrack unternommen, die über einen Zeitraum von zwei Jahren die Auswirkungen von der Fernseheinführung in einer noch fernsehlosen Gemeinde untersuchten. Sie verglichen das Verhalten der Bewohner mit dem von zwei anderen kanadischen Gemeinden (annähernd gleiche Einwohnerzahl). Die Ergebnisse werden heutzutage jedoch unterschiedlich interpretiert und liefern keine eindeutige Aussage hinsichtlich des Wirkungszusammenhangs.1 In der Regel werden Medienwirkungsstudien in Form von Laborexperimenten oder Befragungen durchgeführt. Häufig zitiert wird das grundlegende Laborexperiment von Grimm aus dem Jahr 1999, bei dem Menschen im Alter von 11 bis 65 Jahre Ausschnitte aus „Marterial Arts Filmen“ gezeigt wurden, die sich im Maße, in dem sie gewalthaltige Szenen enthielten, unterschieden. Aufgabe der Probanden war es sowohl vor, als auch nach dem Betrachten der Clips einen Fragebogen auszufüllen, mit welchem ihr Verständnis von Gewalt und ihre Gewaltbereitschaft untersucht wurden. Zusätzlich wurden ihr Puls und ihre galvanische Hautreaktion während des Rezipientenvorgangs gemessen. Nach Grimm führten alle Filmausschnitte zu einer signifikanten Senkung bei der Bewertung des eigenen Aktionspotentials und gleichzeitig zu einem Anstieg an Angst. Er postulierte den positiven Zusammenhang, dass die Angst umso mehr anstieg, desto gewalttätiger die gezeigten Szenen waren.2 Mit dem Ziel, den aktuellen Wissensstand zum Einfluss medialer Gewalt auf die Aggressionsbereitschaft zusammenzufassen und damit übergreifende Forschungsfragen zu beantworten, haben Anderson und Bushmann 2003 eine Metaanalyse durchgeführt, in der sie aus 300 Einzelstudien signifikante Effektstärken (nach der Stichprobengröße gewichtete Korrelationen) ermittelt haben. Als Grundlage dienten ausschließlich Datensätze, in denen die explizite Korrelation von Medienkonsum und aggressivem Verhalten untersucht wurde. Je nach der verwendeten Methodologie schwankten diese zwischen 0,17 und 0,23. Es konnte dementsprechend nur ein geringer Zusammenhang zwischen dem Konsum von Mediengewalt und Aggression festgestellt werden. Nichtsdestotrotz postulieren Anderson und Bushmann, dass dieser kleine Anteil, auf die hohe Anzahl von Medienkonsumenten hochgerechnet, entscheidend sein kann.3 Ein weiteres zentrales Ergebnis war, dass die Korrelation davon abhängt, wann die Versuche durchgeführt wurden. Sie stellten die Hypothese auf, dass mit zunehmender Aktualität eines Versuchs auch dessen Korrelationskoeffizient zunehme.

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Abb. 1: Die Abhängigkeit der Korrelation zwischen dem Konsum medialer Gewalt und gewalttätigem Verhalten von dem Veröffentlichungszeitpunkt und den unterschiedlichen methodischen Vorgehensweisen (Experiment und Befragung).4

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Abb. 2: Mediale Gewalt und Aggression: Ergebnisse der Meta-Analyse von Anderson und Bushmann. Die Auswirkungen medialer Gewalt auf Aggression aufbereitet nach der den Studien zu Grunde liegenden Methodik. Es zeigt sich unabhängig von der verwen- deten Methodologie ein positiver Zusammenhang zwischen medialer Gewalt und Aggression. Je mehr die Korrelation einem Diamanten ähnelt, desto größer ist die Streuung der Korrelationen zwischen einzelnen Studien.5

Wie in Abbildung 2 dargestellt, besteht nach Anderson und Bushman unabhängig von der verwendeten Methode ein positiver Zusammenhang zwischen medialer Gewalt und Aggression. Ergebnisse aus Laborexperimenten postulieren die höchsten Korrelationen, was die Autoren auf die guten Kontrollmöglichkeiten der äußeren Umstände zurückführen. Die Ergebnisse aus Querschnittstudien und Laborexperimenten haben eine geringere Streuung verglichen mit den Ergebnissen aus Längsschnittstudien und Feldexperimenten. Eine mögliche Erklärung dafür könnte sein, dass hier situationelle Faktoren stärker wirken und die Störvariablen weniger gut kontrolliert werden können.

Um testen zu können, ob mediale Gewalt und das Aggressionsverhalten eines Individuums zusammenhängen, soll zunächst ein Überblick über das Konstrukt Aggression und die wichtigsten Aggressionstheorien gegeben werden. Daran anschließend werden drei Theorien aus der Medienwirkungsforschung dargestellt, die sich auf die Ergebnisse der einzelnen Studien beziehen und übergreifende Wirkungszusammenhänge zu erklären suchen.

Im alltäglichen Sprachgebrauch werden Aggression und Gewalt häufig synonym verwendet. Tatsächlich handelt es sich bei körperlicher Gewalt aber um eine Unterform von Aggression.6 In der Psychologie gibt es keinen allgemein akzeptierten Aggressionsbegriff, vielfach verwendet wird aber die Begriffsauffassung von Baron und Richardson von 1994, die Aggression als Verhalten einstufen, dem die Motivation zugrunde liegt, einem Individuum zu schaden, wobei dieses versucht, eine solche Behandlung zu umgehen.7 In der Sozialpsychologie existieren biologische und psychologische Ansätze, die das Entstehen von Aggression auf unterschiedliche Art zu erklären versuchen. In der Forschung ist dabei umstritten, ob Aggression ein angeborenes Phänomen ist oder aber erlernt werden muss.8 Da es sich bei medialer Gewalt um einen Umwelteinfluss handelt, wird im Folgenden lediglich auf die fünf populären psychologischen Ansätze eingegangen.

Als erstes kann an dieser Stelle die Frustrations-Aggressions-Hypothese angeführt werden, welche bereits 1939 von der Yale-Gruppe um Dollard publiziert wurde. Grundannahme ist, dass Frustration die Wahrscheinlichkeit aggressiven Verhaltens steigert und dadurch entsteht, dass ein Individuum beim Erreichen seines angestrebten Ziels behindert wird.9 Erweitert wurde diese Hypothese durch Berkowitz, der sein kognitiv-neoassoziationistisches Modell begründete. Seiner Auffassung nach sei Aggression das Ergebnis eines negativen Affekts, welcher während der kognitiven Verarbeitung ein Netzwerk an aggressiven Empfindungen aktiviert. Diesem Gedankenansatz folgt auch die Theorie der Erregungsübertragung nach Zillmann, welcher postuliert, dass eine neutrale physiologische Erregung auf eine Erregung, die sich aus einer Frustration ergibt, übertragen werden kann und so die negative Ärgererregung erhöht wird.10 Große Bedeutsamkeit genießt auch die Lerntheorie nach Bandura, welcher Lernen als Verhaltensänderung durch Erfahrung definiert. Die zwei Mechanismen direktes Modelllernen und Verstärkung, welches eine stellvertretende Verstärkung darstellt, seien demnach für den Erwerb aggressiven Verhaltens grundlegend. Wenn eine Person die Erfahrung macht, dass sie für aggressives Verhalten in Form von Anerkennung oder durch das Erreichen eines angestrebten Ziels belohnt wird, wurde sie direkt verstärkt. Modelllernen bezieht sich hingegen darauf, dass die Person beobachtet, wie eine Modellperson für ihr Verhalten belohnt oder bestraft wird.11 Als letztes lassen sich noch sozial-kognitive Modelle anführen, welche die vorangegangenen Ansätze dadurch erweitern, dass sie kognitive Repräsentationen zur Vorhersage aggressiven Verhaltens einbauen, welche als aggressive Skripts bezeichnet werden. Diese würden Handlungsanweisungen darstellen, welche angewendet werden, wenn eine Person entscheiden müsse, in welcher spezifischen Situation es angemessen sei, aggressives Verhalten zu zeigen.12

Aggressives Verhalten wird sowohl durch personale, als auch durch situative Bedingungen beeinflusst. Zum einen existieren individuelle Unterschiede in der Aggressionsbereitschaft zwischen Personen und andererseits wurden gewisse Tendenzen zwischen den Geschlechtern untersucht, demnach würden Männer im Schnitt häufiger körperliche Gewalt anwenden als Frauen.13 Darüber hinaus wurden situative Einflüsse auf die Aggressionsbereitschaft untersucht. An dieser Stelle soll kurz auf die Hitzehypothese eingegangen werden, welche besagt, dass Aggression mit steigender Temperatur zunimmt. Sie stützt sich auf den Vergleich von Prävalenzraten von Gewaltverbrechern in heißeren und kühleren Gebieten, welcher zum Ergebnis hatte, dass in heißeren Regionen die Häufigkeit höher war.14

Die älteste Medienwirkungstheorie Katharsisthese geht ursprünglich auf Aristoteles zurück und geht davon aus, dass der Mensch von Natur aus über einen Aggressionstrieb verfüge, den er entweder auf natürliche Weise oder in eigenen Fantasien durch das Beobachten aggressiven Verhaltens ableiten müsse. Auch die Inhibitionstheorie postuliert eine Verminderung aggressiven Verhaltens durch Mediengewalt. Im Unterschied zur Katharsisthese würde aber Angst ausgelöst, wodurch die Bereitschaft gehemmt würde, selbst aggressive Verhaltensweisen zu zeigen. Die Habitualisierungstheorie geht derweil davon aus, dass durch den ständigen Konsum medialer Gewalt die Sensibilität dafür abnehme und aggressives Verhalten im Laufe der Zeit als völlig normal wahrgenommen werden würde. Allen dreien gemein ist dabei die Auffassung, dass der Rezipient sich mit dem Täter identifiziere.15

Überblick über die vorliegende Untersuchung

Während der Zusammenhang zwischen dem Konsum medialer Gewalt und Aggression in der Forschung nach wie vor unterschiedlich gesehen wird, werden immer wieder Vorwürfe gegen gewaltverherrlichende Computerspiele und Filme in der tagespolitischen Debatte diskutiert.16 Niederschlagen tut sich dies auch in der Rechtfertigung und Ausgestaltung des Jugendschutzgesetzes, so müssen Filme und Computerspiele vor deren Veröffentlichung darauf geprüft werden, ab welchem Alter sie gezeigt werden dürfen und ob sie gegebenenfalls zensiert werden müssen. Angesichts der Tatsache, dass der Arbeitsgemeinschaft Fernsehforschung und der Gesellschaft für Konsumforschung zufolge im Mai 2013 die Deutschen im Durchschnitt 210 Minuten fernsahen, verstärkt die Relevanz dieser Thematik.17

Forschungsgegenstand der vorliegenden Studie ist der Zusammenhang zwischen medialer Gewalt und Aggression. Da es aus ethischen Gründen schwierig ist, aggressives Verhalten zu messen, wurde für die Untersuchung keine Verhaltensoperationalisierung, sondern ein Fragebogen verwendet. Infolgedessen wurde nicht das Verhalten, sondern die Einstellung zu Gewalt gemessen. Im Folgenden sei kurz auf das Konstrukt von Einstellung eingegangen. Nach der populären und bis heute gültigen Begriffsbestimmung der Einstellungsforscher Egaly und Chaiken wird Einstellung definiert als eine „psychische Tendenz, die dadurch zum Ausdruck kommt, dass man ein bestimmtes Objekt mit einem gewissen Grad an Zu- oder Abneigung bewertet.“18 Dies umfasst, dass eine bewertende Gesamteinschätzung über einen Einstellungsgegenstand abgegeben wird. Hierbei kann es sich um konkrete Objekte oder aber abstrakte Konstrukte handeln. Darüber hinaus bilden auch Individuen oder Gruppen Stimulusobjekte. Diese Eingrenzung beinhaltet, dass sich Einstellungen hinsichtlich zweier Kriterien unterscheiden können. Erstens variiert die Valenz oder Richtung. Demnach können wir eine positive, negative oder aber neutrale Einstellung zu einem Stimulus oder einer Thematik haben. Zweitens unterscheiden sich Einstellungen hinsichtlich ihrer Stärke.19

Ausgehend von der Annahme, dass es sich bei einer Einstellung um eine aufsummierte Bewertung handelt, haben Eagly und Chaiken das Multikomponentenmodell der Einstellung entwickelt. Dieses besagt, dass sich der Inhalt einer Einstellung aus der affektiven, der kognitiven und der Verhaltenskomponente zusammensetzt. Erstere umfasst Gefühle und Emotionen und die zweite Gedanken, Überzeugungen und Eigenschaften, die mit dem Einstellungsgegenstand verbunden werden. Die Verhaltenskomponente ergibt sich aus früheren Verhaltensweisen, die mit dem Stimulusobjekt assoziiert werden. Auf Grundlage in der Vergangenheit liegender Verhaltensweisen können Menschen zu dem Schluss kommen, welche Einstellung sie bezüglich eines Objekts oder eines Konstrukts haben.20

Auf diesen Annahmen aufbauend, konnte die folgende Forschungsfrage formuliert werden: „Hat die Darbietung eines gewaltdarstellenden Filmausschnitts einen Einfluss auf die Einstellung zu körperlicher Gewalt?“ Auf Grundlage des von Anderson und Bushman postulierten positiven Effekts zwischen medialer Gewalt und

Aggression liegt dieser Arbeit die Hypothese H1 zugrunde:

„Gewalteinstellungsbekundungen werden durch das Zeigen einer exzessiven Gewaltszene beeinflusst.“ Da in der Forschung davon ausgegangen wird, dass sich rechtsextreme Orientierungen in einer zweifaktoriellen Struktur abbilden und die Faktoren Ideologie und Gewalt hoch zusammenhängen, wurde des Weiteren am Rande auch die Einstellung zu Rassismus erhoben.21 Hierzu wurde eine zweite Hypothese H2 aufgestellt: „Rassismuseinstellungsbekundungen werden durch das Zeigen einer exzessiven Gewaltszene beeinflusst.“

Bei beiden Hypothesen handelt es sich um ungerichtete Hypothesen, da sie keine Aussage über die Richtung des Zusammenhangs machen. Zudem sind sie unspezifisch und strikt universell, wodurch sie falsifiziert, aber nicht verifiziert werden können. Nicht alle Fälle können untersucht werden.22 Die Vorbedingungen der Hypothesenbildung wurden dadurch eingehalten, dass sie zum einen vor der Prüfung aufgestellt wurden und andererseits widerspruchsfrei sowie durch einen empirischen Beleg kritisierbar sind. Anhand der Antworten auf Items zur Einstellung zu Aggression und Rassismus sind sie ebenfalls operationalisierbar, da den Begriffen empirisch erhobene Daten zugeordnet wurden.23

Im Experiment gilt eine Hypothese als belegt, wenn ein signifikanter Unterschied zwischen der durch einen Fragebogen operationalisierten Einstellung in der Experimental- und Kontrollgruppe besteht. Zur Prüfung wurde der Experimentalgruppe im Gegensatz zur Kontrollgruppe ein Filmausschnitt mit Gewaltszenen gezeigt.

In Bezug auf die Haupthypothese wurde folgende empirische Vorhersage gemacht: „Die Versuchspersonen, die einen Film mit exzessiven Gewaltszenen sehen, werden andere Einstellungen zu den Themen Gewalt und Aggression haben, als die Kontrollgruppe, welche harmonische Filmszenen gesehen hat. Dies wird sich in ihren Bekundungen im Fragebogen äußern.“

2. Methode

2.1 Versuchspersonen

Sowohl qualitativ, als auch quantitativ orientiert sich die genommene Stichprobe an den zeitlichen und finanziellen Ressourcen einer Semesterarbeit. Daher wurde die Zahl von 27 Versuchspersonen angesetzt und ergab sich ausschließlich aus Studenten der Leuphana Universität Lüneburg im Sommersemester 2013 (Untersuchungszeitpunkt: Mai 2013). Das Alter der Probanden lag zwischen 19 und 26 Jahren. Dadurch, dass die Stichprobe sehr klein ist, ist sie nicht repräsentativ und die Ergebnisse somit nicht auf die Population generalisierbar. Hier sei nochmal darauf hingewiesen, dass die vollkommene Verifizierung bei einer stichprobenartigen Untersuchung einer universellen Hypothese ohnehin ausgeschlossen ist.

Ein während der Anwerbung der Versuchspersonen aufgetretenes Phänomen war die hohe Wahrscheinlichkeit, mit der Versuchspersonen in Abhängigkeit von Freundschaft und Bekanntschaft gefunden wurden. Dieser Effekt hätte zusätzlich den repräsentativen Charakter für die Gruppe der Studenten gefährdet. Um dem entgegenzuwirken, wurden zwei Taktiken bei der Akquise angewandt: Erstens wurde aktives Marketing (Kaltakquise) im Internet betrieben. In verschiedenen Gruppen des Social Networks Facebook wurde durch kreative Werbung auf den Versuch und die Belohnung für eine Teilnahme aufmerksam gemacht. Die Terminfindung wurde anschließend über „Doodle“ koordiniert. Zweitens wurden den Versuchsleitern unbekannte Studenten direkt auf dem Campus der Leuphana Universität als Versuchsperson angeworben. Auf diese Weise konnte insbesondere eine Homogenisierung des Studiengangs der Probanden ausgeschlossen werden, sodass 21 unterschiedliche Major-Minor-Kombinationen unter den Probanden aufzufinden sind.

Aus den genannten Gründen handelt es sich bei der Auswahl der Versuchspersonen um eine leicht eingeschränkte Zufallsauswahl.24 Wichtig erscheinen hierbei die speziellen Eigenschaften der Studenten. Bei der weiteren Interpretation des erhobenen Datenmaterials muss beachtet werden, dass die gezogene Stichprobe sich möglicherweise durch spezifische Charakteristika auszeichnet und somit nicht auf die Allgemeinbevölkerung übertragbar ist. So kann bei dieser Personengruppe von einem höheren Bildungsgrad sowie spezifischen Grundvorstellungen aufgrund einer ähnlichen Lebensweise ausgegangen werden. Weder eine Schichtung, noch eine echte Zufallsauswahl konnten angewandt werden, sodass es sich bei der Stichprobe des Experiments um eine anfallende oder auch Gelegenheitsstichprobe handelt. Bei diesem Stichprobenverfahren ist die Generalisierbarkeit der Ergebnisse am geringsten.25 Darüber hinaus ist nicht auszuschließen, dass die Stichprobe dadurch beeinflusst wurde, dass für die Teilnahme eine Belohnung in Form von Kuchen in Aussicht gestellt wurde. Außerdem wurden potentielle Teilnehmer darüber aufgeklärt, dass der Gewaltszenen enthaltene Film „American History X“ als Material verwendet wird, was möglicherweise Personen abschreckte. Für die Information hierüber und somit über mögliche negative Aspekte des Versuchs wurde sich jedoch im Sinne der ethischen Richtlinien entschieden.26 Um dennoch von der Forschungsfrage abzulenken, wurde der Versuch als "Experiment im Rahmen einer Filmstudie" betitelt. Um Versuchspersonen-Effekte wie der Erwartung der Vp entgegenzuwirken, war es nötig, diese zu täuschen und erst nach Abschluss der Datenerhebung über die wirklichen Hintergründe des Versuchs aufzuklären.27 Dieses Vorgehen spiegelt sich auch in der Konzeption des Fragebogens wider. Um von dem eigentlich untersuchten Forschungsgegenstand Gewalt- und Rassismuseinstellung abzulenken, wurden Ablenkfragen konzipiert, auf welche im nächsten Abschnitt noch genauer eingegangen wird.

2.2 Apparate und Materialen

Für das Experiment wurden primär eine Videoinstruktion, Filmzusammenschnitte des Thrillers American History X sowie ein Fragebogen generiert. Aus diesen lassen sich sekundär folgende Materialien ableiten: zunächst musste ein videofähiger Laptop eingesetzt werden und ein Ersatzlaptop für den Fall einer technischen Störung vorhanden sein. Des Weiteren wurde sich dazu entschlossen, als Instruktion eine Videobotschaft nutzen, weshalb den Probanden eine Klingel zur Verfügung gestellt wurde, die bei Fragen, Problemen oder dem Wunsch des Versuchsabbruchs betätigt werden konnte. Um außerdem die Anonymität der Versuchspersonen zu gewährleisten, wurde eine Box genutzt, in die der ausgefüllte Fragebogen eingeworfen werden sollte. Die Videoinstruktion wird ausführlich unter 2.4 dargestellt, die übrigen primären Materialien werden folgend erläutert.

Die Filmzusammenschnitte: Als Grundmaterial für die Zusammenschnitte wurde der Thriller „American History X“ verwendet, der die neonazistische Szene der USA thematisiert. Somit sind sowohl Gewalt als auch Rassismus elementare Themen des Films.

Der Fragebogen: Zur Messung der abhängigen Variable, der Einstellung der Vp zu Aggression und Rassismus, wurde ein Fragebogen erstellt, der auf den Ausarbeitungen des Soziologen Bernd Geng sowie des Kriminologen Frieder Dünkel beruht.28 Diese entwickelten im Rahmen ihrer Forschungen zu den Themen Gewalt und Rassismus in Deutschland je einen Fragebogen, die im Original im Anhang zu finden sind. Veröffentlicht im Jahr 2003 und zugeschnitten auf die Untersuchungsgruppe Jugendliche, wurden für das Experiment zum Konstrukt Gewalt acht Fragen sowie zum Konstrukt Rassismus vier Fragen ausgewählt. Somit wurde ein Schwerpunkt auf die Erfassung des Konstrukts Aggressionsakzeptanz gelegt, um der im Vordergrund stehenden Haupthypothese H1 gerecht zu werden.

Der Auswahl lagen die Kriterien Aktualität, Zielgruppenkompatibilität, Relevanz für das Konstrukt Gewaltakzeptanz sowie Subtilität im Bezug auf die Forschungsfrage zugrunde. Besonders Letzterem wurde Aufmerksamkeit geschenkt, um die unbefangene, möglichst unreflektierte und von sozialen Normen abgelöste Einstellung zur Frage bzw. Aussage einzufangen. Qualifiziert haben sich dadurch folgende Items:

Gewaltakzeptanz:

1. Sich friedlich zu einigen ist der beste Weg, um miteinander auszukommen.
2. Durch Gewalt sind noch nie Probleme gelöst worden.
3. Auge um Auge, Zahn um Zahn, so ist das Leben.
4. Es ist gut, wenn es Leute gibt, die auch ohne Polizei mit Gewalt für Ruhe und Ordnung sorgen.

[...]


1 Vgl. Kunczik, Michael/ Zipfel, Astrid. Gewalt und Medien. Ein Studienhandbuch. Köln: Böhlau, 2006, S.220-229.

2 Vgl. Hermann, Dieter. Media Violence and Criminality. In: Cornelius, Kai/ Hermann, Dieter (Hrsg.) Virtual Worlds and Crimniality. Heidelberg: Springer, 2011, S.45-60.

3 Vgl. Anderson, Craig A./ Bushman, Brad J. Human Aggression. In: Annu. Rev. Psychol. 51, 2002,

S. 51, S. 27-51.

4 Anderson, Craig A./ Bushman, Brad J. Media violence and the american public. Scientific facts versus media misinformation. In: Am Psychol 56, S.477-489.

5 Anderson, Craig A./ Bushman, Brad J. The effect of media violence on society. In: Science 295 (2002a), S.2377-2379.

6 Vgl. Fetchenhauer, Detlef. Psychologie. München, Franz Vahlen: 2012, S.119-122.

7 Vgl. Krahé, Barbara. The Social Psychology of Aggression “ . 2. Aufl. East Sussex: Psychology Press, 2013, S.8-12.

8 Vgl. Akert, Ronbin/ Aronson, Elliot/ Wilson, Timothy. Sozialpsychologie. 4. Aufl. München: Pearson, 2004, S. 438-479.

9 Vgl. Gollwitzer, Mario/ Schmitt, Manfred. Sozialpsychologie. Weinheim: Beltz, 2006, S.165-175.

10 Vgl. Krahé, Barbara. “Aggression”. In: Jonas, Klaus/ Stroebe, Wolfgang/ Hewstone, Miles (Hrsg.) Sozialpsychologie. Eine Einführung. Heidelberg: Springer Medizin, 2007, S.265-294.

11 Vgl. Conradt, Judith/ Essau, Cecilia. Aggression bei Kindern und Jugendlichen. München: Ernst Reinhardt, 2004, S.102-105.

12 Vgl. Krahé, Barbara, 2007, S.265-294.

13 Vgl. Haddock, Geoffrey/ Maio, Gregory R., 2007.

14 Vgl. Gerrig, Richard/ Zimbardo, Philip. Psychologie. 18. Aufl. München: Pearson, 2008, S.687-695. 6

15 Vgl. Brosius, Hans-Bernd/ Früh, Hannah. „Gewalt in den Medien“. In: Appel, Markus/ Batinic, Bernard. Medienpsychologie. Heidelberg: Springer Medizin, 2008, S.177-193.

16 Vgl. Frerichs, Stefan. Gewalt in den Medien. Machen Fernsehen oder Computerspiele gewalttätig? [http://www.ard.de/home/ard/Machen_Medien_gewalttaetig_/76046/index.html?articleSectionIndex=] Stand: 02.05.2013

17 Vgl. http://de.statista.com/statistik/daten/studie/2913/umfrage/fernsehkonsum-der-deutschen-in- minuten-nach-altersgruppen/, Stand: 02.05.2013

18 Chaiken, Shelly/ Eagly, Alice. The psychology of attitudes. Belmont, California: Wadsworth, Thompson, 1993, S.1.

19 Vgl. Haddock, Geoffrey/ Maio, Gregory R. „Einstellungen: Inhalt, Struktur und Funktionen“. In: Jonas, Klaus/ Stroebe, Wolfgang/ Hewstone, Miles (Hrsg.) Sozialpsychologie. Eine Einführung. Heidelberg: Springer Medizin, 2007, S.187-224.

20 Vgl. Haddock, Geoffrey/ Maio, Gregory R. The Psychology of Attitudes and Attitude Change. London: SAGE, 2010.

21 Vgl. Neumann, Jörg/ Wagner, Ulrich (Hrsg.) Aggressives Verhalten rechtsextremer Jugendlicher. Eine sozialpsychologische Untersuchung. Münster: Waxmann, 2001, S. 127-133.

22 Vgl. Huber, Oswald. Das psychologische Experiment: Eine Einführung. 5. Aufl. Bern: Hans Huber, 2009, S.52f.

23 Vgl. Ebd., S.57-67.

24 Vgl. Bittrich, Kathrin/ Blankenberger, Sven. Experimentelle Psychologie. Experimente planen, realisieren, präsentieren. Weinheim: Beltz, 2011, S. 25f.

25 Vgl. Bortz, Jürgen/ Döring, Nicola. Forschungsmethoden und Evaluation. 4. Aufl. Heidelberg: Springer Medizin, 2006, S.85ff.

26 Vgl. Huber, Oswald. 2007, S.210f.

27 Vgl. Ebd., S207f.

28 Vgl. Dünkel, Frieder/ Geng, Bernd. Gewalterfahrungen, gesellschaftliche Orientierungen und Risikofaktoren bei Jugendlichen in der Hansestadt Greifswald 1998-2002. In: Rostocker Informationen zu Politik und Verwaltung, Heft 18, 2003, S. 39-70.

Ende der Leseprobe aus 54 Seiten

Details

Titel
Wirkungen medialer Gewalt
Untertitel
Hat die Darstellung eines Gewalt darstellenden Filmausschnitts einen Einfluss auf die Gewalteinstellung der Versuchsperson?
Hochschule
Leuphana Universität Lüneburg  (Wirtschaftspsychologie)
Veranstaltung
Forschungsmethoden II: Experimentelle Methodik
Note
1,0
Autor
Jahr
2013
Seiten
54
Katalognummer
V281863
ISBN (eBook)
9783656768029
ISBN (Buch)
9783656768012
Dateigröße
826 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Psychologie, Methodik, Versuchsbericht ;, Studie;, mediale Gewalt;, Einstellung;, Rassismuss;, Forschungsmethoden;, Versuchspersonen;, Experimentelles Praktikum;
Arbeit zitieren
Marie-Celine Gräber (Autor:in), 2013, Wirkungen medialer Gewalt, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/281863

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