Die Wandlung der Figaro-Gestalt


Zwischenprüfungsarbeit, 2004

24 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

I. Einleitung

II. Hauptteil
1. Von Beaumarchais bis Horváth: die Figaro-Gestalt in zwei unterschiedlichen Epochen
1.1. Der revolutionäre Figaro von Beaumarchais
1.2. Die Entstehung der Figaro-Gestalt bei Horváth
1.3. Die biografischen Züge in der Komödie „Figaro lässt sich scheiden“
2. Schwierigkeiten der Rezeption: die zeitliche Bestimmung der Komödie Horváths
3. Figaros Wandlung vom Spießer zum Menschen
3.1. Figaros Liebesbeziehung als Auslöser seiner Wandlung
3.2. Das Herr-Diener-Verhältnis
3.3. Figaro als Produkt seiner Gesellschaft

III. Schlussfolgerung

IV. Literaturverzeichnis

I. Einleitung

In der folgenden Arbeit wird die Wandlung der Figaro-Gestalt behandelt. Hauptsächlich wird für die Analyse der Problematik das Werk „Figaro lässt sich scheiden“ von Horváth untersucht, das eine Art Fortsetzung von Beaumarchais’ „Figaros Hochzeit“ ist. Deshalb fängt die Arbeit mit der Vorstellung der Komödie Beaumarschais’ an. Wegen der zahlreichen Hinweise, die später während der Analyse der Wandlung Figaros vorkommen, erweist sich die kurze Darstellung der Komödie Beaumarschais’ als zweckmäßig. Nach diesem Abschnitt fängt die tatsächliche Analyse des Stückes „Figaro lässt sich scheiden“ an . Der knappen Präsentation der Handlung folgt der Teil, in dem der Einfluss der Biografie Horváths an der Entstehung der Figaro-Gestalt aufgezeigt wird.

Um Figaros Wandlung zu behandeln, stellt sich die Frage, um welche Epoche es in der Komödie geht. Für die Beantwortung dieser Frage werden einige Auslegungen der Forschung in Betracht gezogen. Anschleißend wird Figaros Wandlung mit Hilfe der textanalytischen Interpretationsmethode bewiesen. Als Textvorlage dient die Urfassung der Komödie in 13 Bildern. Die „Variante“ wird zur Analyse nicht einbezogen, daher könnte die Szene mit dem Kind, Cäsar für die Menschenwerdung Figaros nicht als Argument genommen werden.

Der Prozess der Wandlung ist aus mehreren Perspektiven zu zeigen. Als erstes wird er anhand der Figurenkonstellation gezeigt, das heißt mit Figaros Liebesbeziehung und dem Herr-Diener-Verhältnis. Abschließend wird der Einfluss der Gesellschaft auf Figaros Veränderung geprüft.

Figaros Wandlung vom Spießer zum Menschen ist kein psychologischer Prozess, sondern eine vom Autor gelenkte Entwicklung. Sie zeigt die damalige Auffassung Horváths, wovon in dieser Arbeit noch die Rede sein wird.

II. Hauptteil

1. Von Beaumarchais bis Horváth: die Figaro-Gestalten in zwei unterschiedlichen Epochen

1.1. Der revolutionäre Figaro von Beaumarchais

Da Horváths Komödie "Figaro lässt sich scheiden" hauptsächlich auf Beaumarchais' „Figaros Hochzeit“ basiert, - das zweite Theaterstück der „Figaro-Trilogie“-, ist es sinnvoll zu klären, welche Rolle Figaro, der Diener des Grafen in der ursprünglichen Komödie „Figaros Hochzeit“ übernimmt und welche dichterische Botschaften das Figaro-Stück enthält.

Der politische Schriftsteller Pierre Augustin Caron de Beaumarchais (1732-1799), vertritt die Ideologien der Aufklärung. Seine gesellschaftskritischen Werke drücken den Machtzuwachs des Bürgertums aus.

Die Komödie „Figaros Hochzeit“ des schon bekannten Dramaturgen entstand in Folge einer Wette zwischen Beaumarchais und seinem Förderer, Graf Conti. Die Wette ging um eine zweite „Figaro Komödie“, die genauso erfolgreich sein sollte wie sein vorheriges Stück der „Barbier von Sevilla“. Beaumarchais verfasste sein Werk 1776, musste aber 8 Jahre warten, bis König Ludwig XVI. die öffentliche Aufführung erlaubte.[1]

Beaumarchais gewann die Wette. „Figaros Hochzeit“ war der größte Theater-Erfolg des Jahrhunderts, der durch die Skandalgerüchte um dieses Werk und die Schwierigkeiten, es zur Aufführung zu bringen, noch verstärkt wurde.

Die Handlung spielt wegen der Zensur in Andalusien und für die Protagonisten ist spanische Kleidung vorgeschrieben, doch der Inhalt ist zeitkritisch: Figaro, der Diener des Grafen Almaviva, möchte Susanne, die Zofa der Gräfin heiraten. Der Graf vernachlässigt seine Frau und versucht die hübsche Dienerin zu verführen. Er hat die Macht, denn er verfügt über das feudale Privileg „Ius primae noctis“ (Herrenrecht der ersten Nacht). So macht er Figaro zu seinem Rivalen. Der treue Diener aus dem „Barbier von Sevilla“ wird zum Rebellen, weil er seine Braut schützen muss. In dem ersten Stück hilft er dem Grafen zu heiraten, hier verfolgt er nun seine eigenen Ziele. Im Bündnis mit der Gräfin und Susanne siegt letztendlich der sozial untergeordnete, aber dafür sehr listige Diener. Der adelige Herr wird lächerlich gemacht.

Figaro, der Vertreter des politisch benachteiligten Bürgertums, drückt am deutlichsten seine Unzufriedenheit gegen die Gesellschaftsordnung in seinem berühmten Monolog aus:

Weil Sie ein großer Herr sind, halten Sie sich für einen großen Geist… Adel, Reichtum, ein hoher Rang, Würden, das macht so stolz! Was haben Sie denn getan, um so viele Vorzüge zu verdienen? Sie machten sich die Mühe, auf die Welt zu kommen, weiter nichts; […] während ich , zum Teufel, ein Kind aus der obskuren Menge, nur um zu leben mehr Witz und Verstand aufbringen musste, als man seit hundert Jahren auf das Regieren ganz Spaniens und seiner Länder verwandt hat. Und Sie wollen sich mit mir messen…[2]

Hinter diesen mutigen Worten steht ein geistiger Vorkämpfer der Revolution. Napoleon bezeichnete dieses Stück als den „Sturmvogel der Revolution“.

1.2. Die Entstehung der Figaro - Gestalt bei Horváth

„Horváth arbeitet jetzt an einer brillanten Komödie, >Figaro lässt sich scheiden<, eine Art Fortsetzung von >Figaros Hochzeit<-, nur dass der berühmte Monolog des hier zum Emigranten gewordenen Figaro nicht revolutionär, sondern kleinbürgerlich reaktionär klingt“.[3] Mit diesen Worten kündigt Franz Theodor Csokor 1936 Horváths noch in diesem Jahr beendete Komödie an. Auf die Fortsetzung der Beaumarchais-Komödie weisen schon die ursprünglich vorgesehenen Titel des Stückes hin: „Figaro der zweite“ oder „Die Hochzeit der Figaro in unserer Zeit“[4]. Die ersten Überlegungen für die Verfassung einer modernen „Figaro Komödie“ stammen bereits aus dem Jahre 1933.

Ödön von Horváth (1901-1938) greift den vor 150 Jahren entstandenen Figaro-Stoff auf und setzt seine Helden in eine neue Epoche, wo sie mit den zur dieser Zeit aktuellen Probleme kämpfen müssen. Im Heimatland des Grafen ist nun die Revolution ausgebrochen. Der ehemalige Feudalherr mit seiner Frau ist gezwungen seine Heimat

zu verlassen. Da Susanne, die treue Zofe, ihre Herren nicht im Stich lassen kann, überredet sie Figaro das Ehepaar auf ihrer Flucht zu begleiten. In dem Stück sind zahlreiche Anspielungen auf Beaumarchais' Komödie zu finden. In den ersten Bildern ist der Graf Almaviva zwar nicht mehr in seiner gewohnten Umgebung, wo er seine Herrenrechte ausleben konnte, aber er glaubt immer noch an seine Macht. Er hofft, dass er mit seinem Einfluss die Situation rasch verändert.

Figaro versucht ihm die Realität des Geschehens näher zu bringen. Als er merkt, dass der Graf trotz der unsicheren Zeiten seine gewohnte Lebensart weiterzuführen versucht, entscheidet er sich den Graf zu verlassen und sich selbständig zu machen. Suzanne folgt ihm ungern. In Figaros Frisiersalon in Großhadersdorf kann sie sich schlecht an die kleinbürgerliche Mentalität anpassen. Sie sehnt sich nach den alten Zeiten. Ihre Unzufriedenheit wächst, als sie sieht, dass Figaro ihren Wunsch nach einem Kind nicht erfüllen will. So trennt sich das ehemalige verliebte Dienerpaar, das bei Beaumarchais noch für seine Heirat gekämpft hat. Susanne versucht allein klarzukommen, sie arbeitet als Kellnerin in einem Emigrantenlokal, in Cherubins Nachtcafe. Nach der Trennung wird Figaro von den spießigen Einwohnern von Großhadersdorf vertrieben. Er kehrt zu dem ehemaligen Landsitz des Grafen Almaviva zurück, wo sein Traum sich erfüllt: er wird der neue Verwalter des Schlosses, in dem ein staatliches Kinderheim untergebracht wurde. Auf seinen im Brief geäußerten Wunsch kehrt Susanne schließlich zu ihm zurück. Der verwitwete Graf, der inzwischen seinen sozialen Absturz erlebt hat, begleitet sie auf dem Weg. Das Stück endet mit einer allgemeinen Versöhnung: Figaro und Susanne finden wieder zueinander und der Graf darf in seinem ehemaligen Schloss wohnen.

Während Beaumarchais' Gestalten eher spielerische Hindernisse überwinden müssen, erleben die Protagonisten von „Figaro lässt sich scheiden“ zahlreiche negative, reell wirkende Erlebnisse. Obwohl die Komödie letztendlich positiv ausgeht, erscheinen die Figuren desillusionierter, als sie in „Figaros Hochzeit“ waren: wie der Titel schon zeigt, wird sich das Dienerpaar scheiden lassen. Susannes Kinderwunsch will Figaro in Anbetracht der unsicheren Zeiten nicht erfüllen, er sieht sein Kind schon, wie es „im nächsten Krieg fällt“ [5]. Der Graf bekommt seine Strafe vom dem Schicksal während der Emigration. Seine Frau stirbt, er verliert sein Vermögen und damit sein Macht. Die finanziellen Probleme machen ihn zum Betrüger und er kommt dafür ins Gefängnis. Figaro ist der Ausländerfeindlichkeit ausgesetzt, sowohl während der Emigration als auch im Land der Revolution.

Der negative Verlauf der Schicksale, die Horváth diesen Figuren zuweist, ist ein Verweis auf seine damalige pessimistische Einstellung. Das Geschichtsbild der Zeit, in der er lebte, und einige biographische Daten werden im folgenden Abschnitt die Ursache seiner pessimistischen Weltanschauung erklären.

1.3. Die biografischen Züge in der Komödie „Figaro lässt sich scheiden“

Die Zeitperiode zwischen 1933 bis zur Erstehung (1936) des Theaterstückes „Figaro lässt sich scheiden“ gehört zu den kritischsten Lebensjahren Horváths. Da er in seinen schon damals erfolgreichen Stücken (u. a.: Geschichten aus dem Wiener Wald und Italienische Nacht, wofür er den Kleist-Preis erhalten hat) oft die politische Geschichte Deutschlands darstellt, gilt er als anti-faschistischer Schriftsteller. Mit der Machtübernahme der Nazis 1933 werden alle seine Stücke abgesetzt und mit Aufführungsverbot belegt. Im Mai desselben Jahres werden seine Bücher verbrannt. Eine Hausdurchsuchung der SA im elterlichen Haus in Murnau, wo er sich gelegentlich aufhielt, gibt ihm den letzten Anstoß Deutschland zu verlassen. Nach kurzem Aufenthalt in Wien kehrt er 1934 wieder nach Berlin zurück. 1935 emigriert er endgültig aus Nazideutschland.

In „Figaro lässt sich scheiden“ verarbeitet er seine damalige Situation. Er gerät in den Exiljahren in starke finanzielle Schwierigkeiten, er muss auf seine gewohnte Lebensführung verzichten.[6] Diese Lebenssituation wird am Beispiel des Grafen am deutlichsten geschildert. Am Anfang des Stückes äußert sich der Graf noch extrem selbstbewusst, er achtet Figaros Vorschläge für den sparsamen Lebensstil nicht: „Ein Graf Almaviva wird seinen Stil weiterleben, er wird sich jeden Luxus erlauben, für dessen Genuss er sich durch seine Geburt ein Recht erworben hat. Für ihn wird die Emigration lediglich eine Lustreise sein, [...]"[7] Doch der finanzielle Absturz des Grafen ist nicht zu stoppen, kurz darauf befindet er sich schon in einem „billig möblierten Zimmer“ [8], wo die Gräfin auf ihr Abendessen verzichtet, damit ihr Mann ins Café gehen kann.

[...]


[1] vgl. Petersen, Jürgen: Figaro, Modell einer Epoche . In: Neue Deutsche Hefte 104. 1965, S.36

[2] Beaumarchais: Figaros Hochzeit. Frankfurt am Main. 1981, S.225

[3] Franz Theodor Csokor: Zeuge einer Zeit. Briefe aus dem Exil 1933-1950. München-Wien. 1964, S. 119

[4] vgl. Kurt Bartsch: Ödön von Horváth. Stuttgart. 2000 , S. 135

[5] Ödön von Horváth: Figaro lässt sich scheiden. Frankfurt am Main. 2001 , S. 55

[6] vgl. Mannemeier, Franz Norbert. Trapp, Frithjof: Deutsche Exildramatik 1933-1950. München. 1980, S. 98

[7] Horváth: Figaro lässt sich scheiden. S. 30

[8] ebd. S. 46

Ende der Leseprobe aus 24 Seiten

Details

Titel
Die Wandlung der Figaro-Gestalt
Hochschule
Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg  (Institut für Deutsch als Fremdsprachenphilologie)
Veranstaltung
Der Diener und sein Herr in der Komödie
Note
1,7
Autor
Jahr
2004
Seiten
24
Katalognummer
V28158
ISBN (eBook)
9783638300254
Dateigröße
562 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Wandlung, Figaro-Gestalt, Diener, Herr, Komödie
Arbeit zitieren
Timea Peter (Autor:in), 2004, Die Wandlung der Figaro-Gestalt, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/28158

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