Theorie der Wirtschaftspolitik


Vorlesungsmitschrift, 2007

45 Seiten

Anonym


Leseprobe


I. Grundlagen

1. Wirtschaftspolitik als Gegenstand der Wirtschaftswissenschaften

Gegenstand der Theorie der Wirtschaftspolitik ist das Handeln, durch das eine Vielzahl von Akteuren - Regierung, Notenbank, Parlament, internationale Organisationen, Kommunen, Interessenverbände - Einfluss auf das Wirtschaftsgeschehen zu nehmen versucht, um jeweils angestrebte Ziele so weitgehend wie möglich zu erreichen.

Wirtschaftspolitik umfasst

- Alle Aktivitäten (Handlungen, Maßnahmen)
- staatlicher Instanzen, welche darauf gerichtet sind,
- nach politischen Zielen
- die Wirtschaftsordnung (Ordnungspolitik), zu gewährleisten.

1.1. Abgrenzungen

a) Wirtschaftspolitik

- ist ohne Theorie undenkbar

- es wird unterteilt in: 1.Allgemeine Wipo

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b) Wirtschaftstheorie

- Ansätze über anzustrebende Prozesse Formulierung von Konzepten (= normative Theorie)
- das „Wie?“
- Aussagen über Ursache - Wirkungs - Zusammenhänge (= positive Theorie)
- Beschreibung der Instrumente der einzelnen Politiken (z.B. Instrumente der Konjunkturpolitik)

1.2. Werturteile in der Wirtschaftspolitik

Ziel:

Eine Wirtschaftspolitik ist rational, wenn sie planmäßig auf die Verwirklichung eines umfassenden, wohldurchdachten und in sich ausgewogenen Zielsystems gerichtet ist und dabei den höchsten Erfolgsgrad erreicht, der unter den jeweiligen Umständen möglich ist.

Anforderungen an die rationale Wirtschaftspolitik:

- Kenntnis der Ausgangslage
- Festlegung der angestrebten Ziele ( Wo will man hin?)
- Kenntnisse über geeignete Instrumente zur Zielerreichung
- Kenntnisse über Nebenwirkungen der Instrumente
- Kenntnisse über Entscheidungsverfahren
- Auswahl und Anwendung geeigneter Entscheidungsverfahren (-regeln)

Rationale Wirtschaftspolitik erfordert die Kenntnis der

- Ausgangslage,
- Anzustrebenden Ziele
- Beziehungen zwischen den Zielen
- Geeignete Instrumente zur Zielerreichung

Man unterscheidet die Theorie der Wirtschaftspolitik in positive Ökonomik (methodologischer Individualismus) und normative Ökonomik.

Die Ökonomische Theorie der Politik, auch Neue Politische Ökonomie (positive Ökonomie) genannt, steht für diese Absicht, das Verhalten der hier relevanten Akteure zu erklären, ohne damit auch schon die Absicht zu verbinden, die jeweils optimale Lösung zu benennen und die tauglichste Strategie zu ihrer Durchsetzung zu formulieren. Es werden Aussagen über Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge getroffen, die frei von Werturteilen, logisch und empirisch überprüfbar sein sollten. Daraus sollten sich gesetzmäßige Zusammenhänge zur Bildung von Quasi-Gesetzen ableiten lassen.

Probleme :

- Komplexe Ziele,
- Konkurrierende Theorien,
- Multikausale Zusammenhänge
- Instabile Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge durch Verhaltensänderungen,
- Exogene Einflüsse
- Sich ändernde Umwelt

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Normativ angelegt ist die Theorie der Wirtschaftspolitik schließlich, wenn sie die Frage zu beantworten versucht, welche Aufgaben welchen Trägern der Wirtschaftspolitik zuerkannt werden sollen, welche Institutionen zur Erfüllung dieser Aufgaben erforderlich sind, nach welchen Regeln, von welchen Instrumenten Gebrauch gemacht werden sollte und wie gewährleistet werden kann, dass die Träger der Wirtschaftspolitik die ihnen zuerkannte Macht nicht gegen das Interesse der Gesellschaft ausüben.

2. Träger der Wirtschaftspolitik

Die Vielfalt an Trägern der Wirtschaftspolitik und deren Beziehungen zueinander ist in erster Linie durch die jeweilige Staatsverfassung bestimmt. In besonders starkem Masse dezentralisiert ist die Wirtschaftspolitik bei einer föderativen Staatsordnung. Dementsprechend können in der Bundesrepublik Deutschland folgende Träger der Wirtschaftspolitik identifiziert werden: Als eine der Ursachen für die Dezentralisierung der wirtschaftlichen Kompetenz kann wohl die sachliche und räumliche Vielfalt der Aufgaben angesehen werden. Sie legen eine Kompetenzaufteilung nahe.

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Vorteil dezentraler Ordnung:

- Regionalen Präferenzen kann entsprochen werden
- Nutznießer und Kostenträger sind nahezu deckungsgleich
- Wettbewerb zwischen Trägern der Wirtschaftspolitik

Vorteile zentraler Ordnung:

- Vermeidung allokationstheoretischer Probleme bei der Bereitstellung öffentlicher Güter (weiter Transaktionskostenersparnis)
- Umsetzbarkeit stabilitätspolitischer Ziele
- Verwirklichung verteilungspolitischer Ziele (Mindestversorgung)

Dementsprechend geht im Falle der BRD mit der Kompetenzaufteilung eine unterschiedliche Verteilung wirtschaftspolitischer Aktivitäten einher.

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Koordination ist bei Trägervielfalt erforderlich, wenn sich die Folgen der Handlungen von verschiedenen Trägern bedingen. Dies kann der Fall sein, wenn:

- Einige der verfolgten Ziele nicht miteinander vereinbar sind,
- Gleiche oder ähnliche Ziele von verschiedenen Trägern angestrebt werden

Eine Koordination zwischen Trägern der Wirtschaftspolitik lässt sich mit Hilfe folgender Instrumente anstreben:

- Durch Konsultation
- Durch Bindung an gemeinsame Handlungsregeln (z.B. Regeln für Interventionen auf Devisenmärkten)
- Durch Übertragung wirtschaftspolitischer Kompetenz auf eine übergeordnete Institution

2.1. Der staatliche Sektor

Staat gegliedert in vertikal in Bundesstaat, Landtag, Kommunalparlament mit jeweils unterschiedlichen Kompetenzen und horizontal in Exekutive, Legislative und Judikative.

- Kompetenzverteilung zwischen Bund, Länder, Gemeinden
- Bund und Länder haben Zusammenwirkungspflicht (Problem: Einer baut, der andere zahlt)
- ausschließliche / konkurrierende Gesetzgebung
- Ertragskompetenz: Bund: Zölle, Versicherungen, Kapitalverkehrssteuern Bund und Länder: Einkommens- und Körperschaftssteuer Länder: Vermögenssteuer, Kfz-Steuer, Biersteuer Gemeinde: Gewerbesteuer, Grundstückssteuer
- im GG ist keine best. Wirtschaftsordnung vorgeschrieben
- Grundsatz der offenen Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb

2.2. Die autonome Zentralbank

In allen Wirtschaftsordnungen vom Typ gelenkte Marktwirtschaft lässt sich beobachten, dass der Gesetzgeber für sich das Privileg beansprucht, die Ausgabe von Geld zu regulieren. Die damit beauftragte Notenbank verfügt über ein gesetzliches Monopol. Die nationale Kompetenz der Geldpolitik wurde bei Einführung des Euro auf die autonome europäische Zentralbank übertragen. Die autonome und die weisungsunabhängige, parlamentarisch nicht kontrollierte EZB soll verhindern, dass die Geldwertstabilität bei Verfolgung anderer Ziele weiter eingehalten wird.

Deutsche Bundesbank:

- Ist jetzt ein Teil des ESZB
- Wirkt durch ihren Präsidenten an den Entscheidungen des EZB-Rates mit
- Wirkt bei Vorbereitung, Umsetzung und Vermittlung der Entscheidungen des EZB-Rates mit Handelt nach Leitlinien und Weisungen der EZB
- Ist unabhängig von Weisungen
- Wird von einem Vorstand geleitet
- Hat Hauptverwaltung und Filialen in den Bundesländern

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Die Europäische Zentralbank wird vom Direktorium und EZB-Rat geleitet. Organe der Europäischen Zentralbank:

a) Direktorium der EZB

- Sechs Mitglieder (Präsident, Vizepräsident und vier weitere Mitglieder)
- Jedes Mitglied hat eine Stimme
- Amtszeit beträgt 8 Jahre, keine Wiederernennung
- Bestellung der Mitglieder auf Empfehlung des Rates der EU
- Bereitet die Sitzungen des EZB-Rates vor
- Führt die laufenden Geschäfte nach Leitlinien und Beschlüssen des EZB-Rates

b) EZB-Rat

- Oberstes und zentrales Beschlussorgan im ESZB
- Legt die Geldpolitik der Gemeinschaft durch Leitlinien und Beschlüsse fest
- Führt die Devisengeschäfte im Einklang mit Art.111 durch
- Hält und verwaltet die offiziellen Währungsreserven
- Fördert das reibungslose Funktionieren der Zahlungssysteme

c) Erweiterter EZB-Rat

- Umfasst Direktorium der EZB und die Zentralbankpräsidenten aller Mitgliedstaaten der EU
- Besteht, solange nicht alle EU-Mitglieder zugleich Mitglied der Euro-Zone sind

2.3. Die autonomen Tarifverbände

Im Hinblick auf die Gegebenheiten in Deutschland ist es zweckmäßig, eine Unterscheidung aufgrund zweier Merkmale vorzunehmen, die in unterschiedlicher Weise bei den verschiedenen Verbänden miteinander verknüpft sind:

- Rechtlich zwischen Verbänden nach öffentlichem und nach privatem Recht sowie
- Funktional zwischen Marktverbänden und Wirtschaftsverbänden

a) Öffentlich Rechtliche

Öffentlich-Rechtlichen Charakter haben die verschiedenen Kammern (z.B. Industrie- und Handelskammer, Handwerkskammern) und Tarifvertragsparteien. Als Mitglieder gehören ihnen Gewerbetreibende, Handwerker, Landwirte und freiberuflich Tätige kraft Gesetz an. Im Unterschied zu privat-rechtlich organisierten Verbänden sind die Kammern mit Hoheitsbefugnissen gegenüber ihren Mitgliedern, teils auch mit Rechtssetzungsbefugnissen ausgestattet.

b) Privat Rechtliche

Privatrechtlich organisierte Interessenverbände entstehen durch freiwilligen Zusammenschluss von privaten Wirtschaftseinheiten im Unterschied zur gesetzlichen Mitgliedschaft bei Kammern. Ihre Befugnis erstreckt sich darauf, im Rahmen der Verbandsautonomie wirtschaftliche Interessen ihrer Mitglieder wahr zu nehmen. Eine erste Gruppe solcher Verbände sind die Marktverbände (Kartellen, Genossenschaften, Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände).

Eine zweite Gruppe der privatrechtlich organisierten Verbände sind die Wirtschaftsverbände. Diese sind befugt die Rechte ihrer Mitglieder gegenüber Regierung, Verwaltung und Parlament wahr zu nehmen. Zu den Wirtschaftverbänden gehören Branchenverbände, Berufsverbände und Verbraucherverbände.

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3. Ziele der Wirtschaftspolitik

3.1. Gesellschaftliche Grundwerte

a) Freiheit

1. Willensfreiheit
2. Handlungsfreiheit
3. Wirtschaftliche Freiheit

Wirtschaftliche Freiheit erfordert, dass alle Vorkehrungen getroffen werden, damit die ökonomischen Dispositionen von den Bürgern frei, aber auch eigenverantwortlich vorgenommen werden können. Dies führt in letzter Konsequenz dazu, dass auf zwei Elemente wirtschaftlicher Selbststeuerung vertraut wird:

Die Selbstkoordination der eigenverantwortlich Wirtschaftenden durch Markttransaktionen Die Selbstkontrolle unter dem Druck wirksamen Wettbewerbs

b) Gerechtigkeit

1. Gleichheit der formalen Freiheit: Gleichheit vor dem Gesetz
2. Gleichheit der Startbedingungen und Chancen
3. Leistungsgerechtigkeit: Gleicher Lohn für gleiche Leistung
4. Bedarfsgerechtigkeit
5. Gleichheit der materiellen Freiheit

Deutlich soll geworden sein, dass die Grundwerte der Freiheit und Gerechtigkeit immer dann nicht konfliktfrei mit Hilfe des Rechts als Instrument angestrebt werden können, wenn es um die Erfüllung von Kriterien sozialer Gerechtigkeit geht.

c) Sicherheit

1. individuell Sicherheit (Sicherheit des Einzelnen)
2. materielle Sicherheit (durch prozessurale Sicherheit, soziale Sicherheit)

Konflikt zwischen Sicherheit und Freiheit. Diese alltäglichen Konflikte entstehen dadurch,

- Dass allein schon der Versuch der Selbstverwirklichung aufgrund der gesellschaftlichen Zusammenhänge die Freiheit anderer tangiert.
- Dass die Wertvorstellungen der Individuen sowohl nach dem Inhalt als auch nach der Rangfolge der Einzelnormen divergieren.

d) Fortschritt: Fortschritt gilt in einem doppelten Sinn für viele als erstrebenswert:

- Als Wertschätzung des Erkenntnisgewinns und der Neuerung sowie
- Als Annäherung an vorgegebene Ziele im Zeitablauf

Konflikte zwischen ökonomischen Fortschritt und sozialer Gerechtigkeit können aus einem Missverständnis des Wettbewerbs als Entdeckungsverfahren entstehen. Aus der Perspektive der sozialen Gerechtigkeit könnten Entwicklungsgewinne im Sinne einer Angleichung von Einkommen korrekturbedürftig erscheinen. Mit einer solchen Korrektur würde jedoch ein Anreiz zum Fortschritt genommen.

Allgemein bedeutet Fortschritt eine Veränderung, wobei sich ein Konflikt mit der Sicherheit ergeben könnte.

e) Frieden

Gesellschaftlicher Frieden konkurriert mit Glaubensfreiheit, Handlungsfreiheit, gesellschaftlichem Fortschritt

3.2. Formulierung wirtschaftspolitischer Ziele

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Die Fälle, in denen Ziele auch Mittelcharakter haben, also nach anderen Zielen hinterfragbar sind, lass sich als vertikale Zielbeziehungen klassifizieren. Horizontale Zielbeziehungen können entweder ausschließlich logischer Art sein oder sie sind die Folge von Nebenwirkungen des Mitteleinsatzes, also technologischer oder empirischer Art.

Als ausschließlich logische Beziehungen kommen in Betracht:

- die Identität
- die Vereinbarkeit
- die Unvereinbarkeit

Technologischen Charakter haben: die Komplementarität

- die Neutralität
- die Konkurrenz

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Ende der Leseprobe aus 45 Seiten

Details

Titel
Theorie der Wirtschaftspolitik
Hochschule
Technische Universität Ilmenau
Jahr
2007
Seiten
45
Katalognummer
V281393
ISBN (eBook)
9783656749042
ISBN (Buch)
9783656749059
Dateigröße
1337 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
theorie, wirtschaftspolitik
Arbeit zitieren
Anonym, 2007, Theorie der Wirtschaftspolitik, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/281393

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