Die Vermittlung der chinesischen Schrift auf mnemotechnischer Basis


Seminararbeit, 2014

32 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Was ist Mnemotechnik?
2.1 Prinzipien der antiken Mnemotechnik
2.2 Ausgewählte Mnemotechniken im Fremdsprachenerwerb mit Schwerpunkt Wortschatzerwerb
2.2.1 Die Schlüsselwortmethode (keyword method)
2.2.2 Die Kennworttechnik basierend auf Buchstaben und Zahlen
2.2.3 Die Visualisierung
2.2.4 Lineare Übersetzung
2.2.5 Die Loci-Technik
2.2.6 Die Merkverse
2.2.7 Die Geschichtentechnik

3 Anwendungsvorschläge von Mnemotechniken im Schriftzeichenunterricht
3.1 Die chinesische Schrift als Lernproblem
3.2 Hintergründe und Ursachen der Lernprobleme
3.2.1 Einige didaktische Lösungsvorschläge
3.3 Die Vermittlung der chinesischen Schrift auf mnemotechnischer Basis in ausgewählten Lehrwerken
3.3.1 Fun with Chinese Characters
3.3.2 Vereinfachte Hanzi lernen und behalten
3.3.3 Learning Chinese Characters
3.4 Überlegungen zur Anwendung von mnemotechnischen Methoden im Schriftzeichenerwerb

4 Schlusswort

Literaturverzeichnis

1 Einleitung

Um die chinesische Sprache zu erlernen, muss man sich, wie bei jeder anderen Fremdsprache auch, mit einer ungewöhnlichen Phonetik, neuen Grammatikregeln, einem fremden Wortschatz und einer anderen Kultur auseinandersetzen. Was die chinesische Sprache jedoch grundsätzlich von vielen anderen Fremdsprachen unterscheidet, ist das Schriftsystem, weshalb die chinesische Schrift häufig als das Lernproblem der chinesischen Sprache dargestellt wird.[1]

Das Fach Chinesisch als Fremdsprache (ChaF) hat einen ambivalenten Ruf, welcher zwischen zwei Extremen schwankt. Einerseits gilt Chinesisch als „leicht zu lernen“ hinsichtlich des konversativen Anteils, andererseits gilt das Chinesische mit Blick auf die Schriftzeichen als „fast unmöglich zu lernen“. Der mündliche Unterricht verfolgt das primäre Ziel, sich in einfachen Alltagssituationen verständigen zu können. Für diesen Anteil des ChaF-Unterrichts gibt es bereits bewährte Konzepte, die sich auch in vielen chinesischen Lehrwerken wiederfinden lassen. Wird die chinesische Sprache nur mit Hilfe der Pinyin -Transkription und mit Verzicht auf die Schriftzeichen unterrichtet, existieren keine größeren Unterschiede zu den im europäischen Sprachraum üblicherweise unterrichteten Fremdsprachen. Deshalb kann man auch auf die Konzepte der allgemeinen Fremdsprachendidaktik zurückgreifen. Bei der passiven und aktiven Vermittlung von Schriftzeichen, das bedeutet im Lese- und Schreibunterricht, fehlen jedoch geeignete didaktische Konzepte. Es wurde bereits versucht, „chinesische“ Lerntechniken, die für chinesisch-muttersprachliche Kinder konzipiert wurden, bei westlichen Lernenden anzuwenden. Der Erfolg dieser Methoden blieb jedoch nicht zuletzt wegen der großen kulturellen Unterschiede aus.[2]

In vielen chinesischen Lehrwerken findet man die traditionelle Lehrweise „语文并进“ (yǔwénbìngjìn), welche die gesprochene Sprache und die chinesischen Zeichen „im Gleichschritt“ unterrichtet. Dieser Ansatz verfolgt das Prinzip, dass die Lernenden das, was sie sagen, ebenfalls schreiben können. Der unterschiedliche Schwierigkeitsgrad der verschiedenen Schriftzeichen spielt dabei keine Rolle.[3] Schon in den ersten Lektionen der Lehrbücher stoßen Lernende auf die schwierigsten Schriftzeichen, die ihnen meistens ohne schriftzeichendidaktische Grundlagen oder Hilfestellungen vorgelegt werden.[4] Oft fühlen sie sich mit dem Erlernen der Schriftzeichen allein gelassen und greifen häufig auf das starre Auswendiglernen und Wiederholen der Schriftzeichen zurück. Diese „look and copy“ Methode wird häufig in Arbeitsbüchern genutzt und ist eine traditionelle Lerntechnik, die von chinesischen Muttersprachlern zum Lernen der Schriftzeichen verwendet wird.[5] Auf Lernende im Anfangsstadium wirkt diese Präsentation der Zeichen beziehungsweise des Schriftzeichenerwerbs oftmals abschreckend und könnte im Laufe der Zeit bei einigen eine Abwehrhaltung gegenüber dem Erlernen der Schriftzeichen herbeirufen.[6] Daher sollte man versuchen, die traditionellen Lehr- und Lernmethoden im ChaF-Unterricht in geeigneter Weise zu modifizieren und auch die Anwendung alternativer Methoden wie zum Beispiel Mnemotechniken in Betracht zu ziehen.

Diese Arbeit versucht die Anwendungsmöglichkeiten mnemotechnischer Methoden für die Vermittlung chinesischer Schriftzeichen aufzuzeigen und untersucht, inwiefern Mnemotechniken eine sinnvolle Alternative zu den bisherigen im Unterricht verwendeten Lerntechniken für den Schriftzeichenerwerb darstellen.

Dazu soll zunächst geklärt werden, was der Begriff Mnemotechnik bedeutet und wie diese Lerntechnik entstanden ist.[7] Darauf folgend werden einige Mnemotechniken im allgemeinen Fremdsprachenerwerb vorgestellt. Anschließend soll auf die Frage eingegangen werden, warum es vielen westlichen Lernenden schwer fällt, sich chinesischen Schriftzeichen anzueignen. Abschließend werden drei Lehrwerke, die bereits mnemotechnische Konzepte zur Vermittlung der chinesischen Schrift verwenden sowie einige mnemotechnische Methoden für den Schriftzeichenerwerb vorgestellt.

2 Was ist Mnemotechnik?

Der Begriff Mnemotechnik ist ein aus den griechischen Wörtern mnémē (Gedächtnis, Erinnerung)[8] und téchnē (Kunst)[9] zusammengesetztes Kunstwort und wird daher oft auch als Gedächtniskunst oder als die Kunst des Erinnerns bezeichnet.[10]

Mnemotechniken sind assoziative Merk- und Lernhilfen, durch die sich der Lernstoff leichter einprägen und abrufen lässt. Diese Techniken basieren auf dem Prinzip, dass sich die Gedächtnisleistung und Reproduktionsfähigkeit verbessert und erhöht, indem man räumliche Vorstellungen, Bilder, Merksprüche, Reime, usw. anwendet.[11] Diese Methoden sollen das Gedächtnis unterstützen und dienen als Alternative zum reinen Auswendiglernen.

Um das Behalten eines Gedächtnismaterials zu erleichtern, stellt man bewusst Assoziationen her, die das Material nach Strukturen gliedert, zum Beispiel nach Gruppen wie etwa eine Telefonnummer nach Jahreszahlen oder Verse, die man beispielsweise zum Behalten von geographischen Begriffen oder orthographischen Regeln verwendet.[12]

Mnemotechniken werden unter kognitive Lernstrategien eingeordnet. Unter einer Lernstrategie versteht man, einen Plan zu entwickeln, um ein Lernziel zu erreichen. Dabei ist es wichtig, dass der Plan dem Lernenden bewusst ist.[13] Im Fremdsprachenunterricht sollte die Lehrkraft dem Lernenden Anleitungen und Anregungen zu den Mnemotechniken geben. Der Lernende sollte aber die Möglichkeit haben, die Techniken individuell zu gestalten und sie dem eigenen Lernverhalten anzupassen, denn sie sind „in ihrem Umfang und ihrer Qualität stark individuell geprägt“[14].[15]

2.1 Prinzipien der antiken Mnemotechnik

Die antike Mnemotechnik, auch ars memoriae (Gedächtniskunst) genannt, wurde nach dem fünften Jahrhundert vor Christus Bestandteil der antiken Rhetorik und fand große Beliebtheit bei berühmten Rednern der Antike, wie zum Beispiel Cicero.[16] Heute ist sie auch unter dem Begriff „Loci-Technik“[17] bekannt.[18] Die Erfindung der antiken Mnemotechnik wird dem griechischen Dichter Simonides zugeschrieben. Der Überlieferung nach, war er der einzige Überlebende eines Festmahls, bei dem die Decke des Gebäudes einstürzte und alle anderen Gäste umkamen.[19] Simonides soll die Toten identifiziert haben, indem er sich an die Sitzordnung der Gäste an der Festtafel erinnerte. Brezinska vertritt jedoch die Meinung, dass der „Simonides-Mythos“ nicht als Ursprung der Mnemotechnik betrachtet werden sollte, sondern vielmehr als ein Verweis auf weitaus ältere Erfahrungen, die im Mythos nur tradiert werden.[20]

Die antike Mnemotechnik appelliert an das visuelle Gedächtnis und basiert im Wesentlichen auf dem Prinzip der bildlichen Assoziation. So lässt sich eine unbekannte Information besser im Gedächtnis verankern, wenn man diese mit einer bereits bekannten Information assoziiert und sie sich bildlich oder räumlich vorstellt, denn es wird davon ausgegangen, dass der Mensch durch die visuelle Wahrnehmung Informationen besser verarbeiten kann als durch andere Sinneswahrnehmungen.[21]

Bei der „Loci-Technik“ platziert der Lernende gedanklich die zu lernenden Begriffe an bekannten reellen beziehungsweise imaginären Orten, den sogenannten „mnemonischen Stellen“ (loci) . Die Beziehung zwischen den Begriffen und den „mnemonischen Stellen“ können durch weitere Merkmale, wie Bewegung, Lebhaftigkeit und/oder Emotion unterstützt werden.[22] Die Beschaffenheit dieser Stellen sollte für das Gedächtnis eindeutig sein und die folgenden Kriterien aufweisen: Sie sollten zahlreich, sehr anschaulich, deutlich voneinander abgegrenzt, unterschiedlich (in Form und Art verschieden), mäßig groß, mäßig von einander entfernt, hell und verkehrsarm/menschenleer sein.[23]

Die Leistungsfähigkeit der antiken Mnemotechnik zeigt sich erst durch das Hinzuziehen der „mnemonischen Bilder“ (imagines) beziehungsweise durch das Zusammenwirken von Stellen und Bildern.[24] Die Aufgabe der „mnemonischen Bilder ist die Versinnbildlichung der zu memorierenden Sachverhalte, Wörter und Gegenstände. Diese Bilder sollten möglichst konkret und einprägsam sein. Hier gilt es, das Bild so ungewöhnlich und exakt wie möglich zu gestalten, damit es leichter im Gedächtnis haften bleibt.[25] Um nun die zu lernenden Informationen im Gedächtnis zu speichern, ordnet man die einzelnen „mnemonischen Bilder“ den jeweiligen „mnemonischen Stellen“ zu und verbindet sie gedanklich zu einem Bild. Will der Lernende die Informationen wieder abrufen, geht er die „mnemonischen Stellen“ systematisch in Gedanken noch einmal entlang und „trifft“ an jeder Stelle auf das dort zugeordnete Bild, das ihn an die ursprüngliche Information erinnert.[26] Ein konkretes Beispiel für diese Technik findet sich in Abschnitt 2.2.5.

2.2 Ausgewählte Mnemotechniken im Fremdsprachenerwerb mit Schwerpunkt Wortschatzerwerb

Im folgenden Abschnitt werden verschiedene Mnemotechniken vorgestellt, die als Lernstrategien eingesetzt werden können, um den Wortschatzerwerb zu erleichtern. Hierbei stütze ich mich hauptsächlich auf die Literatur von Sperber und Bohn. Sperber stellt im vierten Kapitel seines Werkes Mnemotechniken im Fremdsprachenerwerb mit Schwerpunkt ‚Deutsch als Fremdsprache’ unter anderem Mnemotechniken für den Wortschatzerwerb vor und geht dabei speziell auf das Vokabellernen ein. Er schlägt vor, die Schlüsselwortmethode und die Kennwortmethode[27], basierend auf der Buchstaben-Zahlen-Transformation, sowie Methoden, die auf Visualisierungen, graphemischen Assoziationen, Gestiken, Sketchen, Liedversen und linearen Übersetzungen beruhen, für das Vokabellernen zu verwenden. Bohn fügt in seiner Arbeit Probleme der Wortschatzarbeit weitere Methoden wie die „Loci-Technik“, die Geschichtentechnik und Merkverse, die seiner Ansicht nach ebenfalls für den Wortschatzerwerb geeignet sind, hinzu.

Welche Mnemotechniken dem Lernenden beim Wortschatzerwerb helfen, hängt unter anderem vom Lerntyp und Lernstoff ab. Der Unterrichtende sollte dem Lernenden unterschiedliche Mnemotechniken als Lernstrategien vorstellen, damit er selbst entscheiden kann, welche Methoden am Besten zu seinem Lernverhalten passen.[28]

Im Folgenden sollen nun die von Sperber und Bohn vorgeschlagenen Methoden für den Wortschatzerwerb zusammenfassend vorgestellt werden.

2.2.1 Die Schlüsselwortmethode (keyword method)

Der Ursprung der Schlüsselwortmethode liegt zwischen dem 13. und 19. Jahrhundert. Die Methode wurde jedoch erst in den 1970er Jahren durch die Lernpsychologen Richard Atkinson und Michael Raugh in den USA, Kanada und England unter der Bezeichnung keyword method bekannt.[29]

Mit der Schlüsselwortmethode lassen sich vor allem Vokabeln leichter erlernen. Diese Technik verknüpft neue Vokabeln mit dem bereits vorhandenen Wissen und gehört somit zu den Assoziationstechniken. Für das zu lernende fremdsprachige Wort sucht der Lernende ein phonetisch ähnliches Wort in der Muttersprache, welches als Schlüsselwort fungiert. Laut Atkinson und Raugh genügt es, wenn das Schlüsselwort nur teilweise wie das fremdsprachige Wort klingt. Das Schlüsselwort und die Bedeutung der zu lernenden Vokabel werden mental verbildlicht und miteinander verbunden. Über einen Merksatz speichert man anschließend das Bild im Gedächtnis ab. Zur Veranschaulichung nennt Sperber das Beispiel Dach – duck. Als Merksatz könnte man folgendes einprägsame und interaktive Gedächtnisbild konstruieren: Auf dem Dach sitzen viele schnatternde Enten.[30] Löschmann nennt das Beispiel Fenster – fence.[31] Ein möglicher Merksatz wäre: Ich schaue aus meinem Fenster und sehe einen bunten Zaun.

2.2.2 Die Kennworttechnik basierend auf Buchstaben und Zahlen

Ähnlich wie bei der „Loci-Methode“, werden auch bei der Kennworttechnik (Hook -Methode) die zu lernenden Begriffe durch Assoziation an bereits vorhandenes Wissen gekoppelt. Auch hier gilt, möglichst bekannte „Anker“ anzuwenden, die eine klare Reihenfolge aufweisen, damit sie als mnemonische Stellen fungieren können.[32] Der Unterschied zur „Loci-Methode“ besteht darin, dass man hier andere „Anker“ verwenden kann. Sperber nennt zwei Kennworttechniken, die auf Buchstaben und Zahlen basieren.

Die auf Buchstaben basierende Kennworttechnik funktioniert wie folgt:

Die Grundlage der Buchstaben-Methode ist die Reihenfolge der Buchstaben des Alphabets. Der Lernende verknüpft diese mit einem bestimmten Begriff und bildet somit das Grundgerüst für die mnemonischen Stellen. Die zu lernenden Vokabeln werden nun den einzelnen mnemonischen Stellen zugeordnet und zu einem Bild umgewandelt.[33] Das wohl am häufigsten verwendete Beispiel ist das Kennwortsystem von Metzig und Schuster. Sie schlagen vor, den Buchstaben einen leicht zu merkenden Tiernamen zuzuordnen: A – Affe, B – Bär, C – Chamäleon, etc. Wenn man zum Beispiel den Maßnahmenkatalog für die Autopanne in der richtigen Reihenfolge lernen möchte, ordnet man die einzelnen Schritte den Buchstaben mit den zugehörigen Tieren zu und wandelt diese gedanklich zu Bildern um:[34]

A – Affe: Warnblinkanlage einschalten

à A – Ein Affe, der im Takt der eingeschalteten Warnblinkanlage auf und nieder hüpft.

B – Bär: Warndreieck aufstellen

à B – Ein Bär, der mit dem Warndreieck spielt.

C – Chamäleon: Kontrolle: kein Treibstoff

à C – Ein Chamäleon, das aus dem Reservekanister lugt.

Etc.

Im Unterschied zur Buchstaben-Methode basiert die Zahlen-Kennworttechnik auf Reimen und Assoziationen (zum Beispiel Gegenstände, deren Darstellung beziehungsweise Form einer Zahl ähnelt).[35] Die zu lernenden Informationen werden den Zahlen mit passenden Reimen zugeordnet und in Bilder umgeformt. Ein von Metzig und Schuster angeführtes Beispiel sieht wie folgt aus:[36]

Eins – Mainz

Zwei – Blei

Drei – Brei

Etc.

2.2.3 Die Visualisierung

Bei der Technik der Visualisierung wird die Bedeutung der zu lernenden Wörter oder Ausdrücke in einem bestimmten Kontext verbildlicht. Um sich zum Beispiel die Verben zunehmen und abnehmen besser zu merken, kann man sich einen zunehmenden und einen abnehmenden Mond vorstellen.[37] Laut Bohn verstärkt der Lernende seine Einprägungsfähigkeit, wenn er eine eigene Zeichnung zu den Begriffen hinzufügt. Die Visualisierungsmethode hilft vor allem den Lerntypen, deren Erinnerungsvermögen stark an bildliche Darstellungen gebunden ist. So ist es für sie besonders förderlich, wenn die Verbildlichung an das Schriftbild angeknüpft wird.[38] Die folgenden Abbildungen zeigen, wie die Verbildlichung eines Schriftbildes dargestellt werden kann:

2.2.4 Lineare Übersetzung

Eine Mnemotechnik, die keine bildliche Darstellung verlangt, ist die lineare Übersetzung. Die zu lernenden Begriffe werden von der Muttersprache wortwörtlich in die Fremdsprache übersetzt. Eine gegebenenfalls komische Darstellung beziehungsweise semantische Verzerrung der Wörter, die durch die lineare Übersetzung der Komposita entstehen kann, soll nicht nur dazu beitragen, die Einprägung der Wörter zu verbessern, sondern auch verdeutlichen, dass die Zielsprache möglichst idiomatisch begriffen werden muss.[39]

Sperber führt folgende Beispiele an:[40] vom Deutschen ins Englische: Scheinwerfer – beam thrower* (spotlight) vom Englischen ins Deutsche: blackboard – Schwarzbrett* (Tafel)

2.2.5 Die Loci-Technik

Die bereits im Abschnitt 2.1 beschriebene „Loci-Technik“ kann bei richtiger Anwendung eine große Hilfe für den Wortschatzerwerb sein und könnte in der praktischen Anwendung folgendermaßen aussehen:

Zunächst sollte man an einen Ort denken, den man gut kennt, zum Beispiel dem Weg vom eigenen Haus zur Garage, dann zum Tor des Nachbarn und zum Schluss zur großen Eiche (vgl. Abb. 3). Hierbei ist es wichtig, dass die visualisierten Orte in einer logischen Reihenfolge angeordnet sind. Nun visualisiert man jeden Begriff, den man sich merken möchte – hier sind es die Begriffe Badewanne, Schiff, Tiger und Diamant – und verknüpft diesen mit einer der Ablagestellen. Geht man gedanklich denselben Weg noch einmal entlang, „trifft“ man die zu lernenden Begriffe an den jeweiligen bekannten Orten.[41] Wie bereits erwähnt, sollten die bildhaften Verbindungen möglichst ungewöhnlich sein, da ungewöhnliche Bilder besser im Gedächtnis bleiben.[42]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 2: Beispiel für die Anwendung der Loci-Technik

(nach Vollmer/Hoberg, 1988, in Bohn, 1999, S. 100)

2.2.6 Die Merkverse

Auch Merkverse gehören zu den Mnemotechniken und werden häufig als Eselsbrücken bezeichnet. Merkverse eigenen sich nicht nur für das Auswendiglernen von Geschichtsdaten oder Lateinregeln, sondern auch für die Rechtschreibung, die Aussprache und für das Einprägen von Funktionswörtern (zum Beispiel in Deutsch als Fremdsprache). Die Grundlage dieser Methode sind Reime, wobei der Rhythmus der Reime als Gedächtnisstütze dient.[43]

Merkverse, die sich für die Rechtschreibung eignen lauten zum Beispiel:[44]

-chen und -lein machen alles klein.

Wer nämlich mit h schreibt ist dämlich.

Gegen Ausspracheprobleme von langen Vokalen wie zum Beispiel das lange „e“, sollen Sprichwörter beziehungsweise Sprüche helfen:[45]

Man muss das Leben eben nehmen wie das Leben eben ist.

Lange Vokale können aber auch graphemisch betont werden, indem man beispielsweise diese im Schriftbild etwas breiter zieht:[46]

Bad à B Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthaltend.

2.2.7 Die Geschichtentechnik

Die Geschichtentechnik soll das Behalten von meist willkürlich aneinandergereihten Begriffen erleichtern. Die zu lernenden, unverbundenen Informationen werden miteinander verknüpft, indem man sie zu einer zusammenhängenden Geschichte konstruiert. Die Informationen werden also in einen logischen Zusammenhang gebracht. Diese Technik funktioniert besonders gut, wenn man sich beim Ausdenken der Geschichte die Bilder vorstellt. Will man die gelernten Wörter wieder abrufen, wird die Geschichte gedanklich nochmals nacherzählt.[47]

Eine Geschichte zu den Begriffen Telefon, Kugelschreiber, Lehrer, Affe, Rose, Zahn, Burg, Feld, Wagen und Flasche könnte folgendermaßen lauten:[48]

Das Telefon des Zooleiters klingelt. Er hebt ab und macht sich dabei Notizen mit einem Kugelschreiber. Er spricht mit einem Lehrer, der sich einen Affen für den Unterricht ausleihen möchte. Nach dem Telefonat macht sich der Mann auf den Weg nach Hause und besorgt noch eine Rose für seine Frau. Diese ist gerade beim Zahn arzt. Bis seine Frau nach Hause kommt, schaut er sich im Fernsehen eine Dokumentation über eine alte Burg an, die mitten auf einem Feld errichtet wurde. Als er den Wagen seiner Frau hört, geht er zum Kühlschrank und holt eine Flasche Sekt, um sie zu begrüßen.

Allerdings könnte die Geschichtentechnik mehr Zeit in Anspruch nehmen als andere Mnemotechniken, wenn aus einer längeren Reihe von unverbundenen Wörtern eine zusammenhängende Geschichte konstruiert werden soll, die sich gut einprägen lässt.[49]

3 Anwendungsvorschläge von Mnemotechniken im Schriftzeichenunterricht

3.1 Die chinesische Schrift als Lernproblem

Die chinesische Sprache ist durch ihre Besonderheiten allgemein als eine schwer zu lernende Sprache bekannt. Der Schwierigkeitsgrad wurde jedoch wissenschaftlich noch nicht belegt. Es wird aber vermutet, dass das chinesische Schriftsystem das entscheidende Lernproblem darstellt.[50] Lernende müssen sich ein neues und fremdes Schriftsystem aneignen, das wesentlich mehr Zeichen aufweist als die Buchstaben eines fremden Alphabets. Die große Anzahl der Schriftzeichen und ihre Komplexität werden häufig als Probleme für das Erlernen der chinesischen Schrift angeführt. Den Lernenden fällt es schwer, die einzelnen Bestandteile der komplexen Schriftzeichen, von den Komponenten bis hin zu den Strichen, zu erkennen und eindeutig zuzuordnen.[51] Außerdem nimmt die Memorierung eins Schriftzeichens sehr viel Zeit in Anspruch. Würde man sich nur auf die Sprachkompetenz konzentrieren und lediglich das Pinyin -System als Schriftsystem einführen, ließe sich Chinesisch vermutlich schneller und leichter erlernen.[52] Aus Sorge, die chinesische Sprache könnte auf Grund des Schriftsystems als zu schwer und nicht erlernbar gelten, bieten einige Sprachschulen nur Konversationskurse an oder vermitteln Chinesisch nur auf der Grundlage der Pinyin -Transkription und schließen die Vermittlung der Schriftzeichen völlig aus.[53] Die Schriftzeichen gehören jedoch zur chinesischen Sprache und Kultur und sollten daher Bestandteil des Chinesischunterrichts bleiben. So sollte man sich nicht mit der Frage, wie man die Schriftzeichen am Besten vermeiden kann, beschäftigen, sondern, wie man den Schriftzeichenunterricht effizienter gestalten könnte und welche Methoden den Lernenden das Erlernen der Schriftzeichen erleichtern.

3.2 Hintergründe und Ursachen der Lernprobleme

Bevor sich die Überlegung stellt, welche Methoden es gibt, um das Memorieren von Schriftzeichen zu erleichtern, sollen in diesem Abschnitt zunächst drei mögliche Gründe dargestellt werden, warum chinesische Schriftzeichen westlichen Chinesischlernern solche Schwierigkeiten bereiten.

[...]


[1] Vgl. Schindelin (2012): S. 5.

[2] Vgl. Becker (2010): S. 186.

[3] Vgl. Schindelin (2012): S. 14.

[4] Vgl. Becker (2010): S 191.

[5] Vgl. Zhang (2009): S. 75.

[6] Vgl. Becker (2010): S 191.

[7] Auf die historische Entwicklung der Mnemotechnik möchte ich in dieser Arbeit nicht eingehen. Eine ausführliche Erläuterung findet sich unter anderem in Kuhn 1996, Krall 1995 sowie Sperber 1989.

[8] Vgl. http://de.pons.com/übersetzung?q=gedächtnis&l=deel&in=&lf=el [eingesehen am 23.02.2014].

[9] Vgl. http://de.pons.com/übersetzung?q=kunst&l=deel&in=&lf=el [eingesehen am 23.02.2014].

[10] Für weitere Begriffsbestimmungen siehe Brezinska (2009): S. 21-22.

[11] Zitiert nach Jung in Stork (2003): S. 67.

[12] Vgl. Clauß (1995): S. 307.

[13] Vgl. Bohn (1999): S. 96.

[14] Bohn (1999): S. 98.

[15] Vgl. Bohn (1999): S. 98.

[16] Vgl. Sperber (1989): S. 14 f.

[17] Die Bezeichnung geht zurück auf das lateinische Wort loci=Plätze/Orte (Bohn, 1999, S. 99).

[18] Vgl. Sperber (1989): S. 16.

[19] Kuhn weist darauf hin, dass die antike Mnemotechnik durch drei Hauptquellen überliefert wurde: Auctor ad Herennium, von einem unbekannten römischen Verfasser (ca. 86-62 v.Chr.), Ciceros De Oratore (55 v.Chr.) und Institutio Oratoria von Quintilian. Diese drei Werke beschreiben die Ars Memoriae hauptsächlich im Rahmen der Rhetorik (vgl. Kuhn, 1996, S. 32f).

[20] Vgl. Brezinska (2009): S. 23.

[21] Vgl. Sperber (1989): S. 14 f.

[22] Vgl. Brezinska (2009): S. 28.

[23] Vgl. Sperber (1989): S. 16f sowie Kuhn (1996): S. 34.

[24] Vgl. Sperber (1989): S. 21.

[25] Vgl. Kuhn (1996): S. 34 f.

[26] Vgl. Sperber (1989): S. 21.

[27] Allerdings wurde die Kennwortmethode (auch Hook -Methode genannt) für die Zwecke der Fremdsprachendidaktik kaum empirisch erprobt. Die wenigen Untersuchungen, die durchgeführt wurden, haben ergeben, dass die Kennwortmethode sich nur begrenzt zum Vokabellernen eignet. Die Lerntechnik ist eher dafür geeignet, den schon vorhandenen Wortschatz zu festigen (vgl. Sperber, 1989, S. 135 f).

[28] Vgl. Bohn (1999): S. 98.

[29] Vgl. Sperber (1989): S. 116 f.

[30] Vgl. Sperber (1989): S. 118.

[31] Vgl. Löschmann (1993): S. 70.

[32] Vgl. Brzezinska (2009): S. 30.

[33] Vgl. Sperber (1989): S. 34.

[34] Für das folgende Beispiel vgl. Metzig / Schuster (2006): S. 71f.

[35] Eine Tabelle mit Assoziationen zum Zahlensystem findet man in Sperber (1989): S. 38.

[36] Für das folgende Beispiel vgl. Metzig / Schuster (2006): S. 72.

[37] Vgl. Sperber (1989): S. 137.

[38] Vgl. Bohn (1999): S. 101.

[39] Vgl. Sperber (1989): S. 145.

[40] Für die folgenden Beispiele vgl. Stubbs in Sperber (1989): S. 303, Anhang A.

[41] Vgl. Bohn (1999): S. 99f.

[42] Vgl. Kuhn (1996): S. 35.

[43] Vgl. Sperber (1989): S. 43.

[44] Für die folgenden Beispiele vgl. Dill in Sperber (1989): S. 301, Anhang A und Maas in Sperber (1989): S. 329, Anhang A.

[45] Für das folgende Beispiel vgl. Sulochana in Sperber (1989): S. 146.

[46] Für das folgende Beispiel vgl. Dill in Sperber (1989): S. 301, Anhang A.

[47] Vgl. Metzig / Schuster (2006): S. 68ff.

[48] Modifiziert nach http://www.lernen-heute.de/technik_geschichtentechnik.html [eingesehen am 24.03.2014].

[49] Vgl. Metzig / Schuster (2006): S. 69.

[50] Vgl. Guder (1999): S. 102.

[51] Vgl. Schindelin (2012): S. 5f.

[52] Vgl. Guder (1999): S. 102 sowie Becker (2010): S. 186.

[53] Vgl. Jing-Schmidt (2007): S. 121.

Ende der Leseprobe aus 32 Seiten

Details

Titel
Die Vermittlung der chinesischen Schrift auf mnemotechnischer Basis
Hochschule
Freie Universität Berlin
Note
1,7
Autor
Jahr
2014
Seiten
32
Katalognummer
V281097
ISBN (eBook)
9783656755173
ISBN (Buch)
9783656755166
Dateigröße
1295 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
vermittlung, schrift, basis
Arbeit zitieren
Man Xi Zeidler (Autor:in), 2014, Die Vermittlung der chinesischen Schrift auf mnemotechnischer Basis, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/281097

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