Multiprojektmanagement in der Automobil-Zuliefererindustrie


Diplomarbeit, 2013

104 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Grundlagen
2.1. Projekt
2.1.1. Projektarten
2.1.2. Projektmanagement
2.1.3. Wissensgebiete im Projektmanagement
2.2. Programm
2.2.1. Programm-Management
2.3. Portfolio
2.3.1. Grundlagen des Portfoliomanagements
2.4. Zusammenhang von Projekten, Programmen und Portfolios

3. Multiprojektmanagement
3.1. Definition
3.2. Aufgaben des Multiprojektmanagements
3.3. Strategisches Multiprojektmanagement
3.3.1. Einflussgrößen
3.3.1.1. Strategische Bedeutung
3.3.1.2. Monetärer Wert
3.3.1.3. Politische Motive
3.3.1.4. Relativer Vergleich
3.3.1.5. Projektrisiko
3.3.1.6. Projektwechselwirkungen
3.3.2. Bewertungsmethoden
3.3.2.1. Eindimensionale Bewertungsmethoden
3.3.2.2. Komparative Bewertungsmethoden
3.3.2.3. Mehrdimensionale Bewertungsmethoden
3.3.3. Projektauswahl
3.3.4. Ressourcenmanagement
3.3.4.1. Verfügbare Ressourcenkapazität
3.3.4.2. Ermittlung des Ressourcenbedarfs
3.3.4.3. Ressourcenplanung
3.4. Operatives Multiprojektmanagement
3.4.1. Multiprojekt-Controlling
3.4.2. Multiprojektsteuerung
3.4.3. Multiprojekt-Standards
3.4.4. Übergreifendes Wissensmanagement

4. Anforderungsanalyse zum Multiprojektmanagement bei Getrag Ford Transmissions .
4.1. Die „richtigen“ Projekte auswählen
4.2. Projekte überwachen und steuern
4.3. Ressourcen planen und einsetzen
4.4. Umgang mit Projektrisiken
4.5. Erworbenes Wissen erhalten

5. Soll-Konzept für ein optimales Multiprojektmanagement bei Getrag Ford Transmissions
5.1. Strategisches Multiprojektmanagement für GFT IT
5.1.1. Projektprüfung und -bewertung
5.1.2. Portfoliomanagement für GFT IT
5.1.3. Ressourcenmanagement für GFT IT
5.2. Operatives Multiprojektmanagement für GFT IT
5.2.1. Projektmanagement der GFT IT
5.2.2. Wissensmanagement für GFT IT
5.2.3. Multiprojekt-Controlling für GFT IT
5.2.4. Multiprojektsteuerung für GFT IT
5.3. Organisatorische Veränderungen

6. Fazit und Zusammenfassung

Literaturverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

1. Einleitung

Flexibilität und Innovation sind für die Automobilindustrie heute überlebenswichtig. Vor dem Hintergrund rückläufiger Absatzzahlen müssen neue Märkte erschlossen, neue Technologien entwickelt und Kosten gesenkt werden - bei gleichbleibend hoher Qualität. Ein starker Wettbewerb zwingt die Automobilhersteller und die Zuliefererindustrie, ihre Beschaffungs- und Fertigungsstrategien zu überdenken und ihre Produktionskapazitäten anzupassen.

Die IT1 spielt dabei eine entscheidende Rolle; sie soll die Anpassung der Organisation an die veränderten Anforderungen unterstützen. Zu diesem Zweck werden zahlreiche IT-Projekte gleichzeitig gestartet, um die neuen Anforderungen umsetzen zu können. Doch bei der Vielzahl und der Komplexität der Projekte fehlt der Überblick Ressourcenkonflikte entstehen, Projekte laufen länger als erwartet, und Budgets werden überschritten. Darüber hinaus stellt sich die Frage, ob die laufenden Projekte überhaupt sinnvoll und geeignet sind, um die Unternehmensziele zu erreichen.

Am Beispiel des Getriebeherstellers GETRAG Ford Transmissions GmbH (kurz GFT) wird in dieser Diplomarbeit gezeigt, welche Anforderungen sich heute an die IT-Abteilung des Unternehmens stellen. Es werden Lösungen in Form von Strategien, Vorgehensmodellen und Methoden vorgestellt, die das Multiprojektmanagement bietet.

Ziele und Gliederung der Diplomarbeit

Diese Diplomarbeit untersucht die Anforderungen für ein Multiprojektmanagement in der IT-Abteilung der GFT. Die im Rahmen der Projektarbeit „Projektmanagement in der Automobil-Zuliefererindustrie“2 durchgeführte Ist-Analyse des Projektmanagements bei GFT wird dabei zugrunde gelegt. Auf der Basis der ermittelten Anforderungen wird in dieser Diplomarbeit ein Soll-Konzept zur Einführung eines Multiprojektmanagements in der IT-Abteilung bei GFT vorgestellt. Abbildung 1 gibt einen Überblick über die Gliederung dieser Arbeit.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

2. Grundlagen

In diesem Kapitel werden die Begriffe Projekt, Programm und Portfolio erläutert und voneinander abgegrenzt. Es wird gezeigt, welche Projektarten es gibt und welche Phasen ein Projekt bis zu seinem Abschluss durchläuft. Darüber hinaus werden die Begriffe Projekt-, Programm- und Portfoliomanagement erklärt. Abschließend wird gezeigt, welche Zusammenhänge zwischen Projekten, Programmen und Portfolios in einem Gesamtkontext, wie z. B. einer Organisation, bestehen.

2.1. Projekt

Das „Project Management Body of Knowledge“ (kurz: PMBOK Guide) beschreibt ein Projekt als ein zeitlich begrenztes Vorhaben mit dem Ziel, ein einmaliges Produkt, eine Dienstleistung oder ein Ergebnis zu schaffen. Ein Projekt hat jeweils einen eindeutigen

Beginn und ein eindeutiges Ende.3 Die DIN4 -Norm 69901 definiert ein Projekt durch die

Einmaligkeit der Bedingungen in ihrer Gesamtheit. Dazu gehören:

- Eine Zielvorgabe,
- zeitliche, finanzielle, personelle oder andere Begrenzungen,
- Abgrenzungen gegenüber anderen Vorhaben,
- und eine projektspezifische Organisation.5

Laut Kuster ist ein Projekt ein zeitlich begrenztes, einmaliges und bereichsübergreifendes Vorhaben, das so kritisch, dringend und wichtig ist, dass es nicht durch die bestehende Linienorganisation bearbeitet werden kann. Durch ein Projekt werden besondere organisatorische Maßnahmen bereitgestellt um dieses Vorhaben zu realisieren.6

2.1.1. Projektarten

Projekte können nach verschiedenen Arten unterschieden werden; je nach Charakterisierung können so eine optimale Projektstruktur und -organisation definiert und die richtigen Ressourcen ausgewählt werden. Kuster schlägt vor, ein Projekt anhand der folgenden Kriterien zu beurteilen:

- Eine offene Aufgabenstellung beschreibt ein Projekt mit vielen inhaltlichen Möglichkeiten und eine Vorgehensweise ohne konkrete Lösungsvorstellungen7
- Eine geschlossene Aufgabenstellung stellt dagegen ein Projekt mit einer klaren Definition und begrenzten Lösungsmöglichkeiten dar7
- Ein Projekt weist eine geringe soziale Komplexität auf, wenn die Zusammenarbeit als unproblematisch gilt7
- Besteht dagegen ein hohes Konfliktpotenzial, z. B. durch politische Themen oder unterschiedliche Interessen, dann handelt es sich um ein Projekt mit einer hohen sozialen Komplexität 7

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2, Projektarten nach Kuster8

Aus der Einteilung eines Projekts kann man die Projektart anhand einer Matrix ableiten, wie in Abbildung 2 dargestellt. Daraus ergibt sich folgende Einordnung:

- Als Potenzialprojekt gelten Aufgaben mit einer offenen Fragestellung, jedoch geringem Risiko, z. B. Vorprojekte, Machbarkeitsstudien oder Forschungsprojekte9
- Stellt ein Projekt einen tiefgreifenden Eingriff in die Organisation dar, ist es bereichsübergreifend und risikoreich, dann handelt es sich um ein Pionierprojekt;

z. B. Fusion zweier Unternehmen 9

- Standardprojekte können relativ einfach durchgeführt werden, weil sie auf frühere Erfahrungen zurückgreifen können, z. B. häufig durchgeführte Kundenprojekte9
- Ein Akzeptanzprojekt hat eine klare Aufgabenstellung und kann auf bekannte Methoden und Hilfsmittel zurückgreifen. Projekte in dieser Kategorie haben jedoch Akzeptanzprobleme, deshalb muss auf Kommunikation besonders viel Wert gelegt werden; z. B. komplexes Softwareprojekt.9

Eine Kategorisierung von Projekten nach ihrer Bindung von Ressourcen in der Organisation schlägt Kerzner vor:

- Bei kurzfristigen Projekten, die gewöhnlich von Einzelpersonen geführt werden, handelt es sich um Einzelprojekte;
- Spezialprojekte erfordern in der Regel einen befristeten Einsatz von zusätzlichen Personen oder Werkzeugen mit für das Projekt erforderlichen Spezial Kompetenzen;
- Stabsprojekte können von einer Organisationseinheit, z. B. einer Abteilung, geführt werden;
- Wird der Input von mehreren Funktionseinheiten der Organisation benötigt und werden in diesem Projekt viele Ressourcen gesteuert, kennzeichnet das ein Matrixprojekt.10

2.1.2. Projektmanagement

Kuster fasst unter dem Begriff Projektmanagement alle Maßnahmen zusammen, die zur Gestaltung oder Veränderung von Systemen, Prozessen und Problemlösungen erforderlich sind. Zu den Maßnahmen gehören Planung, Überwachung, Koordinierung und Steuerung von Aktivitäten, die zur Erreichung der Lösung beitragen.11

Nach dem Prinzip „Teile und Herrsche“ wird das Projekt in kleinere Arbeitspakete oder Phasen geteilt, damit diese beherrschbarer werden.12 Das Modell in Abbildung 3 zeigt, in welche zeitlich und logisch getrennten Phasen ein Projekt gegliedert werden kann.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 3, "Das ideale Phasenkonzept"12

Jeder Projektphase folgt (bis zur Einführung) ein Meilenstein13, in dem entschieden werden muss, ob eine Phase wiederholt bzw. korrigiert werden muss oder ob ggf. ein Projektabbruch sinnvoll ist. Die Projektphasen12 beinhalten im Einzelnen:

- In der Initialisierungsphase wird ein erster Rahmen für ein Projekt entworfen. In einer ersten Projektvereinbarung mit den Stakeholdern14 werden das grobe Projektziel und, wenn möglich, eine grobe Problemstellung abgestimmt.
- Die Vorstudienphase untersucht mögliche Ansätze, die zur Lösung der Problemstellung führen können. Dabei wird auch geprüft, ob die verschiedenen Lösungsansätze unter Berücksichtigung der Rahmenbedingungen realistisch sind und zum gewünschten Ergebnis führen können.
- In der Konzeptphase werden die verschiedenen Lösungsansätze der Vorstudie zunächst zu Lösungsvarianten weiterentwickelt. Diese werden unter verschiedenen Aspekten miteinander verglichen, wie z. B. Wirtschaftlichkeit, Nutzen oder Grad der Zielerreichung. Für die gewählte Lösungsvariante wird ein detailliertes Lösungskonzept erarbeitet, das Teillösungen bereits soweit konkretisiert, dass sie später möglichst reibungslos umgesetzt werden können.
- In der Realisierungsphase wird das Lösungskonzept umgesetzt, d.h. die Projektbeteiligten erstellen die gewünschten Arbeitsergebnisse, die zur Gesamtlösung beitragen.
- Zur Einführungsphase wird die hergestellte Lösung in der Organisation eingeführt.

Im Rahmen einer Übergabe werden z. B. technische Lösungen in Betrieb genommen und Mitarbeiter geschult. Abschlussarbeiten, wie z. B. Erstellung der Dokumentation, Projektabschluss mit dem Auftraggeber (Abnahme) und eine Projektrückschau werden durchgeführt.

Der PMBOK Guide beschreibt Projektmanagement als die Anwendung von Wissen, Fähigkeiten, Werkzeugen und Methoden auf Vorgänge des Projekts, um die Anforderungen des Projekts zu erfüllen. Dazu ist ein effizientes Management entsprechender Prozesse erforderlich. Diese Prozesse werden fünf Prozessgruppen zugeordnet: Initiierungs-, Planungs-, Ausführungs-, Überwachungs- bzw. Steuerungsund Abschlussprozesse. Abbildung 4 zeigt das Zusammenwirken der Prozessgruppen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 4, Prozessverknüpfungen im Projektmanagement

Auf die einzelnen Gruppen wird in dieser Arbeit nicht weiter eingegangen, sie wurden bereits in der Projektarbeit „Projektmanagement in der Automobil-Zuliefererindustrie“ betrachtet.15 Festzuhalten bleibt, dass die Prozessgruppen zeitlich nicht klar voneinander getrennt werden können; sie überschneiden sich während der Projektlaufzeit und sind miteinander verknüpft. So können direkt zu Projektbeginn Initiierungs-, Planungs- und Ausführungsprozesse parallel verlaufen.

2.1.3. Wissensgebiete im Projektmanagement

Projektmanagement gilt dann als erfolgreich, wenn es innerhalb des geplanten Projektzeitraums, des vereinbarten Budgets, mit der gewünschten Qualität, unter effektiver und effizienter Ausnutzung der Ressourcen und zur Zufriedenheit des Kunden durchgeführt wurde.16

Der PMBOK Guide führt den Erfolg eines Projektes auf die Anwendung von Wissen in einem Projekt zurück. Dabei werden auf die Prozessgruppen neun Wissensgebiete angewendet: Inhalts- und Umfangsmanagement, Termin-, Kosten-, Beschaffungs-, Qualitäts-, Risiko-, Kommunikations-, Personal- und Integrationsmanagement.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 5 gibt einen Überblick und zeigt die zentrale Rolle des

Integrationsmanagements unter den Wissensgebieten. Der Projektleiter muss alle Wissensgebiete im Überblick behalten und ggf. auftretende Wechselwirkungen zwischen diesen durch alle im Projekt vorkommenden Ereignisse, geplante wie ungeplante, analysieren und steuern.17

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 5, Wissensgebiete im Projektmanagement18

Die Wissensgebiete werden hier im Einzelnen nicht näher erläutert, sie wurden bereits in der Projektarbeit „Projektmanagement in der Automobil-Zuliefererindustrie“ beschrieben.19

2.2. Programm

Der PMBOK Guide definiert ein Programm als eine Gruppe von verwandten Projekten, die gemeinsam gemanagt werden. Projekte innerhalb eines Programms haben ein gemeinsames Ergebnis oder ein gemeinsames Potenzial für die Organisation.20 Gegenüber dem Einzelprojektmanagement ergeben sich Vorteile, da eine gemeinsame Kontrolle vergleichbarer Aufgaben in den verschiedenen Projekten ermöglicht wird. Ein Programm kann auch Elemente enthalten, die außerhalb des ursprünglichen Inhalts und Umfangs der einzelnen Projekte liegen.21

Der Autor Gero Lomnitz definiert in seinem Buch „Multiprojektmanagement“ ein Programm als ein Großprojekt mit mehreren Teilprojekten. Die Zusammenfassung mehrerer Projekte in ein Programm ist sinnvoll, wenn einzelne Projekte erheblichen Einfluss auf andere Projekte haben und sich durch die Aufteilung eines Großprojekts in Teilprojekte eine Komplexitätsreduzierung erreichen lässt.22

Kerzner bringt Programme mit Systemen in Verbindung. Programme stellen Teile eines Systems dar; dies ist z. B. bei einem Großprojekt innerhalb einer Organisation der Fall. Während es sich bei Programmen um zeitlich begrenzte Bemühungen handelt, existieren Systeme dauerhaft. Nach der Auffassung Kerzners können dieselben Regeln und Prozeduren, die für Programme gelten, auch auf Projekte angewendet werden.23

Seidl sieht im Programm-Management die zeitlich befristete Managementaufgabe, zusammengehörige Projekte, die einem gemeinsamen Ziel dienen, übergreifend zu leiten. Dazu gehören auch eine gemeinsame Planungsvorgabe und das Controlling dieser Projekte.24

2.2.1. Programm-Management

Auch innerhalb eines Programms werden die Einzelprojekte von ihren jeweiligen Projektmanagern geführt, darüber hinaus wird aber noch ein Programm-Manager eingesetzt, der die Einzelprojekte koordiniert. Kernaufgaben des Programm-Managers sind:

- Identifizierung, Überwachung und Kontrolle der Wechselbeziehungen zwischen den Projekten;
- Problembewältigung eskalierter Themen aus den Projekten;
- Überwachung der gemeinsamen Programmziele.25

Das Programm-Management dient dazu, die Prozesse der einzelnen Projekte bzw. sogar mehrerer Programme in einem übergeordneten Programm zu koordinieren. Es wird dabei auf alle Prozessgruppen angewendet: Initiierung, Planung, Ausführung, Überwachung und Steuerung bzw. Abschluss. Abbildung 6 zeigt die Interaktion der Programm-Management-Prozesse. Die Darstellung ähnelt den Prozessverknüpfungen im Projektmanagement (Abbildung 4), es wird jedoch deutlich, dass die Kontrollprozesse im Kontext des Programm-Managements eine größere Rolle spielen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 6, Interaktion der Programm-Management-Prozesse 26

Das Management der Prozessgruppen auf Programmebene konzentriert sich auf projektübergreifende Themen, wie z. B. Risiken oder Probleme, die sich auch auf andere Projekte des Programms auswirken können.25

Lomnitz ergänzt diese Definition um den zeitlichen Aspekt; demnach ist Programm- Management zeitlich immer an ein Großprojekt gebunden; sobald das Großprojekt beendet ist, wird auch das Programm-Management aufgelöst.27

Kuster versteht unter Programm-Management das Management aller Projekte, die auf ein gemeinsames strategisches Ziel ausgerichtet sind. Programm-Management kann auf unterschiedlichen Ebenen eines Unternehmens angesiedelt sein und eine Teilmenge (wie z. B. Entwicklungsprojekte) oder alle Projekte eines Unternehmens beinhalten.28

2.3. Portfolio

Das Project Management Institute (PMI) definiert Portfolio als eine Zusammenfassung von Projekten oder Programmen und anderen Arbeiten, um das Erreichen der strategischen Geschäftsziele zu überwachen und zu steuern. Projekte bzw. Programme eines Portfolios müssen weder unabhängig voneinander sein noch direkten Einfluss aufeinander haben. Die Elemente eines Portfolios sind quantifizierbar, d. h. sie können gemessen, eingeordnet und priorisiert werden.29 Abbildung 7 zeigt ein Beispiel für die Einordung von Projekten in ein einfaches Portfolio mit zwei Kriterien, z. B. Kosten und Nutzen, Chancen und Risiken usw.30

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 7, Beispiel für ein Projektportfolio30

Ein Portfolio orientiert sich an den Zielen einer Organisation und beschreibt die geplanten Vorhaben; Portfolios sind daher nicht zeitlich befristet, wie z. B. Projekte oder Programme. Innerhalb einer Organisation können mehrere Portfolios angewendet werden, jedes kann sich mit anderen Geschäftsbereichen oder Geschäftszielen befassen.29

Es ist denkbar, dass die ersten 10 Projekte eines Portfolios aufgrund ihrer Bedeutung für das Unternehmen von der Geschäftsführung überwacht werden und die übrigen Projekte auf Bereichsebene verteilt sind.31

Ein Portfolio unterliegt der ständigen Veränderung; vorgeschlagene Vorhaben werden Teil des Portfolios, wenn sie identifiziert, ausgewählt und/oder genehmigt wurden. Ein Portfolio ist ein Messinstrument, das auf die Absichten, die Ausrichtung und den Fortschritt einer Organisation angewendet wird.32

2.3.1. Grundlagen des Portfoliomanagements

Zum Portfoliomanagement gehören Werkzeuge und Techniken, die der Organisation bei der Auswahl der richtigen Programme und Projekte helfen und die Ausrichtung dieser Programme und Projekte an den Unternehmenszielen messbar machen sollen. Das Portfoliomanagement führt die einzelnen Elemente nicht selbst durch, sondern unterstützt die Organisation dabei, „die richtige Arbeit zu machen“, statt „die Arbeit richtig zu machen“.33

Seidl fasst unter dem Begriff Portfoliomanagement eine permanente Planung, Priorisierung, übergreifende Überwachung und Steuerung der Projekte eines geschlossenen Teilbereichs einer Organisation oder der Organisation als Ganzes, zusammen.34

2.4. Zusammenhang von Projekten, Programmen und Portfolios

Projekte, Programme und Portfolios stehen in einer Abhängigkeit zu einander. Projekte (und andere Aufgaben) können als Elemente eines Programms und Projekte bzw. Programme können als Elemente eines Portfolios verstanden werden.35 Abbildung 8 zeigt die Beziehung der verschiedenen Elemente in hierarchischer Darstellung.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 8, Zusammenhang von Portfolios, Programmen und Projekten35

Tabelle 1 fasst die Unterschiede von Projekten, Programmen und Portfolios noch einmal zusammen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 1, Vergleich zwischen Projekten, Programmen und Portfolios36

3. Multiprojektmanagement

3.1. Definition

Obwohl der Begriff „Multiprojektmanagement“ in der Fachliteratur schon länger verwendet wird, scheint sich das Verständnis über seinen Inhalt erst innerhalb der letzten fünf Jahre zu festigen. Multiprojektmanagement wurde inhaltlich vorher u. a. mit dem Portfoliomanagement gleichgesetzt.37 Nach heutigem Verständnis geht Multi- projektmanagement darüber hinaus38 (vgl. Kapitel 3.2, Aufgaben des Multiprojektmanagements). Multiprojektmanagement verwendet jedoch u. a. die Methoden von Portfoliomanagement zur strategischen Projektauswahl, Steuerung und Überwachung von Projekten und Programmen (vgl. Kapitel 3.3, Strategisches Multiprojektmanagement).

Auch heute hat die Fachliteratur noch kein vollkommen einheitliches Verständnis von Multiprojektmanagement. Während Seidl darunter die „Wahrnehmung von übergreifenden Projektmanagementaufgaben in Mehrprojektsituationen“ versteht,39 beinhaltet es laut Eßeling die übergreifende Planung, Organisation und Steuerung aller Projekte in einer Organisation.40 Dammer fasst den Begriff weiter, unter Multiprojektmanagement versteht er einen ganzheitlichen Ansatz, der Maßnahmen in der Aufbau- und Ablauforganisation bzw. im Personalmanagement erfordert.41

Abbildung 9 zeigt die grundlegenden Methoden des Multiprojektmanagements und deren Einordnung.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 9, Einordnung von Multi-, Portfolio-, Programm- und Projektmanagement42

3.2. Aufgaben des Multiprojektmanagements

Die Aufgaben des Multiprojektmanagements ergeben sich aus den Herausforderungen und Problemen, mit denen sich Unternehmen heute im Rahmen ihrer Projekte auseinandersetzen müssen. Seidl leitet die Aufgaben des Multiprojektmanagements anhand folgender Problemfelder43 ab:

- Projektauswahl und -priorisierung
- Zuordnung von Ressourcen und deren Steuerung
- Projektkommunikation und -reporting
- Organisatorische Eingliederung, Zusammenarbeit von Projekt und

Linienorganisation

- Projektübergreifende Betrachtung von Chancen und Risiken
- Kosten- und Liquiditätsmanagement
- Wissensmanagement
- Nutzeninkasso

Innerhalb eines Unternehmens werden diese Aufgaben von verschiedenen Aufgabenträgern übernommen; Tabelle 2 zeigt die MultiprojektmanagementAufgaben und grenzt die Verantwortlichkeiten voneinander ab. Die Unternehmensleitung und das Portfoliomanagement nehmen ihre Rolle im

Multiprojektmanagement dabei permanent ein, das Projekt- und Programmmanagement dagegen übernehmen ihre Rollen jeweils nur befristet bis zum Projekt- bzw. Programmende.44

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 2, Rollenverteilung der Multiprojektmanagement-Aufgaben45

Als zentrale Aufgabe des Multiprojektmanagements nennt Dammer die inhaltliche

Koordination zwischen den Projekten und das Controlling der Projektlandschaft. Er hebt die ganzheitliche Betrachtung der Projektlandschaft hervor, um Verflechtungen zwischen den einzelnen Projekten aufzudecken bzw. um neue Potenziale und Verbundrisiken zu identifizieren.46 Lomnitz sieht die Aufgabe des Multiprojektmanagements vor allem darin, Redundanzen und Synergien in der Planungsphase erkennbar zu machen, klare Prioritäten vorzugeben und mit Auswirkungen von einem Projekt auf andere Projekte umzugehen, die durch Zieländerungen oder Terminüberschreitungen entstanden sind.47

Laut Eßeling ist es das Ziel des Multiprojektmanagements, durch die Gesamtheit der Projekte einen Beitrag zur Wertschöpfung zu leisten48 Multiprojektmanagement-Prozess In seiner Studie „Qualitätsdimensionen des Multiprojektmanagements“ hat Dammer einen Gesamtprozess für das Multiprojektmanagement entwickelt (siehe Abbildung 10). Der Prozess durchläuft die Phasen Fokussierung, Auswahl, Realisierung/Management und integriert die Management-Ebenen Top-Management (Portfolio-Ebene) , Koordinator (Multiprojekt-Ebene) bzw. Linienmanager (ProjektEbene).

In dieser Arbeit werden nachfolgend Aufgaben, Methoden und Beispiele gezeigt, die diesen Prozess unterstützen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 10, Multiprojektmanagement-Prozess49

In der Fokussierungsphase werden auf Basis der Unternehmensstrategie Projektideen formuliert und eingereicht. Obwohl insbesondere die strategische Ausrichtung des Unternehmens eine wichtige Rolle spielt, sind noch andere Einflussgrößen für das Projektportfolio von Bedeutung (vgl. Kapitel 3.3.1, Einflussgrößen).

In der Auswahlphase werden Projekte ausgewählt und priorisiert. In dieser Phase wird der Nutzen der Projekte analysiert und gewichtet. Kapitel 3.3.2 zeigt, mit welchen Methoden Projekte bewertet werden können, die Projektauswahl wird in Kapitel 3.3.3 behandelt.

Die Phase Realisierung/Management stellt Ressourcen für Projekte zur Verfügung (siehe Kapitel 3.3.4, Ressourcenmanagement) und gibt die Projekte zur Ausführung frei. Laufende Projekte werden regelmäßig überwacht und gesteuert. Sollten sich Auswirkungen auf das Projektportfolio ergeben, werden diese berücksichtigt. Kapitel

3.4 zeigt im Rahmen des operativen Multiprojektmanagements, wie aktive Projekte im Portfolio überwacht und gesteuert werden.

3.3. Strategisches Multiprojektmanagement

Das strategische Multiprojektmanagement richtet die langfristige Projektarbeit an den Zielen eines Unternehmens aus und unterstützt damit die effektive Umsetzung der übergreifenden, strategischen Ziele. Dazu werden die Gesamtorganisation und deren Umwelt methodisch analysiert, und ein Modell zur Optimierung der Projektlandschaft wird erarbeitet. Das strategische Multiprojektmanagement ist in der Regel für die Unternehmensleitung, Strategieabteilung, Forschung und Entwicklung, Personalentwicklung bzw. andere Bereiche mit strategischer Ausrichtung wichtig.

In der Praxis wird strategisches Multiprojektmanagement in Form einer Programmorganisation (vgl. Kapitel 2.2.1, Programm-Management) oder als strategisches Management des Projektportfolios durchgeführt. Der Fokus liegt dabei auf der Auswahl der „richtigen“ Projekte, der Festlegung von Prioritäten und der langfristigen Zuweisung von Ressourcen.50 Die wichtigsten Aufgaben des strategischen Multiprojektmanagements im Überblick:

- Gesamtkoordination der Stakeholder
- Management besonders wichtiger Projekte und Programme
- Strategische Steuerung des Projektportfolios (Projektauswahl, Projektpriorisierung bzw. strategische Ressourcenzuweisung)
- Weiterentwicklung des Multiprojektmanagement-Systems; u. a. Entwicklung und Erwerb erforderlicher Fähigkeiten und Anwendung von gesammelten Erfahrungen aus dem Wissensmanagement51 (siehe Kapitel 3.4, Operatives Multiprojektmanagement)

Abbildung 11 zeigt, vereinfacht dargestellt, die Verbindung zwischen der Strategie, den Projekten und dem Portfolio einer Organisation in Form einer Prozesskette. Das PMI stellt so die Elemente einer Organisation durch den Portfoliomanagement-Prozess in eine wechselseitige Beziehung. Mit dem Strategieplan werden die Grundlage für den Portfoliomanagement-Prozess und die Basis zur Ermittlung von Einflussgrößen auf den Plan geschaffen. Am Ende der Prozesskette werden Einflüsse auf den Strategieplan überprüft.52

[...]


1 (Engl.) Informationstechnologie

2 Vgl. Glabasnia (2011), S.15 ff.

3 Vgl. PMBOK Guide (2008), S. 5

4 Abk. Deutsches Institut für Normung

5 Vgl. DIN-Taschenbuch 472 (2009), S. 11

6 Vgl. Kuster (2008), S.5

7 Vgl. Kuster (2008), S. 5

8 Vgl. Kuster (2008), S. 6

9 Vgl. Kuster (2008), S. 6

10 Vgl. Kerzner (2003), S. 50

11 Vgl. Kuster (2008), S. 8

12 Vgl. Kuster (2008), S. 16

13 Begriff aus dem Projektmanagement: Zwischenziel eines Projekts

14 (Engl.) Projektbeteiligte

15 Vgl. PMBOK Guide (2008), S. 2, Glabasnia (2011), S. 4 ff.

16 Vgl. Kerzner (2003), S. 2

17 Vgl. Glabasnia (2011), S. 6

18 Vgl. PMBOK Guide (2008), S. 79/Glabasnia (2011), S. 6

19 Vgl. Glabasnia (2011), S. 5 ff.

20 Vgl. PMBOK Guide (2008), S. 10

21 Vgl. PMBOK Guide (2008), S. 9

22 Vgl. Lomnitz (2001), S. 22

23 Vgl. Kerzner (2003), S. 49

24 Vgl. Seidl (2011), S. 149

25 Vgl. The Standard for Program Management (2008), S. 8

26 Eigene Darstellung in Anlehnung an The Standard for Program Management (2008), S. 37

27 Vgl. Lomnitz (2001), S. 26

28 Vgl. Kuster (2008), S. 8

29 Vgl. The Standard for Portfolio Management (2008), S. 4 (eigene Übersetzung aus dem Englischen)

30 Vgl. Kuster (2008), S. 31

31 Vgl. Kuster (2008), S. 31

32 Vgl. The Standard for Portfolio Management (2008), S. 5 ff. (eigene Übersetzung aus dem Englischen)

33 Vgl. The Standard for Portfolio Management (2008), S. 5 ff. (eigene Übersetzung aus dem Englischen)

34 Vgl. Seidl (2011), S. 10

35 Vgl. The Standard For Portfolio Management (2008), S. 5 (eigene Übersetzung aus dem Englischen)

36 In Anlehnung an The Standard For Portfolio Management (2008), S. 5

37 Vgl. Kunz (2007), S. 20

38 Vgl. Dammer (2006), S. 150

39 Vgl. Seidl (2011), S. 9

40 Vgl. Eßeling (2010), S. 132

41 Vgl. Dammer (2006), S. 154

42 Eigene Darstellung in Anlehnung an Seidl (2011), S. 11

43 Vgl. Seidl (2011), S. 25

44 Vgl. Seidl (2011), S. 149

45 Eigene Darstellung in Anlehnung an Seidl (2011), S. 151

46 Vgl. Dammer (2006), S. 148

47 Vgl. Lomnitz (2001), S. 27

48 Vgl. Eßeling (2010), S. 132

49 Vgl. Dammer (2006), S. 150

50 Vgl. Seidl (2011), S. 19

51 Seidl (2011), S. 19

52 Vgl. The Standard for Portfolio Management (2008), S. 34 (eigene Übersetzung aus dem Englischen)

Ende der Leseprobe aus 104 Seiten

Details

Titel
Multiprojektmanagement in der Automobil-Zuliefererindustrie
Hochschule
Technische Hochschule Köln, ehem. Fachhochschule Köln  (Informatik)
Note
1,0
Autor
Jahr
2013
Seiten
104
Katalognummer
V280901
ISBN (eBook)
9783656748953
ISBN (Buch)
9783656748939
Dateigröße
1419 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Aufgaben des Multiprojektmanagements, Strategisches Multiprojektmanagement, Einflussgrößen, Bewertungsmethoden, Projektauswahl, Ressourcenmanagement, Operatives Multiprojektmanagement, Multiprojekt-Controlling, Multiprojektsteuerung, Multiprojekt-Standards, Übergreifendes Wissensmanagement
Arbeit zitieren
Sascha Glabasnia (Autor:in), 2013, Multiprojektmanagement in der Automobil-Zuliefererindustrie, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/280901

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