Die Eisenbahn als Leitsektor der sächsischen Wirtschaft zwischen 1835 und 1848


Hausarbeit, 2013

17 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1.Einleitung

2.Eisenbahn,Wirtschaft und die Rolle des deutschen Zollvereins
2.1 Rostows Theorie des Leitsektors
2.2 Entwicklung von Eisenbahnbau und abhängigen Sektoren

3. Eisenbahn und Wirtschaft in Sachsen
3.1 Friedrich List und der sächsische Eisenbahnbau
3.2 Eisenbahn als Leitsektor der sächsischen Wirtschaft
3.3 Entwicklung der (abhängigen) Sektoren

4. Fazit

5. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Der Eisenbahnbau hat die Industrialisierung in Deutschland maßgeblich vorangetrie- ben. Der schnelle und billige Transport von Personen und Gütern steht dabei neben den strukturellen Veränderungen der gesamten deutschen Produktionslandschaft. Das beim Bau der Eisenbahn sowohl politische als auch ökonomische Faktoren eine Rol- le gespielt haben, soll in dieser Arbeit untersucht werden. Der Arbeit liegt dabei Walt Rostows These eines Leitsektors zugrunde. In den Darstellungen zur Industrialisie- rung in Deutschland wird der Eisenbahnbau mit diesem Leitsektor (auch Führungs- sektor) identifiziert1. Das Generieren von Kapital, die Gewinnung von Rohstoffen und die Weiterentwicklungen in den Sektoren Eisen, Berg- und Maschinenbau wur- den vom Eisenbahnbau vorangetrieben. Gesamtdeutsch mag diese Beobachtung zu- treffen doch die „Industrielle(n) Revolutionen in deutschen Regionen haben zu unter- schiedlichen Zeitpunkten eingesetzt und zeigen verschiedene Verläufe.“2

Die Arbeit widmet sich deshalb Rostows These des Leitsektors und betrachtet die Entwicklungen der Wirtschaft in Sachsen für den Zeitraum zwischen 1835 und 1848 im Hinblick auf seine Theorie. Es soll überprüft werden, ob der Eisenbahnbau auch in Sachsen als Leitsektor der Industriellen Revolution angesehen werden kann, oder ob politische und wirtschaftliche Besonderheiten vorherrschten, die einen anderen Sektor als Leitsektor in Frage kommen lassen.

Dazu wird zunächst ein Überblick über die Geschichte der Eisenbahn, der Wirtschaft und der Rolle des Zollvereins zwischen 1835 und 1848 gegeben. Im Anschluss daran wird Rostows Theorie des Leitsektors vorgestellt und der Eisenbahnbau und die ab- hängigen Sektoren vorgestellt und in Beziehung zueinander betrachtet. In gleicher Weise wird für Sachsen vorgegangen. Hierbei wird noch auf Friedrich List und sei- nen Einfluss auf den Bau der Strecke Leipzig-Dresden verwiesen und inwieweit die- ser für die sächsische Wirtschaft bedeutsam war. In einem abschließenden Fazit sol- len die Ergebnisse des Vergleichs dargestellt werden und der Versuch einer Beurtei- lung auf die Frage “Ist der Eisenbahnbau in Sachsen für den Zeitraum zwischen 1835 und 1848 als Leitsektor der Wirtschaft zu betrachten?“ unternommen werden. Der Betrachtungszeitraum wurde dabei bewusst auf die Jahre 1835-1848 gelegt. Zum ei- nem um mit dem Beginn des Eisenbahnnetzes einen Anfang und vor der Revolution von 1848 eine Zäsur zu setzen. Dabei ist zu beachten, dass Entwicklungen wie die sinkenden Importe und die steigende eigene Produktionsfähigkeit Deutschlands seit den 1850er Jahren nicht in die Arbeit mit einfließen.

2. Eisenbahn, Wirtschaft und die Rolle des deutschen Zollvereins

Wenn Kiesewetter3 schreibt, dass die wirtschaftlichen Entwicklungen nicht unabhän- gig von den politischen Rahmenbedingungen betrachtet werden können, dann muss dies auch bei einer Darstellung der Geschichte des Eisenbahnbaus beachtet werden. Denn unabhängig von seiner wirtschaftlichen Bedeutung profitierten der Eisenbahn- bau und die abhängigen Sektoren von einer politischen Entwicklung, die bereits 1818 eingesetzt hat. Mit dem preußischen Zollgesetz von 1818 veränderten sich die Rah- menbedingungen für den Handel, nicht nur mit anderen Ländern, sondern auch inner- halb Deutschlands.4

Der deutsche Zollverein, gegründet 1834, beeinflusste die Entwicklung des Eisen- bahnbaus dahingehend, dass der Flickenteppich der deutschen Staaten durch eine einheitliche Zollpolitik verbunden wurde und nicht nur Importe aus dem Ausland re- gelte, sondern auch den Aufbau eines deutschen Schienennetzes ermöglichte. Die in- nerdeutschen Zollgrenzen, die vorher zu erheblichen Kosten beim Transport und so- mit auch für den Konsumenten führten, wurden entweder reduziert oder fielen weg. Nicht umsonst hat Friedrich List Zollverein und Eisenbahnbau als „siamesische Zwillinge“5 bezeichnet.

Dass die Politik des Zollvereins Einfluss auf die deutsche Produktion hatte, verdeut- licht sich an der Entwicklung der Sektoren Bergbau, Eisen und Maschinenbau6. Im- porte, vor allem aus England und Belgien, lieferten in den 1840er Jahren die vom Ei- senbahnbau benötigten Halb- und Fertigwaren. Die deutsche Wirtschaft war erst zu Beginn der 1850er Jahren in der Lage quantitativ und qualitativ zu den ausländischen Waren aufzuschließen, aber auch hier mit Einschränkungen. Importe vor allem im Bereich Roheisen und Steinkohle verschwanden nicht schlagartig vom deutschen Markt. Sie waren weiterhin nötig, auch wenn die Produktion in Deutschland quanti- tativ zunahm. Die Einfuhr von Technik veränderte nicht nur den Maschinenbau, son- dern es wurden auch Innovationen im Bereich der Verfahrenstechnik übernommen. Das Kopieren und Weiterentwickeln stellen dabei die wichtigsten Leistungen dar, die maßgeblich durch den Eisenbahnbau vorangetrieben wurden. Darüber hinaus wirkte die Eisenbahn als Motor der Kapitalbeschaffung. Die Gründung von Aktiengesell- schaften, privaten Eisenbahngesellschaften und das Versprechen hoher Renditen be- förderte die Akkumulation von Kapital. Dies wirkte sich nicht nur für den Sektor Ei- senbahnbau, sondern auch für die übrigen Sektoren positiv aus.

Die hier angeführten Beobachtungen stellen bereits Belege für die von Rostow auf- gestellten Anforderungen an einen Führungssektor dar. Rostows Theorie des Leitsek- tors soll deshalb im folgenden Kapitel vorgestellt werden, die einzelnen Aspekte des Eisenbahnbaus dabei näher beleuchtet werden und im Hinblick auf Rostows Theorie überprüft werden.7

2.1 Rostows Theorie des Leitsektors

Wirtschaftliche Sektoren bedingen sich gegenseitig. Nachfrage und Angebot regeln die Produktion und haben daneben auch Einfluss auf Innovation und/oder Stillstand. Rostow geht mit seiner Theorie noch einen Schritt weiter und benennt einen soge- nannten Leitsektor, welcher über Kopplungseffekte Einfluss auf andere Sektoren nehme. Diese Kopplungseffekte seien sowohl rückwärts als auch vorwärts gewandt. Es sind entweder Sektoren die Produkte herstellen oder Rohstoffe gewinnen, welche für den Leitsektor als Voraussetzung nötig sind (rückwärts), oder aber es kommt zu neuen Produkten (vorwärts). Nach Rostow werden folgende Kriterien an einen Sek- tor gestellt, um ihn als Leitsektor bezeichnen zu können: „1. ein überdurchschnittli- ches Wachstum, 2. ein großes und zunehmendes gesamtwirtschaftliches Gewicht, 3. sinkende Produktionspreise bzw. steigende Produktqualität aufgrund von Produkti- onsfortschritten sowie 4. starke Ausbreitungseffekte („spread effects“) - vom Wachs- tumssektor ausgehend - auf andere (abhängige) Sektoren.“8

Leitsektorales Wachstum und Trendperioden. Rostows Konzept modernen Wirtschaftswachstums

2.2 Entwicklung von Eisenbahnbau und abhängigen Sektoren

Der Eisenbahnbau hat durch die unter 2.1 erläuterten Kopplungseffekte Einfluss auf andere Sektoren genommen. Im Zeitraum 1835-1848 stehen dabei nicht die Vor- wärts-9, sondern die Rückkopplungseffekte im Vordergrund. Es wurden insbesondere drei Sektoren berührt: Bergbau, Verhüttung und Maschinenbau.10 Zunächst ist es dafür sinnvoll kurz auf den Eisenbahnbau selbst einzugehen. Die nach Rostow geltenden Charakteristika eines Leitsektors werden durch den Eisen- bahnbau erfühlt.11 Besonders auffällig ist, dass der Eisenbahnbau enorm viel Kapital generieren konnte. Diese hohen Investitionen wirkten sich ebenso positiv auf die an- deren Sektoren der Schwerindustrie aus. Die Produktion von Eisen- und Stahlerzeug- nissen richtete sich am Bedarf der Eisenbahn aus (Schienen). Das sich dabei auch die Produktion verändert und weiterentwickelt hat, soll im Folgenden kurz umrissen werden.12

Im Untersuchungszeitraum von 1835-1848 ergibt sich für diese Sektoren vor allem das Bild, dass die Nachfrage durch den Eisenbahnbau nicht durch die heimische Pro- duktion gedeckt werden konnte. Die Mengen mussten durch Importe abgedeckt wer- den, vorzugsweise aus England oder Belgien, also Ländern, die sowohl in der Pro- duktionsweise und der daraus folgenden höheren Produktionsmenge die benötigten Waren liefern konnten. Neben dem Problem der Quantität spielte auch die Qualität eine entscheidende Rolle. Aufgrund langsamer Fortschritte in der Produktion konn- ten bspw. deutsche Schienen nicht mit ihren englischen Konkurrenzprodukten mit- halten. Dies lag nicht nur in der Fertigung der Schienen sondern auch im Ausgangs- material (Roheisen) begründet.13 Roheisen wurde bis in die 1850er Jahre aus dem Ausland importiert, da es qualitativ hochwertiger war. Die weiterverarbeitende In- dustrie in Deutschland (Schwerindustrie) konnte sich durch die Übernahme von neu- in theoriegeschichtlicher Perspektive, in: VSWG (80) 1993, S.198f, ursprünglich dazu Rostow, Walt: The process of economic growth, Oxford 1960, S.261-273.

[...]


1 Vgl. Kiesewetter, Hubert: Industrielle Revolution in Deutschland. Regionen als Wachstumsmotoren, Stuttgart 2004; Ziegler, Dieter: Die Industrielle Revolution, Darmstadt 2005; Hahn, Hans-Werner: Die Industrielle Revolution in Deutschland (=Enzyklopädie deutscher Geschichte, 49), München ³2011

2 Kiesewetter: Industrielle Revolution, S.22.

3 Vgl. Kiesewetter: Industrielle Revolution, S.23, auch mit Bezug auf Rostow.

4 Vgl. Kiesewetter: Industrielle Revolution, S.43, auf die Entwicklungen die für Sachsen bedeutsam sind wird im 3. Kapitel eingegangen.

5 Hahn: Industrielle Revolution, S.22.

6 Auf die Zusammenhänge wird unter 2.2 eingegangen.

7 Vgl. Fremdling, Wagenblaß und Spree. Das folgende Kapitel stellt deshalb die Ergebnisse vor und stützt sich dabei auf Spree, Reinhard: Die Wachstumszyklen der deutschen Wirtschaft von 1840 bis 1880. mit einem konjunkturstatistischen Anhang, Berlin 1977, S.261-316.

8 Ziegler, Dieter: Die Industrielle Revolution, Darmstadt 2005, S.52, vgl. auch Hentschel, Volker:

9 Vorwärtskopplungseffekte wie Personen- und vor allem Gütertransporte (Steinkohle) fielen erst in den 1850iger Jahren eine wichtige Bedeutung zu. Vgl.: Ziegler, IndustrielleRevolution, S.???

10 Vgl. Spree: Die Wachstumszyklen der deutschen Wirtschaft, 1977, S.273ff., Spree bezieht sich in seiner Arbeit auf die Ergebnisse von Fremdling und Wagenblaß, deshalb wird in dieser Hausarbeit Bezug auf Sprees Untersuchungen genommen.

11 Vgl. Spree: Wachstumszyklen, S.273.

12 Vgl. Tilly, Richard H.:Vom Zollverein zum Industriestaat. Die wirtschaftlich-soziale Entwicklung Deutschlands 1834 bis 1914, München 1990, S.29ff und Spree: Wachstumszyklen, S.164f und S.262ff.

13 Vgl. Spree: Wachstumszyklen, S.281f und Fremdling: Foreign Competition and technological change. British exports and the modernisation of the german iron industry from the 1820s to the 1860, in: Lee, Robert: German Industry and German industrialisation, 1991, S.50f.

Ende der Leseprobe aus 17 Seiten

Details

Titel
Die Eisenbahn als Leitsektor der sächsischen Wirtschaft zwischen 1835 und 1848
Hochschule
Friedrich-Schiller-Universität Jena
Note
1,3
Autor
Jahr
2013
Seiten
17
Katalognummer
V280847
ISBN (eBook)
9783656748892
ISBN (Buch)
9783656748427
Dateigröße
496 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Sachsen, Industrialisierung, 19. Jahrhundert, Rostow, Leitsektor, Eisenbahn, Friedrich List, Wirtschaft, sächsische
Arbeit zitieren
Andreas Röder (Autor:in), 2013, Die Eisenbahn als Leitsektor der sächsischen Wirtschaft zwischen 1835 und 1848, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/280847

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