Nationalsozialistische Leibeserziehung. Eine Analyse der Hintergründe und eine didaktische Aufbereitung für den Geschichtsunterricht


Examensarbeit, 2013

67 Seiten, Note: 1,0

Anonym


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abkurzungsverzeichnis

1. Einleitung

2. Begriffsklarung: Sport

3. Die nationalsozialistische Weltanschauung als Grundlage der Erziehung im Dritten Reich
3.1 Der nationalsozialistische Rassebegriff
3.2 Das nationalsozialistische Eliteprinzip
3.3 Das nationalsozialistische Fuhrer- Gefolgschaftsprinzip
3.4 Die nationalsozialistische Volksgemeinschaftsideologie

4. Erziehung im Nationalsozialismus
4.1 Hitlers Schulzeit als Ausloser seiner erzieherischen Ideen
4.2 Erzieherische Aspekte in Mein Kampf.
4.2.1 Wissenschaftliche Schulung
4.2.2 Charakterbildung
4.2.3 Korperausbildung/ Leibeserziehung
4.3 Historischer Ursprung der Leibeserziehung

5. Leibeserziehung aus Perspektive nationalsozialistischer Padagogen
5.1 Kritik Alfred Baeumlers am bisherigen Sportunterricht und seine Forderungen .
5.2 Die nationalpolitischen Ziele der Leibeserziehung und ihre potentiellen Auswirkungen auf den Unterricht
5.2.1 Leibeserziehung der Manner
5.2.1.1 Zielsetzungen
5.2.1.2 Methodik
5.2.2 Leibeserziehung der Frauen
5.2.2.1 Entfaltung und Gemeinschaftserziehung
5.2.2.2 Rassenpflege und Mutterschaft

6. Auswirkungen der Machtubernahme auf das Schulsystem
6.1 Umerziehung der Lehrer
6.2 Umgestaltung der Leibeserziehung an Schulen
6.2.1 Dritte Turnstunde
6.2.2 Funfte Turnstunde - die Leibeserziehung als Politikum

7. Bedeutung einzelner Grundformen fur das Fortbestehen der nationalsozialistischen Weltanschauung
7.1 Turnen - Ursprung, Sinn und Richtlinien
7.1.1.Ursprung bei Friedrich Ludwig Jahn
7.1.2 Turnubungen im Nationalsozialismus
7.2 Sport
7.2.1 Boxen
7.2.2 Gelandesport mit Gelandespiel

8. Uberlegungen zum Unterricht
8.1 Theorie der Filmanalyse
8.2 Analyse ausgewahlter Filmsequenzen
8.3 Kompetenzen und Ziele
8.4 Vorschlage zur methodischen Umsetzung

9. Fazit

10. Literaturangabe

Abkurzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1. Einleitung

Fragestellung und Methode

Nachdem Adolf Hitler im Januar 1933 von Reichsprasident Hindenburg zum Reichskanzler ernannt wurde, begann er nach und nach, seine weltanschaulichen Grundsatze durch die Umstrukturierung der Gesellschaft zu verwirklichen. Ein GroBteil der Bevolkerung litt zu diesem Zeitpunkt noch unter den Spatfolgen des Ersten Weltkriegs. Gezeichnet durch die Auflagen des Versailler Vertrags und die Weltwirtschaftskrise fielen die Veranderungsansatze der Nationalsozialisten bei vielen Menschen auf fruchtbaren Boden. Doch nicht nur im Bereich der Okonomie sollten einige Erneuerungen vorgenommen werden, sondern auch das Erziehungswesen sollte reformiert werden. Hitler wollte ein Reich erschaffen, das ausschlieBlich aus arischen Rassemenschen bestand. Um diesem Ziel gerecht zu werden, ruckte der menschliche Korper in den Fokus der Erziehungsarbeit. Nicht nur die auBerschulischen Erziehungsorganisationen wie der Hitlerjugend oder dem Bund Deutscher Madel, sondern auch in der Schule hatte den Auftrag, die heranwachsende Jugend zu ,,korperlich gesunde[n] Mensch[en] mit gutem, festem Charakteru1 zu erziehen. Hierbei ist anzumerken, dass die Umstrukturierung der Leibeserziehung uberwiegend die Jungen betraf, wahrend bei den Madchen andere Erziehungsbereiche wichtiger waren.

Im Rahmen dieser Arbeit soll zunachst untersucht werden, welche Bedeutung der schulische Sportunterricht fur die Ideologie des Nationalsozialismus hatte. Aufbauend darauf wird eine Moglichkeit aufgezeigt, wie die nationalsozialistische Leibeserziehung gewinnbringend in den Geschichtsunterricht einer Realschulklasse eingebracht werden kann.

Als erster Schritt wird sich der Begrifflichkeit der nationalsozialistischen Leibeserziehung gewidmet. Sowohl Hitler als auch viele der damaligen Sportpadagogen zeigen in ihren Schriften ein unterschiedliches Verstandnis von den Begrifflichkeiten Leibesubung, Sport und Turnen. Um Missverstandnissen hinsichtlich des Aspekts des „schulischen Sportunterrichts“ in der Fragestellung dieser Arbeit vorzubeugen, werden die verschiedenen Ansichten des Begriffes „Sport“ dargelegt und ein Definition fur die anschlieBende Ausarbeitung festgelegt.

1 Hitler 1943, S.452

Nachfolgend wird ein Uberblick uber die vier Grundprinzipien der nationalsozialistischen Weltanschauung gegeben. Sie werden sich sowohl in den theoretischen Zielsetzungen als auch in der Umsetzung der Leibeserziehung immer wiederfinden, da sie einen Teil der Basis fur jene bilden. Neben den Prinzipien ist jedoch auch die Erziehungsvorstellung Hitlers von groBer Bedeutung. Darum werden anschlieBend zum einen seine personlichen schulerzieherischen Erfahrungen und zum anderen seine konkreten Erziehungsvorstellungen beleuchtet, die er in seiner Propagandaschrift Mein Kampf auBert. Diese waren im Nationalsozialismus nicht nur fur die allgemeine Umstrukturierung des Schulwesens, sondern auch fur die Erarbeitung neuer leibeserzieherischen Richtlinien maBgeblich verantwortlich. Hitler war jedoch nicht der einzige, der sich in vielerlei Hinsicht fur eine Reform der Leibeserziehung aussprach. Auch Sportpadagogen wie Altrock, Baeumler und Stunzner favorisieren in ihren Texten ahnliche Veranderungen. Aufbauend auf den zuvor erlauterten Theorien zur neuen Leibeserziehung werden die konkreten Zielsetzungen thematisiert, die das Reichserziehungsministerium 1937 und 1941 fur die Leibeserziehung der Jungen und Madchen an Schulen erlieB. Da die Zielsetzungen in den Richtlinien aber nur sehr oberflachlich benannt sind, werden sie jeweils durch die Angaben vertieft, welche die bereits angesprochenen Sportpadagogen zu ihnen auBern. Aus ihren Aussagen wird deutlich, dass sich die Grundprinzipien der nationalsozialistischen Ideologie nicht nur in den leibeserzieherischen Ubungen wiederspiegeln, sondern dass sie durch das im Sport Gelernte und Erfahrene auch langfristig Bestand haben sollen.

Im Anschluss an diese theoretische Grundlage werden die realisierten Auswirkungen der Machtubernahme auf das Schulsystem vorgestellt. Dabei wird anfanglich kurz die allgemeine Veranderung des Schulwesens skizziert. Denn nur durch Eingriffe wie beispielsweise die Umgestaltung des Stundenplans war es moglich, auch den Forderungen bezuglich des Sportunterrichts angemessen gerecht zu werden. Der Weg zu einem groBeren Pensum an Sportunterricht fuhrte uber die Einfuhrung einer dritten und letztendlich einer funften Turnstunde. Diese durfen jedoch nicht nur als eine Erweiterung der Leibeserziehung angesehen werden, sondern insbesondere die funfte Turnstunde hat eine weitaus groBere Bedeutung fur den Einfluss, den das nationalsozialistische Regime auf das Leben der Bevolkerung ausubte. Denn durch sie wurde die Leibesertuchtigung ganzlich der personlichen Entscheidungsgewalt entzogen und dem Staat unterstellt.

Um Theorie und Umsetzung transparenter und somit greifbar zu machen, wird zudem die individuelle Bedeutung des Turnens sowie des Sports behandelt. Wahrend sich die generelle Bedeutsamkeit des Turnens aus seinen Ursprungen im 19. Jahrhundert herleiten lasst, muss beim Sportunterricht jede Sportart fur sich untersucht werden. Als Beispiele wurden das Boxen und der Gelandesport ausgewahlt, da speziell das Boxen von Hitler in seiner Schrift Mein Kampf gesondert hervorgehoben wird und genau jene Sportart ist, die auch in der Filmanalyse des didaktischen Teils dieser Arbeit relevant ist. Der Gelandesport hingegen stellt eine sportliche Betatigung dar, die sich nicht explizit in den Richtlinien des Reichserziehungsministeriums wiederfindet, aber dennoch von Padagogen wie Momsen und Zimmermann als wichtige leibeserzieherische Einheit hervorgehoben wird. Beide Sportarten sind ausschlieBlich den Jungen vorbehalten, da Madchen sich primar der Gymnastik oder turnerischen Ubungen widmen sollten.

Nachdem die Bedeutung des schulischen Sportunterrichts fur die Ideologie des Nationalsozialismus herausgearbeitet wurde, schlieBt sich der didaktische Teil dieser Arbeit an. In ihm werden Uberlegungen formuliert, in welcher Form und mit welchen Zielen die schulische Leibeserziehung als bedeutsames Element des Nationalsozialismus in den Unterricht eingebracht werden kann. Hierbei handelt es sich lediglich um eine Option der Umsetzung, jedoch nicht um eine Musterlosung. Der schulische Sportunterricht ist kein typischer Inhalt fur eine Unterrichtssequenz uber den Nationalsozialismus, darum wird zuerst begrundet, wieso er dennoch lehrreich im Geschichtsunterricht eingesetzt werden kann. Daruber hinaus wird der Film „Napola. Elite Bur den Fuhrer“ als Hauptmedium der festgelegt. Aus dieser Entscheidung resultiert die anschlieBende Einfuhrung in die Theorie ausgewahlter Bereiche der Filmanalyse, die auch fur die beschriebenen Unterrichtsuberlegungen relevant sind. Anhand dieser theoretischen Basis werden im Anschluss funf bestimmte Filmsequenzen analysiert. Diese thematisieren die Leibeserziehung im Nationalsozialismus am Beispiel eines Heranwachsenden, der als Schuler einer Napola durch intensives Boxtraining und Kampfe seinen Charakter so verandert, dass er letztendlich in vielen Wesenszugen genau dem entspricht, was die Nationalsozialisten erreichen wollten. Bei der durchgefuhrten Filmanalyse werden ausschlieBlich die Handlungsstruktur, die Figurencharakterisierung und die Musik beziehungsweise Gerauschkulisse der Sequenzen erarbeitet, da Aspekte wie Kamerafuhrung, Licht- oder Farbgestaltung keine tragende Funktion fur das Erfassen und Verstandnis der Intention darstellen. Auch die Ziele der nachfolgend beschriebenen Unterrichtsumsetzung konnen ohne die Analyse jedes Teilbereichs der Sequenzen erreicht werden. Die Zielsetzungen ergeben sich aus den Kompetenzbestimmungen, die der Bildungsplan Baden- Wurttembergs fur Realschuler vorsieht. An ihnen orientiert sich die vorgestellte methodische Umsetzung der Filmanalyse mit der Thematik der nationalsozialistischen Leibeserziehung im Geschichtsunterricht.

Forschungsstand

Wahrend es zu der Thematik des Holocaust oder auch des Zweiten Weltkriegs eine groBe Bandbreite an Literatur gibt, die sich damit auseinandersetzt, ist die Anzahl der Untersuchungen der Leibeserziehung des Dritten Reichs aus postnationalsozialistischer Perspektive eher begrenzt. Als Hauptansatzpunkt fur diese Arbeit dienen darum die wissenschaftlich fundierten Veroffentlichungen des Sporthistorikers Hajo Bernett. Der Schwerpunkt seiner Arbeiten liegt auf der Darstellung der Leibeserziehung als staatliches Element. Er vermittelt dabei die Ansicht, dass der Sport nicht mehr von der Durchsetzung politischer Ziele zu trennen gewesen sei. Daruber hinaus widmet er sich der Beurteilung der damals vollzogenen leibeserzieherischen Veranderungen sowie der Untersuchung ihrer Hintergrunde. Hierbei beruft er sich unter anderem auf die erziehungstheoretischen Aussagen und Forderungen des nationalsozialistischen Padagogen Alfred Baeumlers.

Um den Wandel der Leibeserziehung jedoch nicht isoliert, sondern in seinem schulischen Kontext betrachten zu konnen, wird in dieser Arbeit auch auf die Erkenntnisse der Padagogin Elke Nyssen verwiesen. Sie analysiert die Verknupfungen zwischen der nationalsozialistischen Ideologie und der Umstrukturierung des Schulwesens inklusive des Sportunterrichts. Durch ihre Definition der vier ideologischen Prinzipien des Nationalsozialismus ist es moglich, konkrete Bestandteile dieser Weltanschauung zu benennen und auch in den Zielsetzungen der Leibeserziehung klaren Bezug darauf zu nehmen.

Im Gegensatz zu der historischen Thematik selbst, gibt es viele Autoren, die sich mit der didaktischen Umsetzung des Dritten Reichs im Geschichtsunterricht auseinandersetzen. Da die didaktischen Uberlegungen sich im Rahmen dieser Arbeit auf die Analyse bestimmter Filmsequenzen konzentrieren, wurde als Grundlage der Analyse selbst die Literatur des angesehenen Medienwissenschaftlers Werner Faulstich ausgewahlt. Seine Kenntnisse werden durch die Theorien Rongstocks und Schroters erganzt, welche sich beide mit der konkreten Verwendung von Filmanalyse im Geschichtsunterricht auseinandersetzen. Auf ihren Aussagen beruhen letztlich die dargelegten Uberlegungen.

2. Begriffsklarung: Sport

Zur Zeit des Nationalsozialismus versuchten einige Padagogen, den Begriff des Sports genauer zu definieren. Wahrend lange Zeit immer allgemein von schulischem Sportunterricht gesprochen wurde, wurde diese Bezeichnung unter Hitlers Herrschaft kritischer betrachtet. Denn „Sportunterricht“ als allgemeine Bezeichnung fur die Leibeserziehung der Jugend wurde dem Konzept der damals erwunschten korperlichen Erziehung ihrer Ansicht nach nur teilweise gerecht.

Laut Aussage des damaligen Reichsdietwartes Munch sei Sport zu einem Begriff verkommen, der in vielen alltaglichen Situationen benutzt werde, mit denen er eigentlich nichts zu tun habe, wie etwa der Sport eines Casanovas, Frauen zu erobern. Und auch wenn es sich um korperliche Tatigkeiten handle, so reprasentiere Sport nur die einseitige, in sich geschlossene Ausbildung eines Menschen in einem bestimmten Bereich, in dem er messbare Hochstleistungen erzielen wolle. Im Gegensatz dazu verstehe man unter

Leibesubungen eine ganzheitliche Ausbildung der korperlichen und auch charakterlichen

Fahigkeiten.

Auch Malitz kontrastiert Sport von Leibesubungen; er sieht sie jedoch nicht als unvereinbare Gegensatze an, sondern er betrachtet Sport als etwas, das aus Leibesubungen resultieren solle. Seiner Ansicht nach zeichne sich Sport dadurch aus, dass er Kampfgeist besitze und das leidenschaftliche Begehren, sowohl uber seinen Gegner als auch uber sich selbst zu siegen. Leibesubungen hingegen seien geplant betriebene Ubungen des Korpers mit dem Ziel einer ganzheitlichen Korperausbildung. Erst dann, wenn diese vorangeschritten und die Muskelpartien des Menschen gleichmaBig ausgebildet seien, konne durch sportliche Ubungen auf einen Kampf hingearbeitet werden. Somit sei eine ganz normale Wanderung als korperbildende Leibesubung anzusehen, wahrend bei Wettmarschen der Sieg und damit auch der Kampfgeist im Fokus stehe. Der begriffliche Unterschied liegt somit in der Einstellung, mit der eine Ubung ausgefuhrt wird und nicht in der Ubung selbst.

Da diese konsequente Differenzierung Malitz‘ in der Mehrzahl der nationalsozialistischen Schriften uber Leibeserziehung jedoch nicht eingehalten, sondern Sport meistens als Uberbegriff fur leibeserzieherische Ubungen verwendet wird, soll auch im Rahmen dieser Ausarbeitung nicht ausschlieBlich die Bedeutung der kampferischen Leibesubungen,[1] [2] sondern die Gesamtheit der leibeserzieherischen Ubungen hinsichtlich ihrer ideologischen Bedeutung untersucht werden.

3. Die nationalsozialistische Weltanschauung als Grundlage der Erziehung im Dritten Reich

Die Zeit des Nationalsozialismus war gepragt durch seine individuelle Art der Weltanschauung, die nicht zuletzt maBgeblich durch die Propagandaschrift Hitlers Mein Kampf beeinflusst wurde. Obwohl der Inhalt dieser Schrift keineswegs auf eine eindeutige Struktur der nationalsozialistischen Weltanschauung ruckschlieBen lasst, wird nachfolgend der Versuch unternommen, jene ideologischen Prinzipien naher zu beleuchten, welche auch bezuglich der Ideologievermittlung im damaligen Schulsystem relevant waren. Die Beschreibung dieser Prinzipien beschrankt sich in diesem Fall auf jene Aspekte, die dem besseren Verstandnis der Hauptthematik dienlich sind. Hierbei wird sich bei den Bezeichnungen der vier Grundprinzipien an den Begrifflichkeiten orientiert, welche 1979 von Elke Nyssen herausgearbeitet wurden. GemaB ihrer Aussage zahlen die von ihr benannten Prinzipien zu „den obersten Erziehungszielen der Schule“[3]

3.1 Der nationalsozialistische Rassebegriff

Den Kern der nationalsozialistischen Weltanschauung bildet der Rassegedanke. Hierbei unterscheidet Hitler in Mein Kampf zwischen drei Arten der Menschheit: ,,Kulturbegrunder, Kulturtrager und Kulturzerstorer“[4]. Als Kulturbegrunder und Kulturtrager sieht er die Arier, welche von ihm auch als ,,geniale Rasse“[5] [6] [7] bezeichnet werden - ihnen gegenuber steht das judische Volk, welches, von Hitler dem Marxismus zugeordnet, dem Zerstorer der Kultur entspreche . Die Juden hatten somit nicht nur versucht, durch die Verunreinigung des Blutes und die Vermehrung ihrer Art, die arische Rasse zu vernichten, sondern sie hatten zudem eine dem Nationalsozialismus oppositionelle politische Haltung vertreten.

Den Ursprung dieser deutschen, arischen Rasse stellte damals die nordische Rasse der Germanen dar. Denn sowohl ihre korperliche Gestalt als auch viele ihrer Wesenszuge waren fur die Ziele der nationalsozialistischen Fuhrung erstrebenswert. Doch Hitler begrundet nicht nur das rassische Korper- und Charakterideal durch geschichtliche Uberlieferungen, sondern er versucht auch, das Verhalten der Nationalsozialisten gegenuber anderen Volkern in einem weltgeschichtlichen Kontext zu rechtfertigen: „Alles weltgeschichtliche Geschehen ist aber nur die AuBerung des Selbsterhaltungstriebes der Rassen im guten oder schlechten Sinne“[8]. Es sei somit keine Besonderheit, wenn die arische Rasse versuche, ,,die scharfe Scheidewand zwischen Herr und Knecht“[9] wieder aufzurichten, ganz gleich ob durch Unterdruckung anderer Volker oder auch durch die Realisierung rassenhygienischer Eingriffe[10] [11] [12].

Dieses rassistische Gedankengut sollte nicht nur vom deutschen Volk verinnerlicht, sondern speziell der Jugend regelrecht eingetrichtert werden:

,,Die gesamte Bildungs- und Erziehungsarbeit des volkischen Staates muB ihre Kronung darin finden, daB sie den Rassesinn und das Rassegefuhl instinkt- und verstandesmaBig in Herz und Gehirn der ihr anvertrauten Jugend hineinbrennt.“

Dies war wichtig, denn nur durch eine fruhe Pragung der Jugend hinsichtlich dieser Thematik, konnte erwartet werden, dass die Heranwachsenden letztendlich im Erwachsenenalter dazu bereit waren, fur die kriegerischen und menschenverachtenden Ziele der Nationalsozialisten einzustehen und alles dafur zu opfern.

3.2 Das nationalsozialistische Eliteprinzip

Basierend auf der soeben skizzierten Theorie, dass der Arier anderen Volkern und Rassen uberlegen gewesen sei, entstand zudem die Auffassung, dass es auch hierarchische Unterschiede zwischen einzelnen „Volksgenossen“ geben musse. Auch diese Idee wurde von Hitler selbst angestoBen: ,,Eine Weltanschauung, die sich bestrebt, unter Ablehnung des d e m o k r a t i s c h e n M a s s e n g e d a n k e n s, dem besten Volk, also den hochsten Menschen, diese Erde zu geben, muB l o g i s c h e r w e i s e auch innerhalb dieses Volkes wieder dem gleichen a r i stokra t i schen Prinzip gehorchen und den besten Kopfen die Fuhrung und den hochsten EinfluB im betreffenden Volk sichern."[13]

Aus der Uberzeugung von einer elitaren Gruppe im Volk erwuchs zudem die Ablehnung gegenuber demokratischen Staatsformen, da die Regierenden in einem solchen Staat sich bei ihren Entscheidungen sonst an der Meinung der breiten Bevolkerung orientieren mussten. Dies war bei einer solchen Unterteilung der Bevolkerung nur schwerlich moglich, da die meisten Menschen aufgrund ihrer Stellung innerhalb der Gesellschaft als unfahig angesehen wurden, die entsprechenden Entscheidungen zu fallen. Hitler selbst bezeichnet die deutsche Bevolkerung als ,,ebenso schwankenden wie zu Zweifel und Unsicherheit geneigten Menschenkinder"[14], welche keineswegs zur Fuhrung eines Staates geeignet seien.

Das Prinzip einer fuhrenden Elite zeigt sich jedoch nicht nur in der allgemeinen Organisation der deutschen Bevolkerung, sondern auch das Schulwesen blieb von diesem Elitegedanken nicht unberuhrt. Durch die Errichtung von sogenannten Eliteschulen sollte bereits im Kindes- und Jugendalter eine Auslese der Schuler nach festgelegten Kriterien vorgenommen werden. Zu solchen Eliteschulen zahlen unter anderem Nationalpolitische Erziehungsanstalten, auch Napolas genannt, und Ordensburgen.[15] [16] [17] Doch auch unabhangig von den Eliteschulen sollten im normalen Volksschulwesen und speziell in der Leibeserziehung elitare Gruppen und Fuhrungspersonen herangezuchtet werden.

3.3 Das nationalsozialistische Fuhrer- Gefolgschaftsprinzip

Bereits in den Ausfuhrungen des Eliteprinzips zeigt sich die nationalsozialistische Absicht, aus den elitaren Kreisen Personen zu benennen, denen mehr Macht zuteil wird als dem Volk. Nyssen bezeichnet dieses Prinzip als ,,entscheidendes sowohl ideologisches als auch organisatorisches Moment der nationalsozialistischen ‘Weltanschauung4 " , denn nach Ansicht vieler Burger drehte sich alles um den Fuhrer: ,,Im Fuhrer steckt notwendig das Schopferische, im Fuhrer vollzieht sich die Krise, entscheidet sich das Werden[...] er bricht verbrauchte Norm und schafft neue Norm".

Letztendlich ging es hierbei schlichtweg um die kritiklose Unterordnung eines Menschen unter den Willen eines Vorgesetzten. Die Bevolkerung sollte als Gefolgschaft aufhoren, Entscheidungen und Befehle zu hinterfragen, sondern ihnen einfach Folge leisten.[18] [19] [20] [21]

Hitler selbst beschreibt die Rolle eines Fuhrers wie folgt: „Wer Fuhrer sein will, tragt bei hochster unumschrankter Autoritat auch die letzte und schwerste Verantwortung“. Diese Sichtweise deckt sich mit der Kritik, die Momsen an den damaligen politischen Zustanden auBert. Seiner Ansicht nach sei es nicht moglich, einen Staat richtig zu fuhren, wenn alle Entscheidungen von einer anonymen Masse getroffen wurden, da diese bei einer Fehlentscheidung nie zur Rechenschaft gezogen werden konne. Doch auch, wenn ein Fuhrer uber jegliche Entscheidungsgewalt verfuge, so sei ,,Der Fuhrer [.] nichts ohne die Gefolgschaft, vor der er bahnbrechend herschreitet [...] er verkorpert ihren Willen“ . Hitler schaffte es sogar, dass die Mehrheit der Bevolkerung ihm nicht nur mehr oder weniger blind folgte, sondern auch dass sich ein GroBteil der Nation durch den HitlergruB sogar offentlich und jederzeit zu ihm als ihren allgegenwartigen Herrscher bekannte.

Diese Orientierung an einer Fuhrungsperson fand jedoch nicht nur auf der nationalen Ebene, sondern auch in vielen weiteren Lebensbereichen statt. Betrachtet man das Schulwesen der damaligen Zeit, stellt man fest, dass dieses Prinzip sich durch die gesamte schulische Hierarchie zog - sei es das Verhaltnis zwischen Lehrer und Schulleiter oder auch zwischen Lehrer und Schuler. Jeweils wurde widerstandsloser Gehorsam von dem Untergebenen gefordert.

3.4 Die nationalsozialistische Volksgemeinschaftsideologie

Das Prinzip der Volksgemeinschaftsideologie widerspricht auf den ersten Blick den soeben erlauterten, das Volk unterteilenden Prinzipien, denn in der Volksgemeinschaft wurde den Menschen das Gefuhl vermittelt, dass die Unterschiede der Klassengesellschaft der Weimarer Republik uberwunden gewesen waren. Alle Mitglieder dieser Volksgemeinschaft sollten das Bewusstsein in sich tragen, einer elitaren Rasse und somit einem hoherwertigen Volk anzugehoren - ganz gleich, ob es sich bei ihnen um einen einfachen Arbeiter oder auch einen reichen Unternehmer handelte. Die hierarchischen Unterschiede innerhalb dieser elitaren Rasse selbst wurden dabei fur die Bevolkerung ganzlich ausgeblendet, denn auch wenn ein Mensch zwar wenig gebildet, aber dennoch korperlich gesund war und uber einen im nationalsozialistischen Sinn guten Charakter verfugte, sollte er als angesehenes Glied der Gesellschaft betrachtet werden. Hitler ging sogar so weit, den korperlich Ausgebildeten mehr Achtung entgegen zu bringen, als jenen, die lediglich uber eine wissenschaftliche Bildung verfugten. Laut der Aussage Nyssens sei die Arbeit der Menschen ideell gesehen gleichwertig gewesen, solange sie sich mit Engagement in die Gesellschaft einbrachten. Materiell betrachtet sei die Leistung jedoch anhand ihres Nutzens fur das Volksganze bewertet worden.

Trotz dessen war es keineswegs so, dass die Differenzen zwischen den einzelnen Gesellschaftsschichten uberwunden gewesen waren: „Der Grundpfeiler der nationalsozialistischen Weltanschauung ist die Erkenntnis von der Ungleichheit der Menschen“[22] [23] [24] [25] [26]. Dies zeigt sich wiederum im Fuhrer- Gefolgschafts- und dem Eliteprinzip, denn wenn alle Menschen des Volkes gleichwertig gewesen waren, so hatte diese Unterteilung nie stattfinden konnen. Nur durch diese interne Unterscheidung der einzelnen Glieder eines Volkes war es moglich, viele Individuen zu unterdrucken und sie dazu zu bringen, sowohl einem elitaren Kreis als auch Adolf Hitler als Fuhrer mit Treue, Unterordnung, Opfersinn und Verschwiegenheit zu unterstehen und die angeordneten Befehle kritiklos durchzufuhren.

Elke Nyssen fasst dieses Phanomen, von dem auch das Schulsystem nicht unberuhrt blieb, mit den folgenden Worten zusammen: ,,Mit Volksgemeinschaft ist jedoch nicht die Gleichheit aller Deutschen gemeint, sondern lediglich die Gemeinsamkeit gegenuber anderen Volkern“[27].

Auch wenn die Volks schule der damaligen Zeit ihrem Namen nach den Eindruck vermittelte, dass sie fur das gesamte Volk zuganglich und gleichermaBen zielfuhrend gewesen ware, gab es auch in ihr noch nicht fur jeden Schuler dasselbe Recht, den gleichen Beruf erlernen, sondern es wurde immer noch selektiert und damit die Unterschiede der Schichtenzugehorigkeit aufrecht erhalten. Um diesen Missstand der sozialen Ungleichheit zu kaschieren, sollte darum zumindest inhaltlich den Schulern das Gefuhl gegeben werden, dass sie dieselben Chancen im Leben hatten.

4. Erziehung im Nationalsozialismus

,,Im nationalsozialistischen Staat reckt sich das groBe Ziel empor, Menschen zu erziehen, die mit sittlicher, rassischer, ethischer und charakterlicher Vollwertigkeit Deutsche sind.“ So auBert sich Hans Schemm, der damalige Gauleiter und Leiter der kulturellen und erzieherischen Angelegenheiten Bayerns, im Jahre 1934 zum Sinn der Erziehung in dem nationalsozialistischen Staat. Der Erziehung, die den Schulern in den kommenden Jahren zu Teil werden sollte, waren klare Ziele zugeordnet. Diese sollten in jedem Fall erreicht werden, ganz gleich, welche Veranderungen dafur unternommen werden mussten.

Neben eigens zu nationalsozialistisch- erzieherischen Zwecken gegrundete Organisationen wie der Hitlerjugend oder der Bund Deutscher Madel sollte die Umerziehung der gegenwartigen Generation auch in der Schule geschehen. Diese sollte jedoch nicht gleich durch eine Schulreform vorangetrieben werden, sondern zunachst war es der Fuhrungsspitze wichtig, dass sowohl Schule als auch Schuler durch kleine Veranderungen in ihrer Loyalitat gegenuber dem nationalsozialistischen Regime gefestigt wurden. Welche Zielsetzungen diese im nationalsozialistischen Sinne gepragte Schule erfullen sollte, geht vor allem aus Hitlers Propagandaschrift hervor, deren erster Teil bereits im Jahr 1924 veroffentlicht wurde. In ihr behandelt er die positiven und negativen Erfahrungen, die er in seiner eigenen Schulzeit machte. Aus ihnen gehen die erzieherischen Schwerpunkte hervor, die er im zweiten Teil von Mein Kampf formuliert, wobei es sich dabei noch nicht um ein ,,systematisches, in sich logisches Erziehungskonzept“ handelt.

4.1 Hitlers Schulzeit als Ausloser seiner erzieherischen Ideen

Hitlers Vorstellungen von der idealen Erziehung der Jugend wurde nicht unwesentlich durch seine eigene Erziehung und Schullaufbahn beeinflusst. Den Aussagen, die er in seiner Programmschrift Mein Kampf uber seine eigene Schulzeit auBert, lasst sich entnehmen, dass er bereits im Jugendalter eine klare Meinung daruber vertreten hat,[28] [29] [30] [31] welche Schulfacher fur sein weiteres Leben relevant und welche Kenntnisse unwichtig waren. Bemerkenswerter Weise wird der Sportunterricht bei der Beschreibung seiner jugendlichen Schulerfahrungen mit keinem Wort erwahnt, obwohl die Leibeserziehung spater einen wesentlichen Aspekt seiner erzieherischen Forderungen darstellte.

Stattdessen benennt er insbesondere die Defizite, die es seiner Ansicht nach im Bereich des Geschichtsunterrichts gegeben habe. Diese seien den Lehrern geschuldet, da es ihnen an den Fahigkeiten mangele, den Fokus auf die weltgeschichtlichen Zusammenhange zu lenken, und sie hingegen uberwiegend stupide Fakten abfragten. Diese negative Einstellung dem Lehrkorper gegenuber zeigt sich erneut bei einem Tischgesprach im Fuhrerhauptquartier am 12. April 1942 , als Hitler feststellte, dass Lehrer unfahig seien, den Lebenskampf zu bestreiten, da sie nicht aus eigener Kraft schopferisch aktiv werden konnten. Aufgrund dieser fehlenden Personlichkeit sei jeder deutsche Feldwebel nach seiner Ausbildung und Dienstzeit geeigneter, die Erziehung der Jugend zu ubernehmen. Hierdurch verschwimmt die Grenze zwischen militarischer und schulischer beziehungsweise kindlicher Erziehung. Indem er einen Militar einem Padagogen vorzieht, wird unter anderem deutlich, dass fur Hitler auch Aspekte wie Drill, Zucht sowie die korperliche und psychische Belastung von Kindern und Jugendlichen eine wichtige Facette von Erziehung darstellte. Dies unterscheidet ihn maBgeblich von den Ansichten der Reformpadagogen, welche bis dahin versuchten, das Wesen der Schulpadagogik zu pragen.

Wahrend der Reformpadagoge Herman Nohl 1935 das Recht eines jeden Menschen auf eine individuelle Entwicklung betonte, sah Hitler ein „Erwachen all der individuellen Instinkte“ als eine Gefahr an, welche lediglich durch „gemeinsame Erziehung, gemeinsame Tradition, gemeinsame Interessen“[32] [33] [34] [35] eingedammt werden konnte.

Aus welchen bestimmten Bestandteilen sich diese gemeinsame Erziehung zusammensetzen sollte, thematisierte Hitler zunachst in seiner politisch- ideologischen Programmschrift Mein Kampf, bevor sie letztendlich unter seiner Herrschaft zum GroBteil umgesetzt wurden.

4.2 Erzieherische Aspekte in Mein Kampf

Beeinflusst durch seine personlichen Erfahrungen und seine nationalsozialistische Gesinnung, behandelt Hitler hinsichtlich der Erziehung in seiner Propagandaschrift insbesondere die Gewichtung der drei folgenden Bereiche: die wissenschaftliche Schulung, Charaktererziehung und Leibeserziehung.

GemaB Hitlers Auffassung seien diese keineswegs als gleichwertig zu betrachten, sondern sie standen in einem fast als hierarchisch zu bezeichnenden Verhaltnis zueinander.

Durch ihre Neugewichtung sollte nicht nur der ,,volkische Staat“ gefordert, sondern auch Fehler der Weimarer Republik kompensiert werden, die zum Versagen im Ersten Weltkrieg gefuhrt hatten. Wahrend dieser Zeit seien die ,,mannlichen soldatischen Tugenden“ zu sehr vernachlassigt worden und der erzieherische Fokus habe zu sehr auf dem wirtschaftlichen Erfolg der Bevolkerung gelegen.

Aus der nachfolgenden Erlauterung der einzelnen Erziehungsbereiche wird deutlich, weshalb die Leibeserziehung ein wichtiger Bestandteil der nationalsozialistischen Erziehung war, der es wert ist, dass man sich noch im 21. Jahrhundert naher mit ihm auseinandersetzt, um sein Wissen uber die Verbreitung der damals gegenwartigen Ideologie erweitern mochte.

4.2.1 Wissenschaftliche Schulung

,,Ein verfaulter Korper wird durch einen strahlenden

Geist nicht im geringsten asthetischer gemacht, ja , es lieBe sich hochstens Geistesbildung gar nicht rechtfertigen, wenn ihre Trager gleichzeitig korperlich verkommene und verkruppelte, im Charakter willensschwache, schwankende und feige Subjekte waren.“[36] [37] [38] [39]

Diese Aussage Hitlers lasst erkennen, mit welcher Geringschatzung er schulischem Wissen gegenuber stand.

Bereits in seiner eigenen Jugend machte er die Erfahrung, dass in der Schule - seiner Ansicht nach - zu viele Kenntnisse vermittelt wurden, welche die Schuler nach kurzer Zeit wieder vergaBen, wodurch sie keinen langfristigen Effekt auf die Entwicklung der

Jugendlichen hatten. Hitler selbst habe die von den Lehrern vermittelten Kenntnisse selektiert und sich ausschlieBlich auf das konzentriert, was ihm wichtig erschien.[40] [41] [42] Diese Fahigkeit spricht er aber dem GroBteil der anderen Menschen ab. Hitler bemangelt, dass viele nicht in der Lage seien, wertvolles Wissen von wertlosem zu trennen, und darum zu viel nutzlosen Ballast mit sich herumtragen wurden.

Aufbauend auf dieser These solle durch eine Kurzung des Lehrplans und der Stundenzahl eine radikale Veranderung des theoretischen Unterrichts vorgenommen werden. Zum einen, um zu vermeiden, dass die junge Generation falsche Schlusse aus dem erfahrenen Wissen ziehe, da sie Wichtiges und Unwichtiges nicht richtig voneinander trennen konne. Zum anderen, um zu gewahrleisten, dass die Schuler genau das dauerhaft in sich aufnehmen, wodurch sie nicht nur zu einem halben Pazifisten oder Demokraten, sondern zu einem ganzen Deutschen werden.

Im Rahmen dieser Reduktion der wissenschaftlichen Bildung musse darauf geachtet werden, dass die Schulen ihren Fokus auf eine allgemeine Bildung legten. Dies begrundet Hitler mit der These, dass Spezialwissen immer noch aufbauend erworben werden konne, jedoch nicht fur jeden Schuler in gleichem MaBe relevant sei. Speziell bei den naturwissenschaftlichen Fachern musse der Umfang gekurzt und im Gegenzug zur humanistischen Bildung verwendet werden.

Des Weiteren sei es notig, dass ein Teil der frei gewordenen Zeit darauf verwendet werde, eine spezielle Charakterbildung der Kinder und Jugendlichen anzukurbeln.

4.2.2 Charakterbildung

Bezuglich der Versaumnisse des Ersten Weltkriegs kritisiert Hitler besonders die charakterlichen Eigenschaften der damals Beteiligten.

„Die politische Vorbereitung sowohl als die technische Rustung fur den Weltkrieg war nicht deswegen ungenugend, weil etwa zu w e n i g g e b i l d e t e Kopfe unser Volk regierten, sondern vielmehr, weil die Regierenden u b e r g e b i l d e t e Menschen waren, vollgepropft von Wissen und Geist, aber bar jedes gesunden Instinkts und ledig jeder Energie und Kuhnheit[...]ubertriebene reingeistige Hochzuchtung unseres Fuhrermaterials“[43]

Im Hinblick auf seine kriegerischen Zielsetzungen war es darum notwendig, in diesem Bereich hinreichende erzieherische Veranderungen vorzunehmen[44]

Diese charakterliche Ausbildung kennzeichnete Hitler durch einige Eigenschaften, die speziell fur die Manner des Staates von besonderer Wichtigkeit seien. Hierbei wird deutlich, in wie weit fur ihn die Grenzen zwischen militarischer und kindgerechter Erziehung verschwimmen.

An oberster Prioritat stehe fur ihn die ,,Ausbildung der Willens- und EntschluBkraft sowie die Pflege der Verantwortungsfreudigkeit“[45]. Die Aneignung dieser Charakterzuge wirkt auf den ersten Blick noch nicht intensiv ideologisch gepragt, doch betrachtet man sich die leibeserzieherischen Forderungen, welche wahrend Hitlers Herrschaft verfolgt wurden, zeigt sich deutlich die Bedeutsamkeit dieser Eigenschaften fur die Durchsetzung seiner kriegerischen Ziele.

Daruber hinaus fordert Hitler Attribute, die unmissverstandlich seine nationalsozialistische Gesinnung widerspiegeln. Sowohl die Aufforderung, den Kindern und Jugendlichen solle das ,,wehleidige Heulen“[46] [47] aberzogen werden, als auch die Anweisung, Treue, Opferwilligkeit und Nationalstolz zu fordern, sind darauf ausgerichtet, folgsame Manner und Frauen heranzuziehen, die seinen Planen Folge leisten, und im stetigen Glauben daran, das Richtige zu tun, keine Schwache zeigen. Zuzuglich solle sichergestellt werden, dass alle Burger vollkommen verschwiegen seien, denn auf eine mangelnde Verschwiegenheit sei zuruckzufuhren, dass viele der deutschen Plane im Ersten Weltkrieg zu den Gegnern gelangten.[48]

Ein wesentlicher Teil dieser Charakterzuge wurde unter anderem durch die Leibeserziehung gefordert.

4.2.3 Korperausbildung/ Leibeserziehung

Hitler betrachtet die Leibeserziehung als Mittel, das ihm nicht nur eine optimale Charakterpragung ermogliche[49], sondern es diene auch seinem hochsten Erziehungsziel: der „Erhaltung des physischen Lebens“[50] [51] [52].

Die Ausbildung „gesunde[r] und kraftvolle[r] Korper“ hatte fur ihn einen solch hohen Stellenwert, da ein ,,gesunder, kraftiger Geist“ nur in einem solch gestarkten Korper existieren konne.[53]

Hitler kontrastiert in seiner Propagandaschrift unverkennbar seine Wertschatzung der korperlichen Erziehung gegenuber der ,,Ausbildung der geistigen Fahigkeiten“[54]. Es genuge nicht, den Menschen mit Wissen zu versorgen, da dies nur einen willensschwachen Menschen ohne Entschlusskraft erzeuge. Ein Volk und besonders eine junge Generation bestehend aus „korperlichen Degeneraten“[55] [56] [57] wurde nicht seinem Anspruch gerecht:

,,Der Junge mufi dereinst ein nutzliches Glied der menschlichen Gesellschaft werden.“

Die korperliche Ausbildung ist nicht nur von der wissenschaftlichen Bildung zu trennen, sondern sie sollte den arischen Menschen auch dazu befahigen, sich im Hinblick auf die Erhaltung der arischen Rasse von Juden abzuheben. Denn wahrend Hitler der Ansicht ist, dass der perfekte Deutsche mit einem makellosen Korper ausgestattet sei, charakterisiert er seine Gegner als ,,krummbeinige, widerwartige Judenbankerte“ . Um

dieses elitare Gefuhl des deutschen Volkes aufrecht zu erhalten, sei es wichtig, das ,,krasse Mifiverhaltnis“[58] schulischer Facher zu beheben und anstatt nur zwei fakultativer Stunden korperlicher Betatigung je Woche einen groBeren Anteil der Unterrichtszeit auf Leibesertuchtigung zu verwenden.

[...]


[1] Vgl. Munch 1935, S. 83

[2] Vgl. Malitz 1934, S. 12 - 19

[3] Nyssen 1979, S. 20

[4] Hitler 1943, S. 318

[5] Ebd., S. 321

[6] Ebd., S. 69 f.

[7] Vgl. Munch 1935, S. 76

[8] Hitler 1943, S. 324

[9] Ebd., S. 324

[10] Vgl. ebd., S. 446 - 448

[11] Ebd., S. 475

[12] Vgl. Nyssen 1979, S. 23

[13] Hitler 1943, S. 493

[14] Ebd., S. 200

[15] Vgl. Nyssen 1979, S. 24

[16] Ebd., S. 24

[17] Momsen 1935, S. 15

[18] Vgl. Nyssen 1979, S. 25

[19] Hitler 1943, S. 379

[20] Vgl. Momsen 1935, S. 15

[21] Ebd., S. 15

[22] Vgl. Nyssen 1979, S. 26

[23] Vgl. Hitler 1943, S. 452

[24] Nyssen 1979, S. 26

[25] Brennecke 1937, S. 9

[26] Vgl. Hitler 1943, S. 470 - 724

[27] Nyssen 1979, S. 27

[28] Vgl. Nyssen 1979, S. 28

[29] Schemm 1934, S. 105

[30] Vgl. Scholz, H. 1980, S.33f.

[31] Heymen et al. 1989, S. 164

[32] Vgl. Hitler 1943, S. 8 - 11

[33] Vgl. Flessau, K.-I. 1977, S. 23

[34] Hitler 1943, S. 78

[35] Ebd., S. 78

[36] Hitler 1943, S. 444

[37] Giesecke 1999, S. 20

[38] Vgl. ebd., S. 20

[39] Hitler 1943, S. 453

[40] Vgl. Hitler 1943, S. 8

[41] Ebd., S.36

[42] Vgl. ebd., S. 469 - 474

[43] Hitler 1943, S. 480f.

[44] Ebd., S. 462

[45] Ebd., S. 462

[46] Ebd., S. 462

[47] Ebd., S. 461 - 473

[48] Vgl. ebd., S. 460

[49] Hitler 1943, S. 460

[50] Ebd., S. 433 f.

[51] Ebd., S. 452

[52] Ebd., S. 452

[53] Vgl. ebd., S. 276

[54] Ebd. S. 452

[55] Ebd., S. 452

[56] Ebd., S. 470

[57] Ebd., S. 458

[58] Ebd., S. 454

Ende der Leseprobe aus 67 Seiten

Details

Titel
Nationalsozialistische Leibeserziehung. Eine Analyse der Hintergründe und eine didaktische Aufbereitung für den Geschichtsunterricht
Hochschule
Pädagogische Hochschule Karlsruhe
Note
1,0
Jahr
2013
Seiten
67
Katalognummer
V280383
ISBN (eBook)
9783656831396
ISBN (Buch)
9783656830764
Dateigröße
658 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
bedeutung, sportunterrichts, ideologie, nationalsozialismus, umsetzung, geschichtsunterricht
Arbeit zitieren
Anonym, 2013, Nationalsozialistische Leibeserziehung. Eine Analyse der Hintergründe und eine didaktische Aufbereitung für den Geschichtsunterricht, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/280383

Kommentare

  • Noch keine Kommentare.
Blick ins Buch
Titel: Nationalsozialistische Leibeserziehung. Eine Analyse der Hintergründe und eine didaktische Aufbereitung für den Geschichtsunterricht



Ihre Arbeit hochladen

Ihre Hausarbeit / Abschlussarbeit:

- Publikation als eBook und Buch
- Hohes Honorar auf die Verkäufe
- Für Sie komplett kostenlos – mit ISBN
- Es dauert nur 5 Minuten
- Jede Arbeit findet Leser

Kostenlos Autor werden