Finanzwirtschaftliche Aspekte des Road Pricing

Auswirkungen des Road Pricing auf die öffentlichen Haushalte


Seminararbeit, 2004

29 Seiten, Note: 1.8


Leseprobe


INHALTSVERZEICHNIS

EINLEITUNG

I) ALLGEMEINE ASPEKTE DES ROAD PRICING
a) Formen des Road Pricing
b) Ausgangslage
i. Schweiz
ii. Bestehende Projekte im Ausland

II) KOSTEN VS EINNAHMEN
a) London - Area Licensing
b) Norwegische Städte - Kordon Pricing
c) Vergleich
d) Autobahnvignette - optimale Lösung für die Schweiz?

III) VERWENDUNG DER EINNAHMEN AUS DEM ROAD PRICING
a) Kriterien der Durchsetzbarkeit von Road Pricing
i. Suche nach politischer Akzeptanz - Theorie
ii. Suche nach politischer Akzeptanz - Praxis
iii. Zweckbindung der Einnahmen
iv. Auf der Suche nach Gerechtigkeit
b) Möglichkeiten der Einnahmenverwendung
c) Sinnvolle Lösungsansätze
d) Möglichkeiten der Einnahmenverwendung in der Schweiz
i. Politische Debatten
ii. Vorschlag für die Stadt Bern

Einleitung

In einer Gesellschaft wachsender Mobilität steigt der Strassenverkehr vor allem in den Städten und Agglomerationen, aber auch auf einzelnen Autobahnstücken rasant. So wird von den Benutzern des Strassennetzes vermehrt eine Lösung gefordert, wel- che einen staufreien, sicheren und umweltgerechten Verkehr garantiert, ohne dabei Mehrkosten zu verursachen. Denn es sind die unabgegoltenen - deswegen externen - Kosten des Verkehrs, welche genau diese drei negativen Begleiterscheinungen her- vorrufen.1 In der Schweiz und den meisten EU Ländern ist der Staat als Hauptbetrei- ber der Strasseninfrastruktur verantwortlich für die Bereitstellung und den Unterhalt des öffentlichen Guts „Strasse“ und soll in dieser Funktion u.a. die öffentlichen Haus- halte nicht weiter belasten. Road Pricing, zu Deutsch Strassenbenützungsgebühr, im Sinne eines facilitating instrument2 kann einem Grossteil dieser Forderungen im We- sentlichen mit zwei Zielen nachkommen: entweder die Individuen zu Verhaltensände- rungen bewegen (Lenkungsfunktion) oder aber der Bereitstellung von Infrastruktur dienen (Finanzierungsfunktion).

Die wissenschaftliche Literatur untersucht dabei vorwiegend Lenkungswirkungen, welche durch gezielte ökonomische Anreize geschaffen werden können. Das banalste Beispiel ist dabei die Verteuerung des Individualverkehrs auf überlasteten Strecken, um den öffentlichen Verkehr dort attraktiver zu gestalten und einen Umstieg der Ver- kehrsteilnehmer auf die dadurch relativ billigere Bahn zu erzwingen. Um dies zu er- reichen, braucht es flankierende Massnahmen wie Ausweichmöglichkeiten auf dem Strassennetz oder ein überdurchschnittliches Angebot an alternativen Transportmög- lichkeiten (ÖV). Beides ist jedoch nur möglich, wenn genügend finanzielle Mittel zur Verfügung stehen, was dazu führt, dass Road Pricing Projekte in der Praxis vorder- hand vom Finanzierungsgedanken geprägt sind. Im gleichen Zuge kommt die Natio- nalfondsstudie NFP41, auf die sich ein Grossteil unserer Ausführungen stützt, zum Schluss, dass Road Pricing nur dann mehrheitsfähig ist, wenn es der Finanzierung, nicht aber der Verkehrslenkung dient.

Nachdem wir zuerst auf allgemeine Aspekte des Road Pricing eingehen (u.a. Formen von Road Pricing & bestehende Projekte) nehmen wir in einem zweiten Teil einen Kosten/Einnahmen Vergleich vor. Im Mittelpunkt steht dabei die Sichtweise der öf- fentlichen Haushalte, die meist die Ausgaben zu tragen haben aber im Gegenzug auch die Einnahmen verwalten dürfen. Diese Einnahmenverwendung stellt dann auch den Kern des dritten Abschnitts dar: es werden verschiedenste Möglichkeiten der Verwendung diskutiert, wobei der Fokus auf die unterschiedliche Akzeptanz in der Bevölkerung und die ökonomischer Effizienz der einzelnen Methoden gerichtet wer- den soll. Mit diesem Wissen und vor dem Hintergrund einer bewusst ökonomischen Sichtweise erlauben wir uns, optimale Lösungen für eine Einnahmenverwendung aus dem Road Pricing für konkrete Fälle vorzuschlagen. Die Arbeit wird in einem vierten Schritt mit den Schlussfolgerungen abgerundet, damit dem Leser das Problem noch einmal ganzheitlich bewusst wird und ein Urteil objektiv und im Sinne aller Beteiligten erfolgen kann.

I)Allgemeine Aspekte des Road Pricing

Im Strassenverkehr wird ein grundlegendes ökonomisches Gesetz verletzt: Die Knappheit von begrenztem Strassenangebot widerspiegelt sich nicht in den Preisen für den Individualverkehr (Frey 2003, BaZ-Interview). Auto fahren ist verhältnismässig zu billig, es kommt vielerorts zu Stau, Lärmbelästigung und Umweltschäden. Da ist es nahe liegend, Vorschläge für Abgaben für die Benutzung von stark frequentierten Strassenabschnitten oder Quartieren auszuarbeiten, die mittels Verursacherprinzip zu einer gerechten Lösung des Problems beitragen.

Road Pricing kann in verschiedenen Formen betrieben werden. Je nach untersuchtem Kriterium (z.B. Zweck oder räumliche Dimension) entstehen verschiedene Ausprä- gungsmöglichkeiten. Im Folgenden wird eine Übersicht nach der räumlichen Dimen- sion vorgenommen, weil damit gleichzeitig die unterschiedlichen technischen Syste- me und Zwecke abgebildet werden (Güller 2000, 75). Danach wird eine kurze Lage- analyse vorgenommen.

a) Formen des Road Pricing

Urban Road Pricing: Hier gibt es nach Güller (2000, 76-78) vier Unterformen zu nennen. Bei der ersten Form werden nur bestimmte Strassenabschnitte bepreist, zum Beispiel bestimmte Tunnels im Einzugsgebiet einer Stadt. Die zweite Form ist das Area licensing, wo beispielsweise Gebühren für die Zufahrten ins Stadtzentrum erhoben werden. Das aktuellste Beispiel für ein Road Pricing dieser Form findet sich in London. Bei der dritten Form, dem Kordon Pricing, wird ein Gebührenring um die Stadt gelegt und sämtliche Einfallstrassen bepreist. In den norwegischen Städten Bergen, Oslo und Trondheim wurde diese Variante realisiert. Für die letzte Form, dem komplexen Gebietspricing, existiert noch keine praktisch realisierte Variante. Hier stünde eine distanzabhängige Abgabenerhebung und der konsequenten Anwen- dung des Verursacherprinzips im Vordergrund. Probleme für die Praxis entstünden beim notwendigen Einbau technisch komplizierter Systeme in die Fahrzeuge der Be- nutzer.

Autobahnnetz: Gebühren werden nur auf einzelnen Abschnitten oder für das gesamte Autobahnnetz erhoben. In der Schweiz gilt die Autobahnvignette als Primärform dieses Typs, weil unabhängig von den gefahrenen Kilometern ein fixer Betrag für die Finanzierung von Unterhalt und Bau der Autobahnen bezahlt werden muss. Im Vordergrund dieser Abgabenform stehen Finanzierungsziele für den Unterhalt und Betrieb der Strassen. (Güller 2000, 79).

Kilometer-Abgabe: Die Kilometer-Abgabe beruht auf der Grundlage der Besteuerung des Schwerverkehrs, wie das in der Schweiz mit der LSVA geschieht. Dieses System würde auf weitere wichtige Fahrzeugkategorien ausgedehnt, wie Lieferwagen und PW. Allerdings existiert in der Praxis noch kein derartiges System. Probleme bei dieser Form bestehen im Fehlen eines internationalen Standards der benötigten technischen Geräte für die Erfassung der notwendigen Daten (Güller 2000, 82). Zusätzlich negativ wirken sich die Aufwendungen für den Einbau der benötigten technischen Geräte in Fahrzeugen aus (Güller 2000, K13).

b) Ausgangslage

i. Schweiz

In der Schweiz ist die gebührenfreie Nutzung öffentlicher Strassen, mit Ausnahme von der Bundesversammlung bewilligter Sonderfälle, in der Bundesverfassung festgeschrieben (BV, Art. 82, 3). Diese Hürde erschwert die Durchsetzbarkeit von Road Pricing Szenarien. So muss zuerst die Akzeptanz in der Bevölkerung gesteigert werden, um eine politische Mehrheit zu erreichen. Hier spielt die Verwendung der Einnahmen aus dem Road Pricing eine entscheidende Rolle. Je nach dem in welche Bereiche die Einnahmen fliessen oder für welchen Zweck sie eingesetzt werden, fällt die Akzeptanz in der Bevölkerung höher oder tiefer aus. Im dritten Teil dieser Arbeit wird näher auf die Einnahmenverwendung eingegangen.

ii. Bestehende Projekte im Ausland

Während in der Schweiz in den nächsten Jahren wohl kaum ein Projekt entstehen wird, wo sämtliche Personenwagen in gewissen Gebieten erfasst und zur Kasse ge- beten werden, ist dies in London bereits Tatsache. Dort existiert seit Februar 2003 ein Road Pricing für Teile der Innenstadt, mit dem Ziel, Stau zu verhindern und mit den Einnahmen das Angebot des öffentlichen Verkehrs zeitgemäss zu gestalten. So soll die Anreisezeit für die Bevölkerung optimiert und die Verteilung von Gütern und Dienstleistungen in der Stadt effizienter werden. Vor der Durchführung dieses Vorha- ben hagelte es laute Kritik von verschiedenen Interessengruppen wie Politiker, Fahr- zeugverbände oder der Bevölkerung allgemein (Litman 2003, 7). Mittlerweile stösst das Vorhaben auf breite Akzeptanz. Dies zeigt eindrücklich, wie rasch sich die Lage in dieser Thematik ändern kann. Interessant wird sein, ob das Beispiel London als eine Art Wegbereiter in Europa fungieren wird und in anderen Städten ähnliche Projekte realisiert werden.

Ebenfalls bereits bestehende Projekte gibt es in den norwegischen Städten Oslo, Bergen und Trondheim. Da diese Systeme bereits seit anfangs der neunziger Jahre in Betrieb sind, eignen sie sich hervorragend für eine Analyse der Einnahmen und Kosten, welche im nächsten Abschnitt vorgenommen wird.

II) Kosten vs Einnahmen

Meist wird im Rahmen des Road Pricing der Fokus mehr auf die Einnahmenseite gerichtet. Dabei darf nicht vergessen werden, dass bei der Implementierung eines Konzeptes zu Strassenerhebungsgebühren hohe Kosten anfallen, die stark variieren können. So dürfte es einleuchten, dass die Gebührenerhebung mittels Vignetten einiges weniger an Kosten verursachen wird, als die Einführung eines komplexen Systems, welches den Preis nach gefahrenen Kilometern berechnet.

Wir werden anhand von bestehenden Projekten eine Kosten-Einnahmen Analyse vor- nehmen. Dabei untersuchen wir nur tatsächlich angefallene Kosten oder Einnahmen, keine externen Faktoren des Verkehrs oder der Stauverminderung. Daraus wollen wir Schlüsse ziehen, wie rentabel solche Systeme sind. Werden beispielsweise im Ver- gleich zu einer einfachen Abgabe mit einem komplexeren Road Pricing System zu hohe Kosten für Kontrolle, Unterhalt und die Erhebung der Gebühren ausgegeben?

a) London - Area Licensing

Seit Februar 2003 müssen Automobilisten während den Werktagen für das Befahren von Teilen der Innenstadt Londons Gebühren in der Höhe von 5 Pfund errichten. Ausgenommen davon sind Busse, Taxis, Motorräder und Notfallfahrzeuge. Bewohner, die innerhalb der Charging Zone leben, erhalten 90% Ermässigung auf ihre Fahrzeu- ge (Litman 2003, 2). Die Kontrolle funktioniert über ein Netzwerk von Kameras, die über die ganze gebührenbelastete Zone verteilt sind. Die Nummernschilder der Fahr- zeuge werden erfasst und automatisch mit der Liste derjenigen Fahrzeuge vergli- chen, die bereits bezahlt haben. Bleibt die Zahlung aus, wird eine Strafe von 80 Pfund fällig, kein unwesentlicher Einnahmeposten, wie der Posten "Penalty Charge Payments" in der unteren Tabelle der Einnahmen- und Ausgabenprognosen für das Fiskaljahr 2003/2004 erkennen lässt. Der weitaus grösste Posten der Einnahmen stammt von den einzelnen Fahrzeugbenutzern. Die Bewohner der Zonen und Fahr- zeuge die in Gruppen organisiert sind und Ermässigung erhalten steuern nur einen kleinen Bruchteil von weniger als 10 Prozent zu den Einnahmen bei. Wie bereits er- wähnt, sind die Bussgelder mit fast einem Drittel der Gesamteinnahmen eine grosse Einnahmequelle. Zusammen ergeben sich Total Gross Revenues in der Höhe von 165 Millionen Pfund. Interessant wird die Betrachtung der Ausgabenseite. Die operativen Kosten für den Unterhalt und Betrieb des Systems belaufen sich auf 97 Millionen Pfund. Wie Litman (2003, 4) in seinem Bericht aufführt, sind in diesem Posten noch Start-Up Costs von ca. 35 Millionen Pfund enthalten, die nach fünf Jahren amortisiert sind und wegfallen werden. Statt wie aktuell 62%, rechnet man danach mit 40% der Einnahmen, die für die Deckung der Kosten aufgewendet werden müssen. Die restli- chen 60% können für den Ausbau und Verbesserung des öffentlichen Verkehrs ver- wendet werden.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 1: Einnahmen und Kosten für das Fiskaljahr 2003/2004 in London (Quelle: Tansport for London 2004, Congestion Charging 6 months on)

Wenn man bedenkt, dass zur Zeit von jedem bezahlten Pfund an Gebühr, über 60% für die Kostendeckung verwendet wird, könnten doch Zweifel über die Effizienz die- ser Art Mittelbeschaffung aufkommen. Litman (2003, 9) führt an, dass es gewiss an- dere Möglichkeiten gäbe, die Verkehrsteilnehmer mit massiv weniger administrativem Aufwand zur Kasse zu bitten. Nur steht nicht alleine die Einnahmengenerierung im Vordergrund. Es sind die positiven Effekte der Stauverminderung und die Verbesse- rung des Angebots des öffentlichen Verkehrs in die Betrachtung mit einzubeziehen. Vor diesem Hintergrund kann das Road Pricing Projekt London als kosteneffiziente Investition angesehen werden. Diese Meinung könnte sich allenfalls noch ändern, würden in Zukunft die Kosten höher und die Einnahmen geringer ausfallen als ge- plant.

b) Norwegische Städte - Kordon Pricing

Zwischen 1986 und 1991 entstanden in den norwegischen Städten Bergen, Oslo und Trondheim Gebührenringe um die Stadt, welche die Zufahrt in die Stadt nur durch Zahlung einer Maut ermöglichen. Dieses System unterscheidet sich dadurch charak- teristisch von dem in London praktizierten Road Pricing, wo der Ring statt um prak- tisch die gesamte Stadt, viel enger in der Innenstadt angelegt ist.

[...]


1 In der Fachliteratur heisst dies Congestion, Sicherheit und Pollution (FREY, 7-5f)

2 engl. facilitating instrument = erleichterndes Instrument (im Gegensatz z.B. zur Ordnungsbusse)

Ende der Leseprobe aus 29 Seiten

Details

Titel
Finanzwirtschaftliche Aspekte des Road Pricing
Untertitel
Auswirkungen des Road Pricing auf die öffentlichen Haushalte
Hochschule
Universität Basel  (Wirtschaftswissenschaftliches Zentrum Uni Basel)
Veranstaltung
Seminar Road Pricing
Note
1.8
Autoren
Jahr
2004
Seiten
29
Katalognummer
V28034
ISBN (eBook)
9783638299299
ISBN (Buch)
9783638649759
Dateigröße
949 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Note war eine 5.2: entspricht einer 1.8 in Deutschland.
Schlagworte
Finanzwirtschaftliche, Aspekte, Road, Pricing, Seminar, Road, Pricing
Arbeit zitieren
lic. rer. pol. Yves Grüninger (Autor:in)Markus Schaer (Autor:in), 2004, Finanzwirtschaftliche Aspekte des Road Pricing, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/28034

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