Der Kimberley Prozess im Konflikt

Analyse und Perspektiven


Hausarbeit (Hauptseminar), 2011

22 Seiten, Note: 1,5


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einführung

2 Der Kimberley Prozess als Konfliktherd
2.1 Konfliktgeschichte
2.2 Konfliktparteien
2.3 Konfliktgegenstand
2.4 Perspektiven für den Kimberley Prozess

Schluss

Literaturverzeichnis

1 Einführung

Im Jahr 1998 veröffentlichte die britische Nichtregierungsorganisation „Global Witness“ eine Studie zum Bürgerkrieg in Angola, die den Zusammenhang von natürlichen Ressourcen und gewaltsamen Konflikten untersuchte (vgl. Global Witness 1998). Mit ihrer Forschungsarbeit machte sie die Weltöffentlichkeit auf ein bis dato vernachlässigtes Problem aufmerksam: die zentrale Rolle des internationalen Diamantenhandels bei der Finanzierung und Etablierung von Bürgerkriegen. Als Reaktion auf die Studie nahmen sich weltweit NGOs der Thematik an und lancierten Kampagnen, um gegen den Handel mit den sogenannten „Blutdiamanten“ zu protestieren. Spätestens mit der Veröffentlichung des Berichts der kanadischen NGO „Partnership Africa Canada“ (PAC), der detailliert die Verwicklung des internationalen Diamantenhandels in den Bürgerkrieg von Sierra Leone beschrieb (vgl. PAC 2000), war dann ein „Point of no Return“ für den Handel mit Diamanten aus Konfliktregionen erreicht: die gesamte Diamantenindustrie und der Diamantenhandel (vor allem das dominierende Unternehmen „De Beers“) fürchteten um ihren Ruf und den Einbruch ihres Geschäftes. Auch die Staaten mit „sauberer“ Diamantenproduktion (wie z.B. Südafrika, Russland, Botswana, Kanada) und die Staaten mit den großen Handelszentren für Diamanten (Belgien, Israel) sorgten sich um einen Preisverfall und sinkende Einnahmen aus dem Diamantengeschäft (vgl. Smillie 2005). In dieser Phase suchten Staaten und die Diamantenindustrie den Schulterschluss mit den NGOs, da diese einen erheblichen Einfluss auf die öffentliche Meinungsbildung erreicht hatten. Auf der Suche nach Lösungswegen fand im Jahr 2000 ein gemeinsames Treffen in der südafrikanischen Stadt Kimberley statt, das als die Geburtsstunde des Kimberley- Prozesses (KP) gilt (vgl. Smillie 2005). Nach zweijährigen Verhandlungen einigten sich schließlich zahlreiche Staaten auf ein internationales Zertifizierungssystem für Rohdiamanten, dem Kimberley Process Certification Scheme (KPCS), das am 01.01.2003 für alle Mitglieder des KP offiziell in Kraft trat und die Herkunft aus „konfliktfreien“ Gebieten sicherstellen soll.

Lange Zeit galten der KP und sein Zertifizierungssystem wegen seiner einmaligen Kooperation zwischen Staaten, Industrie und der Zivilgesellschaft sowie seiner Effektivität zur Eindämmung des Handels mit Konfliktdiamanten als ein Erfolgsmodell. Mehrfach drückte die Generalversammlung der Vereinten Nationen ihre volle Unterstützung für den KP aus (vgl. UN 2004; UN 2009). Doch mittlerweile scheint sich das einstige Vorbild im Umgang mit Konfliktressourcen zu einem Konfliktherd gewandelt zu haben. Das letzte „Intersessional Meeting“ des KP in Kinshasa im Juni 2011 war von erheblichen Spannungen und Differenzen geprägt. Am letzten Tag des dreitägigen Treffens eskalierte dann der Konflikt unter den KP- Beteiligten. Vertreter der Zivilgesellschaft erklärten ihr „no confidence“ in den KP und verließen aus Protest geschlossen das Meeting (vgl. BBC News 2011a). Außerdem verkündete der aktuelle KP- Vorsitzende Yamba unter Missachtung des geltenden Konsensprinzips die Aufhebung des Exportverbots von Diamanten aus Simbabwes Provinz Marange - trotz heftigen Protests der EU, USA und Kanadas (vgl. BBC News 2011a). Nach dem Meeting offenbarten sich tiefe Risse im KP: Während sich Vertreter von USA und EU tief besorgt über den Zustand des KP äußerten, lobten Simbabwes Vertreter und der KP- Vorsitzende Yamba dagegen den gemeinsam erreichten „Durchbruch“, der nun endlich Diamantenexporte aus Marange wieder uneingeschränkt zulasse (vgl. BBC News 2011a). Die Zivilgesellschaft sieht in der aktuellen Lage des KP keinen Sinn zur aktiven Beteiligung (vgl. Global Witness 2011b). Aus Kreisen der Zivilgesellschaft wurde vertraulich erklärt, dass angesichts der Eskalation niemand wisse, ob und wie es mit dem KP weitergehe.

Der aktuellen Frage nach der Zukunft des KP geht die vorliegende Arbeit nach. Im Rahmen einer wissenschaftlichen Untersuchung der aktuellen Konfliktsituation soll geklärt werden, inwieweit sich aus der systematischen Konfliktanalyse Perspektiven für den Kimberley Prozess ableiten lassen. Zur Untersuchung werden einschlägige Fachartikel und aktuelle Publikationen aus dem Kreis der am KP- Beteiligten herangezogen. In die Analyse fließen zudem Hintergrundinformationen ein, die in vier Experten- Interviews gewonnen wurden. Als Experten standen Vertreter der Zivilgesellschaft, des Auswärtigen Amts (AA), des für den KP zuständigen Bundesministeriums der Finanzen (BmF) und des Bundestags zur Verfügung1.

2 Der Kimberley Prozess als Konfliktherd

Zur Untersuchung von Konflikten auf nationaler und internationaler Ebene hat sich in der Friedens- und Konfliktforschung ein systematisches Analysemuster etabliert, mit dessen Hilfe der betreffende Konflikt in seine wesentlichen Bestandteile zerlegt wird und dadurch die meist komplexen Zusammenhänge leichter ersichtlich werden. Das lehrbuchmäßige Vorgehen gliedert den zu untersuchenden Fall in die Konfliktgeschichte, die Konfliktparteien, den Konfliktgegenstand, die Konfliktursachen und die Konfliktregelung (vgl. Imbusch & Zoll 2006). Daran orientiert sich auch die Analyse des Kimberley Prozesses, wobei der Aspekt der Konfliktregelung ausgeklammert wird, da die Regelung eine Aufgabe der Zukunft und folglich Teil der Perspektiven ist (Kap. 3).

2.1 Konfliktgeschichte

Der Konflikt, der unter den Beteiligten des Kimberley Prozess am letzten „Intersessional Meeting“ in Kinshasa eskalierte, kam aus analytischer Sicht nicht überraschend. Vielmehr scheint die umstrittene Entscheidung des KP- Vorsitzenden Yamba, den Handel mit Diamanten aus Simbabwes Provinz Marange wieder zuzulassen, nur der Tropfen gewesen zu sein, der das Fass zum Überlaufen bringt. Im Vorfeld des aktuellen Konflikts finden sich klare Anzeichen für Differenzen zwischen den Beteiligten des KP.

Spannungen vor dem Simbabwe- Konflikt

Schon drei Jahre nach in Kraft treten des KP lässt sich eine beginnende Unzufriedenheit der Zivilgesellschaft mit der Entwicklung des KP feststellen. Angesichts zahlreicher Berichte über mangelnde Kontrollen staatlicher Stellen kritisierte die NGO „Partnership Africa Canada“ damals die Missstände scharf:„When confronted with overt examples of obvious and serious non- compliance in Brazil, Guyana, Ghana and elsewhere, the Kimberley Process slowed to a snail’s pace or became paralyzed” (PAC 2006: 8). Daher forderte sie für den KP schnelle Reformen: ”Without significant and urgent change, it will be little more than what it has shown itself to be during 2006: a paper tiger (PAC 2006: 11). Unterstützung für ihre Kritik bekam die Zivilgesellschaft damals auch von Seiten der Diamantenindustrie. Auf der KP- Vollversammlung forderte deren Vertreter Eli Izhakoff die Mitgliedsstaaten auf, stärkere Anstrengungen für den Forstschritt und Erfolg des KP zu unternehmen, schließlich müsse ein Versagen ausgeschlossen werden (vgl. PAC 2011).

Trotz der angeprangerten Fehlentwicklungen schien der KP in den folgenden Jahren nicht zu den Reformen bereit, die von der Zivilgesellschaft gefordert wurden. Dementsprechend wiederholten die beiden NGOs „Partnership Africa Canada“ und „Global Witness“ ihre Kritik 2008: „At the end of the scheme`s fifth year, the trafficking of conflict and illicit stones is looking more like a dangerous rule than an exception“ (PAC/GW 2008:1). Weiterhin zeigten sich die NGOs aber zuversichtlich, dass “the procrastination and denial that have gripped the Kimberley Process on these issues in recent years can be replaced (…) with a proactive and dedicated response to the problems” (PAC/GW 2008:1).

Der Fall Simbabwe

Ab 2008 nahmen durch den Streit um die Diamantenexporte Simbabwes, das seit 2004 Mitglied im KP ist, nicht nur die Spannungen zwischen der Zivilgesellschaf und den KPMitgliedsstaaten, sondern auch innerhalb der Staaten noch einmal deutlich zu. Die Vorgänge, die die Konflikteskalation in Kinshasa bedingen sollten, beschreibt Neshitov in seinem Artikel für die Süddeutsche Zeitung folgendermaßen:

„In Marange im Osten des Landes waren Anfang des Jahrtausends die wertvollsten Diamantenminen in ganz Afrika entdeckt worden. Im Januar 2007 - während „Blood diamond“ weltweit die Kinosäle füllte - begann die simbabwische Polizei, Dorfbewohner zur Arbeit in den Minen zu zwingen. Kurz danach kam die Armee von Präsident Robert Mugabe nach Marange. Die Soldaten plünderten und vergewaltigten, sie massakrierten mehr als 200 Schürfer und richteten ihre eigenen Kartelle ein“ (Neshitov 2011).

Auf die Vorgänge in Marange reagierten sowohl die Zivilgesellschaft und deren Organisationen (u.a. „Human Rights Watch“, „Global Witness“) als auch die internationale Politik mit Empörung. So forderte die amerikanischen Außenministerin Condolezza Rice, dass mit allen verfügbaren Mitteln die Regierung von Simbabwe zu einem Kurswechsel ermutigt werden müsse (vgl. PAC 2009: 9). Die Europäische Union verschärfte im Januar 2009 ihre Sanktionen gegen das Regime von Mugabe und verurteilte ausdrücklich die Gewalt in Marange (vgl. PAC 2009: 9). Zum Entsetzen von „Global Witness“ und „Partnership Africa Canada“ enthielt sich der KP dagegen jeglichen Kommentars: „But while the world`s attention was being drawn to the horror in Zimbabwe`s diamond fields, the Kimberley Process debated whether or not it should issue a statement, send a message or simply do nothing“ (PAC 2009: 9).

Bis zum Meeting in Kinshasa wurde bei mehreren Sitzungen des KP unter den Mitgliedsstaaten kontrovers darüber diskutiert, wie mit der Situation in Marange umgegangen werden soll. Der KP versuchte gemeinsam mit Simababwe eine Lösung zu finden. Es wurden zwei Reviews zur Lage in Marange durchgeführt und ein gemeinsamer „Joint Workplan“ vereinbart, der von Simbabwe nicht erfüllt wurde. Daraufhin erfolgte im Juni 2010 ein Exportverbot für Diamanten aus Marange, das im Januar 2011 trotz Einspruchs der Zivilgesellschaft gelockert wurde (vgl. PAC 2011).

Aus analytischer Perspektive scheinen durch den Fall Simbabwe zwei Prozesse ausgelöst worden zu sein, die im Vorfeld der Konflikteskalation abliefen. Zum einen nahmen die Differenzen zwischen der Zivilgesellschaft und denjenigen Mitgliedsstaaten zu, die nicht offiziell die Situation anprangerten (wie die EU, USA, Kanada). Aus Sicht der Zivilgesellschaft waren diese aufgrund steigender Nachfrage und Preise mehr an dem Wert der Diamanten aus Marange als den dortigen Zuständen interessiert (vgl. Global Witness 2010). Zum anderen fand eine zunehmende Politisierung des KP während der Simbabwe-

Diskussionen statt. Aus Kreisen des Auswärtigen Amts verlautete dazu, dass die Situation in Marange eine gute Gelegenheit dargestellt habe, um den ungeliebten Präsident Mugabe ernsthaft „zu ärgern“. Mit einem möglichen Handelsverbot der Diamanten hätte man ihn an einem empfindlichen Nerv treffen (und zu einer Verbesserung der Lage beitragen) können. Daher habe man sich bemüht, den Fall bis vor die Generalversammlung der Vereinten Nationen zu bringen. Simbabwe sei es aber sehr gut gelungen, sich mit „diplomatischem Geschick aus der Affäre zu winden“. Zudem habe Simbabwe es geschafft, sich als „Opfer der westlichen Kolonialmächte“ darzustellen, die Simbabwes und Afrikas Entwicklung aus Eigeninteresse unterbinden wollten. In der Generalversammlung der Vereinten Nationen im November 2009 tat der simbabwische Delegierte die Kritik an Simbabwe als „Charade“ der Länder ab, die sich als Garanten des KP aufspielten (vgl. UN 2009: 2). Auf diesem Weg erreichte Mugabe sogar, innerhalb des KP eine Allianz mit den afrikanischen Staaten zu schmieden und den Konflikt zu einem Nord- Süd- Konflikt zu stilisieren. Im März 2011 diagnostiziert Smillie entsprechend „major ructions inside the Kimberley Process and … a divide which had not previously existed between African participants and others“ (Smillie 2011: 4). Damit war eingetreten, wovor der schwedische Abgeordnete in der UN- Vollversammlung 2009 warnte: „The trend to politicize the issue might undermine the work of fuelling development rather than conflict“ (UN 2009: 2).

Die Konflikteskalation in Kinshasa

Wie angespannt die Situation schon zu Beginn des Intersessional Meetings war, lässt sich anhand der Eröffnungsrede der Zivilgesellschaft gut rekonstruieren. Darin zeichnete der Vertreter der Zivilgesellschaft ein düsteres Bild der aktuellen Lage:

„The KP is paralyzed at multiple fronts. It has shown that not only it can not cope with the biggest challenge for years, the crisis in Zimbabwe`s diamond sector, but it has proven itself unable to deal with any problem case. (…) In recent years we have also noted an increasing lack of political will by many participants to make the KP the success it could and should be. (…) We are not seeking to point fingers, but rather to point out the obvious: the KP is not working and we need to be honest about this” (Global Witness 2011a).

Während die Zivilgesellschaft in Kinshasa auf konkrete Schritte zur Verbesserung der Lage in Marange hoffte, appellierte der Vertreter der Diamantenindustrie an die Entpolitisierung des KP (vgl. World Diamond Council 2011a). Beide Hoffnungen wurden enttäuscht. Unmittelbar nach dem Treffen wurde von der Zivilgesellschaft berichtet, dass der aktuelle Vorsitzende des KP, Yamba, keinerlei Diskussion über die Lage in Marange oder das Exportverbot gegenüber Simbabwe zugelassen habe. Anstelle konstruktiver Vorschläge habe Simbabwe zudem die

[...]


1 Außer des Gespräches mit der Zivilgesellschaft fanden die Interviews kurz vor dem „Intersessional Meeting“ des KP statt. Nur Herr Niestroy, der Büroleiter des MdB Hartwig Fischer, war bereit zu einer öffentlichen Stellungnahme und kann daher mit klarer Quellenangabe zitiert werden.

Ende der Leseprobe aus 22 Seiten

Details

Titel
Der Kimberley Prozess im Konflikt
Untertitel
Analyse und Perspektiven
Hochschule
Universität Augsburg
Note
1,5
Autor
Jahr
2011
Seiten
22
Katalognummer
V280215
ISBN (eBook)
9783656738626
ISBN (Buch)
9783656738640
Dateigröße
512 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Blutdiamanten, Diamantenhandel, Konfliktanalyse, Kimperley-Prozess
Arbeit zitieren
Götz Gölitz (Autor:in), 2011, Der Kimberley Prozess im Konflikt, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/280215

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