Die Chemie der Wachse. Ein Unterrichtsthema mit schulexperimentellen Vorschlägen am Beispiel Bienenwachs


Examensarbeit, 2009

126 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung
1.1 Ziele und Legitimierung der Arbeit
1.2 Aufbau der Arbeit

2. Theoretischer Teil
2.1 Was ist Wachs?
2.1.1 Entwicklung der Begriffsbedeutung und Definition
2.1.2 Charakterisierung und Klassifizierung
2.1.3 Verwendung und Funktionen
2.2 Das Bienenwachs
2.2.1 Gewinnung
2.2.2 Zusammensetzung und Strukturaufklärung
2.2.3 Physikalische / chemische / technische Eigenschaften
2.2.4 Verwendung früher und heute

3. Didaktischer Teil
3.1 Begründung der Behandlung des Themas „Wachs“ im Chemieunterricht ..
3.2 Curriculare Zugänge
3.2.1 Physikalische Eigenschaften
3.2.2 Chemische Eigenschaften
3.2.3 Verwendung im Alltag
3.2.4 Tabellarische Lehrplaneinordnung

4. Experimenteller Teil
4.1 Bestimmung der Dichte von Bienenwachs
4.2 Temperaturabhängigkeit der Dichte von Bienenwachs
4.3 Volumenänderung von Bienenwachs und Wasser
4.4 Brennbarkeit von Bienenwachs
4.5 Flammpunkt, Brennpunkt und Zündtemperatur von Bienenwachs
4.6 Bestimmung des Schmelzpunkts von Bienenwachs
4.7 Bestimmung des Erstarrungspunkts von Bienenwachs
4.8 Löslichkeit von Bienenwachs
4.9 Prüfungsmethoden von Bienenwachs
4.10 Verpuffung von Bienenwachs
4.11 Bestimmung der Säurezahl von Bienenwachs
4.12 Bestimmung der Verseifungszahl von Bienenwachs
4.13 Bestimmung der Iodzahl von Bienenwachs
4.14 Nachweise funktioneller Gruppen von Bienenwachs
4.15 Herstellung von Punischem Wachs
4.16 Herstellung von Wachsmalkreide
4.17 Herstellung von Lippenpflegestiften
4.18 Herstellung von Honigseife
4.19 Herstellung von Haarwachs

5. Fazit und Ausblick

6. Abbildungsverzeichnis

7. Literaturverzeichnis

8. Versicherung

1. Einleitung

1.1 Ziele und Legitimierung der Arbeit

In der vorliegenden Arbeit soll die Chemie der Wachse, insbesondere deren bekanntester Vertreter in Form des Bienenwachses, näher beleuchtet werden. Während sich viele Veröffentlichungen und besonders Schulversuche mit Wachs in seiner besonderen Form als Kerze, also als mit Docht brennbarer Wachskörper, und der damit verbundenen Eigenschaften befassen, ist die Zahl der Abhandlungen und Experimente, bei denen das Brennmaterial selbst im Mittelpunkt steht, geringer. Aus diesem Grund wird der Fokus hier explizit und hauptsächlich auf das reine Wachs gerichtet.

Gerade in der Schule wird dieser von seinen Eigenschaften gleichsam unge- wöhnliche wie auch interessante Stoff wenig bis gar nicht behandelt. So taucht er etwa im Lehrplan nur beispielhaft an einer Stelle im Zuge der Behandlung der Aggregatzustände in der Mittelstufe wortwörtlich auf. Dennoch lässt er sich nicht nur hier, sondern in nahezu allen Klassenstufen vielseitig im Che- mieunterricht einsetzen und kann zur Erarbeitung der verschiedensten Lernin- halte dienen. Dies soll mit Hilfe der ausgearbeiteten Experimente in dieser Ar- beit deutlich gemacht werden.

Trotz der chemischen Komplexität der Wachse und ihrer Zusammensetzung aus unzähligen Einzelkomponenten, durch welche der spezielle Wachscharak- ter erst zu Stande kommt, sollen die Versuche einer groben Strukturaufklärung, soweit diese im schulischen Rahmen möglich sind, exemplarisch anhand des Bienenwachses gemacht werden. Diese spezifischen Wachseigenschaften, die sich innerhalb der verschiedenen Wachssorten durchaus mehr als geringfügig unterscheiden können, bieten ein breites Spektrum an zum Großteil heute noch aktuellen Anwendungsmöglichkeiten, über die ein gewisser Überblick gegeben werden soll.

Einen besonderen Reiz hat hierbei der natürliche Charakter des Bienenwach- ses, da den meisten Schülern dieser Naturstoff aus ihrem Alltag bekannt sein wird. Sollte dies bei einigen nicht der Fall sein, so ist es von außerordentlichem Interesse, ihnen gerade dieses Wachs, das auch heute noch in einigen Anwen- dungsgebieten eine erhebliche Rolle spielt, näherzubringen und somit einen wichtigen Beitrag in der alltagsorientierten Schulchemie zu leisten.

Auch wenn Bienenwachs mittlerweile zwar in einigen Bereichen von anderen Wachsarten, darunter häufig Kunstwachse, verdrängt worden ist, so ist es allein rein zeitgeschichtlich betrachtet das interessanteste aller Wachse, da es einer der dem Menschen am längsten bekannten Rohstoffe ist und als „Urwachs“ immer noch eine wichtige Grundlage dessen bildet, was heutzutage unter dem stets noch schwer zu definierenden Begriff „Wachs“ verstanden wird. Somit erhalten nähere Betrachtung, Untersuchung und Verwendung des Bienenwachses in dieser Arbeit durchaus ihre Legitimität.

1.2 Aufbau der Arbeit

Da sich die vorliegende Arbeit ganz allgemein mit Wachsen, konkreter mit dem Bienenwachs, beschäftigt, muss zunächst einmal die Frage geklärt wer- den, was genau eigentlich unter dem Begriff „Wachs“ verstanden wird, wie er definiert ist und wie der Weg über Jahre hinweg zu dieser heutigen durchaus sinnvollen Definition geführt hat. Diese umfasst eine breite Palette an ver- schiedenen Stoffen und Wachsarten, die daraufhin vorgestellt und klassifiziert werden. So vielfältig diese Stoffzusammenstellung ist, so differenziert sind auch die Eigenschaften der einzelnen Wachsarten und ihre daraus resultieren- den Funktionen und technologischen Verwendungsgebiete, die an geeigneter Stelle präsentiert werden. Als ein wichtiger und einer der berühmtesten Vertre- ter der Stoffgruppe der Wachse wird nun exemplarisch für diese detailliert das Bienenwachs behandelt, das nicht nur das älteste bekannte Wachs, sondern per definitionem der Stoff ist, dem diese Bezeichnung am allermeisten zusteht. Neben der Beschreibung von Entstehung und Gewinnung des Rohstoffs wird auch seine chemische Struktur und Zusammensetzung aufgeklärt. Diese impli- ziert die spezifischen Stoffeigenschaften auf chemischer, physikalischer und letztendlich technologischer Ebene, die im Einzelnen aufgeführt werden und welche die sich anschließenden, vergangenen und aktuellen Verwendungen von Bienenwachs im Alltag bedingen. Zusätzlich kommt ihnen eine hohe Re- levanz in Bezug auf die noch folgenden Versuche zu, die zunächst thematisch in den aktuellen hessischen Lehrplan und dessen Lerninhalte der Sekundarstu- fen I und II eingeordnet werden. An diese Einordnung reihen sich die Ver- suchsvorschriften und Auswertungen der ausgearbeiteten Versuche zum The- ma „Bienenwachs“, die sich an den zuvor erwähnten spezifischen Eigenschaf- ten des Stoffes und dessen Alltagsverwendung orientieren. Abschließend folgt ein Fazit, in dem die Vorteile und Grenzen des Themas im Schulunterricht kurz diskutiert werden.

2. Theoretischer Teil

2.1 Was ist Wachs?

Der älteste existierende Beweis für den Kontakt von Menschen mit Bienen- wachs ist eine spanische Felsmalerei aus der mittleren Steinzeit und damit etwa aus dem Jahr 10.000 v. Chr., auf der die Entnahme von Honigwaben wilder Bienen aus einem Felsloch zu sehen ist.2 Schon seit vielen Jahrtausenden ist Wachs den Menschen also bekannt und findet seit jeher praktische Anwen- dung. Der Begriff „Wachs“ wird im heutigen Sprachgebrauch vielfältig ver- wendet und so können in Verbindung mit ihm die verschiedensten Assoziatio- nen auftreten. Möglicherweise liegt der Gedanke an Bienenwachs auf der Hand, aber auch andere, offensichtlich damit eng verwandte Begriffe wie Au- to-, Bohner-, Skiwachs, Fett, Öl, Kosmetik, Wachsfigurenkabinett oder Ker- zenmaterial sind schnell präsent, an einer handfesten Erklärung oder eindeuti- gen Beschreibung des Begriffs mangelt es jedoch vermutlich. Wachs ist also in den unterschiedlichsten Arten, Formen, Farben und Verwendungen im Alltag stark vertreten, dennoch scheint eine klare Aussage darüber, was genau „Wachs“ ist, gerade wegen dessen nahezu unüberschaubarer Vielfältigkeit nur schwer zu treffen zu sein. Umso mehr drängt sich die Frage nach einer konkre- ten Definition auf, die im Folgenden möglichst zufriedenstellend, aber auch mit einer gewissen Kompromissbereitschaft beantwortet werden soll.

2.1.1 Entwicklung der Begriffsbedeutung und Definition

Seit frühgeschichtlicher Zeit bis ins 18. Jahrhundert hinein ist mit „Wachs“ schlicht das allseits bekannte Bienenwachs gemeint. Erst mit der sich immer weiter entwickelnden Naturwissenschaft, Theorienbildung und Experimental- forschung gehen eine genauere Untersuchung und ein besseres Verständnis von Bienenwachs und dessen Entstehung einher. Im 19. Jahrhundert, das dank sei- ner zunehmenden chemischen Denk- und Arbeitsweise wichtige Fortschritte in den Bereichen der Analyse und Synthese liefert, werden verschiedene Wege zur Extraktion von Stoffen wie Paraffin, Carnauba- und Montanwachs beschrit- ten und deren Zusammensetzung teilweise aufgeklärt. Ihre Dienlichkeit als Wachszusätze, aber auch als Bienenwachsalternativen, erweitert erstmalig den Begriff „Wachs“, sodass dieser nun allgemein Fettstoffe umfasst, deren Schmelzpunkte denen des Bienenwachses ähneln. Schon bald wird die Bedeu- tung weiter ausgedehnt und bezieht sich fortan auf die wenigen tierischen oder pflanzlichen Substanzen, die dem Bienenwachs nicht nur in Bezug auf den Schmelzbereich nahe kommen, sondern außerdem in Wasser unlöslich, hinge- gen in Alkalien, Ether und Alkohol löslich und zusätzlich in Kerzenform brennbar sind.

Gegen Ende des 19. Jahrhunderts zeichnet sich erstmalig eine Herangehens- weise zur Definition des Begriffs ab, die von zwei verschiedenen Seiten er- folgt, nämlich zum einen aus Sicht der chemischen Beschaffenheit, zum ande- ren aber auch unter Berücksichtigung der physikalischen Eigenschaften des Stoffs. So werden Wachsarten chemisch auf Grund ihres fehlenden Glyceringehalts mit der Bezeichnung „Nichtglyceride“ einerseits von Fetten unterschieden, andererseits werden jedoch Fette mit wachsähnlichen Eigen- schaften stets noch zu den Wachsarten gezählt. Im Zuge der fortschreitenden Strukturaufklärung vieler Verbindungen gewinnt die chemische Definition immer mehr an Bedeutung und fasst nun unter „Wachsarten“ diejenigen, neben natürlichen auch synthetisch gewonnene, Substanzen zusammen, die aus Estern langkettiger Säuren und Alkohole, das für Fette charakteristische Glycerin aus- genommen, bestehen und zusätzlich noch freie Säuren, Alkohole und Paraffine enthalten können. Dennoch wird der Begriff im täglichen Sprachgebrauch wei- terhin vorwiegend für Stoffe verwendet, die dem äußeren Erscheinungsbild nach zu urteilen und damit ausschließlich auf Grundlage der physikalischen Eigenschaften wachsartig sind. Aus diesem Grund wird gegen Mitte des 20. Jahrhunderts versucht, eine allgemeingültige Definition zu finden, die sich von der bisherigen chemischen Betrachtungsweise wieder löst und die praktischen Verwendungseigenschaften in den Vordergrund rückt. So formuliert im Jahr 1954 die Deutsche Gesellschaft für Fettwissenschaft folgende technologische Definition für Wachse: „Wachs ist eine technologische Sammelbezeichnung für eine Reihe natürlicher oder künstlich gewonnener Stoffe, welche in der Regel die folgenden Eigenschaften haben: bei 20 °C knetbar fest bis brüchig hart, grob- bis feinkristallin, durchscheinend bis opak, jedoch nicht glasartig, über 40 °C ohne Zersetzung schmelzend, schon wenig oberhalb des Schmelz- punktes verhältnismäßig niedrigviskos und nicht fadenziehend, stark tempera- turabhängige Konsistenz und Löslichkeit, unter leichtem Druck polierbar.“3

Während diese Definition auch heute noch zu finden ist, hat die chemische Definition seitdem allerdings ebenso wenig an Gültigkeit eingebüßt und so bestehen bis heute beide nebeneinander. Sowohl die wissenschaftliche Wachs- definition der organischen Chemie, die Wachse als Stoffe mit klassischer Wachszusammensetzung sieht, als auch die technische Definition der Wachs- praxis, die unter Wachsen auf den physikalischen Eigenschaften beruhend Stoffe mit technologischem Wachsverhalten versteht, haben somit ihre Da- seinsberechtigung und müssen für eine allumfassende Definition des Begriffs „Wachs“ berücksichtigt werden, die folgendermaßen lauten kann:

„Wachse sind nach der technologischen Auffassung Stoffe mit bestimmten Beschaffenheits- und Verwendungseigenschaften und nach der Lehre der orga- nischen Chemie im engeren Sinn die bienenwachsähnlich aufgebaute Gruppe dieser Stoffe.“4

2.1.2 Charakterisierung und Klassifizierung

Verschiedenste Stoffe, die den aufgeführten Definitionen genügen und somit Wachscharakter besitzen, gibt es in großen Mengen, was nicht zuletzt daran liegt, dass zwei zulässige Definitionen existieren. Diese Substanzen, die sich vor allem chemisch, zum Großteil jedoch auch auf Grund ihrer physikalischen Eigenschaften, zwischen den Fetten und Harzen bewegen und von diesen un- terscheiden, zeichnen sich vor allem dadurch aus, dass sie in der Regel kom- plexe Stoffsysteme sind, die aus einer Vielzahl an organischen Einzelkompo- nenten bestehen, die sich hauptsächlich aus Kohlenwasserstoffen, Alkoholen, Ketonen, Carbonsäuren, Hydroxycarbonsäuren, Estern und Stickstoffverbin- dungen zusammensetzen. Die Variabilität dieser zumeist sehr langkettigen Komponenten in Art, Länge und Packungsdichte und deren intermolekulare Wechselwirkungen, wie Van-der-Waals-Kräfte oder Wasserstoffbrückenbin- dungen, beeinflussen stark das physikalisch-chemische Verhalten und die Ei- genschaften der wachsartigen Stoffe. So nehmen neben dem mittleren Moleku- largewicht dieser Thermoplasten ebenso ihre mechanische Festigkeit, Härte, Viskosität und der Tropfpunkt mit wachsender Kettenlänge zu. Der Wachszu- stand ist pseudofest und bewegt sich zwischen dem kristallin-festen und dem amorph-flüssigen, da er zwar kristallin, aber auch sowohl optisch als auch me- chanisch anisotrop, das heißt richtungsabhängig ist. Charakteristischerweise liegen die Schmelzpunkte wachsartiger Stoffe im Temperaturintervall von 40 bis 120 °C.5

Zu den Wachsstoffen, auf die diese Eigenschaften zutreffen, gehören neben den bekannten rezenten oder fossilen Organismenwachsen ebenso deren che- mische Modifikationen, als auch synthetisch hergestellte Produkte und Gemi- sche. Sie lassen sich zur Klassifizierung in vier große Hauptkategorien eintei- len: Naturwachse, Naturstoffwachse, Chemiewachse und Wachszubereitungen. Bei einer weiteren Aufgliederung dieser Bereiche in einige Untergruppen ergibt sich bei tabellarischer Darstellung Abb.2 als Übersicht über die Klassifi- kation von Wachs.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb.2: Klassifikation von Wachs 4

Die für Wachse charakteristischen Eigenschaften in Bezug auf Verarbeitung, Verwendung und Wirkform verschaffen ihnen eine vielfältige Anwendbarkeit in den unterschiedlichsten Bereichen. Zu den wichtigsten Verarbeitungseigen- schaften zählen Schmelzbarkeit, Mischbarkeit (beispielsweise mit anderen Wachsen), Pastenbilde-, Ölaufnahme- und Ölbindevermögen, Emulgierbarkeit, Verteilbarkeit, Haftfestigkeit, Dichtigkeit, Filmbildefähigkeit, Polierbarkeit und Umweltbeständigkeit, sowie in vielen weiteren Fällen Glanzvermögen, Transparenz, Farbbindevermögen, Gleitvermögen, Klebkraft, Formbildungs- vermögen oder Dochtbrennbarkeit. Unter Ausnutzung dieser Eigenschaften kommen den Wachsen im Wesentlichen fünf Funktionen zu, die sie bei techni- scher Anwendung inne haben können. Diese sind: Bindungsfunktion, Schutz- funktion, Glanzfunktion, Formfunktion und Leuchtfunktion. Bei der Bindungs- funktion eines Wachses wirkt dieses als Bindemittel, indem es sich mit anderen Stoffen homogen mischt, wie es beispielsweise bei Malwachs der Fall ist, oder diese heterogen als Folge seiner Klebfähigkeit miteinander kombiniert. Eine Schutzfunktion besitzt das Wachs, wenn es verschiedene Stoffe, häufig in Form einer Schicht, voneinander trennt. Hierzu zählen etwa elektrische Isolie- rungen oder Abdichtungen, bei denen Kontakt mit Sauerstoff vermieden wer- den soll, aber auch die Verwendung von Wachs als Schmiermittel. Besonders in der Putzmittelindustrie kommt die Glanzfunktion von Wachsen zur Geltung, die durch deren glatte Oberflächen verursacht wird, sobald diese auftreffendes Licht spiegeln. Während die Formfunktion für die Modellierung von Wachs- körpern, die entweder als Abdrucke oder eigenständige Objekte dienen können, relevant ist, bezieht sich die Leuchtfunktion auf die Wachseigenschaft der Dochtbrennbarkeit, die besonders in der Kerzenform zu Tage tritt.5

Eine Übersicht bekannter alltäglicher Verwendungsbeispiele von Wachs in Bezug auf seine unterschiedlichen Funktionen findet sich in Abb.3.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb.3: Funktionen und Anwendungen von Wachs 5

Nachfolgend werden einige technologisch wichtige Wachse mit ihren jeweiligen Verwendungsgebieten vorgestellt.

Neben dem Bienenwachs gehört beispielsweise auch das Wollwachs, das aus den Hautdrüsen von Schafen abgesondert wird, zu den tierischen Wachsen. Es wird als Rohprodukt oder chemisch verändert in der Kosmetik unter anderem für Cremes und Babypflegemittel, in der Pharmazie für Pflaster und Salben, in der Schmiermittelindustrie oder zur Lederpflege verwendet. Pflanzliche Wachse, zu denen etwa Carnaubawachs und Candelillawachs zäh- len, haben ebenso wie das Wollwachs im ursprünglichen Sinne eine Schutz- funktion für ihren Erzeuger. Das harte Carnaubawachs, das zu über 80 % aus langkettigen Carbonsäureestern besteht, besitzt eine besonders gute Glanzgabe, Pastenbildefähigkeit und Polierbarkeit. Damit ist es für die Anwendung in der Putz- und Pflegemittelindustrie, speziell bei der Bodenpflege in Bohnermassen, prädestiniert. Zusätzlich wird es in Auto- und Möbelpolituren verarbeitet und als Lebensmittelzusatzstoff mit der Bezeichnung E 903 als Überzug für Zitrus- früchte, Pillen, Dragees, Süßwaren und Kaugummis eingesetzt. Auch Cande- lillawachs, das zu etwa gleichen Teilen hauptsächlich aus langkettigen Carbon- säureestern und langkettigen Kohlenwasserstoffen besteht, wird zur Kaugum- miherstellung gebraucht, wobei es hier als Konsistenzgeber dient. Des Weite- ren findet es Verwendung in Papier- und Kartonbeschichtungsmassen, Schmelzklebern, Schuhputzmitteln und in der Kosmetik. Auf Grund seines stärkeren Harzgehaltes und der damit verbundenen erhöhten Schmutzaufnahme wird es im Gegensatz zu Carnaubawachs weniger zu Bodenreinigungszwecken benutzt.

Neben diesen rezenten existieren ebenso fossile Wachse. Zu den fossilen Na- turwachsen zählt das Montanwachs, auch ein Esterwachs, das, wie auch dessen Derivate, vor allem in der Herstellung von Putzmitteln und Kohlepapieren be- nötigt wird. Zusätzlich dient es außerdem als Gleit- und Trennmittel sowie zur Oberflächenveredelung.

Weitere fossile, aus Erdöl gewonnene Wachse sind die Paraffine, welche in makro- und mikrokristalline Paraffine unterteilt werden und je nach Raffinati- onsgrad von flüssig bis fest die unterschiedlichsten Härtegrade und Schmelz- punkte aufweisen können. Die überwiegend aus n-Alkanen bestehenden, reak- tionsträgen makrokristallinen Paraffine werden in großen Mengen als Zusatz für Wachsmischungen gebraucht. In der Holz- und Mineralölindustrie dienen sie meist zur Holzspan- und Faserplattenherstellung. Zusätzlich werden sie zur Herstellung von Vaselinen, Schmiermitteln, Gleit- und Trennmitteln in Gum- miartikeln und Reifen, Feueranzündern, zur Veredelung von Papieren und Kar- tons, wie Tiefkühlpackungen, Bonbonpapieren oder Trinkbechern und ganz besonders zur Produktion von Kerzen benötigt. Die hauptsächlich aus iso- Alkanen zusammengesetzten mikrokristallinen Paraffine kommen auf ähnli- chen Gebieten zum Einsatz. Zusätzlich sind sie in Kaugummis, Klebwachsen, Käsewachsen und kosmetischen Präparaten vertreten. Die Paraffine bilden mittlerweile den Hauptrohstoff bei der Kerzenherstellung und der Anfertigung von Wachsfiguren. In fluorierter Form eignen sie sich ausgezeichnet als Ski- wachs.6

Zu den wichtigen synthetisch gewonnenen Wachsen zählen die Fischer- Tropsch-Paraffine und die Polyethylen-Wachse, die sich in ihren Verwen- dungsgebieten ähneln. So erweisen sie ihren Nutzen als Bindemittel zur Fär- bung von Kunststoffen, als mattierender Zusatz in Lacken und Anstrichmitteln, als Gleit- und Trennmittel in der Kunststoffverarbeitung, als Imprägniermittel von Lebensmittelverpackungen, als Putzmittel in Bohnermassen, Schuh- und Autopolituren oder als Korrosionsschutz von Fahrzeugen, Maschinen und Ge- räten.7

Die mannigfaltigen Wachseigenschaften, die je nach Wachstyp unterschiedlich stark ausgeprägt sein können, sollen auf Grund ihrer unüberschaubaren Fülle am konkreten Beispiel des Bienenwachses näher beleuchtet werden.

2.2 Das Bienenwachs

Beim Bienenwachs handelt es sich um das mit Abstand wichtigste Tierwachs. Obwohl es bereits seit Jahrtausenden bekannt ist, wird es heute immer noch, trotz der Vielfalt an weiteren Wachsen, in diversen Bereichen regelmäßig ver- wendet. Als „Urwachs“, das bis vor 200 Jahren noch mit dem allgemeinen Be- griff „Wachs“ gleichgesetzt wurde, hat es entscheidend zur Definition und Be- griffsbildung des Wachszustands beigetragen und ist mit seinen physikalischen Eigenschaften und seiner chemischen Zusammensetzung somit der Prototyp für viele der heute bekannten Wachse.

2.2.1 Gewinnung

Produziert wird das Bienenwachs, wie es hier zu Lande bekannt ist, als körper- eigener Stoff von Apis mellifica, der europäischen Honigbiene. Es entsteht et- wa 20 Stunden nach Nahrungsaufnahme aus verzehrtem Blütennektar, Blüten- staub oder Honig und ist damit ein Verdauungsprodukt der Biene. Durch Be- reiche wachsproduktiver Hautzellen, die sogenannten Wachsdrüsen, die sich paarweise an der Unterseite des Bauchs der Arbeitsbiene befinden, wird das anfänglich noch weiße Wachs hindurchgeschwitzt, sodass es sich an den Deck- schichten der Drüsen, den Wachsspiegeln, in Plättchenform abscheidet. Diese Wachsschüppchen werden mit Hilfe von an den Hinterbeinen der Biene befind- lichen starken Borsten entfernt, zum Kopf gereicht und daraufhin mit den Oberkiefern, den Mandibeln, weiter verarbeitet, wo die Biene das Wachs zur besseren Verwendung in Verbindung mit ihrem Speichel weich knetet und es anschließend zum Aufbau der Bienenwaben benutzt. Dies geschieht durch die Gruppe der Stockbienen, genauer gesagt der Baubienen, der die Bienen zu Be- ginn bis zum Alter von etwa 18 Tagen angehören. Zur Gewinnung des Bie- nenwachses werden leere Bienenwaben (Abb.1) unter Wärmeeinfluss ge- schmolzen und für den Erhalt eines möglichst reinen Erstarrungsproduktes sehr langsam abgekühlt.8

Bienenwachs wird weltweit gewonnen und findet ebenso Verwendung. Etwa 8000 t der je nach Land oder Region hinsichtlich ihrer Eigenschaften sehr unterschiedlichen Bienenwachse werden jährlich produziert und in Form von Broten, Kegeln, Kuchen, Blöcken oder Platten gehandelt.9

2.2.2 Zusammensetzung und Strukturaufklärung

Bienenwachs ist ein Substanzgemisch aus einer Vielzahl organischer Einzelkomponenten, die sich je nach Herkunft des Wachses in ihrer Zusammensetzung unterscheiden können. Allgemein lässt sich jedoch feststellen, dass sie immer im Wesentlichen aus Estern langkettiger Carbonsäuren und Alkohole bestehen und zusätzlich Kohlenwasser- stoffe, freie Carbonsäuren und freie Alkohole beinhalten.

Mit 73 % nehmen die Wachsester im europäischen Wachs der Honig- biene Apis mellifica den Hauptanteil ein, wobei 35 % des Wachses aus Di-, Tri- und Polyestern und 38 % aus Monoestern bestehen. Deren wesentlicher Bestandteil sind Ester der Palmitinsäure, die 22 % der Gesamtzusammensetzung ausmachen. Hierbei ist der Palmitinsäure- myricylester (Abb.4) mit nur 5,46 % die am meisten vertretene Ein- zelkomponente des Bienenwachses. Die geradzahligen Kettenlängen des Säureteils der Ester liegen zwischen den Kohlenstoffatomen C22 und C36, die Alkoholteile bestehen ebenso aus Ketten mit geradzahli- gen Kohlenstoffkettenlängen zwischen C22 und C36. 14 % des Gemischs bilden Kohlenwasserstoffe, deren Hauptvertreter Heptacosan (C27) ist und 4,4 % ausmacht. Sie setzen sich hauptsäch- lich aus der homologen Reihe der ungeradzahligen Alkane mit den Kohlenstoffatomen C23 bis C33 zusammen und bilden somit 10,3 % des Stoffgemischs. Weitere 3,3 % sind die Alkene mit den Kohlen- stoffanzahlen C31, C33 und C35.

Die freien Fettsäuren, deren Kohlenstoffatome die geradzahligen von C22 bis C34 sind, tragen zu 12 % zur Gesamtzusammensetzung des Bienenwachses bei. Ihr häufigster Vertreter ist mit 5,38 % die Tetracosansäure (C24).

An freien Alkoholen finden sich die einwertigen Alkohole mit den Kettenlängen C28 bis C34 wieder, wobei diese ebenso alle geradzahlig sind und zusammen 1 % des Gesamtgemischs ergeben. Der Glycerin- anteil im Bienenwachs ist verschwindend gering und beträgt nur etwa 0,06 %.10 Dies liefert den entscheidenden Unterschied des Wachses zu Fetten und Ölen, die Ester von Fettsäuren mit diesem dreiwertigen Alkohol sind.

Während diese quantitativen Ergebnisse nur über gaschromatographische Analysemethoden festgestellt werden können, kann die Aufnahme und Auswertung des entsprechenden Infrarot-Spektrums (Abb.5) eine Auskunft über die in Bienenwachs vorhandenen charakteristischen funktionellen Gruppen und Verbindungsklassen liefern, was sogar im Schulversuch möglich ist.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb.5: Infrarot-Spektrum von festem Bienenwachs

Die in Abb.5 sichtbaren Absorptionsbanden lassen sich bei Vergleich mit einem Referenzspektrum11 und mit Hilfe von charakteristischen Wellenzahlen verschiedener Verbindungsklassen12 folgendermaßen interpretieren:

I Bandenbereich 3650 - 3200 cm-1:

Dieser breite, teilweise aus vielen kleinen Peaks bestehende Bandenbereich kommt durch die Valenzschwingungen der Hydroxylgruppen (O-H) der freien Alkohole zu Stande.

II Bande 2916,2 cm-1 und 2848,7 cm-1:

Diese intensiven Peaks sind auf Verbindungen mit CH-, CH2- und CH3- Gruppen und deren Valenzschwingungen zurückzuführen.

III Bande 1735,8 cm-1 und 1712,7 cm-1:

Die Valenzschwingungen der Carbonylgruppen (C=O) verursachen diese intensiven Peaks, wobei der stärkere mit der Wellenzahl 1735,8 cm-1 auf Grund von Carbonsäureestern entsteht und der etwas schwächere bei 1712,7 cm-1 von freien Carbonsäuren erzeugt wird.

IV Bande 1473,5 cm-1 und 1463,9 cm-1:

Hier finden sich ebenso die Verbindungen mit CH-, CH2- und CH3-Gruppen wieder, wobei diese Peaks ein Resultat der Deformationsschwingungen der entsprechenden Atomgruppen sind.

V Bande 956,6 cm-1, 920,0 cm-1, 889,1 cm-1 und Bereich 1450 - 1200 cm-1:

Diese Peaks sind für den festen Zustand des Bienenwachses charakteristisch und fehlen nach Schmelzen oder Lösen.

VI Bande 1172,6 cm-1:

Die Valenzschwingungen der in den Carbonsäuren und Carbonsäureestern vorhandenen Sauerstoffbrücken (C-O) verursachen diesen Peak. VII Bande 729,0 cm-1 und 719,4 cm-1:

Hier sind die Rotationsschwingungen der Methylengruppen (CH2) langkettiger Kohlenwasserstoffe wiederzufinden.

Zur Präparierung der Stoffprobe für die IR-Messung wird eine geringe Menge Bienenwachs von etwa 0,1 - 0,2 g in einem 50 ml Becherglas voll Wasser auf- gekocht, zum Schmelzen gebracht und anschließend abkühlen gelassen. Nach Erkalten bildet sich eine dünne Wachsschicht an der Wasseroberfläche, die vorsichtig abgenommen und zur Messung verwendet werden kann.

2.2.3 Physikalische / chemische / technische Eigenschaften

Da Bienenwachs jener Stoff ist, an dessen Charakteristik sich alle Wachse und Wachsarten mit ihren Eigenschaften orientieren und der die Grundlage für die heutige Definition von Wachs, sowohl aus chemischer als auch anwendungstechnischer Sicht, ist, sollen die vielfältigen Eigenschaften dieses besonderen Wachses exemplarisch aufgezeigt werden.

Die physikalischen Eigenschaften, die in ihrer Gesamtheit den wachsartigen Zustand des Bienenwachses bestimmen, ergeben sich aus dessen chemischen Eigenschaften. Diese resultieren aus den verschiedenen vorhandenen chemi- schen Elementen, die je nach Anordnung unterschiedliche Moleküle und Kom- ponenten bilden. Deren Struktur, Größe, Form und Mischungsverhältnis sind letztendlich für die Beschaffenheit des Bienenwachses verantwortlich.

Die vermutlich nächstliegenden und offensichtlichsten physikalischen Eigen- schaften sind die einfachen, die sich mit den Sinnen sofort wahrnehmen lassen. Zu diesen zählen zunächst einmal Farbe, Geruch und Geschmack (siehe Ver- such 4.9). Diese drei Aspekte werden im Falle des Bienenwachses alle wesent- lich von Honig mitbestimmt. Während sich besonders Geruch und Geschmack des Bienenwachses auf Grund ihrer Unverwechselbarkeit und Eigenheit als „wachsartig“ beschreiben lassen, so ist doch zusätzlich ein gewisses Aroma präsent, das an Honig erinnert und von eben diesem stammt. Er trägt auch mit zur dunkelgelben Farbe des Bienenwachses bei, wobei für die Dunkelfärbung des anfänglich weißen Wachses neben Larvenkot in erster Linie in die Waben eingetragene Pollen mit ihren Farbstoffen verantwortlich sind. Diese sind im Wesentlichen Carotine (Abb.6), langkettige Kohlenwasserstoffverbindungen, deren Farbe auf der Absorption von blauem Licht durch ihr delokalisiertes π- System beruht, das sich über konjugierte Doppelbindungen erstreckt. Da diese Farbstoffe in organischen Lösemitteln gut löslich sind (siehe Versuch 4.8) und durch Einstrahlung von UV-Licht das System konjugierter Doppelbindungen durch inter- und intramolekulare [2+2]-Cycloadditionen an reaktiven Doppel- bindungen und Bildung von Cyclobutanringen unterbrochen wird, können ver- schiedene Lösemittel und Lichteinstrahlung zur Entfärbung des Bienenwachses beitragen (Abb.7). So ist das Bleichen mit Sonnenlicht heute noch eine der gängigen Methoden, aus gelbem wieder weißes Bienenwachs herzustellen, das nach zusätzlicher Reinigung den Namen „Cera Alba“ trägt.13

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Abb.6: Farbstoff β -Carotin mit reaktiver Doppelbindung (roter Pfeil)

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Abb.7: Gelbes Bienenwachs vor (links) &

nach (rechts) mehrtägiger Sonnenlichtaussetzung

Bei Untersuchung der Konsistenz stellt sich heraus, dass das Bienenwachs bei Raumtemperatur fest, brüchig, trocken und splitterig ist (siehe Versuch 4.9). Bei Temperaturerhöhung beginnt es, sich zu verflüssigen, wobei es auf Grund seiner Zusammensetzung aus einer Vielzahl von Einzelsubstanzen mit unter- schiedlichen Schmelzpunkten kein Reinstoff ist und somit keinen festen Schmelzpunkt, sondern einen ungefähren Schmelzbereich besitzt, der etwa zwischen 61 und 68 °C liegt.14 Dieser kann allerdings abhängig von der jewei- ligen Wachsprobe je nach Herkunft geringfügig schwanken. Bei Betrachtung der aufgenommenen DTA-Kurve fällt auf, dass die Temperaturzunahme beim endothermen Schmelzvorgang (Abb.8) des Bienenwachses nur langsam erfolgt und die Kurve im Bereich von 61 bis 65 °C das größte Gefälle besitzt, hier also die zugeführte Energie anstatt zur Erwärmung im Wesentlichen für den Schmelzvorgang verbraucht wird. Dieser Bereich kann somit als Schmelzbe- reich betrachtet werden, da die Kurve anschließend enorm ansteigt, was auf einen zügigen Temperaturanstieg und einen beendeten Schmelzvorgang hin- weist.

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Abb.8: DTA-Schmelzkurve von Bienenwachs

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Abb.9: DTA-Erstarrungskurve von Bienenwachs

Die exotherme Erstarrungskurve (Abb.9) zeigt bei 63 °C einen schlagartigen Kurvenanstieg, was auf den einsetzenden Erstarrungsvorgang, der auf der spontanen Bildung eines Kristallisationskeimes beruht, hinweist. Bei 57 °C erreicht die Kurve ihr Maximum und fällt anschließend etwas weniger steil ab. Der Erstarrungsvorgang erstreckt sich demnach vor allem über den angegebe- nen Bereich. Somit liegt der Erstarrungsbereich des Bienenwachses wenige Grad Celsius niedriger als der Schmelzbereich. Die Ergebnisse decken sich recht gut mit denen aus den entsprechenden Versuchen (siehe Versuche 4.6 und 4.7) und den DTA-Vergleichskurven aus der Literatur.15

Die TG-Kurve ändert sich sowohl während des Schmelz- als auch des Erstar- rungsvorgangs nur so minimal, dass bei diesen beiden Phasenübergängen von einer konstanten Masse des Bienenwachses gesprochen werden kann. Der Siedepunkt von Bienenwachs, der, wie auch sein Schmelzpunkt, natürli- chen Schwankungen unterlegen ist, ist etwa bei einer Temperatur von 236 °C erreicht.16 Flammpunkt und Zündtemperatur liegen etwas höher bei 265 und 305 °C.17

Wird es zu weit über seinen Schmelzpunkt erhitzt, erfolgt eine thermische Zer- setzung seiner Bestandteile. Bei dieser Pyrolyse verfärbt sich das Bienenwachs schwarz und besitzt nach Abkühlen eine etwas bessere Verformbarkeit (Abb.10/11), da neben gasförmigen Produkten und Teer teilweise kurzkettigere Kohlenwasserstoffverbindungen entstehen, die im Gegensatz zu langkettigen Verbindungen die Härte des Stoffs herabsetzen (siehe Versuch 4.10). Im gas- förmigen Zustand ist es, wie für Kohlenwasserstoffverbindungen üblich, gut brennbar (siehe Versuche 4.4 und 4.5) und besitzt zusätzlich die Eigenschaft der Dochtbrennbarkeit.

Abb.10/11: Bienenwachs nach Pyrolyse

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Der körnige Bruch des Bienenwachses bei Raumtemperatur ändert sich bei erhöhter Temperatur und wird bis etwa 45 °C mehr und mehr faserig. Eine Ab- kühlung auf Minusgrade beeinflusst das bröckelige Bruchverhalten jedoch nicht. Allerdings geht mit Temperaturveränderungen eine starke Änderung des Volumens einher. So beträgt die langsam und kontinuierlich verlaufende Vo- lumenkontraktion, die bei Abkühlung von etwa 75 °C auf Standardtemperatur erfolgt, nahezu 10 %, bei Abkühlung von 100 auf 20 °C sogar etwa 17% (siehe Versuch 4.3).18,19

Dies beeinflusst unter anderem maßgeblich die Dichte. Bei Raumtemperatur liegt diese bei etwa 0,960 - 0,970 g/cm³20 (siehe Versuch 4.1), mit zunehmender Temperatur nimmt sie, als logische Konsequenz aus der Volumenausdehnung und der gleichbleibenden Masse, jedoch ab, weshalb festes Bienenwachs in flüssigem zu Boden sinkt (siehe Versuch 4.2).

Auch das elastische und plastische Formverhalten wird wesentlich von der Temperatur mitbestimmt. So lässt sich festes Bienenwachs bei Raumtempera- tur gut in den Händen kneten, ohne dabei zu kleben, wobei sich hier die Ver- formbarkeit dank der Handwärme im Laufe der Zeit verbessert. Dennoch haftet es gut besonders auf glatten Oberflächen der unterschiedlichsten Materialien, wie etwa Metall, Holz oder Plastik. Eine Zunahme der Temperatur bis zur Ver- flüssigung sorgt folglich für eine Steigerung der Verformbarkeit. Somit besitzt Bienenwachs unter seinem Schmelzpunkt über ein bestimmtes Temperaturin- tervall hinweg eine verhältnismäßig große Weichheit, während es bei weiterem Absinken der Temperatur über eine zügig zunehmende Härte verfügt. Diese hat es seiner Kristallinität und damit der seiner Einzelkomponenten zu verdanken. Da diese keine sonderlich hohen Molekulargewichte besitzen, ist flüssiges Bie- nenwachs von niedriger Viskosität. Es lässt sich gut als Film auf diversen Oberflächen auftragen und auspolieren, sodass es anschließend auf den ent- sprechenden Objekten eine sichtbare Glanzgabe zeigt.

In flüssigem Zustand ist das Bienenwachs sehr gut mit Ölen und organischen Lösemitteln mischbar und lässt sich daher gut einfärben, mit Wasser bildet es eine Emulsion (siehe Versuche 4.16, 4.17 und 4.19). Dies liegt daran, dass Bienenwachs aus langkettigen, unpolaren Kohlenwasserstoffverbindungen be- steht, zwischen denen Van-der-Waals-Kräfte wirken. Auf Grund seines Bestre- bens zur Kristallisation ist es daher als Feststoff wasserabweisend, in Wasser unlöslich und in vielen organischen Lösemitteln, besonders bei niedrigeren Temperaturen, nur mäßig löslich. Chloroform vermag Bienenwachs bei Raumtemperatur vollständig zu lösen, Benzin und Cyclohexan gelingt dies bei etwas erhöhter Temperatur, die allerdings noch immer unter dem Schmelzpunkt von Bienenwachs liegt (siehe Versuch 4.8).

Im Bienenwachs sind freie Säuren vorhanden, die mittels einer Base neutrali- siert werden können. Diese Säurezahlbestimmung kann quantitativ erfolgen und ist eine charakteristische Kennzahl bei der Identifizierung von Bienen- wachs (siehe Versuch 4.11). Da das Bienenwachs zum Großteil aus Estern be- steht, ist hier ein häufig auftretendes Strukturelement die Estergruppe, welche unter Einfluss eines Überschusses an Base und zusätzlicher Wärme hydroly- siert werden kann. Werden aus freien Wachssäuren und den Wachsestern die Alkali- oder Erdalkalisalze gebildet, weist das Wachs nach dieser Verseifung veränderte Eigenschaften auf (siehe Versuche 4.15 und 4.18). Bei quantitativer Esterhydrolyse ergibt sich die Esterzahl, die in additiver Kombination mit der Säurezahl die Verseifungszahl bildet (siehe Versuch 4.12). Mit der Bestim- mung der Iodzahl lassen sich in Folge einer elektrophilen Addition ungesättigte Verbindungen nachweisen (siehe Versuch 4.13). Auch die Ermittlungen dieser Kennzahlen tragen zur Charakterisierung von Bienenwachs bei und lassen Aussagen über dessen Zusammensetzung und Reinheit zu.

Auf Grund der im Bienenwachs vorhandenen Antioxidantien ist dieses gegenüber äußeren Einflüssen und Einwirkungen, teilweise über Jahre hinweg, recht inert und reagiert somit beispielsweise nicht mit Sauerstoff oder Feuchtigkeit der Luft. Des Weiteren ist es für den Menschen unverdaulich.

2.2.4 Verwendung früher und heute

Wie in dem einleitenden Zitat schon deutlich wird, haben die Menschen bereits früh die vielfältigen Eigenschaften von Bienenwachs erkannt und diese ge- schickt in den verschiedensten Bereichen verwendet und ausgenutzt. Aus diesem Grund war jenes Naturprodukt seit früher Zeit ein wichtiges All- tagsgut und ein wertvoller Handelsartikel. Die gute Verformbarkeit und Schmelzbarkeit kamen besonders bei der Anfertigung von Figuren zum Tra- gen, die entweder selbst aus Wachs bestanden oder bei denen Wachs zur For- mung eines Gussmodells Verwendung fand. Unter zusätzlicher Ausnutzung der langfristigen Dichtigkeit und Beständigkeit des Wachses gegenüber Wasser, Luft und äußeren Einflüssen diente das Bienenwachs zur Abdichtung von Schiffen und als Überzug für Skulpturen, Gemälde, Geräte und Wände. Neben der damit verbundenen Korrosionsschutzwirkung war hier außerdem die Glanzfunktion von Vorteil, die entsprechend behandelten Objekten einen leuchtenden Schimmer verlieh. Die chemische Beständigkeit machte sich auch besonders bei der Mumifizierung von Leichen bemerkbar, die mit Wachs über- zogen und somit konserviert wurden. Besonders in der Malerei kam die Färbbarkeit des Bienenwachses zum Einsatz, wo es dann anschließend häufig für enkaustische Malverfahren unter Wärmebehandlung verarbeitet wurde. Als Beschreibstoff diente es in Form von Wachstafeln, in die Zeichen geritzt und durch Glätten des Wachses wieder gelöscht werden konnten. Für Salben, Pflas- ter und Verbände verwendete man es außerdem als Bindemittel, und seine Kle- bewirkung wurde beispielsweise beim Gebrauch als Wachssiegel beansprucht. Berühmt ist das Bienenwachs vor allem für seine Dochtbrennbarkeit und seine Leuchtfunktion in Kerzenform, die in den verschiedensten Kulturen seit Jahr- tausenden Tradition hat.4

Die Verwendung von Bienenwachs als Kerze, als Rohstoff für Wachsfiguren und anatomische Wachspräparate oder als biologischer Schutzstoff von Mate- rialien wie Leder, Holz, Stein, Metall oder Papier ist auch in neuerer Zeit noch aktuell.1 So wird es dank seiner Glanzgabe und guten Polierbarkeit teilweise immer noch in Wachsen zu Politurzwecken wie Bohnerwachs, Möbelwachs oder Schuhwachs verwendet. Hauptabnehmer für Bienenwachs sind jedoch die Kosmetik- und die Pharmaindustrie, die Bienenwachs in Medikamenten, Cremes, Salben, Lippenstiften, Haarwachs oder Enthaarungswachs einsetzen.

Hierfür sind besonders die gute Emulgierbarkeit, Mischbarkeit und Konsis- tenzgabe, die antibiotische Eigenschaft und der hohe Vitamin-A-Gehalt des Bienenwachses verantwortlich. Das als Hautschutzvitamin bekannte Vitamin A sorgt für weichere, geschmeidigere und besser durchblutete Haut.21 Als Le- bensmittelzusatzstoff ist Bienenwachs ebenso zugelassen. Mit der Bezeichnung E 901 dient hier der gesundheitlich unbedenkliche und für den Menschen un- verdauliche Stoff beispielsweise für Äpfel, Süßigkeiten, Kaugummis oder Gummibärchen als glanzgebender Überzug, der zusätzlich als Konservierungs- oder Trennmittel fungiert.22 Des Weiteren werden Wachsmalstifte, die für Kin- der besonders unbedenklich sein sollen, im Wesentlichen aus Bienenwachs hergestellt.23

Letztlich verbleibt stets ein nicht unerheblicher Teil Bienenwachs im Imkerei- betrieb selbst, wo er zu neuen Mittelwänden gepresst als Grundlange zur Ent- stehung neuer Bienenwaben wieder im Bienenstock Verwendung findet.

3. Didaktischer Teil

3.1 Begründung der Behandlung des Themas „Wachs“ im Chemieunterricht

Mit der Behandlung des Themas „Wachs“ im Chemieunterricht wird ein Stoff untersucht, der direkt aus der Alltagswelt der Schüler gegriffen ist und der ih- nen dort häufig begegnet, teilweise ohne dass ihnen dies bewusst ist. Gerade auch das Bienenwachs dürfte den Schülern schon des Öfteren beispielsweise sehr plakativ in Form von Kerzen, aber auch etwas indirekter als wichtiger Zusatzstoff von Kosmetikartikeln oder als Trennmittel in Süßigkeiten begegnet sein. Gerade zur Begründung des Einsatzes des Stoffes in den verschiedensten Gebieten ist eine genauere Kenntnis seiner Eigenschaften unumgänglich. In Verbindung mit einer praxisorientierten Vermittlung werden dem Schüler so- mit nicht nur die physikalisch-chemischen Stoffbesonderheiten, sondern auch die technologischen und alltäglichen Aspekte des Stoffs näher gebracht, sodass hier Fachsystematik und Alltagsorientierung gut miteinander verknüpft werden können. Die bewusste Auswahl von Bienenwachs, einem wichtigen Naturpro- dukt, ermöglicht eine günstige Beziehung zwischen der Chemie und anderen Bereichen. So liegt der Naturbezug auf der Hand, der sich beispielsweise bei Betrachtung der chemischen Zusammensetzung des Bienenwachses in bioche- mischen Aspekten, jedoch auch in ökologischen Gesichtspunkten nieder- schlägt. So kann Bienenwachs als ein immer seltener werdender Rohstoff der Natur den Ansatz für ein umweltorientiertes Unterrichtsverfahren liefern. Dies schlägt auch die Brücke zur Biologie. Hier liegt das Augenmerk auf den Wachsproduzenten, den Bienen, mit ihren Verhaltensweisen, Eigenarten und der Wachsproduktion. Diese Punkte helfen dabei, die Schüler für einen ange- brachten Umgang mit den Tieren zu sensibilisieren und unterstreichen die Re- levanz dieser nicht nur für den Menschen wichtigen Lebewesen und ihres Stoffwechselprodukts. Die Exkursion zu einem Imkereibetrieb kann diese Er- kenntnis für Schüler zusätzlich verdeutlichen.

Auch aus geschichtlicher Sicht kommt dem Bienenwachs wohl die größte Be- deutung aller Wachse zu, was eine historisch-problemorientierte Herange- hensweise im Chemieunterricht ermöglicht. Als seit Jahrtausenden bekannter und verwendeter Rohstoff und das erste bekannte Wachs überhaupt spielt es gerade mit seiner Leuchtfunktion auch in der Mythologie eine besondere Rolle und wurde im alten Ägypten zur Mumifizierung verwendet. Seine Erzeuger, die Bienen, wurden auf Grund der Kostbarkeit des Wachses zu dieser Zeit so- wie im antiken Griechenland sogar als heilige Tiere angesehen. Die chemische Modifizierung des Wachses durch Überführung in einen Stoffzustand mit ver- änderten Eigenschaften, das sogenannte Punische Wachs, ist ebenso ein Relikt dieser Zeit, das im entsprechenden Schulversuch nachgestellt werden kann und mittels Verseifung gelingt. Da dieser Stoff besonders in der Malerei Anwen- dung fand und heute teilweise noch findet, ist Bienenwachs zusätzlich in der Kunst von Bedeutung. Seine Verarbeitungsmöglichkeiten zu Wachsmalstiften, Kerzen, Figuren und der Einsatz in der Batik, die auf physikalisch-chemischen Eigenschaften wie Mischbarkeit, Dochtbrennbarkeit, plastischer Verformbar- keit und Hydrophobie beruhen, tragen einen weiteren Teil dazu bei, sodass eine Verknüpfung des Themas mit den genannten Gebieten und Schulfächern durchaus möglich ist. Neben diesen Aspekten sorgen eindrucksvolle und far- benfrohe Versuche, zu denen sicherlich die Verpuffung von Bienenwachs und die Herstellung von Wachsmalstiften zählen, aber besonders auch die hand- lungsorientierte Herstellung von Kosmetikartikeln, explizit Lippenpflegestif- ten, Honigseife und Haarwachs, für eine gesteigerte intrinsische Motivation bei den Schülern. Hierzu tragen vornehmlich der optische Reiz und die anschlie- ßende Möglichkeit zur Alltagsverwendung der entstandenen Produkte bei. Ge- rade letztegenannter Aspekt sorgt bei Schülerinnen in Verbindung mit den Kosmetikartikeln für gesteigertes Interesse und kann dabei helfen, ihre häufig negative Grundeinstellung zum Chemieunterricht zumindest teilweise zu kom- pensieren.24 Außerdem bietet die Thematisierung von Wachsen eine sinnvolle Ergänzung zu den Fetten, die physikalische und daraus resultierende chemische Gemeinsamkeiten, aber auch Unterschiede haben, sich somit gut vergleichen lassen und dank ihrer leichten Handhabung in Schulexperimenten gut einsetz- bar sind. Ganz allgemein fördern die Versuche demnach ein für die Alltagswelt bedeutendes chemisches Verständnis der Schüler und helfen diesen mit ihren Inhalten, die Fachsprache richtig zu erlernen und einzusetzen. Die weitgehende Ungefährlichkeit und Unreaktivität des Bienenwachses, sein geringer Preis und die Tatsache, dass alle seine Aggregatzustände leicht erreichbar sind, verleihen dem Stoff zur Anwendung in Schulversuchen besondere Attraktivität.

[...]

Ende der Leseprobe aus 126 Seiten

Details

Titel
Die Chemie der Wachse. Ein Unterrichtsthema mit schulexperimentellen Vorschlägen am Beispiel Bienenwachs
Hochschule
Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main  (Didaktik der Chemie)
Note
1,0
Autor
Jahr
2009
Seiten
126
Katalognummer
V280107
ISBN (eBook)
9783656732242
ISBN (Buch)
9783656732235
Dateigröße
5572 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Bienenwachs, Wachs, Experimente, Versuche, Schüler, Schule, Schülerexperimente, Zusammensetzung, Struktur, Verwendung, Eigenschaften, physikalische, chemische, Lehrplan, Dichte, Brennbarkeit, Brennpunkt, Flammpunkt, Zündtemperatur, Schmelzpunkt, Erstarrungspunkt, Löslichkeit, Verpuffung, Iodzahl, Verseifungszahl, Säurezahl, Punisches Wachs, Wachsmalkreide, Lippenstift, Kosmetik, Honigseife, Haarwachs, Unterricht
Arbeit zitieren
Patrick Hauert (Autor:in), 2009, Die Chemie der Wachse. Ein Unterrichtsthema mit schulexperimentellen Vorschlägen am Beispiel Bienenwachs, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/280107

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