Die Blending-Theorie. Ein hilfreicher Ansatz beim Verstehen neuartiger Metaphern?


Seminararbeit, 2013

27 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

0 Einleitung. 1

0.1 Fragestellung und These. 3

0.2 Korpus. 3

1 Die Blending-Theorie. 4

1.1 Die mentalen Bereiche. 4

1.1.1 Input-Bereiche. 5

1.1.2 Generischer Bereich. 5

1.1.3 Blending-Bereich. 5

1.2 Beschränkungen der Blending-Theorie: Optimalitätsprinzipien. 8

2 Korpus-Analyse. 9

2.1 Metaphernverstehen ohne Kotextualisierung. 9

2.2 Metaphernverstehen mithilfe von Ko- und Kontext 10

3 Diskussion. 19

4 Zusammenfassung und Fazit 22

5 Literaturverzeichnis. 23

0 Einleitung

„Metaphern – und Tropen insgesamt – spielen innerhalb der Kognitiven Linguistik eine besondere Rolle. Allein die Literatur zu Metaphern ist inzwischen nicht mehr zu überblicken. […] Ein Grund, warum Metaphern eine so große Aufmerksamkeit bekommen, besteht darin, dass sich an ihnen z.T. sehr komplexe kognitive Prozesse exemplarisch studieren lassen.“ (Ziem, 2008: 3).

Die Blending-Theorie wurde von Fauconnier und Turner (1996, 2002) im Rahmen der (holistischen) kognitiven Linguistik entwickelt. Sie geht aus der mental space theory von Fauconnier (1994) hervor. Zudem lässt sie sich auf die Interaktionstheorie der Metapher (Richards 1936, Black 1954) zurückführen. Diese besagt: „when we use a metaphor we have two thoughts of different things active together and supported by a single word, or phrase, whose meaning is a resultant of their interaction” (Richards 1965: 93). Die Interaktionstheorie geht demnach davon aus, dass sich die Gesamtbedeutung einer Metapher nicht anhand der einzelnen Konzepte erschließen lässt. Sie ist vielmehr das Ergebnis der Interaktion der verschiedenen Vorstellungen (s. Skirl/Schwarz-Friesel 2007: 58f). Nisbet (1969: 4) beschreibt „an instantaneous fusion of two separate realms of experience into one illuminating, iconic, encapsulating image”. Auch in der Blending-Theorie wird das Metaphernverstehen dadurch erklärt, dass die Bedeutung durch die Interaktion mentaler Bereiche vom Rezipienten konstruiert wird. Ein wichtiger Aspekt ist dabei der Emergenz-Begriff. Auf Parallelen zwischen der Interaktions- und der Blending-Theorie gehen Fauconnier und Turner allerdings nicht ein.

Die Blending-Theorie wird als eine Ergänzung der konzeptuellen Metapherntheorie von Lakoff und Johnson (1980) betrachtet. Die konzeptuelle Metapherntheorie beschäftigt sich vorrangig mit der Erklärung des Verstehens konventioneller Metaphern und bezieht sich dabei auf wiederkehrende Muster in Form von stabilen Wissensstrukturen im Langzeitgedächtnis (s. Grady/Oakley/Coulson 2001: 14). Dabei wird der Prozess der konzeptuellen Projektion und Integration (mapping) betont (s. Ziem 2008: 3).

Die Blending-Theorie ist zwar als allgemeine Theorie der konzeptuellen Integration von Informationen zu verstehen (s. Coulson/Oakley 2000: 176): „It is a general theory of online conceptual combination, applicable to a wide range of areas“ (Schmid 2011: 219). Sie hat jedoch innerhalb der kognitiven Linguistik auch den Anspruch, das Phänomen des Verstehens neuartiger Metaphern erläutern zu können, was insbesondere durch Grady/Oakley/Coulson (2001) voran getrieben wurde (s. Skirl 2009: 27). Der zentrale Aspekt der Blending-Theorie ist die Annahme, „dass sprachliche Bedeutungskonstruktionen emergente Wissenseinheiten darstellen, d.h. Wissenseinheiten, die sich nicht durch bloße Addition der Wissensaspekte aus der Quell- und Zieldomäne erklären lassen und deswegen keinen kompositionellen Charakter haben. Solche „blending“-Prozesse sind nicht sprachspezifischer Natur.“ (Ziem 2008: 3). Durch die Kombination von Konzepten soll eine konzeptuelle Vermischung (conceptual blending) entstehen. Mit der Blending-Theorie wird versucht, die dynamische Entwicklung von online verarbeiteten Repräsentationen bei neuartigen Metaphern zu erfassen (s. Grady/Oakley/Coulson 2001: 14). „As opposed to conceptual metaphor theory, conceptual blending emphasizes the online processes which lead to our understanding of linguistic expressions” (Handl/Schmid 2011: 5).

Der Lakoffschen Tradition folgend, wird auch in der Blending-Theorie nicht zwischen sprachlichen und konzeptuellen Strukturen unterschieden: Innerhalb der holistischen Sichtweise der kognitiven Linguistik „wird die These vertreten, dass der Geist ein unteilbares Ganzes darstellt, das von einer Reihe fundamentaler Prinzipien determiniert wird“ (Schwarz 2008: 26). Dementsprechend werden Metaphern nur sekundär als Sprachgebrauchsphänomene betrachtet. Primär gelten sie als alltägliche Formen der Konzeptualisierung, bei der kognitiv schwer erfassbare, abstrakte Konzepte über die Projektion direkt erfahrbarer, konkreter Konzepte verstanden werden (s. Skirl 2009: 59). Dies wird auch von Benczes (2011: 248) verdeutlicht: „[…] metaphor and metonymy can be considered as various kinds of construal operations, that is, mental processes that we employ for interpreting or conceptualizing the world around us”.

In der vorliegenden Arbeit soll zunächst ein Überblick über die Blending-Theorie gegeben werden. Anhand eines selbstgewählten Korpus wird anschließend ihre Anwendbarkeit an einigen Beispielen neuartiger Metaphern erprobt. Dies soll eine Einschätzung darüber erlauben, ob die Blending-Theorie einen hinreichenden Ansatz zur Erklärung des Metaphernverstehens bietet. Die Ergebnisse der Analyse werden abschließend diskutiert und mit Kritikpunkten der bestehenden Literatur verknüpft.

0.1 Fragestellung und These

Fragestellung: Kann mithilfe der Blending-Theorie eine Erklärung des Verstehens neuartiger Metaphern erfolgen?

These: Die Blending-Theorie bietet keinen hinreichenden Ansatz zur Erklärung des Verstehens neuartiger Metaphern.

0.2 Korpus

Zur Erprobung der Anwendbarkeit der Blending-Theorie auf neuartige Metaphern wurde ein Korpus von insgesamt 15 sprachlichen Äußerungen zusammengestellt. Dabei handelt es sich um innovative und kreative Substantiv- und Adjektivmetaphern [1] sowie um Beispiele von nicht-metaphorischem Sprachgebrauch. Kreative Metaphern basieren auf bereits bekannten Konzeptualisierungen und lassen sich in lexikalisierten Metaphern nachweisen. Innovative Metaphern lassen sich hingegen nicht auf solche konventionellen Metaphern zurückführen, sondern stellen gänzlich neue Konzeptkopplungen dar. Sie sind daher oft ungewöhnlicher als kreative Metaphern (s. Skirl 2007: 30f). Häufig erweist es sich als schwierig, den Grad der Neuartigkeit einer Metapher festzustellen. Aufgrund des begrenzten Wissens über den Sprachgebrauch sowie die Etymologie sprachlicher Ausdrücke, kann die Beurteilung der Innovativität oder Kreativität nur subjektiv erfolgen (s. Skirl 2007: 32). Daher werden in der vorliegenden Arbeit sowohl kreative, als auch innovative Metaphern betrachtet.

Da die Blending-Theorie eine Erklärung des Verstehens neuartiger Metaphern postuliert, soll anhand des ausgewählten Korpus obige Fragestellung bearbeitet werden. Unter anderem wird aufgezeigt, wie eine sprachliche Äußerung in verschiedenen Kotexten zu unterschiedlichen Verstehensergebnissen führen kann. Durch die exemplarische Analyse einiger neuartiger Metaphern und deren Gegenüberstellung zum nicht-metaphorischen Sprachgebrauch soll die Beantwortung der Fragestellung ermöglicht werden.

1 Die Blending-Theorie

Innerhalb der Blending-Theorie wird davon ausgegangen, dass durch das Zusammenwirken mehrerer mentaler Bereiche ein integriertes konzeptuelles Netzwerk (conceptual integration network) entsteht: „metaphors […] involve more than mappings or bindings between two spaces. They involve many spaces, and they involve emergent structure in the network” (Fauconnier/Turner 2008: 5).

1.1 Die mentalen Bereiche

Mentale Bereiche sind „semantische Repräsentationsformate für konkrete Äußerungsbedeutungen, die an Prozessen der konzeptuellen Verschmelzung („blending“) maßgeblich beteiligt sind“ (Ziem 2008: 3). Mindestens vier mentale Bereiche ergeben zusammen das integrierte konzeptuelle Netzwerk. Diese Bereiche sind nicht statisch, sondern entstehen prozedural während des Denkens und Sprechens. Sie sind online mit im Langzeitgedächtnis gespeicherten Schemata verbunden und untereinander verknüpft. Zudem können sie während der online-Verarbeitung modifiziert werden (s. Fauconnier/Turner 2002: 40ff). Dabei wird der „Gesamtprozess der Kombination von Konzepten […] als konzeptuelle Vermischung, als ‚conceptual blending‘ bezeichnet und als eine der grundlegenden kognitiven Operation[en] apostrophiert“ (Skirl 2009: 27). Diese kognitiven Operationen sollen dem konventionellen sowie dem kreativen und innovativen Denken zugrunde liegen (ebd.). „We will show that [these operations, IK] are the key to the invention of meaning and that the value of even the simplest forms lies in the complex emergent dynamics they trigger in the imaginative mind” (Fauconnier/Turner 2002: 6).

Im Folgenden werden die in der Blending-Theorie postulierten Annahmen anhand der untenstehenden häufig zitierten Metapher (s. Grady/Oakley/Coulson 2001) veranschaulicht (s. Abb.1):

Der Chirurg ist ein Fleischer.

1.1.1 Input-Bereiche

Die Input-Bereiche stellen die zu verknüpfenden Konzepte dar. Der Input-Bereich 1 entspricht im Fall von (1) dem Zielbereich/ Konzept 1 (CHIRURG) und der Input-Bereich 2 entspricht dem Ursprungsbereich/ Konzept 2 (FLEISCHER). Abhängig von der Anzahl der zu kombinierenden Konzepte sind auch mehr als zwei Input-Bereiche möglich.

1.1.2 Generischer Bereich

Dieser Bereich umfasst den gemeinsamen Konzept-Inhalt aus beiden Inputbereichen. Er erfasst gemeinsame Merkmale oder Eigenschaften. In (1) bedeutet dies, dass in beiden Konzepten eine Person einen scharfen Gegenstand nutzt, um eine Handlung an einem anderen Lebewesen durchzuführen. Der generische Bereich lässt sich in (1) recht konkret bestimmen. Dies wird auch von Coulson und Oakley (2000: 179) bestätigt: „Because generic spaces represent information shared by the entire network, it is often the case that information in the generic space is concrete […]”. Die Anwendung an eigenen Beispielen wird zeigen, dass sich der generische Bereich – also die gemeinsamen Eigenschaften zweier Konzepte – oftmals nur sehr abstrakt erfassen lässt.

1.1.3 Blending-Bereich

Im Blending-Bereich (oder kurz Blend) interagieren selektive Informationen aus beiden Inputbereichen miteinander. Dabei wird die konzeptuelle Komplexität der Input-Bereiche durch Komprimierung (compression) reduziert, so dass eine ganzheitliche konzeptuelle Gestalt entsteht (s. Schmid 2011: 219).

Zudem findet im Blending-Bereich der Emergenz-Begriff Anwendung. [2] Kennzeichen innovativer Metaphern ist das Auftreten von Relationen oder Eigenschaften, die erst durch die Interaktion entstehen und aktiv konstruiert werden müssen (s. Skirl 2009: 73). Diese emergenten Strukturen erzeugen neue Bedeutungen, die für sich betrachtet nicht notwendiger Teil der einzelnen Konzepte sind (s. Fauconnier/Turner 2002: 42f).

Fauconnier und Turner (2002) postulieren drei zentrale Integrationsprozesse des Blending („Blending-Prozesse“), durch welche emergente Strukturen auftreten können:

[...]


[1] zur Terminologie s. Skirl/Schwarz-Friesel (2007: 21)

[2] zur uneinheitlichen und strittigen Verwendung des Emergenz-Begriffs in der ursprünglichen und der neuesten Fassung der Blending-Theorie durch Fauconnier und Turner (2002, vgl. Fauconnier 2005, Fauconnier/Turner 2008) siehe auch Skirl 2009: 29ff, 76.

Ende der Leseprobe aus 27 Seiten

Details

Titel
Die Blending-Theorie. Ein hilfreicher Ansatz beim Verstehen neuartiger Metaphern?
Hochschule
Technische Universität Berlin  (Institut für Sprache und Kommunikation)
Veranstaltung
Kognitive Linguistik und Metapherntheorien
Note
1,0
Autor
Jahr
2013
Seiten
27
Katalognummer
V280051
ISBN (eBook)
9783656732778
ISBN (Buch)
9783656732785
Dateigröße
564 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
blending-theorie, ansatz, verstehen, metaphern
Arbeit zitieren
MA Isabelle Köntopp (Autor:in), 2013, Die Blending-Theorie. Ein hilfreicher Ansatz beim Verstehen neuartiger Metaphern?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/280051

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