Betrugsrelevanter Irrtum beim Abrechnungsvorgang


Presentation (Elaboration), 2013

21 Pages, Grade: 2,0


Excerpt


Inhaltsverzeichnis

A. Einleitung

B. achverhalt
I. Angeklagter
II. Tathandlung

C. Prüfung der Tathandlung nach § 263 tGB
I. Der objektive Tatbestand des Betrugs
a) Täuschung
1. Täterschaft
aa) Täterschaftsstheorien
bb) Täterschaft und mittelbare Täterschaft
2. Täuschungshandlung
b) Irrtum
c) Vermögensverfügung
d) Vermögensschaden
1. Der definitorische Ansatz des Reichsgerichts
2. Individuellobjektiver chadensbegriff,
subjektiver chadensbegriff
3. Prüfung des Vermögensschadens
II. Der subjektive Tatbestand des Betrugs
a) Handeln mit Vorsatz
b) Handeln mit Bereicherungsabsicht

D.Prüfung der Gebührenüberhebung nach § 352 tGB

E.Prüfung der Abgabenüberhebung nach § 353 tGB

F.Entscheidungen des LG Berlin und des BGH

G. Fazit

A. Einleitung

Der Betrug i.S.v. § 263 StGB in all seinen Facetten ist ein Kernbereich des Strafrechts. Alarmierend ist, dass die Anzahl der erfassten Betrugstatbestände jährlich ansteigt. Durch das BKA[1] wurden beispielsweise im Jahr 2003 876.032 Betrugsfälle erfasst.[2] 2012 registrierte man bereits 958.515 Fälle, was einer Steigerungsrate i.H.v. 2,5 % zum Vorjahr entspricht.[3] Insofern kann gesagt werden, dass diese stetige Zunahme Staat und Gesellschaft immer mehr beinträchtigen.[4] Einen ganz wesentlichen Anteil hieran nimmt die nicht näher zu konkretisierende „Beförderungserschleichung“ mit 253.312 Fällen im Jahr 2012 ein.[5] Der Abrechnungsbetrug, war mit 7.347 Fällen im Jahr 2012 vertreten, wobei zu erwähnen ist, dass die Anzahl der Betrugsfälle im Vergleich zum Vorjahr um 45,6 % anstieg.[6] Unabhängig von der Frage, ob es sich im hier zu diskutierenden Fall der Berliner Stadt Reinigung[7] um Abrechnungsbetrug oder Gebühren- bzw. Abgabenübererhebung handelt, ist die steigende Tendenz der Betrugsfälle im Allgemeinen und insbesondere die des Abrechnungsbetrugs als problematisch anzusehen. Betrugstatbestände werden neuerdings auch im deutschsprachigen Raum unter dem Begriff „white-collar-crime“, zu Deutsch „Weiße Kragen Kriminalität“ zusammengefasst. Insofern ergibt sich eine strikte Trennung von der sogenannten „Blauen Kragen Kriminalität“. Kennzeichnend für die Weiße Kragen Kriminalität ist, dass sie von Personen begangen wird, die höheren sozioökonomischen Schichten angehören.[8] Zurückkommend auf den Betrugstatbestand im Allgemeinen, ist auffällig, dass Betrugsfälle nichtsdestotrotz eine relativ hohe Aufklärungsquote aufweisen.[9] Zudem ist bemerkenswert, dass sie sich, sofern man auf die Anzahl der Betrugsfälle in Relation zu einer festen Bevölkerungsgröße in einem Bundesland abstellt, mit 1920 Betrugsfällen je 100.000 Einwohner am häufigsten im Bundesland Berlin ereignen, in welchen auch die BSR tätig ist.[10]

Im folgenden wird der Beschluss des BGH vom 09.06.09 mit dem Aktenzeichen 5 StR 394/08 dahingehend bearbeitet, dass zunächst der Sachverhalt des Urteils zu schildern ist und sodann eine umfangreiche Prüfung der Fragestellung erfolgt, ob im vorliegenden Fall die Tatbestandsvoraussetzungen des Betrugs bzw. der Abgaben- bzw. Gebührenübererhebung erfüllt sind. Schlussendlich wird die Entscheidung des BGH dargestellt und im Fazit kritisch hinterfragt.

B. Sachverhalt

I. Angeklagter

Angeklagter war im vorliegenden Sachverhalt das Vorstandsmitglied G der BSR. Die Bereiche, welche seiner Verantwortung unterstanden, waren zum einen die Reinigung an sich sowie die Abwicklung kaufmännischer Dienstleistungen. Diese Funktionen übte er seit 1995 aus.[11]

II. Tathandlung

Die BSR war und ist auch heute noch eine öffentlich-rechtliche Anstalt. Dementsprechend handelte die BSR hoheitlich[12], die Anlieger im Land Berlin hingegen unterlagen dem Anschluss- und Benutzungszwang.

Die Kalkulation der Gebühren war so bemessen, dass 75 % der Kosten für die Straßenreinigung generell von den Anliegern zu tragen waren und 25 % der Kosten durch das Land Berlin übernommen wurden.[13] Sofern Straßen jedoch keine Anlieger hatten, mussten die Gebühren für die Reinigung dieser Straßenabschnitte zu 100 % vom Land Berlin getragen werden.[14] Hiermit sollte gerade verhindert werden, dass die sonstigen Anlieger für die Reinigung dieser Straßenabschnitte mit höheren Gebühren belastet werden. Die Kalkulation der Gebühren fand in der Tarifperiode 1999/2000 durch die sogenannte Projektgruppe Tarifkalkulation statt.

Aufgrund eines Fehlers wurden die Reinigungsentgelte der Straßen ohne Anlieger unter Verstoß gegen § 7 VI StrReinG BER zu 75 % den Anliegern der sonstigen Straßen in Berlin in Rechnung gestellt wobei das Land Berlin grundsätzlich allein für die Kostentragung verantwortlich gewesen wäre. 2 Jahre danach wollte die Projektgruppe diesen Fehler korrigieren, der Angeklagte G gab jedoch die Weisung dies zu unterlassen.[15] Durch diese Entscheidung, wurden die Berliner Anlieger rechtswidrig mit höheren Gebühren belastet.

C. Prüfung der Tathandlung nach § 263 StGB

Zunächst ist fraglich, ob der dargestellte Sachverhalt die objektiven und subjektiven Tatbestandsvoraussetzungen des Betrugs i.S.v. § 263 StGB verwirklicht. Dementsprechend erfolgt eine Prüfung des Betrugs als allgemeinem Vermögensdelikt vor der Prüfung der Sonderdelikte nach den §§ 352, 353 StGB.

I. Der objektive Tatbestand des Betrugs

a) Täuschung

In den letzten Jahren hat die Rechtsprechung des EuGH die Anforderungen an die Täuschungshandlungen beeinflusst. Während seitens des BGH eine sehr verbraucherfreundliche Herangehensweise an den Täuschungsbegriff geprägt wurde und dieser somit auch sehr ungeschickte Handlungen als Täuschungen qualifiziert, geht der EuGH vom verständigen, informierten und aufmerksamen Bürger aus.[16] Als Folge dessen wird den Verbrauchern mehr Verantwortung zur Interpretation einer Sachlage aufgebürdet. Dies kann jedoch nicht soweit gehen, dass ein Durchschnittsbürger die Grundlagen der Gebührenkalkulation der BSR zu kennen hat. Insofern war ein Erkennen der Täuschungshandlung unter beiden Maßstäben nicht zu erwarten.

1. Täterschaft

Zunächst ist klarzustellen, welche verschiedenen Täterschaftstheorien von Literatur und Rechtsprechung entwickelt wurden . Konsens besteht praktisch nur bei der Feststellung, dass es keine Tat ohne einen Täter geben könne.[17] Dementsprechend sollen nachfolgend die einschlägigen Täterschaftstheorien dargestellt werden, wobei gleichzeitig eine Beurteilung des zu diskutierenden Sachverhalts erfolgt. Anschließend wird noch näher auf die Begriffe der Täterschaft und der mittelbaren Täterschaft i.S.V. § 25 StGB einzugehen sein.

aa) Täterschaftstheorien

In Lehre, Rechtsprechung und Literatur sind 4 Täterschaftstheorien von besonderer Bedeutung. Zum einen wird die formal objektive Theorie vertreten. Kennzeichnend für diese ist, dass der Täter den Tatbestand selbst verwirklichen muss. Jede weitere involvierte Person wäre als Teilnehmer der Tat zu bezeichnen. Dementsprechend verbietet sich die Annahme einer mittelbaren Täterschaft bei an der Tat beteiligten unter Zugrundelegung dieser Theorie.[18] G hat im Sachverhalt selbst nicht gehandelt, vielmehr wurde der Kalkulationsfehler von einer Projektgruppe verursacht. Der Angeklagte hat diesen lediglich gebilligt und eine Korrektur untersagt. Somit kann G unter Zugrundelegung dieser Theorie kaum als Täter anzusehen sein.

Zu einem anderen Ergebnis kommt man schließlich bei Anwendung der materiell objektiven Theorie. Im Sinne dieser wird nicht auf die eigentliche Begehung der Tat abgestellt, sondern auf die Gefährlichkeit des Tatbeitrags.[19]

Bezieht man mit ein, dass G als Leiter des Ressorts kaufmännische Betriebsführung die Kontrollverantwortung für die Gebührenkalkulation hatte, so käme durchaus eine Täterschaft des G in Betracht. Hinsichtlich der Prüfung dieser wird insoweit auf Abschnitt bb) verwiesen.

Große Relevanz nimmt zudem die animus-Theorie ein, welche den Täterbegriff weit fasst und zum Ausdruck bringt, dass sämtliche Personen, die ursächlich für die Begehung des Tatbestands sind, auch Täter sein können. Derjenige welcher mit Täterwillen handelt, ist als animus auctoris auch als Täter der Tat anzusehen.[20] Das Vertuschen der fehlerhaften Kalkulation war dem Interesse des G zuzurechnen. Er hatte als Abteilungsleiter auch die ordnungsgemäße Kontrolle der Gebührenkalkulation durchzuführen. Insofern hätte G mit Täterwillen gehandelt und wäre demnach auch als Täter zu qualifizieren.

Zuletzt soll die Tatherrschaftslehre aufgeführt werden, welche sich in der Lehre bisweilen als wichtigste Theorie erwiesen hat. Wie der Ausdruck bereits vermuten lässt, kommt es im Sinne dieser Theorie auf die Tatherrschaft und das Tatinteresse an.[21] Täter ist hiernach, wer gerade den Taterfolg anstrebt und die Tat im Wesentlichen kontrolliert. Wie bereits mehrfach angesprochen, lag die Verwirklichung des Betrugstatbestands im Interesse des G. Als Vorstandsmitglied und Abteilungsleiter konnte dieser unterstellten Mitarbeitern Anweisungen erteilen.[22] Da G den Taterfolg zumindest billigend in Kauf nahm und auch durch seine Anweisungen herbeiführen konnte, wäre er auch nach dieser Theorie als Täter anzusehen.[23]

bb) Täterschaft und mittelbare Täterschaft

In § 25 des Strafgesetzbuches wird die Täterschaft weiter untergliedert. § 25 I spricht in seiner ersten Alternative die Täterschaft an sich an, im Rahmen der 2. Alternative die sogenannte mittelbare Täterschaft.

Während es im ersteren Fall darum geht, dass jemand nach dem Wortlaut der Vorschrift die Tat sozusagen „eigenhändig“ begeht, ist mit dem mittelbaren Täter derjenige gemeint, welcher die Tat gerade durch einen anderen begehen lässt.[24] Somit kann in einem Sachverhalt eine Partei Täter, eine andere mittelbarer Täter sein. G hat nicht selbst gehandelt, sondern sich vielmehr der gutgläubigen Mitarbeiter der BSR bedient, von welchen die Rechnungen ausgestellt wurden. G kontrollierte die Tatbegehung durch diese (s.o.). Insofern ist es kaum verwunderlich, dass seitens des Landgerichts im vorhergehenden Verfahren eine mittelbare Täterschaft des G angenommen wurde.[25] Hingegen kamen die gutgläubigen Mitarbeiter aber nicht als Täter in Betracht, sie handelten schließlich nicht mit Vorsatz, kannten die Täuschungshandlung mitunter nicht und befolgten lediglich die Anweisungen von Vorgesetzten.

2. Täuschungshandlung

Neben der Täterschaft müsste eine Täuschungshandlung stattgefunden haben. In Frage kommt neben der einfachen Täuschung eine konkludente Täuschung oder eine Täuschung durch Unterlassen. Eine Täuschung verlangt das zum Ausdruckbringen einer unwahren Tatsache.[26] Mit den Gebührenbescheiden erfolgte jedoch nicht die Aussage gegenüber den Verbrauchern, dass die Gebühren rechtsfehlerfrei kalkuliert wurden. Insofern ist eine Täuschungshandlung hier nicht anzunehmen. Weiterhin könnte es sich im Sachverhalt um eine konkludente Täuschung des Angeklagten G handeln. Die Prüfung der konkludenten Täuschung hat Vorrang vor der Prüfung der Täuschung durch Unterlassen. Sie kommt dann in Frage, wenn seitens des Täters keine unwahren Aussagen in ausdrücklicher Art und Weise getroffen wurden.[27] Die Aussage, die Kalkulation sei einwandfrei erfolgt, könnte hier jedoch konkludent erfolgt sein. Da es den Verbrauchern, auch unter Zugrundelegung des Verbraucherleitbilds des EuGH nicht zugemutet werden kann, die Gebührenbescheide in irgendeiner Art und Weise zu kontrollieren, dürfen die Adressaten darauf vertrauen, dass die Kalkulation rechtsfehlerfrei erfolgt. Dies ist insbesondere im vorliegenden Fall anzunehmen, da die BSR als Anstalt des öffentlichen Rechts die Bescheide erließ und als öffentliche Einrichtung besonderes Vertrauen in Anspruch nahm.[28] Demzufolge ist hier eine konkludente Täuschung anzunehmen, was auch der Auffassung des Landgerichts im Vorprozess entsprach.[29]

[...]


[1] BKA = Bundeskriminalamt.

[2] PKS 2003, S. 190.

[3] PKS 2012, S. 56.

[4] Müller/Wabnitz/Janovsky, Wirtschaftskriminalität, S. 1, Rn. 1.

[5] PKS 2012, S. 56.

[6] PKS 2012, S. 57.

[7] Im Folgenden als BSR abgekürzt.

[8] Kaiser, Kriminologie, S. 839, Rn. 1.

[9] PKS 2012, S. 56: Die Aufklärungsquote für Betrugsdelikte im Sinne der §§ 263, 263a, 264, 264a, 265, 265a, 265b StGB lag 2012 bei 78,3 %. Ein Diebstahl an Kraftfahrzeugen wird jedoch vergleichsweise nur in 10,1 % der Fälle aufgeklärt.

[10] PKS 2003, S. 195.

[11] Juris Urteilsbesprechung, BGH 5 StR 394/08, Rn. 3.

[12] Siehe § 4 I StrReinG BER.

[13] § 7 I StrReinG BER.

[14] § 7 VI StrReinG BER.

[15] Juris Urteilsbesprechung, BGH 5 StR 394/08, Rn. 4 ff..

[16] EuGH, Gut Springeheide.

[17] Gropp, Strafrecht Allgemeiner Teil, S. 331, Rn. 25.

[18] Gropp, Strafrecht Allgemeiner Teil, S. 331, Rn. 28.

[19] Gropp, Strafrecht Allgemeiner Teil, S. 331, Rn. 30.

[20] Gropp, Strafrecht Allgemeiner Teil, S. 331, Rn. 31.

[21] Gropp, Strafrecht Allgemeiner Teil, S. 331, Rn. 37.

[22] Vergleicht man den Sachverhalt und die Täterschaftskonstellation mit anderen einschlägigen Urteilen, so stellt man Parallelen mit dem Fahrtenschreiberfall des Oberlandesgerichts Stuttgart fest.

[23] Siehe hierzu näher: Abschnitt V C II a.

[24] Gropp, Strafrecht Allgemeiner Teil, S. 331, Rn. 46.

[25] Juris Urteilsbesprechung, BGH 5 StR 394/08, Rn. 18.

[26] Juris Urteilsbesprechung, BGH 5 StR 394/08, Rn. 15.

[27] Joecks, Studienkommentar StGB, S. 600, Rn. 40.

[28] Juris Urteilsbesprechung, BGH 5 StR 394/08, Rn. 16.

[29] Urteil des Landgerichts Berlin vom 03.03.08, AZ 3 Wi Js 1361/02.

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Details

Title
Betrugsrelevanter Irrtum beim Abrechnungsvorgang
College
University of Applied Sciences Trier; Environment - Campus
Course
Seminar Insolvenz- und Wirtschaftsstrafrecht, Prof. Franz
Grade
2,0
Author
Year
2013
Pages
21
Catalog Number
V279960
ISBN (eBook)
9783656738244
ISBN (Book)
9783656738190
File size
551 KB
Language
German
Keywords
betrugsrelevanter, irrtum, abrechnungsvorgang
Quote paper
Christopher Klüss (Author), 2013, Betrugsrelevanter Irrtum beim Abrechnungsvorgang, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/279960

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