Transsexualität. Ein gesellschaftliches Phänomen im Wandel


Seminararbeit, 2014

17 Seiten


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Wandel im Begriffsverständnis
2.1. Ein historischer Einblick
2.2. Neuere Vorstellungen von Transsexualität

3. Geschlecht und Geschlechtszugehörigkeit als Konstruktion

4. Wandel in der gesellschaftlichen Akzeptanz von Transsexualität
4.1. Vor der Jahrtausendwende
4.2. Fallbeispiel Katrin Lindemann
4.3. Das neue Jahrtausend

5. Schlussbetrachtung

6. Bibliografie

1. Einleitung

„There´re only two alternatives in society. You´re either a man or a woman. If I don`t feel like a woman than it`s got to be the other way Because I didn`t feel comfortable in the first position, I`m going into the second. I`ll give it a try.“ (Robert in Kessler/McKenna 1978: 112)

Im falschen Körper geboren- das Zitat des Transsexuellen Robert zeigt auf, dass Geschlechter nicht starr, sondern wandelbar sind. Der Wunsch nach dem Wechsel des Geschlechts ist kein Phänomen der Neuzeit, sondern bereits seit der Antike bekannt. So beschäftigen sich zahlreiche Soziologen mit dem Geschlechtswechsel und Transsexualität, wobei nach heutigen Vorstellungen Geschlechtskörper und subjektives Geschlechtsempfinden auseinander fallen.

In vorliegender Seminararbeit wird herausgearbeitet, welche Veränderungen sich im Begriffsverständnis von Transsexualität vollzogen haben und schließlich eine Definition von Transsexualität mit aktueller Gültigkeit gegeben. Hierbei werde ich zunächst einen kurzen historischen Einblick geben und im weiteren Verlauf auf aktuelle Vorstellungen vom gesellschaftlichen Phänomen der Transsexualität eingehen.

In einem nächsten Abschnitt wird dargestellt, dass Geschlechtszugehörigkeit nicht als natürlich gegeben angesehen werden kann, sondern Entwicklungen und Veränderungen unterworfen ist. Geschlechtszugehörigkeit ist somit, wie Geschlecht selbst, eine soziale Konstruktion. Mit dieser Tatsache setzt sich Stefan Hirschauer auseinander. Die Annahme dass ein kulturelles Entgegenwirken zur dichotomen Geschlechterordnung möglich ist, wird von einer Vielzahl von Soziologen geteilt. So beschreibt Erving Goffman, dass scheinbar naturgegebene Vorgaben nicht starr sind, sondern vielmehr übergangen werden könnten.

Transsexuelle können nicht selbstverständlich davon ausgehen, von der Gesellschaft toleriert oder akzeptiert zu werden. Es soll aus interaktionstheoretischer Perspektive heraus untersucht werden, welcher gesellschaftliche Wandel sich bezüglich der gesellschaftlichen Akzeptanz vollzogen hat. Verdeutlicht wird dies anhand der Fallbeispiele „Blank“ und „Katrin Lindemann“.

2. Wandel im Begriffsverständnis

2.1. Ein historischer Einblick

In der Auseinandersetzung mit dem gesellschaftlichen Phänomen der Transsexualität stößt man unweigerlich auch auf den Begriff des „Transvestitismus“. Im Folgenden soll nun geklärt werden, wie sich diese Begriffe unterscheiden und gegenseitig bedingen. Dabei sollen die Wandlungen im Begriffsverständnis von Transsexualität in den Blick genommen werden.

Der britische Sexualforscher Ellis beschreibt bereits 1913 die neue Spezies der Geschlechtswechsler als „sexoästhetic inversion“ oder auch „Eonism“. Dabei geht er davon aus, dass Männer „vom Makel der Weiblichkeit“(Hirschauer: 1999: 96) befreit werden müssten.

Magnus Hirschfeld spricht 1910 von Transvestiten, dessen wesentliches Merkmal die Effeminierung sei. Dieser Begriff beschreibt die Übernahme weiblicher Züge oder weiblicher Eigenschaften durch Männer. Transvestiten sind nach Hirschfeld Männer oder Frauen, deren sexuelle Triebrichtung zwar „normal“ ist, die jedoch „psychisch starke Einschläge des anderen Geschlechts aufweisen.“ (Hirschauer 1999: 96). Im Jahr 1918 geht Hirschfeld noch weiter und spricht von einem „androgynen Drang“ nach körperlicher Vermännlichung oder Verweiblichung, welcher jedoch vom Transvestitismus unabhängig sei. Dies geht mit Veränderungen des äußeren Erscheinungsbildes einher - von der Entfernung des Barts, bis hin zu operativen Eingriffen an den Genitalien, seit diese aufgrund des medizinischen Fortschritts möglich sind. Das Erscheinungsbild wird durch diese Eingriffe an die „intersexuelle“ Psyche angepasst. Hirschfeld spricht in diesem Zusammenhang auch von einem „erotischen Verkleidungstrieb“ und bringt somit das Anlegen von Männer- bzw. Frauenkleidern in Verbindung mit Sexualität.

1923 verwandte Hirschfeld die Begriffe Transvestitismus und „seelischer Transsexualismus“ synonym. Ellis dahingegen unterschied zwei Gruppen. Zur großen Gruppe der Eonisten gehörten Männer und Frauen, die sich gelegentlich dem anderen Geschlecht entsprechend kleideten, wohingegen sich Zugehörige der kleineren Gruppe subjektiv vollständig als Träger des jeweils anderen Geschlechts betrachten.

1949 entwickelte Cauldwell den Begriff „psychopathia transexualis“, als eine alternative Geschlechtskategorie. Vier Jahre später unterschied Benjamin Harry schließlich Transvestiten und Transsexuelle und führte somit den Terminus der Transsexualität in die medizinische Diskussion ein. Laut Harry ist Transsexualismus der höchste Grad des Transvestitismus. Für ihn ist aber auch vorstellbar, dass Transvestitismus die mildeste Form von Transsexualismus sei. Nach dieser Vorstellung könne der Wunsch dem anderen Geschlecht anzugehören nach und nach wachsen. An Harrys Ausführungen schließt sich ein enormer Erfolg der Transsexualität als neues Konzept an.

2.2. Neuere Vorstellungen von Transsexualität

Während Cauldwell Transsexualität noch als absonderliche Neigung beschrieb, etablierte sich Mitte der 1960er Jahre ein Verständnis von Transsexualität als Auseinanderfallen des Geschlechtskörpers mit dem subjektiven Geschlechtsempfinden, welches auch heute noch seine Gültigkeit hat.

Mit dem Erfolg der Transsexualität geht auch eine Abwertung der Kategorie des Transvestiten einher, welche nunmehr das gelegentliche Verkleiden, dem anderen Geschlecht entsprechend, beschreibt. Transvestitismus wird nun eher mit einem fetischistischem Sexualverhalten assoziiert. Auf diesen Wandel reagierte Virginia Prince in den 1970er Jahren, indem sie den Begriff des Transvestiten mit den Begriffen „femiphilia“ bzw. „transgenderism“ ersetzt (vgl. Hirschauer 1999: 96f).

Harold Garfinkel untersuchte im Jahr 1969 in seinen Transsexuellenstudien die „interaktive Konstuktion von Geschlecht“(Gildemeister 2004: 134). Er legte mit seinem „doing account“ Ansatz den Grundstein für das „doing gender“ Konzept, welches 1978 von Susann Kessler und Wendy Mc Kenna entwickelt wurde. Zentrale Annahmen sind hierbei, dass bei Transsexuellen Geschlecht und Geschlechtszugehörigkeit nicht als fraglos gegeben angesehen werden können, sondern „getan“ werden müssen. Ein Wechsel des Geschlechts wird angestrebt und durch entsprechende Operationen realisiert (vgl. Gildemeister 2004: 134). Auf Harold Garfinkel geht im Zusammenhang mit „doing accounts“ der Begriff des „passing“ zurück, welchen er als „The work of achieving and making secure their rights to live in the elected sex status while providing for the possibility of detection and ruin carried out within the socially structured conditions in which this work occured [...]“(Garfinkel 2006: 60) beschreibt. „Passing“ bezeichnet somit die Arbeit, welche Transsexuelle vollbringen müssen, um als Personen ihres gewählten Geschlechts wahrgenommen und akzeptiert zu werden. Darin inbegriffen sind auch die Methoden, die von Transsexuellen herangezogen werden, um als Person des anderen Geschlechts durchzugehen (vgl. Lindemann 2011: 70).

Dieser Methoden bediente sich die Transsexuelle „Agnes“ in Harold Garfinkels Transsexuellenstudie. Agnes wurde 1939 als Junge geboren und übernahm im Alter von 17 Jahren eine weibliche Identität. Einige Jahre später ließ sie eine geschlechtsangleichende Operation vornehmen. In diesem Prozess wurde sie von Garfinkel in Zusammenarbeit mit einem Therapeuten begleitet.

Die Studie verdeutlicht, dass Geschlecht in der Interaktion hergestellt wird und die Interaktion gleichermaßen strukturiert. Agnes entwickelte vor der Operation verschiedene Methoden, um als Frau wahrgenommen zu werden und nach der Operation Methoden, um dies aufrecht zu erhalten. Dabei hatte sie mit den Schwierigkeiten umzugehen, dass ihr zum Einen weibliche Genitalien und zum Anderen eine weibliche Biografie fehlte. Sie musste somit lernen, was es bedeutet eine Frau zu sein und wie man sich als Frau darstellt, während dies bei weiblich sozialisierten Personen routiniert abläuft (vgl. West/ Zimmerman 1987: 131). Im Alter von 19 Jahren wurde Agnes Dr. Robert J. Stoller vorgestellt, welcher ihre Erscheinung als „überzeugend weiblich“ beschrieb. Sie war groß, schlank und hatte einen weiblichen Körperbau. Sie hatte lange dunkelblonde Haare und keine Gesichtsbehaarung und sorgfältig gezupfte Augenbrauen. Sie kleidete sich weiblich und hatte eine weibliche Oberweite. Somit unterschied sich ihr Erscheinungsbild nicht von dem anderen Mädchen in ihrem Alter (vgl. Garfinkel 1967: 120). Daran ist zu erkennen, dass Agnes erfolgreich ein weibliches Repertoire entwickelte und anwenden konnte, um als Frau wahrgenommen zu werden.

Stoller entwickelte 1968 folgende Definition von Transsexualität: „Transsexualism is the convinction in a biologically normal person of being a member of the opposite sex. This belief is these days accompanied by requests for surgical and endocrinological procedures that change anatomical appearence to that of the opposite sex.“(Kessler/McKenna 1978: 13). Demnach sind transsexuelle Personen davon überzeugt, dem jeweils anderen Geschlecht anzugehören. Damit einher geht der Wunsch Prozeduren zu durchlaufen, die den Geschlechtskörper an die subjektiv empfundene Geschlechtszugehörigkeit anpassen und als Person des anderen Geschlechts wahrgenommen zu werden. Dieses Verständnis von Transsexualität soll vorliegender Seminararbeit zugrunde liegen und wird synonym für den Begriff "Transgender" verwendet. Anzumerken ist jedoch, dass sich nur wenige Transsexuelle selbst als transsexuell bezeichnen, da es für sie außer Frage steht dem gewählten Geschlecht anzugehören (vgl. Gildemeister 2004: 134). Man unterscheidet in Mann-Frau-Transsexuelle und Frau-Mann-Transsexuelle. Mann-Frau- Transsexuelle sind Männer, welche als Frau leben wollen und Frau-Mann-Transsexuelle, streben es an als Mann zu leben.

Das Phänomen der Transsexualität widerspricht dem in der Gesellschaft vorfindbaren Alltagswissen, dass genau zwei Geschlechter existieren: männlich und weiblich, dass Geschlechtszugehörigkeit durch körperliche Merkmale eindeutig erkennbar ist und dass Geschlecht angeboren und unveränderlich sei (vgl. Gildemeister 2004: 134). Dieser Widerspruch zum Alltagswissen könnte

[...]

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Details

Titel
Transsexualität. Ein gesellschaftliches Phänomen im Wandel
Hochschule
Technische Universität Dresden  (Sociology)
Veranstaltung
Geschlecht und Gesellschaft: Einführung in die Geschlechtersoziologie
Autor
Jahr
2014
Seiten
17
Katalognummer
V279935
ISBN (eBook)
9783656737995
ISBN (Buch)
9783656737964
Dateigröße
497 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
transsexualität, phänomen, wandel
Arbeit zitieren
Luise Richter (Autor:in), 2014, Transsexualität. Ein gesellschaftliches Phänomen im Wandel, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/279935

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