Immanuel Kants Auffassung zum absoluten Lügenverbot

Sachanalyse zu ethischen Aspekten im Sachunterricht


Hausarbeit, 2014

22 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung
1.1 Begriffserklärungen
1.1.1 Lüge
1.1.2 Wahrhaftigkeit
1.1.3 Metaphysik
1.1.4 der Kategorische Imperativ
1.1.5 Menschenliebe

2 Die Lüge und die Pflicht
2.1 Hintergrund zur Schrift
2.2 Inhaltswidergabe und Analyse der Argumentationsstruktur von Kants Schrift Ü ber ein vermeintes Recht aus Menschenliebe zu Lügen
2.3 Analyse hinsichtlich der Leitfrage

3 Thematisierung im Sachunterricht
3.1 Warum es wichtig ist mit Kindern zu philosophieren
3.2 Thematisierung des absoluten Lügenverbots im Sachunterricht
3.3 Fazit

4 Schlussfolgerung

5 Literatur

1 Einleitung

Du sollst nicht lügen!, diese etwas veränderte Auslegung des 8. Gebotes der Bibel ist als moralischer Grundsatz jedem bekannt. Bereits Kindern wird frühzeitig erklärt, dass die Lüge etwas Negatives ist, wie die italienische Kinderbuchfigur Pinocchio mit seiner beim Lügen wachsenden Nase verdeutlicht. Auch viele Redewendungen, wie Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht! oder Lügen haben kurze Beine! zeigen auf, dass Lügen in der Gesellschaft unerwünscht ist.

Doch trotzdem sind Unwahrheiten etwas Alltägliches. Im Durchschnitt lügt jeder Mensch am Tag circa 200 Mal (vgl. Langer, Demmer 1994, S. 61), möglicherweise aus Scham, als Zwecklüge oder Notlüge.

Ein berühmter deutscher Philosoph des 18. Jahrhunderts äußerte eine sehr strikte Meinung zum Lügen, indem er in seiner Schrift Ü ber ein vermeintes Recht aus Menschenliebe zu lügen aus dem Jahre 1797 ein uneingeschränktes Lügenverbot aussprach. Dieser Verfasser, Immanuel Kant, der vom deutschen Philosophen Karl Jaspers neben Plato und Augustinus zu den drei größten Denkern der Geschichte gezählt wird, sorgte mit diesem Werk für viele kontroverse Diskussionen (vgl. Ludwig 2009, S. 20).

Da bereits im Kindesalter das Lügen eine große Rolle spielt, wird in dieser Arbeit das Thema aus der Perspektive Kants als Grundlage für den Sachunterricht betrachtet. Im Rahmenlehrplan und im Perspektivrahmen des Sachunterrichts des Landes Brandenburg ist das Thema Lüge und Wahrheit nicht direkt verankert, jedoch bildet es eine gute Grundlage für das Philosophieren mit Kindern, welches in diesem Fach praktiziert werden kann.

In dieser Arbeit wird Immanuel Kants Schrift hinsichtlich seiner Argumentation analysiert und dabei vor allem auf die Frage eingegangen, inwiefern sich der Autor bei diesem Werk auf den Grundsatz des kategorischen Imperativs bezieht. Dazu werden zu Beginn einige Begriffe definiert, deren Bedeutung für Kant und vor allem in der, in dieser Arbeit analysierten, Schrift von entscheidendem Wert sind. Nach der Analyse des Textes hinsichtlich der Leitfrage werden das Potential der Themen Lüge und Lügenverbot zur Umsetzung im Rahmen des Sachunterrichts untersucht. Dazu wird auf das Philosophieren mit Kindern eingegangen.

1.1 Begriffserklärungen

Immanuel Kant verwendet in seinen Schriften häufig bestimmte Begriffe, die für ihn eine besondere Bedeutung haben. Darum sollen im Folgenden einige, für die in dieser Arbeit analysierte Schrift Ü ber ein vermeintes Recht aus Menschenliebe zu lügen, relevante Begrifflichkeiten aufgegriffen und hinsichtlich Kants Definitionen erläutert werden.

1.1.1 Lüge

Für Immanuel Kant ist die Übertretung der Pflicht der Wahrhaftigkeit eine Lüge, wodurch nicht nur eine unwahre Aussage, sondern auch das Verschweigen als Lüge gilt. Sogar das Wiedergeben einer Aussage, über deren Wahrheit man sich nicht ganz sicher ist, zählt für ihn dazu. Er ist der Auffassung, dass die Menschheit sich damit selbst verletzt und seine Menschenwürde vernichtet (vgl. Eisler 1989, S. 335).

1.1.2 Wahrhaftigkeit

Dieser Begriff ist von großer Bedeutung für das in dieser Arbeit analysierte Werk. Vor allem die Abgrenzung zum Begriff Wahrheit ist für Immanuel Kant entscheidend.

Dass eine Aussage wahr ist, kann ein Mensch nicht immer garantieren, da er sich auch irren kann, doch dass sie wahrhaft ist, das liegt in der Macht des Menschen, da er dies durch seinen Verstand und sein Gewissen prüfen kann. Damit ist die Wahrhaftigkeit die subjektive Wahrheit einer Person. Für Kant ist es ein uneinschränkbares Gebot in allen Aussagen wahrhaft zu sein (vgl. Eisler 1989, S. 358).

1.1.3 Metaphysik

Der Metaphysik galt Kants Interesse und sie ist die übergeordnete Kategorie dessen, womit er sich hauptsächlich beschäftigt. Diese Begrifflichkeit stammt einer Legende nach aus dem antiken Griechenland, ca. 70 Jahre v.Chr., und wurde von Andronikos von Rhodos geprägt, der versuchte, die Werke des Philosophen Aristoteles zu ordnen. Die Reihenfolge beinhaltete zuerst die philosophischen Bücher, die sich auf die Natur bezogen (griechisch: physis), und danach (griechisch: meta) die philosophischen Bücher, die darüber hinausgingen und sich mit dem Seienden befassten. Sie wurden meta ta physika genannt, da sie nach den Naturbezogenen Werken kamen.

„Metaphysik ist schlichtweg die klassische Grundform der abendländischen Philosophie.“ (Ludwig 2009, S. 13). Sie beinhaltet das Wissen über das Seien, indem es nach dem Grund für Denken, Erkennen, Seien und Wesen fragt. (vgl. Ludwig 2009, S. 12-15; Eisler 1989, S. 354-364).

1.1.4 der Kategorische Imperativ

Kant unterscheidet den Imperativ in zwei Arten - den hypothetischen und den kategorischen Imperativ. Der hypothetische Imperativ gilt nur für denjenigen, der mit einer möglichen Handlung einen bestimmten Zweck erreichen will (vgl. Eisler 1989, S. 267). Der kategorische Imperativ hingegen soll für jedermann gültig sein. Kant formulierte diesen folgendermaßen: „Der kategorische Imperativ ist also ein einziger, und zwar dieser: handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, daß [sic!] sie ein allgemeines Gesetz werde.“ (vgl. Eisler 1989, S. 268).

Den Kategorischen Imperativ hat Kant in seinem Werk Grundlegung zur Metaphysik der Sitten erarbeitet. „Dieser stellt das oberste moralische Prinzip dar […] an der wir unser moralisches Handeln ausrichten können.“ (vgl. Frey/ Schmalzried 2013, S. 79). Der Leitgedanke des kategorischen Imperativs ist, dass wir unsere eigenen Handlungen nach den gleichen Maßstäben beurteilen, die wir auch an die Handlungen anderer anlegen würden. Um also zu unterscheiden, ob eine Handlung moralisch ist oder nicht, sollte man darüber nachdenken, ob man möchte, dass jedermann in derselben Lage sich genauso verhalten würde (vgl. Frey/ Schmalzried 2013, S. 79).

1.1.5 Menschenliebe

Unter dem Begriff Menschenliebe als eine Tugend, welcher bereits im Titel der in dieser Arbeit analysierten Schrift vorzufinden ist, versteht Kant ein wechselseitiges tätiges Wohlwollen, welches nach dem Prinzip der Gleichheit jede Person miteinschließt. In Kants Werk Die Metaphysik der Sitten wird sie als „(…)Fertigkeit der Neigung zum Wohlthun überhaupt (…)“ definiert (Grünewald 2008, S. 153). Es beinhaltet die Pflichten der Wohltätigkeit, Dankbarkeit und Teilnahme in dem Maße, welches trotz anderer Pflichten möglich ist, was eine große Bedeutung für diese Arbeit hat. Für Kant ist auch die Wechselseitigkeit von Bedeutung, indem er davon ausgeht, dass sich jeder Mensch in einer Notsituation wünscht, dass ihm geholfen wird, und darum auch anderen helfen muss, um dies auch selbst zu erfahren (vgl. Eisler 1989, S. 330; Grünewald 2008, S. 153).

2 Die Lüge und die Pflicht

2.1 Hintergrund zur Schrift

Um den kategorischen Imperativ zu begründen zeichnete Kant drei Beispiele „für die rechtlichen und ethischen kategorischen Imperative“ (vgl. Oberer 1986, S. 7) auf. Diese werden im Folgenden kurz aufgezeigt:

1. „[D]as rechtliche Gebot der bedingungslosen Vollstreckung der Todesstrafe für Mörder […]“. (vgl. Oberer 1986, S. 7)
2. „[D]as bedingungslose und uneingeschränkte ethische Verbot des Selbstmords […]“. (vgl. Oberer 1986, S. 7)
3. „[D]as bedingungslose ethische und rechtliche Verbot der Lüge […]“. (vgl. Oberer 1986, S. 7)

Das genannte letzte Beispiel bildet die Grundlage um die bedeutende Auseinandersetzung zwischen Immanuel Kant und Benjamin Constant aufzuzeigen. Hierzu muss erwähnt werden, dass die Kontroverse zwischen Kant und Constant nicht erst im 18. Jahrhundert erfunden wurde. Geschichtlich gesehen ist die moralische Betrachtung über Erlaubtheit und Unerlaubtheit der Lüge ein uralter Topos (vgl. Oberer 1986, S. 7). Für Oberer allerdings stellt der Disput zwischen dem Philosophen Kant und dem Politiker und Schriftsteller Constant ein Extremfall dar (vgl. Oberer 1986, S. 7). Somit existiert wohl kaum eine moralphilosophische Ansicht, die so viele Widersprüche erfahren hat, wie die in Immanuel Kants veröffentlichtem Aufsatz Ü ber ein vermeintes Recht aus Menschenliebe zu lügen aus dem Jahr 1797. In diesem verteidigte Kant seine Ansicht, „man müsse in seinen Aussagen immer und unter allen Umständen wahrhaftig sein und nicht einmal die Absicht, durch eine Lüge ein Verbrechen zu verhindern, könne eine Unwahrhaftigkeit rechtfertigen.“ (vgl. Grünewald 2008, S. 149). Mit dieser Schrift richtete er sich gegen Benjamin Constants Schrift Des r é action politiques1 von 1797 in der sich Constant gegen ein absolutes Lügenverbot ausspricht (vgl. Campagna 2003, S. 75). Constant nahm in seinem Aufsatz Anstoß an den Aussagen und im Speziellen an dem Mörder-Beispiel2, eines deutschen Philosophen. Kant selbst konnte sich nicht erinnern in welcher seiner Schriften er das von Constant angeführte Beispiel angebracht hatte, identifiziert sich selbst aber mit dem von Constant erwähnten deutschen Philosophen (vgl. Oberer 1986, S. 12) und reagierte entsprechend mit seiner Schrift Ü ber ein vermeintes Recht aus Menschenliebe zu lügen auf den französischen Politiker und Schriftsteller.

Constant stellt zu keinem Moment in Frage, dass die Wahrheit zu sagen eine Pflicht sei, doch lässt sich für ihn dieses abstrakte Prinzip nicht auf die allgemeine Wirklichkeit zu jedem Zeitpunkt anwenden (vgl. Campagna 2003, S. 78). „Dieses Prinzip ist, für sich genommen, unanwendbar. Es würde die Gesellschaft zerstören. Verwirft man es aber, geht die Gesellschaft nicht minder zugrunde, denn alle Grundlagen der Moral würden damit hinfällig werden.“ (vgl. Constant 1797, S. 24). Von dieser Aussage ausgehend würden wir uns also in einem Dilemma befinden, denn sowohl der Gebrauch als auch der Nichtgebrauch einer Lüge würde zwangsläufig zum Untergang der Gesellschaft führen (vgl. Campagna 2003, S. 78). Um aus dem hier dargestellten Dilemma einen Ausweg zu finden empfiehlt Constant den Rückgriff auf ein verhandelndes Prinzip, indem man sich dazu verpflichtet, denjenigen die Wahrheit zu sagen, die auch ein Anrecht darauf haben. Unter diesem Gesichtspunkt wurde das Prinzip mit der Realität vermittelt und verwendbar gemacht (vgl. Campagna 2003, S. 79).

Sowohl Kant als auch Constant pochen „auf die Notwendigkeit von Prinzipien“ (vgl. Campagna 2003, S. 84) nur glaubt Constant im Gegensatz zu Kant, dass erst durch den Rückgriff auf spezifische Regeln die konkrete Anwendung von allgemeinen Regeln ermöglicht wird (vgl. Campagna 2003, S. 84). Im Folgenden werden wir die Reaktion Kants auf die Schrift von Benjamin Constant näher betrachten.

2.2 Inhaltswidergabe und Analyse der Argumentationsstruktur von Kants Schriftüber ein vermeintes Recht aus Menschenliebe zu Lügen

In der, wie im Kapitel 2.1 erläutert, auf Constants Veröffentlichung bezogene Schrift Ü ber ein vermeintes Recht aus Menschenliebe zu lügen aus dem Jahr 1797 beschreibt Kant seine Überlegungen zur Lüge an einem konkreten Beispiel, welches er immer wieder aufgreift. Dabei geht es um die Situation, dass man selbst einem Freund bei sich Unterschlupf gewährt, ein Mörder auf der Suche nach diesem vor der eigenen Haustür steht und nach dem Aufenthaltsort des Freundes fragt, man selbst also vor der Entscheidung steht, zu lügen oder die Wahrheit zu sagen. Wie man in diesem Dilemma moralisch korrekt reagieren sollte, versuchen sowohl Constant als auch Kant zu bestimmen.

[...]


1 dt. „Uber politische Reaktion"

2 „B kommt an die Tür von A, der gerade seinen Freund C bei sich hat, und fragt, ob dieser, den er offensichtlich ermorden will, im Hause sei. Auf die scheinbar ebenso klare und einfache Doppelfrage, ob A, wenn er seine Antwort mit Ja oder Nein nicht vermeiden könne, den B aus Menschenliebe (in Bezug auf C) zu belügen berechtigt (Frage I) oder sogar verpflichtet (Frage II) sei, gibt Kant in einer kleinen Arbeit Ü ber ein vermeintes Recht aus Menschenliebe zu lügen die klare Antwort einer bedingungslosen Verneinung […]“ (vgl. Geismann 1988, S. 293, vgl. auch Kapitel 2.2)

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Details

Titel
Immanuel Kants Auffassung zum absoluten Lügenverbot
Untertitel
Sachanalyse zu ethischen Aspekten im Sachunterricht
Hochschule
Universität Potsdam
Note
1,3
Autor
Jahr
2014
Seiten
22
Katalognummer
V279923
ISBN (eBook)
9783656738008
ISBN (Buch)
9783656737957
Dateigröße
466 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
immanuel, kants, auffassung, sachanalyse, aspekten, sachunterricht
Arbeit zitieren
Christin Kuschka (Autor:in), 2014, Immanuel Kants Auffassung zum absoluten Lügenverbot, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/279923

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