In welchem Verhältnis stehen Profession und Organisation zueinander?


Seminararbeit, 2011

16 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Organisation

3. Professionstheorien
3.1 Das strukturfunktionalistische Professionsmodell
3.2 Die revidierte Professionstheorie
3.3 Professionalisierte Funktionssysteme
3.4 Die interaktionistische Perspektive
3.5 Der ‚Power approach‘
3.6 Zwischenfazit Professionstheorien

4. Profession vs. Organisation?

5. Fazit und Ausblick

6. Literaturverzeichnis

7. Verpflichtungserklärung Fehler! Textmarke nicht definiert.

1. Einleitung

Während Organisationen erst in der Moderne maßgeblich in Erscheinung getreten sind, haben sich Professionen bereits in frühen Gesellschaftsformen als strukturbildendes Element etabliert. Sie inkludierten nicht nur das verfügbare wissenschaftliche Wissen, sondern klassifizierten und bearbeiteten auch alle Aspekte, welche wir heute unter dem Oberbegriff der Mikrosoziologie zusammenfassen (vgl. Kurtz 2010: S.19; Stichweh 1992: S.37; Stichweh 2005: S.31).

Ausgehend von dieser Betrachtung erscheint die Frage angemessen, in welchem Verhältnis die Profession zur Organisation steht und welchen Einfluss sie auf gesellschaftliche Strukturbildung ausüben. Sichtet man die wissenschaftliche Literatur zu dieser Thematik fällt auf, dass sich bezüglich der o.g. Fragestellung bereits ein ausführlicher Diskurs entwickelt hat. Zudem lässt sich festhalten, dass sich die Aussagen und empirischen Befunde einzelner Soziolog_innen in Abhängigkeit von betrachteter Profession, gewähltem theoretischem Ansatz sowie der untersuchten Nation unterscheiden (vgl. Buer 2010: S.49).

Das Ziel dieser Arbeit soll es daher sein, das Verhältnis zwischen Organisation und Profession näher zu beleuchten und zu klären, ob es sich um konkurrierende, oder ergänzende Konstrukte handelt. Um diese Frage beantworten zu können, werden vorab beide Elemente in Bezug auf die Fragestellung vorgestellt und erläutert. Der inhaltliche Schwerpunkt liegt dabei auf dem Professionsbegriff. Dem liegt zum einen eine umfangreichere Begriffsbestimmung zugrunde, aber auch die Tatsache, dass die Profession innerhalb der Soziologie einem breiten und ausdifferenzierten Diskurs unterliegt. Die Bemühungen sollen dahingehend fokussiert werden, die unterschiedlichen Standpunkte ausgewählter Soziolog_innen, auch vor dem Hintergrund der jeweiligen Einbettung in gesellschaftstheoretische Ansätze und Entwicklungen, darzulegen.

Im darauffolgenden Schritt können dann verschiedene Auslegungen des Verhältnisses zwischen Profession und Organisation erörtert werden, um die zu Beginn gestellte Frage auf der Basis der zuvor gewonnenen Erkenntnisse zu beantworten. Dabei soll es auch um Standpunkte gehen, welche sich nicht ausschließlich auf die wissenschaftlichen Gesichtspunkte beziehen, sondern auch einen kleinen Ausblick in die arbeitsweltliche Realität eröffnen. Als erstes wird im nun folgenden Abschnitt der Begriff der Organisation und dessen Einbettung in die Thematik beleuchtet.

2. Organisation

Bevor im weiteren Verlauf auf das Verhältnis zwischen Profession und Organisation eingegangen werden kann, soll dieser Abschnitt zunächst einen Überblick über die Thematik der Organisation im Kontext dieser Arbeit geben. Da es sich dabei um ein sehr weitläufiges Themengebiet handelt, wird der Schwerpunkt der Ausführungen auf den, für die spätere Diskussion essentiellen, Inhalten liegen.

Grundsätzlich kann man davon ausgehen, dass Organisationen ein elementarer Bestandteil moderner Gesellschaften sind. Aus diesem Grund beschäftigen sich neben der Soziologie noch weitere Wissenschaftsdisziplinen mit ihnen, was der Ausprägung einer einheitlichen Begriffsbestimmung nicht zuträglich ist. Für die Soziologie kann man den Organisationsbegriff hinsichtlich der Bedeutung in drei Dimensionen spezifizieren: die der Eigenschaft, des Resultates und der Tätigkeit (vgl. Röttger 2010: S.116).

Kurz (2010) beschreibt Organisationen als gewichtigen „Mechanismus gesellschaftlicher Strukturbildung“ (Kurz 2010: S.20), wobei er gesellschaftstheoretisch drei verschiedene Bezugsebenen anführt, welche wiederum Parallelen zu den o.g. Dimensionen aufweisen. Die erste befasst sich dabei mit der Selbstbeschreibung der Gesellschaft als Organisationsgesellschaft, wobei hierbei das bestimmende Merkmal bereits im Begriff selbst definiert wird. Dieser Ansatz folgt in seinen Wesenszügen der Tradition Max Webers, wobei sich die Gesellschaft als soziales Gefüge durch ihre Organisationen ausprägt (siehe dazu auch Schimank 2001). Die Fokussierung auf das Charakteristikum ist dabei dominant, sodass man hier von der Dimension der Eigenschaft sprechen kann. Demgegenüber stellt Kurtz (2010) die beiden anderen Ansätze, welche die Bedeutung der Organisationen für die Gesamtgesellschaft weniger betonen. Diese sind zum einen die „Organisationsansätze […], die glauben ohne Gesellschaft auskommen zu können, wie man das bei den meisten empirischen organisationssoziologischen Arbeiten beobachten kann“ (Kurtz 2010: S.16), was man dem Resultat und damit der zweiten Bedeutungsdimension zuordnen kann. Zum anderen die „Rückkehr in Teile der Organisationssoziologie“ (Kurtz 2010: S.16f.), wobei letzterer Punkt beispielsweise die soziologische Systemtheorie Niklas Luhmanns meint, wo nach der funktionalen Differenzierung Organisationen als Bestandteile von Funktionssystemen betrachtet werden (vgl. Kurtz 2010: S.16f.). Dementsprechend charakterisiert diese Ebene Organisation als ein Teil der Funktionssysteme und trifft damit auf die noch verbliebene Spezifizierung der Tätigkeit, des Organisierens, zu.

Um diesen Punkt noch etwas zu vertiefen, soll nun noch das Verhältnis von Inklusion und Exklusion dargestellt werden. Darunter versteht man den Mechanismus, welcher maßgeblich für die Ausgestaltung von Organisationen verantwortlich ist. Nach Luhmanns Systemtheorie können Funktionssysteme nicht organisiert werden, da es in modernen Gesellschaften unmöglich scheint, Individuen vollständig aus einem System auszuschließen. Funktionssysteme inkludieren also nahezu alle Mitglieder (vgl. Luhmann 2000: S.234f.). Organisationen hingegen definieren sich über spezifischere Eigenschaften und Anforderungen, wie beispielsweise Zieldefinition, formale Vorgaben und Rollenzuweisungen (vgl. Röttger 2010: S.116f.) und selektieren so die Organisationsangehörigen. Daraus ergibt sich ein wie folgt gearteter, kausaler Zusammenhang: „Je mehr sich Funktionssysteme für Inklusionen aller Gesellschaftsmitglieder öffnen, desto mehr muss dann innerhalb der Systeme über Organisationen für zweitrangige Möglichkeiten der Exklusion gesorgt werden“ (Kurtz 2010: S.21).

Zusammenfassend soll an dieser Stelle festgehalten werden, dass der Begriff der Organisation wissenschaftlich nicht einheitlich definiert ist und je nach Wissenschaftsdisziplin unterschiedlich betrachtet wird. Im Bereich dieser Ausarbeitung und als Ableitung der aufgeführten Überlegungen, muss dabei die Aktion des Organisierens, als einzige aktive Spezifizierung, und Grundlage ausgewählt werden.

3. Professionstheorien

In der Soziologie existiert aktuell eine Vielzahl an theoretischen Ansätzen und Herangehensweisen, welche sich mit dem Gegenstand der Profession befassen. Diese Heterogenität lässt sich am ehesten dadurch begründen, dass in diesem Fall eine abgegrenzte, soziale Gruppe aus einer Vielzahl von Blickwinkeln, welche sich aus den unterschiedlichen Gesellschaftstheorien ergeben, betrachtet und beforscht wird. Worüber sich jedoch fast alle Soziolog_innen einig sind, ist die Prämisse, dass es sich bei Professionen um eine Teilmenge aller Berufe handelt, die sich durch bestimmte Kriterien auszeichnet. Pfadenhauer & Sander (2010) haben die wichtigsten Theoriepositionen überblickend zusammengefasst und auf verständliche Art und Weise deren Zusammenhänge dargestellt. Aus diesem Grund werden im Folgenden drei Standpunkte auf der Grundlage des Textes von Pfadenhauer & Sander (2010) kurz vorgestellt (vgl. Pfadenhauer & Sander 2010: S.361f.).

3.1 Das strukturfunktionalistische Professionsmodell

Dieses Modell geht zurück auf den amerikanischen Soziologen Talcott Parson, dessen Theorie als Grundstein der Professionssoziologie im deutschsprachigen Raum angesehen werden kann. Nach Parson (1968) entstehen Professionen bei der Modernisierung von Gesellschaften und der damit einhergehenden Rationalitätssteigerung. Professionen sind dabei akademische Berufe, welche sich durch ein hohes Niveau an systematischem Fachwissen charakterisieren. Sie erfüllen zudem „die integrative gesellschaftliche Funktion der Wertverwirklichung und der Normenkontrolle bzw. der Kontrolle abweichenden Verhaltens“ (Pfadenhauer/Sander 2010: S.363). Um dieser Aufgabe effizient nachkommen zu können, unterliegen die Angehörigen der Professionen gesonderten institutionellen Bedingungen. So verfügen sie über ein besonders hohes Maß an Freiraum in der Ausgestaltung ihrer Berufsausübung, müssen sich dadurch aber einem erhöhten Maß an Selbstbeschränkung unterwerfen. Zudem ist das Ziel ihres Handelns auf das Gemeinwohl und nicht individuell ausgerichtet. Als Gegenleistung erhalten die Professionellen von der sozialen Gemeinschaft besondere Privilegien, welche sowohl materiell, so zum Beispiel in Form von Geld, aber zumeist immateriell, beispielsweise durch Berufsprestige, Respekt und Anerkennung (vgl. Pfadenhauer / Sander 2010: S.362f.; S.160; Kurtz 2002: S. 2).

Die Profession im strukturfunktionalistischen Professionsmodell ist also eine Dienstleistung, welche durch die Struktur der Gesellschaft, sprich Werte und Normen, gesteuert wird. Das erwartete Handeln ist spezifiziert durch Universalität, Neutralität, Kollektivität und Leistungsorientierung (vgl. Pfadenhauer/Sander 2010: S.363).

3.2 Die revidierte Professionstheorie

Die, nach den Ausführungen Ulrich Oevermann benannte, revidierte Professionstheorie, erweitert die klassische, strukturfunktionalistische Sichtweise um eine Festlegung „für das institutionelle Erscheinungsbild von Professionen als sich selbst verwaltende, in Berufsausbildung und Berufsausübung relativ autonome, durch kollegiale Binnenkontrolle geprägte, korporative Gebilde“(Pfadenhauer/Sander 2010: S.364). Oevermann leitet die Handlungsorientierung aus den individuellen Aufgaben des konkreten Falls ab. Demnach sind die Angehörigen einer Profession in ihrer Lebenswelt unmittelbar in lebenspraktische Krisen involviert und bearbeiten diese innerhalb universalistischer Rahmenbedingungen (ebd. S.364f.; Oevermann 1997: S.9ff.).

Dem Professionellen kommt also die Aufgabe zu, die spezifischen Probleme mit einer nicht-standardisierten, nicht routinemäßigen Lösung zu beseitigen. Dazu kommt das bereits in der strukturfunktionalen Theorie angeführte, besonders umfassend ausgeprägte Fach- und Erfahrungswissen zur Anwendung. Diese Transferleistung von akademisch-abstrakten Wissensbeständen in lebensweltlich anwendbare Lösungsansätze geschieht mittels der sogenannten ‚stellvertretenden Deutung‘. Dieser zentrale Begriff der revidierten Professionstheorie beschreibt dabei eine Beratungsleistung, mit deren Hilfe die objektiven, von der Natur vorgegebenen Strukturen durch die subjektive Lebenspraxis hindurch rekonstruiert werden (vgl. Pfadenhauer/Sander 2010: S.365).

3.3 Professionalisierte Funktionssysteme

In der bereits angesprochenen Systemtheorie Niklas Luhmanns bilden sich Professionen „in solchen Funktionssystemen aus, deren Funktionserfüllung in der Änderung ihrer personalen Umwelt […] liegt“(Pfadenhauer/Sander 2010: S.366). Für die Zustände der Umwelt existieren dabei konträre Dualismen, wobei der erstrebenswerte Zustand in einigen Funktionssystemen technisch definierbar ist. Als Beispiel könnte man dazu die Politik anführen, wobei das Medium ‚Macht‘ wäre und die dazugehörige Option ‚besitzen/nicht besitzen‘ (ebd.: S.366).

Nun gibt es jedoch gesellschaftliche Teilbereiche, für die keine präferierten Zustände existieren. Als Beispiel sei hier das Rechtssystem genannt, wobei ‚gerecht/ungerecht‘ keine objektiv-technischen Optionen darstellen. Um einen Abbruch der Kommunikation[1] zu vermeiden, bedarf es professionell erarbeiteter Medien und die Veränderung der Bezugsperson, bzw. des Klienten, zur positiven Ausprägung des definierten Mediums hin. Die vergleichsweise hohe Wahrscheinlichkeit des Scheiterns dieses Prozesses und die dadurch entstehenden, tendenziell überdurchschnittlich hohen Anforderungen an die Professionellen, wie etwa „Intuition, Urteilsfähigkeit, Risikofreudigkeit und Verantwortungsübernahme“ (Pfadenhauer/Sander 2010: S.366f. in Bezug auf Stichweh 1994: S.296f.), führen nach Luhmann zu den gesellschaftlichen Privilegien und der Wertschätzung gegenüber Professionen (ebd. S.367; Luhmann 1982: S.192).

[...]


[1] Der Kommunikationsbegriff im Kontext der Systemtheorie meint das, was üblicherweise als Handeln verstanden wird. Ohne Motivatoren in Form präferierter Zustände wird ein Fortbestehen von Interaktion als unwahrscheinlich angenommen (vgl. Pfadenhauer/Sander 2010: S.366, Kurtz 2000: S.167)

Ende der Leseprobe aus 16 Seiten

Details

Titel
In welchem Verhältnis stehen Profession und Organisation zueinander?
Hochschule
Helmut-Schmidt-Universität - Universität der Bundeswehr Hamburg
Veranstaltung
Professionalität und Kompetenz - professionssoziologische Perspektiven
Note
1,0
Autor
Jahr
2011
Seiten
16
Katalognummer
V279797
ISBN (eBook)
9783656727897
ISBN (Buch)
9783656727873
Dateigröße
568 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
profession, organisation, verhältnis
Arbeit zitieren
Master of Arts Robert Möller (Autor:in), 2011, In welchem Verhältnis stehen Profession und Organisation zueinander?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/279797

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