Fetischismusbegriffe. Der sexuelle Fetischismus bei Freud und der Warenfetischismus bei Marx


Hausarbeit, 2014

19 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Die Genese des sexuellen Fetischismus-Begriffs bei Freud
2.1 Die Anfänge des Freud’schen Fetischismus-Begriffs (1905-1910)

2. Die Erweiterung des Freud‘schen Fetischismus-Begriffs (1910-1927)

2. Karl Marx – Warenfetischismus
2.1 Das Marx’sche Fetischismus-Konzept
2.1 Die Ware – Begriffsklärung und Eigenschaften
3.3 Die Theorie der Entfremdung

4. Synthese der Analyse-Ergebnisse und Fazit

Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Die vorliegende Seminararbeit befasst sich mit dem Thema „Fetischismus-Begriffe“, insbesondere mit einer Analyse des sexuellen Fetischismus-Begriffs von Sigmund Freud und des von Karl Marx entwickelten Begriffs des Warenfetischismus. Fetischismus ist ein im 19. Jahrhundert entdecktes Phänomen, das die „Bindung des Begehrens von Individuen oder Kollektiven an einen Fetisch“[1] beschreibt. Die Tatsache, dass der Fetischismus in diversen Bereichen des Lebens rund um den Globus aufzufinden ist, dass dieser Begriff in den verschiedensten Kontexten gebraucht wird und unterschiedlichste Konnotationen hervorruft, hat mein Interesse an diesem Thema geweckt. Zweifelsohne wird der Fetischismus heutzutage überwiegend mit Sexualität in Verbindung gebracht, allerdings wurde dieses Fetischismus-Konzept am spätesten von allen, nämlich erst in den 1980er Jahren von Alfred Binet entdeckt. Neben der Analyse des sexuellen Fetischismus-Begriffs und der des Warenfetischismus beschäftigt sich diese Seminararbeit mit der Frage, ob in unterschiedlichen Fetisch-Konzepten ähnliche oder sogar gleiche Strukturen vorzufinden sind. Durch die Analyse der beiden Fetisch-Begriffe wird außerdem eine weitere Thematik gestreift, nämlich die Ausbreitung des Fetischismus in den verschiedensten Bereichen unserer Kultur.

Zu Beginn der Arbeit beschäftige ich mich zunächst eingehend mit der Genese des sexuellen Fetischismus-Begriffs von Sigmund Freud. Da dieser sich mit dem Thema Fetischismus in keiner größeren Einzelstudie auseinandergesetzt hat, liegen die Quellen in keiner systematischen Ordnung vor. Aus diesem Grund habe ich mich dazu entschieden, die Entstehung des Freud‘schen Fetischismus-Begriffs vorrangig aus chronologischer Sicht zu erschließen. Dabei werde ich die Entwicklung in zwei Stadien unterteilen. Ich beginne mit einer Untersuchung von Freuds anfänglichen Überlegungen zur Thematik des Fetischismus (ca. 1905- 1910). Anschließend werde ich mich mit seinen im Laufe der Jahre dazugewonnenen Erkenntnissen auseinandersetzen und so die Erweiterung des Freud’schen Fetischkonzepts (1910-1927) darlegen.

Im zweiten Teil der Arbeit beschäftige ich mich speziell mit dem von Karl Marx kreierten Begriff des Warenfetischismus. Diese Form des Fetischismus beinhaltet eine aus etymologischer Hinsicht gegebene Doppeldeutigkeit, zumal das Wort ‚Fetisch‘ sowohl einen portugiesischen Ursprung (port. feiti ҫ o = ‚zauberisch‘) als auch einen lateinischen (lat. facticius = ‚künstlich hergestellt‘) aufweist.[2] Diese Doppeldeutigkeit macht sich Karl Marx bei der Entwicklung des Warenfetischismus zunutze, denn er war der Meinung, dass Waren beide etymologischen Wurzeln verkörpern. Sie sind zum einen ‚künstlich hergestellt‘, da sie vom Menschen geschaffene Arbeitsprodukte sind und weisen zeitgleich einen rätselhaften und zauberhaften Charakter auf. Die Analyse des Marx’schen Fetisch-Begriffs ist folgendermaßen aufgebaut: Zunächst werde ich einen kurzen allgemeinen Überblick über das Konzept des Warenfetischismus geben. Im zweiten Kapitel folgt dann eine Erklärung des Begriffs ‚Ware‘ und anschließend werde ich die Waren in Hinblick auf ihre Funktionen untersuchen. Im Anschluss daran werde ich die für den Warenfetischismus zentrale Theorie der Entfremdung von Karl Marx genauer beleuchten. Am Ende der Arbeit untersuche ich die gesammelten Analyse-Ergebnisse in Hinblick auf gemeinsame Strukturen, die beide Fetisch-Begriffe aufweisen.

2. Die Genese des sexuellen Fetischismus-Begriffs bei Freud

2.1 Die Anfänge des Freud’schen Fetischismus-Begriffs (1905-1910)

Obwohl Sigmund Freud das Konzept des Fetischismus erst verhältnismäßig spät (1927) genauer untersuchte, zeigt die von ihm getroffene Aussage „keine andere ans Pathologische streifende Variation des Sexualtriebs hat so viel Anspruch auf unser Interesse, wie diese durch die Sonderbarkeit der durch sie veranlassten Erscheinungen“[3], dass Freud dem Fetischismus sehr wohl eine bedeutende Rolle zuspricht. Dadurch, dass er das Thema Fetischismus erst in einem seiner letzten Aufsätze thematisierte, sind die Quellen in keiner erkennbaren Ordnung vorzufinden. Im folgenden Kapitel wird anhand dieser Quellen die Genese des Fetischismus-Konzepts nach Freud chronologisch erarbeitet.

Vorab muss erwähnt werden, dass Freud sein Augenmerk, anders als seine Vorgänger in der Ethnographie und der Sexualwissenschaft, auf die Ätiologie des Fetischismus richtete und nicht auf die Ordnung der mit einem Fetisch besetzten Objekte. Freud konzentrierte sich vielmehr darauf, der „dunkle[n] Herkunft“[4] des Fetischs auf den Grund zu gehen.

Von Fetischismus sprach Freud erstmals in den «Drei Abhandlungen zur Sexualtheorie» (1905) im Kapitel «Ungeeigneter Ersatz des Sexualobjekts»[5]. Hier erklärte er, dass bei einem Fetisch das normale Sexualobjekt - also das weibliche Genital - durch ein anderes ersetzt wird, das i.d.R. vollkommen ungeeignet ist, um das normale Sexualziel zu erreichen. Es handelt sich dabei beispielsweise um ein Körperteil (Fuß, Haar) oder einen unbelebten Gegenstand (Kleidungsstück), der „in nachweisbarer Relation mit der Sexualperson“, „oder am besten mit der Sexualität derselben, steht.“[6]

Auffallend ist, dass Freud, wie seine Vorgänger (z.B. Krafft-Ebing) davon ausging, dass es sich beim Fetischismus um eine sexuelle Abirrung handle, die nur bei Männern auftrete. Diese Auffassung wurde bis nach dem Zweiten Weltkrieg vertreten. Weibliche Abirrungen der Sexualität waren lange Zeit unbekannt und „durch die konventionelle Verschwiegenheit und Unaufrichtigkeit der Frauen in ein noch undurchdringlicheres Dunkel gehüllt“[7].

Der Ersatz des Sexualobjekts allein ist nach Freud nicht ausreichend, um von Fetischismus sprechen zu können. Laut ihm sei „ein gewisser Grad von solchem Fetischismus […] daher dem normalen Lieben regelmäßig eigen“[8]. Vor allem sei dies in der Phase der Verliebtheit der Fall, in der „das normale Sexualziel unerreichbar oder dessen Erfüllung aufgehoben erscheint“. Für Freud war dieses „normal-fetischistische Begehren“[9] auf die Sexualüberschätzung zurückzuführen. Sexualüberschätzung kann laut ihm als eine Begleiterscheinung von sexueller Anziehung betrachtet werden und meint, dass nicht mehr nur die Genitalien dazu dienen, das Sexualziel zu erreichen, sondern sich das Begehren des Sexualobjekts auf den ganzen Körper ausweitet.[10] Für das Erreichen des Sexualziels sind „alle vom Sexualobjekt ausgehenden Sensationen“[11] von Bedeutung (Geruch, Körperteile, Haar), sowie dessen „Verpackung“ (Kleidung, Schmuck)[12], und dessen psychische Eigenschaften. Lag diese Überschätzung des Sexualobjekts auch auf psychischer Ebene vor, so führte sie, nach Freud, zu einer „logischen Verblendung (Urteilsschwäche)“[13]. Allerdings zählt die Sexualüberschätzung bei Liebenden zur Normalität. Diese Aussage von Freud deckte sich mit der seines Vorgängers Alfred Binets, der ebenfalls der Ansicht war, dass „in der Liebe ein jeder mehr oder weniger Fetischist ist und auch in der normalsten Liebe stets ein Quantum Fetischismus enthalten ist.“[14] Die Sexualüberschätzung wirkt sich erst ab einer bestimmten Größe einschränkend auf die Funktion der Genitalien aus. Frühestens dann tendiert sie dazu nach einem Ersatz zu suchen.[15] Dies wäre auch eine mögliche Erklärung, warum man den Fetischismus meist nur in einer partiell ausgebildeten Form vorfindet und in vielen Fällen wenig bis keine Beeinträchtigung des Sexualverhaltens vorliegt.

Von einem Fetisch als „pathologische Verirrung“[16] kann laut Freud erst gesprochen werden, wenn über den Ersatz des Sexualobjekts hinaus eine Fixierung des Fetischs erfolgt und der Fetisch dadurch die Stelle des Sexualziels einnimmt, oder aber wenn der Fetisch isoliert auftritt, also an keine bestimmte Person mehr gebunden ist und dadurch die Position des Sexualobjekts einnimmt. Andernfalls handle es sich lediglich um „Variationen des Geschlechtstriebes“[17].

Insgesamt lässt sich sagen, dass sich Freuds erste Aufzeichnungen zum Thema Fetischismus vorrangig auf die folgende Feststellung beschränkten: „In der Auswahl des Fetisch zeigt sich […] der fortwirkende Einfluss eines zumeist in früher Kindheit empfangenen sexuellen Eindruckes.“[18] An dieser Stelle stützte Freud sich ein weiteres Mal auf die Ansichten von A. Binet, indem er schrieb: „Seit A. Binet [1888] versuchen wir wirklich, den Fetischismus auf erotische Kindheitsausdrücke zurückzuführen.“[19]

Bei der Annahme, dass die Auswahl des Fetischs auf einen Kindheitseindruck zurückzuführen sei, blieb Freud auch zwei Jahre später (1907). Im Zuge seiner Gradiva -Studie führte er kurz das Thema Fußfetischismus an, welcher, ihm zufolge, wiederum aus einem Kindheitseindruck entstanden sei. In diesem Fall bildete die Erinnerung an eine Freundin aus der Kindheit, welche sich schon damals durch einen schönen Gang auszeichnete, die Grundlage für den späteren Fußfetisch. Nach Freud wird dieser „Kindheitseindruck […] aktiv gemacht, so daß [sic] er Wirkungen zu äußern beginnt, er kommt aber nicht zum Bewußtsein [sic], er bleibt »unbewußt« [sic]“.[20] Demnach ist der Fetisch also ein Träger unbewusster Erinnerung, der aus dem ersten Kontakt von „Begehren und Objekt“[21] resultiert. Hinter dieser Erinnerung versteckt sich „eine untergegangene und vergessene Phase der Sexualentwicklung, die durch den Fetisch wie durch eine <Deckerinnerung> vertreten wird, deren Rest und Niederschlag der Fetisch also darstellt“.[22] Eine genauere Erläuterung des Begriffs Deckerinnerung wird im folgenden Abschnitt gegeben.

Die nächste Auseinandersetzung Freuds mit der Thematik des Fetischismus folgte zwei Jahre später (1909), in einem Vortrag vor der Wiener Psychoanalytischen Vereinigung und trug den Titel «Zur Genese des Fetischismus». Dieser Vortrag wurde von Freud nie veröffentlicht, allerdings liegen hierzu Schriften seines damaligen Schülers Ernest Jones vor.[23] Durch die Analyse des „Rattenmannes“, mit der sich Freud zur gleichen Zeit beschäftigte, entdeckte er eine Verbindung zwischen Fetischismus und Riechlust. Diesen Zusammenhang erläuterte er in einer Anmerkung der überarbeiteten Auflage der «Drei Abhandlungen», im Jahr 1910 ausführlicher. Dort heißt es: „Fuß und Haar sind stark riechende Objekte, die nach dem Verzicht auf die unlustig gewordene Geruchsempfindung zu Fetischen erhoben werden.“[24] Für Fußfetischisten stellen demzufolge lediglich verschmutzte und schlecht riechende Füße ein Sexualobjekt dar.

2. Die Erweiterung des Freud‘schen Fetischismus-Begriffs (1910-1927)

Diese eben genannte Anmerkung ist außerdem von zentraler Bedeutung, da sie einen neuen Aspekt beinhaltete, der für die Genese des Fetischismus-Begriffs bei Freud signifikant ist. Denn hier führte Freud zum ersten Mal die These an, dass der Fetisch einen Penisersatz darstelle. Genauer gesagt ersetze der Fetisch den fehlenden Penis der Frau, der in der frühen Kindheit von großer Bedeutung sei. In der Regel verliert dieser Penis im Laufe der Jahre immer mehr an Wert, bis er am Ende vollständig verschwindet. Beim Fetischismus aber bleibt genau dieser Vorgang aus. Das Festhalten an diesem Penis ist kennzeichnend für den Fetisch. Der Ersatz für „den Phallus des Weibes (der Mutter), an den das Knäblein geglaubt hat und auf den es – wir wissen warum – nicht verzichten will“[25], bildet also die Basis eines jeden Fetischs. Dieses <Warum>, von dem Freud spricht, meint den Kastrationsschreck, der jeden Jungen beim ersten Anblick des weiblichen Geschlechtsorgans trifft. Das Kind glaubt, dass die Mutter kastriert worden sei und diese Annahme stellt eine Bedrohung für seinen eigenen Penisbesitz dar. In dieser Angst vor der Kastration sieht Freud einen weiteren Nachweis für die „Existenz des Kastrationskomplexes“[26]. Mit dem Kastrationsschreck geht auch immer eine Entfremdung gegen das weibliche Geschlechtsorgan einher.[27] Diesen neuen Anhaltspunkt in der Erklärung des Fetischismus legte Freud wenig später auch in der Studie über Leonardo da Vinci (1910) dar.

Der traumatische Moment, in dem der Junge den Penismangel der Frau realisiert, kann nach Freud drei unterschiedliche Auswirkungen auf das spätere Leben des Jungen haben. Er behauptete, dass der Anblick bei den einen zur Homosexualität führe, dass andere versuchen würden ihn mithilfe eines Fetischs abzuwehren und der dritte mögliche Ausgang, der bei dem Großteil der Männer zutreffe, sei diesen Moment unbeschadet zu überstehen. Auf die Frage, welche Voraussetzungen für die jeweilige Reaktion verantwortlich seien, konnte Freud allerdings keine eindeutige Antwort geben.[28]

[...]


[1] Böhme (2012, S. 315).

[2] Vgl. Böhme (2012, S. 319).

[3] Freud (1905, S. 63-64).

[4] Böhme (2012, S. 397).

[5] Vgl. Freud (1905, S.63).

[6] Freud (1905, S. 63).

[7] Freud (1905, S. 61).

[8] Freud (1905, S.64).

[9] Böhme (2012, S. 399).

[10] Vgl. Jones (1962, S. 341).

[11] Freud (1905, S. 61).

[12] Böhme (2012, S. 399).

[13] Freud (1905, S. 61).

[14] Pontalis (1972, S. 7).

[15] Vgl. Jones (1962, S. 341).

[16] Freud (1905, S.64).

[17] Freud (1905, S. 64).

[18] Freud (1905, S.64).

[19] Freud (1907, S. 45f).

[20] Vgl. Freud (1907, S.45f).

[21] Böhme (2012, S. 400).

[22] Freud (1905, S. 64f).

[23] Vgl. Jones (1962a, S. 362).

[24] Freud (1905, S.65, Anm. 2).

[25] Freud (1927, S. 384).

[26] Freud (1927, S. 386).

[27] Vgl. Jones (1962b, S. 310 ff.).

[28] Vgl. Freud (1927, S. 385).

Ende der Leseprobe aus 19 Seiten

Details

Titel
Fetischismusbegriffe. Der sexuelle Fetischismus bei Freud und der Warenfetischismus bei Marx
Hochschule
Universität Regensburg  (Institut für Medien, Sprache und Kultur)
Veranstaltung
Medientheorien der Sexualität
Note
1,3
Autor
Jahr
2014
Seiten
19
Katalognummer
V279297
ISBN (eBook)
9783656720454
ISBN (Buch)
9783656722663
Dateigröße
629 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
fetischismusbegriffe, fetischismus, freud, warenfetischismus, marx
Arbeit zitieren
Lena Frauenknecht (Autor:in), 2014, Fetischismusbegriffe. Der sexuelle Fetischismus bei Freud und der Warenfetischismus bei Marx, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/279297

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