Das Böse in der islamischen Tradition unter Einbezug der christlichen Tradition und des Hiobmotivs


Hausarbeit, 2012

21 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. EINLEITUNG

2. DAS FACHTHEORETISCHE KONZEPT
2.1 WAS IST DAS BÖSE UND WIE WIRD ES ERFAHRBAR?
2.2 EIN VERGLEICH DER BEDEUTUNG DES BÖSEN IN DER ISLAMISCHEN TRADITION UND DER CHRISTLICHEN TRADITION
2.3 DIE MYTHEN DES BÖSEN IN DER ISLAMISCHEN TRADITION
2.4 IBLIS, DER TEUFEL UND DAS BÖSE IN DER ISLAMISCHEN TRADITION
2.5 DAS BÖSE ALS ATTRIBUT MENSCHLICHER HANDLUNGEN
2.6 KORAN 4:78-79 ODER DIE WAHLFREIHEIT DES MENSCHEN
2.7 DAS BÖSE UND DIE THEOLOGISCHE SPEKULATION UM DIE HANDLUNGSFREIHEIT DES MENSCHEN
2.8 RELATIVIERUNG DES BÖSEN IN DER ISLAMISCHEN MYSTIK
2.9 DIE ZEIT UND DAS BÖSE
2.10 ISLAMISCHE DEUTUNGEN DES THEODIZEEPROBLEMS
2.11 DAS HIOB MOTIV

3. FACHPRAKTISCHER AUSBLICK

4. FAZIT

LITERATURVERZEICHNIS

1. Einleitung

Das Böse und alltägliche Erfahrungen mit dem Bösen sind uns allgegenwärtig bekannt. Neben der sich in diesem Zusammenhang aufdrängenden „Theodize- efrage“, warum Gott das Böse überhaupt in der Welt zulässt, werden auch Frage- stellungen nach dem Selbstverständnis des Menschen und der moralischen Inter- pretation des menschlichen Handelns gestellt.1 Für uns ist es häufig nicht nach- vollziehbar wie Menschen in der Lage sein können anderen Menschen beabsich- tigt zu schaden. Es drängt sich zwangsläufig die Fragestellung auf, ob der Mensch von Natur aus böse ist oder dieser möglicherweise von „finsteren Mächten“ ge- lenkt wird.2

Im Rahmen des Seminars „Weltreligion“ haben wir uns zentral mit der Thematik des „Bösen in der islamischen Tradition“ beschäftigt. Zielsetzung der Hausarbeit soll es sein, sich nochmals vertieft mit der im Seminar vorgestellten Frage des Bösen im Islam zu befassen, hierbei aber auch eine christliche Perspektive auf das Themenfeld einzubeziehen. Wir haben daher ergänzend zu der im Seminar von Johannes Laube dargestellten islamischen Tradition des Bösen, auch die Ausfüh- rungen von Navid Kermani einbezogen. Für christliche Positionierungen wurde Texte von U. Dalferth und Karl Kardinal Lehmann berücksichtigt.

Näher betrachtet werden sollen zunächst die Fragestellungen, was eigentlich unter dem Bösen zu verstehen ist und worin der Ursprung des Bösen besteht. Problema- tisiert werden soll auch das Verhältnis des Bösen zu dem bestehenden Übel in der Welt. Ferner soll insbesondere eine islamische Darstellung des Theodizeeprob- lems und die Gottesklage Hiobs im Koran aufgezeigt werden. Neben dem fach- theoretischen Teil soll im Zuge eines fachpraktischen Ausblicks, eine mögliche Umsetzung des Themenfelds im Unterricht mittels des Hiobsmotivs skizziert werden.

Grundsätzlich handelt es sich bei dem Thema „Weltreligionen“ um ein zentrales Thema des konfessionsübergreifenden Unterrichts der berufsbildenden Schulen. Gerade ein religionsübergreifender Fokus bietet die Chance einer neuen interreli- giösen Herangehensweise an das Hiobmotiv. Auf diesem Wege wird es möglich sein, die Thematik des „Bösen“ aus verschieden religiösen Perspektiven gemein- sam mit den Schülern zu erarbeiten. Gerade in den berufsbildenden Schulen ist wegen des hohen Grades an Heterogenität der Schüler, die sich auch in verschie- denen Konfessionen zeigt, auf eine vielschichtige Bearbeitung religiöser Themen zu achten. Die Darstellung des Bösen in den Weltreligionen des Islams und Christentums zeigt, dass die Frage nach dem Bösen und möglichen Begründungen für das Böse eine religionsübergreifende Fragestellung darstellt, die in allen Reli- gionen von Bedeutung ist, jedoch teilweise unterschiedlich gewichtet und ausge- legt wird. Gerade für die Lebenswelt der Schüler ist es bedeutsam, warum es überhaupt das Böse gibt, woher es kommt, ob es immer schon im Menschen inne wohnt und warum ein allmächtiger Gott dieses überhaupt zulässt.3 Eine interreli- giöse Perspektive bietet möglicherweise auch für den einzelnen Schüler die Chan- ce das Phänomen des Bösen besser zu verstehen und einordnen zu können. Wir halten daher das Thema für unsere spätere berufliche Tätigkeit durchaus für sinn- voll, möchten aber dennoch im Rahmen dieser Hausarbeit den Schwerpunkt auf eine fachtheoretische Bearbeitung des Themas setzen.

2. Das fachtheoretische Konzept

2.1 Was ist das Böse und wie wird es erfahrbar?

Aus eigener Erfahrung ist dem Menschen das Böse in Form von menschlichen Erfahrungen von Schmerz, Leid, Verbrechen und Unfällen nur allzu gut bekannt. Für das Böse gibt es hierbei keine unmittelbare Erklärung, es tritt zumeist unvor- bereitet in das Leben der Menschen.4 Das Böse kennt dabei unzählige Variationen im Leben und zeigt sich aber zuletzt mit der sinnlosen Zerstörung des Lebens.5 Erlebt wird Böses stets als konkretes Übel in ganz bestimmten Situationen des menschlichen Lebens. Folglich wird abhängig von der Art der Begegnung mit dem Bösen in verschiedene Formen des Bösen differenziert. Das Böse kann dem Menschen sowohl als physisches wie auch psychisches Leiden, genauso als mora- lische wie auch rechtliche Verfehlung begegnen. In einem weiteren Sinne kann es auch in Bezug zu sozialen Ungerechtigkeiten und ökonomischer Ungleichheit durch den Menschen erfahren werden.6 Kenntlich wird es aber immer im eigenen Leid oder dem Leiden anderer. Es bleibt daher offen, weshalb die einen leiden müssen und die anderen eben nicht. Hierin liegt aber gerade das verbindende Element des Bösen. Alle Menschen kennen Leiden und haben dieses in irgendei- ner Form in ihrem Leben bereits selbst erfahren.7 Hierbei zeigt sich auch eine ge- meinsame Struktur des erfahrbaren Bösen. Böses widerfährt dem Menschen durch etwas wie beispielsweise durch Leiden, einen Unfall oder sonstiges Unglück.8 Es ist zumeist mit einer bestimmten Zielrichtung oder Adressaten verbunden, indem Leiden häufig jemanden bestimmtes betrifft. Betroffen sein können bestimmte Menschen, aber auch in einer weiter gefassten Perspektive möglicherweise Gott selber. Das Böse zeigt sich auch als etwas, das sich in einer bestimmten Form des Leidens, wie etwas Schockierendes oder Abstoßendes darstellt. Auch muss es durch etwas, wie beispielsweise Gott oder eben dem Kontrast zu Gott herbeige- führt worden sein. Es muss folglich auch eine Wirkursache für das Leiden und Unglück in der Welt geben.

Festzustellen ist in jedem Fall, dass das Böse zur Wirklichkeit wird, da es als kon- kretes erfahrbares Übel auch zur Wirkung kommt.9 Zu problematisieren ist daher vielmehr die Fragestellung, wie diese Wirklichkeit verstanden werden kann. Für den Einzelnen bleibt ungeklärt, worin überhaupt das Böse besteht, warum es die- ses überhaupt gibt und warum gerade nur der Einzelnen von dem Bösen betroffen ist.10 Fraglich ist auch, ob es überhaupt eine Möglichkeit oder Chance gibt das Böse zu überwinden. Gerade aber der Versuch das Böse verstehen und durchdrin- gen zu wollen gestaltet sich schwierig. Grund hierfür ist, dass das Böse vom Be- trachter oder auch Opfer die Herausforderung abverlangt, sich selbst und die Mitmenschen angesichts des Bösen zu verstehen, möglicherweise auch die Cou- rage erfordert einen Blick in die eigenen seelischen Abgründe zu riskieren.11 Als Hilfestellung für ein besseres Verständnis und eine systematische Analyse eines auftretenden Übels oder Phänomens können die folgenden Leitfragen herangezo- gen werden:12

- Was wird erfahren?
- Wer macht die Erfahrung bzw. wer ist betroffen?
- Wie wird das Erfahrene durch die Betroffen aufgefasst, bzw. verstanden?  Wie wird das, was sie erfahren, beurteilt und bewertet?

Hintergrund für die Suche nach der Antwort für diese Fragestellungen ist das menschliche Bedürfnis sich im Leben erfolgreich orientieren zu können.13 Gerade die Fragestellung wer die Erfahrung des Bösen macht, ist hierbei von zentraler Bedeutung. Es ist eben ein großer Unterschied, ob das Böse aus der eigenen Per- spektive, der Perspektive eines nicht beteiligten Beobachters oder gar des Täters selber erfolgt. Es ist daher wichtig die Sicht des jeweils Anderen zur Kenntnis zu nehmen, um die Handlung eines Anderen auch verstehen zu können. Daneben ist der Versuch das Böse zu verstehen wichtig, um auch gesellschaftliche Normen und verschiedene menschliche Sichtweisen beurteilen zu können.14

2.2 Ein Vergleich der Bedeutung des Bösen in der islamischen Tradition und der christlichen Tradition

Im Vergleich zur christlichen Tradition wird dem Bösen in der islamischen Tradi- tion eher eine geringere Rolle zugesprochen.15 Aus theologischer Sicht kann dies damit begründet werden, dass das Böse in der islamischen Kultur nicht mit dem menschlichen Wesen, d. h. der menschlichen Existenz verknüpft wird. Folglich besteht kein Raum für ein autonomes Böses. Hingegen ist die christliche Traditi- on eng mit dem in Sünde geborenen und auch mit der Erbsünde belasteten Men- schen verbunden. Die Problematik der Erbsünde stellt jedoch kein islamisches Thema dar. Daher ist in der islamischen Tradition der Auszug von Adam und Eva aus dem Paradies nicht mit einer vererbten Schuld verbunden.

Nach islamischer Dogmatik bleibt die Sünde stets die Tat eines Einzelnen und das Böse eine individuelle Eigenschaft.16 Zwar haben auch Adam und Eva nach der islamischen Dogmatik gesündigt, doch handelte es sich hierbei um eine individu- elle Tat. Aufgrund dieser Ausgangslage bestand für die islamische Tradition im Gegensatz zum Christentum nicht die zentrale Notwendigkeit das Problem des „Bösen“ zu lösen. Die islamische Theologie beschreibt deshalb auch keine beson- dere Erlösung durch Gott aus der Schuld und der Sünde.17 Auf diese Weise entfällt die Voraussetzung für eine separate Behandlung des Bösen als ein besonderes Problem der Theologie. Es entspricht daher auch nicht der islamischen Tradition, dass das Böse als Macht mit Gott konkurriert. Dies würde auch einem zentralen Grundgedanken der islamischen Dogmatik zuwiderlaufen, wonach die Einzigartigkeit des einen Gottes betont wird.18 Es wird folglich dem Bösen auch keine eigene abstrakte Kategorie zugeordnet.

2.3 Die Mythen des Bösen in der islamischen Tradition

Nach Paul Ricoeur können drei Traditionen des mythischen Erzählens über das Böse unterschieden werden.19 In der 1. Tradition (mythes théogoniques)wird das Böse mit dem Prinzip des Chaos verbunden, das vor der Herstellung der Ordnung durch Gott existierte. Chaos und Ordnung werden hiernach als das Gute und Böse angesehen und der Mensch selbst kann aber nicht unmittelbar auf deren Entste- hung Einfluss nehmen kann. Die 2. Tradition (mythes tragiques) geht davon aus, dass von Beginn an ein unauflöslicher Konflikt zwischen dem Bösen und dem Guten besteht. Dieser Konflikt zeigt sich nun im Handeln des Menschen. Diese menschlichen Handlungen sind aber selbst nur als Ergebnis eines „früheren Dra- mas“ bzw. Urkonfliktes anzusehen. Die 3. Tradition (adamitische Mythos) setzt eine radikale Aufspaltung des Ursprungs des Bösen und des Guten voraus. Der Ursprung des Bösen wird nun mit dem Ursprung des Menschen in Verbindung gebracht und das Böse hierdurch auf den Menschen zurückgeworfen und deren Ursprünge gleichgesetzt. Adam steht als Mensch in Konfrontation mit dem Teufel als Gegner und weiteren Personen wie bspw. Eva, auf die wiederum das Böse verteilt wird.20 Durch diese Verknüpfung mit dem Ursprung des Menschen tritt in der islamischen Religionsgeschichte der adamitische Mythos in den Vordergrund. Diese Tradition ist von der christlichen Tradition abzugrenzen, die das Bild des Falls des Menschen aus dem Guten in das Böse prägt. Im Koran, welcher als „Wort gewordener Gott“ zu sehen ist, ist folglich das Böse als Kategorie der Wi- dersetzlichkeit oder des Frevels gegenüber Gott zu verstehen.21 In der koranischen Offenbarung wird daher auch die Deutung des Bösen ausschließlich in adamiti- scher Form erzählt. In den frühen mekkanischen Offenbarungen, finden sich kaum Aussagen über das Böse und wie es in die Welt gekommen ist. Nur in vereinzel- ten Textstellen der Sure taucht der Begriff des Bösen auf, wobei es in der arabi- schen Sprache verschiedene Bedeutungen aufweist. Vergleicht man das deutsche Begriffspaar „Gut-Böse“, erfolgt im Arabischen keine einheitliche, sondern eine synonyme Verwendung.22 Eine Übersicht zeigt die nachfolgende Tabelle auf:

Synonyme Verwendung von Gut und Böse in der islamischen Tradition:23

Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass diese Mythen nicht als auto- nom angesehen werden können, sondern vielmehr als eigene Handlungsqualität existieren.24 Das Böse äußerst sich somit stets als Handlung, die sich in einem Widersetzen gegenüber Gott zeigt. In der koranischen Offenbarung existiert Gut und Böse damit nicht außerhalb der Handlungen von Gott und Gottes Geschöpfen. Die frühe islamische Tradition bezog die Bewertung von Gut und Böse vor allem auf Handlungen als Glauben und Unglauben. Mit Einbezug der späteren abraha- mitischen Tradition gewinnt die moralische Bewertung von menschlichen Hand- lungen zunehmend an Bedeutung.

[...]


1 Vgl . Dalferth, Lehmann, Kermani 2011, S. 7

2 Vgl . Ebd.

3 Vgl . Dalferth, Lehmann, Kermani 2011, S. 119

4 Vgl. Dalferth 2011, S. 7

5 Vgl. Ebd., S. 10

6 Vgl. Dalferth 2011, S. 11

7 Vgl. Ebd., S. 12

8 Vgl. Ebd., S. 13

9 Vgl. Ebd.

10 Vgl. Ebd., S. 14

11 Vgl. auch Ebd., S. 15

12 Vgl. auch Ebd., S. 17

13 Vgl. Dalferth 2011, S. 20

14 Vgl. Ebd., S. 21

15 Vgl. Schulze 2003, S. 131

16 Vgl. Ebd.

17 Vgl. Schulze 2003, S. 132

18 Vgl. Ebd.

19 Vgl. Ebd., S. 134

20 Vgl. Ebd., S. 135

21 Vgl. Schulze 2003

22 Vgl. Ebd., S. 138

23 Tabelle aus Schulze 2003, S. 138

24 Vgl. Ebd., S. 137

Ende der Leseprobe aus 21 Seiten

Details

Titel
Das Böse in der islamischen Tradition unter Einbezug der christlichen Tradition und des Hiobmotivs
Hochschule
Universität Kassel  (Katholische Religion)
Veranstaltung
Die Religionen der Welt und die Theologie der Religionen
Note
1,0
Autor
Jahr
2012
Seiten
21
Katalognummer
V279249
ISBN (eBook)
9783656721239
ISBN (Buch)
9783656722632
Dateigröße
615 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
böse, tradition, einbezug, hiobmotivs
Arbeit zitieren
Markus Mopser (Autor:in), 2012, Das Böse in der islamischen Tradition unter Einbezug der christlichen Tradition und des Hiobmotivs, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/279249

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