Mögliche und häufige Verletzungsmuster bei Pkw-Unfällen


Studienarbeit, 2013

25 Seiten, Note: 1,8


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Fragestellung

3. Begriffsbestimmungen
3.1 Verletzungsmuster
3.2 Läsion/ Trauma
3.3 Unfall/ Kollision
3.4 Verkehrsteilnehmer

4. Entwicklung der Verkehrsunfälle in Deutschland

5. Aspekte der technischen Unfallforschung
5.1 Unfallkinetik
5.1.1 Richtung/ Aufschlag
5.1.2 Schäden/ Verformung
5.1.3 Scherkräfte
5.1.4 Kompressionskräfte
5.2 Zeitliche Erfassung des Unfalls
5.3 Die drei Kollisionen
5.4 Aufprallarten

6. Mögliche und häufige Verletzungsmuster
6.1 Mögliche Verletzungen
6.1.1 Frontalaufprall
6.1.1.1 Bewegung über das Lenkrad
6.1.1.2 Bewegung unter das Lenkrad
6.1.2 Heckaufprall
6.1.3 Seitenaufprall
6.1.4 Rotationsaufprall
6.1.5 Überschlag und Ejektion aus dem Fahrzeug
6.2 Häufige Verletzungen
6.3 Weitere mögliche Verletzungen
6.3.1 Sicherheitsgurte
6.3.2 Airbags
6.3.3 Material und Betriebsstoffe

7. Kritik

8. Fazit und Ausblick

9. Literaturverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: getötete Personen im Straßenverkehr der Jahre 1953 bis 2012 (destatis 2013)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2: Einteilung des Unfallgeschehens (Appel, Krabbel, Vetter 2002)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 1: Beispiel für die Ermittlung des Injury Severity Score (Baker SP et al, 1974)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 3: häufige Verletzungen beim PKW- Unfall (Traumaregister DGU 2012)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 4: Crashtest mit niedrigem Tempo (ADAC 2008), links: Gurt angelegt, rechts: Gurt nicht angelegt

1. Einleitung

Das Auto ist ein beliebtes und viel genutztes Verkehrsmittel, um individuelle Ziele schnell und einfach zu erreichen. Die ausgereifte Fahrzeugtechnik gestaltet das Auto zu einem komfortablen Fortbewegungsmittel. Im Jahr 2012 lebten ca. 82 Mio. Einwohner in der Bundesrepublik Deutschland. Darauf kommen 42, 9 Mio. zugelassene PKW. Somit besitzt statistisch betrachtet ca. jeder zweite Einwohner ein Auto. Aufgrund dieser hohen Zahl an Verkehrsteilnehmern entstehen viele Konfliktsituationen, in denen das Risiko für Unfälle erhöht ist. Die einzelnen Bundesländer haben sich die Unfallprävention zum Ziel gesetzt und Deutschland beteiligte sich an der EU- Charta, die Unfallzahlen bis 2010 zu halbieren. Da Personen am häufigsten im Straßenverkehr ums Leben kommen, ist die Unfallprävention ein wichtiger Aspekt. Dennoch können Unfälle nicht gänzlich verhindert werden. Es werden weiterhin Personen zu Schaden kommen, die zum Teil schwerwiegende Verletzungen erleiden.

In dieser Studienarbeit werden die PKW- Unfälle thematisiert und anhand der medizinischen Unfallforschung beschrieben. Im Vordergrund stehen dabei vorstellbare und häufige Verletzungsmuster. Zunächst wird die historische Unfallentwicklung skizziert. Anschließend folgt, neben wichtigen Parameter aus der technischen Unfallforschung, die Darstellung der Verletzungen.

Die Studienarbeit wendet sich an Rettungskräfte, die Patienten bei einem Verkehrsunfall begegnen und medizinisch versorgen. Anhand des Hintergrundwissens können die Retter Zusammenhänge zwischen dem Unfallhergang und der möglichen Verletzungen des Patienten herleiten. Sie werden somit in konkreten Situationen besser vorbereitet sein und können sich neben der Verdachtsdiagnose auf eine entsprechende Therapie konzentrieren.

2. Fragestellung

In dieser Studienarbeit wird die folgende Fragestellung aufgeklärt: Was sind bei einem PKW- Unfall für den PKW- Insassen mögliche Verletzungsmuster und welche kommen dabei besonders häufig in Betracht?

3. Begriffsbestimmungen

3.1 Verletzungsmuster

Nach dem prehospital trauma life support (PHTLS) wird eine Verletzung als schädigendes Ereignis definiert, das als Folge der Freisetzung spezifischer Formen physikalischer Energie oder durch Barriere des normalen Energieflusses entsteht (NAEMT, 2009).

Die physikalische Energie kann mechanisch durch einen Unfall, thermisch durch eine Verbrennung, elektrisch durch Strom, chemisch oder durch Strahlen entstehen.

Ein Muster ist eine gleichbleibende Struktur bzw. eine in sich wiederkehrende Sache. Außerdem kann ein Muster eine gleichförmige Wiederholung von bestimmten Denk-, Gestaltungs- und Verhaltensweisen oder Handlungsabläufen sein (Duden, 2013).

Ein Verletzungsmuster kann folglich als eine gleichbleibende bzw. ähnliche Schädigung durch physikalische Energie bei einem gleichförmigen Handlungsablauf definiert werden. Der gleichförmige Handlungsablauf kann noch näher bestimmt werden. Aufgrund der Thematik Verletzungsmuster bei PKW- Unfällen wird der Handlungsablauf auf das Unfallereignis festgelegt.

3.2 Läsion/ Trauma

Eine Läsion ist eine „Verletzung oder Störung der Funktion eines Organs oder Körperglieds“ (Duden, 2013) und ist daher streng zu unterscheiden von einem Trauma.

Ein Trauma umfasst das gesamte Verletzungsgeschehen und wird in stumpf und penetrierend unterteilt. Ein stumpfes Trauma ist das „Resultat einer temporären Höhle im Körper, die durch ein sich schnell bewegendes Objekt mit schmaler Aufschlagsfläche verursacht wird. Die Energie konzentriert sich auf eine kleine Fläche.“ (NAEMT, 2009, S. 44) Ein penetrierendes Trauma wird durch ein Objekt verursacht, das die Haut durchdringt und generell eine permanente und temporäre Höhlung verursacht (NAEMT, 2009).

Ein Polytrauma ist eine Mehrfachverletzung mehrerer Körperregionen, wobei mindestens eine Verletzung lebensbedrohlich ist.

3.3 Unfall/ Kollision

Ein Unfall wird definiert als “den normalen Ablauf von etwas plötzlich unterbrechender Vorfall, ungewolltes Ereignis, bei dem Menschen verletzt oder getötet werden oder Sachschaden entsteht“ (Duden, 2013).

Unfälle können überall geschehen z.B. im Haushalt, bei der Arbeit oder beim Sport.

Ein PKW- Unfall ist ein Unfall mit Beteiligung eines oder mehrerer PKW im Straßenverkehr. Andere Verkehrsteilnehmer, wie LKW- oder Krad-Fahrer werden in dieser Studienarbeit außer Acht gelassen.

Eine Kollision wird als „Aufprall, Zusammenprall, Zusammenstoß“ beschrieben (Duden, 2013). Nach Appel et al. (2002) wird das Unfallgeschehen in weitere Kategorien differenziert, darauf wird später noch näher eingegangen.

3.4 Verkehrsteilnehmer

In der Unfallsituation können mehrere Personen beteiligt und auf unterschiedlichste Weise involviert sein.“Ungeschützte Verkehrsteilnehmer“ sind beispielsweise Fußgänger, Radfahrer oder Motorradfahrer. Bei einem Unfall sind sie der einwirkenden Kraft schutzlos ausgeliefert. Anders hingegen schaute es bei „ geschützten Verkehrsteilnehmern“ aus, die sich im Kraftfahrzeug befinden. Der genaue Sitzplatz rückt dabei in den Hintergrund (Appel et al., 2002). Diese Studienarbeit bezieht sich auf die Verletzungsmuster der „geschützten Verkehrsteilnehmer“, den PKW- Insassen.

4. Entwicklung der Verkehrsunfälle in Deutschland

Die Bilanz der Verkehrsunfälle im Jahr 2012 zeigte eine positive Entwicklung der Unfallzahlen. Mit 3600 Getöteten ist die Zahl so niedrig wie zuletzt im Jahr 1950, trotz steigender Verkehrsteilnehmer. Allein gegenüber dem Vorjahr 2001 konnte die Zahl der Verkehrstoten um 10,2% gesenkt werden.

Besonders nachhaltig sank die Zahl der Getöteten nach Einführung der Anschnallpflicht im Jahr 1974, siehe Abbildung 1. Zunächst galt diese Pflicht nur für die Vordersitze, ab 1984 schließlich auch für die Rücksitze. 1970 starben 21332 Menschen aufgrund eines Verkehrsunfalles, 1984 waren es nur noch 12041 Getötete (Statistische Bundesamt, 2013).

Durch die Einführung verschiedenster Systeme wie Sicherheitsgurte, Airbags und den Ausbau der allgemeinen Fahrzeugtechnik, konnte dazu beigetragen werden, die Sicherheit der Verkehrsteilnehmer zu erhöhen und die Anzahl der Verkehrstoten zu minimieren. Diese Entwicklung wird besonders anhand der Abbildung 1 deutlich. Die zunächst steigende Zahl der Verkehrstoten zwischen 1953 und 1974 kann mit einer verstärkten Zahl zugelassener PKW erklärt werden.

Die Anzahl der Verletzen Personen konnte von 1970 bis 2012 insgesamt um 36% gesenkt werden. Anzumerken ist, dass im Jahr 1970 Schwer- und Leichtverletzte zusammengefasst wurden. Im Jahr 1991 gab es 131.093 schwerverletzte Verkehrsopfer, im Vergleich zum Jahr 2012 sank die Anzahl um 50% auf 66.276 Schwerverletzte (Statistische Bundesamt, 2013). Diese Entwicklung zeigt, dass es neben technischen Innovationen in der Automobilbranche viele positive Trends wie Geschwindigkeitsbegrenzungen und eine verbesserte Ausbildung gibt, die das Risiko schwerwiegender Verletzungen minimieren, jedoch nicht vollständig eliminieren können.

Der Frontalaufprall ist mit 66% die häufigste Kollision, der Seitenaufprall mit 27% die zweithäufigste. Dabei sind die Verletzungsfolgekosten bei einem Seitenaufprall mit ca. 40% zu 59% beim Frontalaufprall vergleichsweise hoch und deuten auf eine erhöhte Verletzungsgefährdung bei dieser Aufprallart hin (Appel et al., 2002).

Im Jahr 2008 veröffentlichte die Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) die jährlich erhobenen volkswirtschaftlichen Kosten, die durch einen Straßenverkehrsunfall entstehen. Daraus hervorgehend beruhen 45% der Gesamtkosten der Straßenverkehrsunfälle im Jahr 2008 auf Personenschaden mit 14,04 Mrd. €. Auf Sachschäden sind 16,96 Mrd. € zurück zuführen. Die höchsten Personenschadenkosten gehe zulasten der Schwerverletzten mit 7,83 Mrd. €, darauf folgen 4,64 Mrd. € für Getötete und 1,57 Mrd. € für Leichtverletzte. Ebenfalls veröffentlichte die BASt die Kostensätze je verunglückte Person nach Schweregrad. Dabei entstand für eine getötete Person ein Kostensatz von 1.035.165 €, für einen Schwerverletzen von 110.506,- € und für einen Leichtverletzten von 4.403,- €. Laut der BASt (2012) die Unfallkosten gegenüber dem Vorjahr um 3% gesunken.

Wie eingangs bereits erwähnt setzten sich einige EU- Mitgliedsstaaten zum Ziel, die Unfalltoten zu reduzieren. Dies Ziel steht im Einklang damit, die volkswirtschaftlichen Kosten zu minimieren.

5. Aspekte der technischen Unfallforschung

5.1 Unfallkinetik

Um die medizinischen Folgen eines Unfalles, also die Verletzungsmuster nachvollziehen zu können, ist es notwendig den Unfallvorgang zunächst von der technisch- physikalischen Seite aus zu betrachten. Ein stumpfes Trauma wird beispielsweise besonders durch Scher- und Kompressionskräfte hervorgerufen.

Der Begriff Kinetik stammt aus dem Griechischen und bedeutet übersetzt Bewegung. Es ist in der Physik ein „Teilgebiet der Mechanik, das die Lehre von den Bewegungen unter dem Einfluss innerer oder äußerer Kräfte umfasst“ (Duden, 2012). Die einwirkende Kraft wird in weitere Kategorien unterteilt. Diese werden im Folgenden betrachtet.

5.1.1 Richtung/ Aufschlag

Die Richtung bzw. der Aufschlag entspricht im Wesentlichen der Aufprallart, daher wird an dieser Stelle nicht genauer darauf eingegangen, sondern auf das Kapitel 5.4 verwiesen.

5.1.2 Schäden/ Verformung

Der Zustand eines PKW nach einem Unfall ist für die Einsatzkräfte ein wichtiger Hinweis für die Verletzungsart- und schwere des Patienten.

Eine Verformung- bzw. Deformation ist ein Begriff aus der Mechanik und beschreibt die Kontinuitätsänderung eines Körpers durch Einwirkung einer äußeren Kraft. Die Verformung wird in drei Typen unterschieden: Die plastische Verformung ist irreversibel. Der Körper bleibt in seinem deformierten Zustand. Die elastische Verformung ist, wie der Begriff schon aussagt, eine reversible Verformung. Der Körper ändert kurzzeitig seine Kontinuität und geht in seine Ausgangsform zurück. Die Mischform dieser Verformungen ist die teilplastische Verformung, die nur teilweise reversibel ist, z.B. beim Durchbiegen (Wikipedia, 2013).

Häufig werden Verformungen in der Karosserie des Fahrzeuges sichtbar, die Rückschlüsse auf die Verletzungsmuster geben können. Eine Verformung und Zerstörung der Frontscheibe deutet auf einen Kopfaufschlag des Patienten hin. Dieses kann ein Hinweise auf eine Kopfverletzung, z.B. einem Schädel- Hirn- Trauma sein.

5.1.3 Scherkräfte

Scherkräfte werden durch zwei Kräftepaare erzeugt, die in der gleichen Ebene liegen, sich jedoch in entgegengesetzte Richtungen bewegen.

Eine auf den menschlichen Körper wirkende Scherkraft, wie bei einem Unfall, erzeugt eine Verschiebung der unterschiedlichen Gewebe oder Organe gegen andere vorhandene Strukturen. Ändert ein Organ oder ein Gewebe seine Geschwindigkeit schneller als eine andere Struktur, können Einriss- oder sogar Abrissverletzungen entstehen. Beispielhaft für eine Scherverletzung ist die Aortenruptur der Aorta ascendens. Bei einer Abbremsung des Körpers gemäß der zweiten Kollision wird das Herz abrupt gestoppt. Die Aorta bewegt sich weiter in der vorherigen Geschwindigkeit. Der aufsteigende Teil der Aorta ist jedoch nicht durch zusätzliches Bindegewebe gestützt und somit eine Schwachstelle die rupturiert.

5.1.4 Kompressionskräfte

Eine Kompression ist eine Kraft, die dazu neigt, einen Körper zu verdichten.

In der Medizin bedeutet komprimieren, dass ein Druck auf ein Gewebe ausgeübt wird. Gewebe oder einzelne Organe werden zwischen anderen Organen oder Strukturen eingeklemmt bzw. eingedrückt und können langfristig Schäden an den betroffenen Strukturen und Organen hervorrufen.

Eine Kompressionsverletzung entsteht beispielsweise bei einem falsch angelegten Sicherheitsgurt. Innere Organe können gegen die hintere Körperwand gedrückt werden.

5.2 Zeitliche Erfassung des Unfalls

Der Unfall wird zeitlich in vier Phasen unterteilt. Die Einlaufphase (Pre- Crashphase) beginnt mit der Erkennung der heiklen Situation und erstreckt sich bis zum ersten Kontakt mit dem Unfallgegner. Die anschließende Kollisionsphase (In- Crashpase) erstreckt sich vom Kontakt mit dem Gegner bis zum Lösen. Bei mehreren Kollisionen geschehen mehrere Kollisionsphasen. Die Auslaufphase umfasst den Zeitraum vom Lösen des Unfallgegners bis zum Stillstand oder aber die Zeitspanne bis zu einer weiteren Kollision. Darauf folgt die Folgephase (Post- Crashphase) (Appel et al., 2002).

Krad- Fahrer sind „ungeschützte Verkehrsteilnehmer“ und daher besonders in der Auslaufphase dem erhöhten Verletzungsrisiko ausgesetzt. Sie verlieren den Halt am Krad, es kommt zu einem sekundären Zusammenstoß zwischen Krad- Fahrer und Unfallgegner oder dem Boden. Der PKW- Insasse hingegen ist ein „geschützter Verkehrsteilnehmer“ und einem erhöhten Verletzungsrisiko in der In- Crashphase ausgesetzt. Nicht angeschnallte PKW- Insassen können aus dem Fahrzeug geschleudert werden. Sie sind, ähnlich wie Krad- Fahrer, in der Auslaufphase gefährdet.

Die in Kapitel 0 folgende Betrachtung der Verletzungen legt den Schwerpunkt auf die In- Crashphase.

5.3 Die drei Kollisionen

Bei einem PKW- Unfall, finden drei Kollisionen statt. Sie werden wie bei einer Kettenreaktion durch die physikalische Energie nacheinander freigesetzt. Der Austausch der Energie ist dabei abhängig von der Dichte und der Kontaktfläche des Objekts beim Aufprall auf den Körper des Insassen.

Bei der ersten Kollision prallt das Fahrzeug aus voller Geschwindigkeit gegen ein Objekt oder ein anderes Fahrzeug. Die vorhandene Energie wird auf das jeweils andere Objekt übertragen und bremst das Unfallfahrzeug aus.

Zusätzlich wird die Energie auf den PKW- Insassen übertragen, der durch eine zweite Kollision mit einem Objekt zusammenstößt. Ist der Insasse angeschnallt ist, wird die Energie u.a. durch den Sicherheitsgurt und der Karosserie absorbiert. Ein Zusammenstoß mit dem Fahrzeugmaterial, wie dem Armaturenbrett etc. oder anderen Insassen ist möglich. Ist Insasse nicht angeschnallt, besteht die Möglichkeit, dass dieser aus dem PKW herausgeschleudert und sekundäre Zusammenstöße in der Auslaufphase erleidet. Der Insasse wird, wie zuvor bereits das Fahrzeug, durch den Aufprall, aus der vollen Geschwindigkeit abgebremst, wodurch es zur dritten Kollision kommt.

Die inneren Organe des Insassen, die sich zuvor ebenfalls in derselben Fahrtgeschwindigkeit bewegten, werden nun durch das Abbremsen des Insassen der zweiten Kollision gestoppt. Die inneren Organe bewegen sich aufgrund der vorhandenen Energie der ersten und zweiten Kollision gegen die innere Körperwand. Dadurch können je nach Unfallart und –geschwindigkeit verschiedene Verletzungen unterschiedlichsten Schweregrades entstehen, siehe Kapitel 0.

5.4 Aufprallarten

Ein Unfall kann aufgrund unterschiedlicher Parameter genauer differenziert werden. Die Oberbegriffe Unfall, Kollision und Aufprall werden in die Untergruppen Art und Typ aufgeteilt, siehe auch Abbildung 2. Für die Analyse der Verletzungsmuster stellen die unterschiedlichen Aufprallarten den wichtigsten Anhaltspunkt dar. Die Krafteinwirkung auf das Fahrzeug gibt Hinweise auf die Bewegungsrichtung und folglich auf die Verletzungen des Insassen.

Anhand der Aufpralltypen können Vermutungen über das Ausmaß der Deformation geäußert werden. „Je größer die Deformation am Fahrzeug, desto höher seine Geschwindigkeit zum Zeitpunkt des Aufpralls. Je höher die Geschwindigkeit, desto größer der Energieaustausch und damit die Wahrscheinlichkeit, dass die Insassen verletzt wurden“ (NAEMT, 2009). Appel et al.(2002) legt eine andere Auffassung bezüglich der Geschwindigkeit im Zusammenhang mit dem Verletzungsrisiko dar: „Wenn die von den Intrusionen ausgehende Verletzungsgefahr für Extremitäten angesichts des gleichen Deformationsbildes als konstant angesehen wird, bedeutet das, dass die Gefährdung und die Belastung für die Fahrzeuginsassen umso kleiner ist, je größer die Kollisionsgeschwindigkeit ist.“

Außerdem ist die unterschiedliche Masse der kollidierenden Fahrzeuge entscheidend für die Verletzungsschwere.

Anerkannterweise sind Insassen, die näher am Aufschlagpunkt saßen, schwerer verletzt als weiter entfernt sitzende Insassen. (NAEMT, 2009).

Je nachdem, wie das Fahrzeug mit einem Objekt bzw. einem anderen Fahrzeug zusammenstößt, wird die Energie auf unterschiedlichsten Weg übertragen. Der Unfallhergang ist für die Einsatzkräfte vor Ort bereits eine wichtige Vorabinformation. Aufgrund der Fahrzeugverformung bzw. des Aufprallpunktes können bereits erste Hinweise über den Patient gesammelt werden, ohne diesen gesehen oder untersucht zu haben.

6. Mögliche und häufige Verletzungsmuster

6.1 Mögliche Verletzungen

Es folgt die Darstellung der möglichen Verletzungen, die bei einem PKW- Unfall entstehen können, anhand der Kategorisierung der Aufprallarten. Dieses dient der besseren Übersicht und dem Verständnis, weshalb eine bestimmte Verletzung aufgrund eines Bewegungsablaufes geschieht.

6.1.1 Frontalaufprall

Bei dieser Art von Aufprall stößt das Fahrzeug frontal gegen ein anderes Fahrzeug oder ein anderes Objekt, wie einem Baum oder einer Mauer. Es entsteht ein Schaden an der Vorderseite des Fahrzeuges. Der Insasse bewegt sich im Fahrzeug nach vorne zum Aufprallpunkt.

Für den Fahrer können aufgrund der Position des Lenkrads zwei mögliche Verletzungsmuster entstehen, je nachdem ob er sich über oder unter das Lenkrad bewegt.

6.1.1.1 Bewegung über das Lenkrad

Bei der Vorwärtsbewegung wird der Fahrer gegen das Lenkrad gedrückt. Der Kopf stößt gegen die Decke oder die Windschutzscheibe des Fahrzeuges. Der Fahrer kann ein Schädel- Hirn- Trauma unterschiedlicher Schweregrade erleiden. Bei einem korrekt angeschnallten Fahrer absorbiert der Sicherheitsgurt die Energie, wodurch ein Aufprall gegen das Material vermindert oder sogar vermieden wird.

Beim Abbremsen der Vorwärtsbewegung bleibt der Rumpf weiter in Bewegung und absorbiert entlang der Wirbelsäule die Energie. Mögliche Verletzungen können dabei Wirbelfrakturen oder Nervenläsionen sein, die einen spinalen Schock verursachen.

Je nach Fahrerposition stößt er mit dem Thorax oder dem Abdomen gegen das Lenkrad. Die jeweiligen Organe werden in Mitleidenschaft gezogen. Im Thorax sind besonders die Organe Herz, Lunge und die Aorta betroffen. Der knöcherne Thorax kann durch Rippenfrakturen beschädigt werden. Diese können wiederrum einen (Spannungs-) Pneumothorax verursachen. Die Quetschung des Herzens kann eine Perikardtamponade bewirken. Auf die Aorta einwirkende Schwerkraft kann zu einer Aortenruptur, besonders im ascendierenden Anteil, führen (NAEMT, 2009).

Die im Abdomen befindlichen Organe unterliegen mehreren Kräften. Sie werden gequetscht, komprimiert oder es entsteht eine Überdruckverletzung. Die Hohlorgane können daher rupturieren. Die einwirkenden Schwerkräfte verursachen Gefäßabrisse, wodurch beispielsweise Niere, Leber und Milz betroffen sind und ischämisch werden können. Rupturen verursachen Organeinblutungen z.B. von Leber und Milz die während der Erstversorgung in der Präklinik häufig unbemerkt bleiben und erst in der Klinik erkannt werden. Der Patient kann zu dem Zeitpunkt bereits kreislaufinstabil sein.

6.1.1.2 Bewegung unter das Lenkrad

Der Fahrer bewegt sich, wie auch bei der Bewegung über das Lenkrad, nach vorne. Dabei stößt das Knie gegen das Armaturenbrett, bremst abrupt ab und hat folgende zwei mögliche Kollisionspunkte (NAEMT, 2009).

Zum Einem bleibt das Femur weiter in Bewegung und schiebt sich über die Tibia. Durch diese Knieluxation können Bänder- und Gefäßabrisse entstehen. Die am Gelenk angrenzende Arteria poplitea versorgt die untere Extremität. Wird diese ebenfalls verletzt, ist eine Blutversorgung distal gelegener Verletzungen eingeschränkt oder erliegt komplett.

Zum Anderen findet der Aufprall auf Höhe des Femur statt. Die Energie wird entlang des Oberschenkels übertragen. Entweder frakturiert der Knochen oder das Becken bewegt sich weiter nach vorne, wodurch der Femurkopf aus der Gelenkpfanne des Beckens luxieren kann.

Nachdem das Knie bzw. die unteren Extremitäten die Energie absorbiert haben und zum Stehen kommen, bewegt sich der Oberkörper weiter nach vorne gegen das Lenkrad. Hierbei können Verletzungen entstehen, wie sie oben bereits beschrieben wurden.

6.1.2 Heckaufprall

Wird das Fahrzeug von hinten getroffen, spricht man von einem Heckaufprall. Ein umso größerer Geschwindigkeitsunterschied zwischen den beiden Fahrzeugen besteht, je weniger sich das vordere Fahrzeug bewegt. Die Energie wird vom hinteren Fahrzeug auf das vordere Fahrzeug übertragen. Dies wird nach vorne beschleunigt. Der Insasse bewegt sich zunächst nach hinten zum Aufprallpunkt. Kommt es aufgrund der Vorwärtsbewegung zu einem weiteren Zusammenstoß mit einem weiteren Fahrzeug oder einem Objekt, kann der Insasse zusätzliche Verletzungen erleiden.

Der Sitz absorbiert bereits einiges von der übertragenden Energie. Wenn die Kopfstütze korrekt eingestellt ist, bewegen sich Kopf und Torso gleichzeitig nach vorne. Eine nicht korrekt eingestellte Kopfstütze bewirkt jedoch, dass der Kopf rekliniert wird. Der Torso bewegt sich nach vorne. Es kommt zu einer Überdehnung des Nackens mit Dehnung und Zerreißung der Bänder bis hin zu Frakturen der Halswirbel (NAEMT, 2009).

6.1.3 Seitenaufprall

Wenn das Fahrzeug seitlich gegen ein Objekt, etwa einem Baum, Strommast oder ähnliches schlägt, spricht man von einem Seitenaufprall. Dies ist ebenso der Fall, wenn ein Fahrzeug seitlich in ein anderes Fahrzeug fährt, beispielsweise im Kreuzungsbereich. Die Energie des auffahrenden Fahrzeugs überträgt sich auf das andere Fahrzeug. Dieses wird vom Aufprall weg bewegt. Der Insasse folgt zunächst der Richtung des Aufprallpunktes und stößt mit der Fahrzeugwand zusammen. Dadurch werden die seitlichen Wände von Thorax und Abdomen komprimiert, wodurch weitreichende Verletzungen entstehen können.

Die Kompression des Thorax kann eine Lungenkontusion und Rippenfrakturen hervorrufen, diese können wiederrum einen (Spannungs-) Pneumothorax verursachen. 25% der Aortenrupturen entstehen durch die Scherkraft bei einem Seitenaufprall und sind besonders zu berücksichtigen (NAEMT, 2009). Durch den Aufprall gegen die Fahrzeugwand wird die Schulter gegen die Klavikula gedrückt und frakturiert gegebenenfalls.

Durch den gleichen Mechanismus wird das Becken gegen den Femurkopf gedrückt, wobei der Femur aus der Gelenkpfanne luxieren kann. Ebenso denkbar ist eine Beckenfraktur, die eine lebensbedrohliche Blutung bis zu 5 Liter hervorrufen kann. Bei Fahrern wird häufig eine Milzverletzung, bei Beifahrern eine Leberverletzung beobachtet. Dies lässt sich mit der anatomischen Lage der Organe und den seitlichen Aufprallpunkten am Fahrzeug erklären.

Außerdem können Verletzungen an der Halswirbelsäule entstehen, da es zu einer Flexion und Rotation des Kopfes gegen den Torso kommt. „Daraus resultieren luxierte Facettengelenke, lädierte Bänder und seitliche Kompressionsfrakturen.“ (NAEMT, 2009)

Die Möglichkeit, dass sich aus den o.g. Kombinationsverletzungen ein Polytrauma entwickelt steht in Korrelation mit den hohen Verletzungsfolgekosten eines Seitenaufpralls.

[...]

Ende der Leseprobe aus 25 Seiten

Details

Titel
Mögliche und häufige Verletzungsmuster bei Pkw-Unfällen
Hochschule
Deutsche Hochschule für Gesundheit und Sport (vormals H:G Hochschule für Gesundheit & Sport, Technik & Kunst)
Note
1,8
Autor
Jahr
2013
Seiten
25
Katalognummer
V279229
ISBN (eBook)
9783656723592
ISBN (Buch)
9783656723585
Dateigröße
703 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
mögliche, verletzungsmuster, pkw-unfällen
Arbeit zitieren
Ann-Christina Weltz (Autor:in), 2013, Mögliche und häufige Verletzungsmuster bei Pkw-Unfällen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/279229

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