Unvollständige Arbeitsverträge

Eine Analyse unter Berücksichtigung von Kontrolle, Gehaltsdelegation und Nachverhandlung


Masterarbeit, 2014

44 Seiten


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

1. Einleitung

2. Ausgangsproblematik: Die Prinzipal - Agenten - Theorie
2.1 Trennung zwischen Eigentum und Kontrolle
2.2 Informationsasymmetrien
2.3 Kosten und Beispiel eines Prinzipal-Agenten-Verhältnisses

3. Anreizsysteme und unvollständige Arbeitsverträge
3.1 Leistungsbezogene Anreizsysteme
3.1.1 Explizite Anreizsysteme
3.1.2 Implizite Anreizsysteme
3.2 Unvollständige Arbeitsverträge
3.2.1 Vollständige und unvollständige Verträge

4. Analyse von unvollständigen Arbeitsverträgen
4.1 Ausübung von Kontrolle
4.1.1 Aufbau der Experimente von Falk & Kosfeld (2006)
4.1.2 Ergebnisse der Experimente von Falk & Kosfeld (2006)
4.1.3 Aufbau der Experimente von Pascual-Ezema et al. (2013)
4.1.4 Ergebnisse der Experimente von Pascual-Ezema et al. (2013)
4.1.5 Zusammenfassendes Ergebnis
4.2 Die Möglichkeit der Delegation
4.2.1 Aufbau der Experimente von Charness et al. (2012)
4.2.2 Ergebnisse der Experimente von Charness et al. (2012)
4.2.3 Zusammenfassendes Ergebnis
4.3 Neuverhandlung von unvollständigen Arbeitsverträgen
4.3.1 Aufbau der Experimente von Fehr et al. (2014)
4.3.2 Ergebnisse der Experimente von Fehr et al. (2014)
4.3.3 Zusammenfassendes Ergebnis

5. Diskussion
5.1 Interpretation und praktische Relevanz von Kontrolle
5.2 Interpretation und praktische Relevanz von Delegation
5.3 Interpretation und praktische Relevanz von Neuverhandlung
5.4 Zusammenfassende Diskussion

6. Fazit und Ausblick

Literaturverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Prinzipal-Agenten-Beziehung

Abbildung 2: Ergebnisse des Experiments C5

Abbildung 3: Ergebnisse des Experiments C10

Abbildung 4: Ergebnisse des GE10 Experiments

Abbildung 5: Ergebnisse des Experiments "Überwachung und Anstrengung"

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Wahl des Leistungsniveaus der Agenten in den Hauptexperimenten

Tabelle 2: Heterogenität der Verhaltensreaktionen von Agenten auf Kontrolle

Tabelle 3: Verhalten und Annahmen der Prinzipale

Tabelle 4: Effekte der Anreize auf das Arbeitspensum

Tabelle 5: Effekte der Anreize auf die Arbeitszeit

Tabelle 6: Zusammenhang von Leistungsniveau und dessen Kosten

Tabelle 7: Ergebnisse Partner-Experiment

Tabelle 8: Ergebnisse Fremden-Experiment

Tabelle 9: Experimentelle Parameter

Tabelle 10: Ergebnisse der Experimente von Fehr et al. (2014)

1. Einleitung

Durch die stetigen Veränderungen auf dem Arbeitsmarkt sind Arbeitgeber jederzeit gefordert, sich immer neue Anreizarten zu überlegen. Diese sollen neue Fachkräfte dahingehend verleiten sich bei ihren Unternehmen zu bewerben, um schlussendlich dort zu arbeiten. Daher ist es notwendig verschiedenste Möglichkeiten zur Gestal- tung von Arbeitsverträgen zu erläutern und zu analysieren, sodass die positive wie auch negative Gesichtspunkte und Wirkungsweisen von Arbeitsverträgen hervorbrin- gen.

In diesem Sinne soll diese Arbeit dazu beitragen, dass drei überaus wichtige Mög- lichkeiten (Kontrolle, Delegation und Neuverhandlung) zur Verbesserung des Nut- zenniveaus des Arbeitgebers als auch des Arbeitnehmers erörtert und diskutiert wer- den. Hierfür soll zu Beginn dieser Arbeit ausführlich auf die Prinzipal-Agenten- Theorie eingegangen werden, welche den Grundstein für die spätere Analyse liefern soll. Auch Anreizsysteme spielen bei der Analyse von unvollständigen Arbeitsverträ- gen eine entscheidende Rolle und sollen daher ebenfalls Teil dieser Arbeit darstel- len. Hierzu werden, ebenfalls im Basisteil, leistungsbezogene Anreizsysteme defi- niert und anschließend die Unterscheidung zwischen vollständigen und unvollständi- gen (Arbeits-)Verträgen erläutert.

Im darauf folgenden analytischen Teil dieser Arbeit sollen die Kernaspekte Kontrolle, Delegation und Neuverhandlung durch verschiedene Experimente darlegen, wie und ob sie dazu geeignet sind, das Nutzenniveau des Agenten als auch des Prinzipals nachhaltig positiv zu beeinflussen. Das heißt, gelingt es einem Arbeitgeber bei- spielsweise durch die Ausübung von Kontrolle einen höheren Output oder eine höhe- re Effizienz der Arbeitnehmer zu erreichen oder fördern Kontrollmechanismen gegen- teilige Reaktionen? Die Ergebnisse werden offen legen, dass durchaus beide Reak- tionen zu beobachten sind. Darüber hinaus lassen sich durch die Experimente von Charness et al. (2012) durchaus positive Reaktionen durch die Delegation der Ge- haltsentscheidung erwarten. Da Neuverhandlungen ein wichtiger Bestandteil von unvollständigen Arbeitsverträgen sind, ist es sinnvoll, dass der Unterschied zwischen vollständigen und unvollständigen (Arbeits-)Verträgen im Bezug auf Neuverhandlun- gen näher beleuchtet wird. Man wird feststellen, dass die Unterschiede zwischen den Vertragsarten nicht allzu groß sein werden, dass aber die sonstigen Umweltzustände eine entscheidende Rolle übernehmen werden.

In der abschließenden Diskussion sollen die Ergebnisse der einzelnen Analysen interpretiert werden und die daraus resultierende praktische Relevanz für Arbeitgeber als auch für Arbeitnehmer dargestellt werden. Das Ziel hierbei soll die Herstellung einer Verbindung zwischen Ausgangsproblematik, Anreizsystemen und den Kernaspekten der Analyse von unvollständigen Arbeitsverträgen sein.

2. Ausgangsproblematik: Die Prinzipal - Agenten - Theorie

Um das weite Spektrum der unvollständigen Arbeitsverträge in seinen komplexen Bestandteilen und Wirkungsweisen zu begreifen ist es von großer Bedeutung, das Kernproblem bzw. die Kerntheorie dahinter zu kennen und zu verstehen. Die Prinzi- pal-Agenten-Theorie geht auf die Arbeit von M. C. Jensen und W. H. Meckling zu- rück, welche 1976 das Paper "Theory of the Firm: Managerial Behavior, Agency Costs and Ownership Structure" verfassten. Mit dieser Arbeit gaben sie einen grund- legenden Einblick in ein fast unerforschtes Gebiet der Informations- und Verhaltens- ökonomik. Zusätzlich soll mit dem Paper "Agency Problems and the Theory of the Firm" von Eugene F. Fama (1980) dieses Themengebiet noch etwas erweitert darge- stellt werden, sodass das grundlegende Theorem prägnant dargestellt wird. Die Prin- zipal-Agenten-Theorie wird anhand des Verhältnisses zwischen dem Eigentümer (Prinzipal) eines Unternehmens und einem angestellten Manager (Agent) erläutert. Dies ist jedoch nur ein Beispiel für ein Prinzipal-Agenten-Verhältnis.

2.1 Trennung zwischen Eigentum und Kontrolle

Der wichtigste Baustein der Prinzipal-Agenten-Theorie ist die grundlegende Tren- nung zwischen Eigentum und Kontrolle, wie wir sie beispielsweise in so gut wie allen Großkonzernen weltweit sowie vielen Mittelstandsbetrieben wiederfinden. Bei diesem Konzept bzw. dieser Theorie geht man davon aus, dass der Eigentümer, im Folgen- den auch Prinzipal genannt, Kontrollrechte und Befugnismacht an einen oder mehre- re Manager, im Folgenden auch Agent(en) genannt, abgibt. Die wichtige Frage, die sich ein Eigentümer/Prinzipal hier stellen sollte, ist: Ist es für mich von Vorteil, d.h. steigt mein Nutzenniveau, wenn ich Kontrollrechte an einen bzw. mehrere Agenten abtrete, oder entstehen mir mehr Vorteile, wenn ich die alleinigen Kontrollrechte an meinem Unternehmen innehabe?

Entwickelt man diese Frage auf einer höheren Unternehmensebene, bedeutet dies folgendes: Entsteht dem Prinzipal durch die Abgabe von Kontrollrechten und Befug- nismacht ein höherer Nutzen bzw. entsteht ein höherer Unternehmenswert oder ist dies nicht der Fall? Denn wieso sollte der Prinzipal das Risiko des Kontrollverlustes erst eingehen, wenn ihm durch die Abgabe von Kontrolle kein zusätzlicher Nutzen entsteht?

Eugene Fama stellt ebenfalls klar, dass die Trennung zwischen Eigentum und Kon- trolle eine effektive Form eines wirtschaftlich handelnden und orientierten Unterneh- mens darstellt. Management und Risikoträger (Eigentümer) werden von ihm als völlig getrennte Faktoren behandelt, wobei die Arbeitsverträge als wichtigstes Bindeglied fungieren, da erst durch diese Verbindung ein Unternehmen entsteht1. Die Aufgabe des Managements, also der Agenten, soll sein, das Überleben des Un- ternehmens sicherzustellen. Jedoch tragen die Agenten keinerlei größeres Verlustri- siko. Das bedeutet, dass die Nutzenfunktionen beider Parteien in Kontrast zueinan- der stehen. Das einzige Verlustrisiko, das den Agenten betrifft, ist, dass sein Gehalt an seiner Performance gemessen wird und er so durch schlechte Arbeitsleistung bzw. schlechte Ergebnisse in späteren Perioden ein geringeres Gehalt erhält2. Passt jedoch das Be- und Entlohnungssystem nicht zu den guten Leistungen des Agenten, dann wird er mit Sicherheit das Unternehmen verlassen. Es wird ersichtlich, dass Anreiz- und Belohnungssysteme ebenfalls sehr wichtige Bestandteile eines solchen Geflechts sind. Deshalb werden diese im folgenden Kapitel näher dargestellt.

2.2 Informationsasymmetrien

Der zweite wichtige Baustein der Prinzipal-Agenten-Theorie ist, dass es zwischen beiden Parteien Informationsasymmetrien gibt. Der Agent begibt sich hier in die Rolle der informierten Partei, denn er weiß bereits, welches Anstrengungs- oder Leis- tungsniveau er beispielsweise wählen wird. Damit beeinflusst er sowohl seinen Nut- zen als auch den Nutzen des Prinzipals, ohne dass der Prinzipal eingreifen kann, da der Agent im Endeffekt der agierende Part ist, weil er die Kontrollrechte und Befug- nismacht des Prinzipals übernimmt. Der Prinzipal kann jedoch das gewählte An- strengungs- und Leistungsniveau des Managers weder vollständig beobachten noch mitbestimmen. Er kann höchstens, durch verschiedenste Anreizsysteme, versuchen den Agenten dahingehend zu überzeugen, dass er so gut wie möglich in seinem Namen handelt (was ein Anreizsystem ist, wird im Laufe der Arbeit erläutert). Das bedeutet, dass der Prinzipal die nicht-informierte Partei in diesem Theorem darstellt. Aus dieser Beziehung kann man verschiedene Arten von Informationsasymmetrien herausfiltern, wie es Pratt und Zeckhauser (1985) in ihrem Buch "Principals and Agents: The Structure of Business" ausgeführt haben:

- Hidden Characteristics: Hierbei lassen sich relevante Informationen (Fähigkeiten, Qualifikation, Produktivität) des Kooperationspartners (Agenten) vor Vertrags- schluss nicht einschätzen und treten erst nach Abschluss des Vertrages ans Licht. Wenn der Agent dem Prinzipal vor Vertragsschluss falsche Tatsachen vor- spielt, dies somit mutwillig macht, spricht man von adverser Selektion.

- Hidden Intention / Hold-up Problem: In einem Prinzipal-Agenten-Verhältnis kommt es vor, dass ein Kooperationspartner spezifische Investitionen durchführt. Das heißt, er bringt Ressourcen in die Kooperationsbeziehung ein, die auf dieses Kooperationsverhältnis zugeschnitten sind und deren Wert innerhalb der Unternehmung deutlich höher anzusehen ist als außerhalb. Diese Differenz wird auch Quasirente genannt. Der Kooperationspartner, welcher die Investition durchführt ist locked-in und muss befürchten, dass ihn der andere Kooperationspartner die Quasirente abspenstig macht. Dieses Verhalten kann zur Folge haben, dass eine spezifische Investition nicht durchgeführt wird.

- Hidden Action: Diese Informationsasymmetrie beschreibt das klassische Prinzi- pal-Agenten-Problem. Ein Auftraggeber (Prinzipal) delegiert Aufgaben an einen Auftragnehmer (Agenten). Dafür entrichtet der Prinzipal Ressourcen an den Agenten. Dieser könnte mit den freigestellten Mitteln nun tun wonach es ihm be- liebt. Der Prinzipal kann in diesem Szenario nur das Ergebnis der durchgeführten Aktionen begutachten und nicht dessen Durchführung. Da das Ergebnis aber nicht nur von den Leistungen des Agenten, sondern auch von vielen anderen Umweltfaktoren abhängig ist, kann der Prinzipal aus dem Ergebnis nicht schlie- ßen, ob sich der Agent bei der Durchführung seiner Tätigkeiten angestrengt hat oder nicht.

- Hidden Information: Hierbei entsteht das Problem bei der Weitergabe der Infor- mationen. Der Auftragnehmer (Agent) gibt an den Auftraggeber (Prinzipal) nicht alle bzw. nur verzerrte Informationen weiter. Der Prinzipal benötigt jedoch die korrekten Informationen, um die idealen Entscheidungen zu treffen.

Wie man sehen kann, stellen die Fälle Hidden Action und Hidden Information den klassischen Moral Hazard dar, wie er beispielsweise in dem Werk von Holmström (1979) auftaucht und definiert wird. Ginge man jedoch von der Situation aus, dass der Prinzipal das Aktivitätsniveau des Agenten eindeutig und kostenlos beobachten kann, so könnte der Prinzipal die Höhe der Entlohnung als auch das Aktivitätsniveau des Agenten bestimmen:

- First-Best-Lösung: Dies wäre die optimale Vertragslösung aus Sicht des Prinzi- pals bei vollkommener und kostenloser Kontrollierbarkeit des Aktivitätsniveaus des Agenten.

- Second-Best-Lösung: Dies wäre die optimale Vertragslösung aus Sicht des Prin- zipals unter der Berücksichtigung von asymmetrischen Informationen und Inte- ressendivergenzen zwischen den beiden Parteien.

Zumindest in dem Fall der First-Best-Lösung würden keinerlei Informationsasymmetrien auftreten, da der Prinzipal alles kostenlos beobachten und kontrollieren könnte. Dies ist in der Realität jedoch nicht möglich.

2.3 Kosten und Beispiel eines Prinzipal-Agenten-Verhältnisses

Um zu klären, was genau einer Agententätigkeit entspricht und welche Kosten mit ihr einhergehen, definieren wir ein Prinzipal-Agenten-Verhältnis nach den Vorstellungen von Jensen und Meckling 3.

Der Prinzipal schließt mit dem Agenten einen Vertrag, wonach dieser mit Kontrolle und Befugnismacht ausgestattet wird und im Namen des Prinzipals handeln kann bzw. handeln soll. Unterstellt man das Modell des homo oeconomicus, kommt man schnell zu der Annahme, dass Agenten nicht immer im besten Sinne des Prinzipals handeln, sondern hierbei lediglich ihren persönlichen Nutzen maximieren wollen. Diesen Interessenkonflikt versucht der Prinzipal durch attraktive Anreizsysteme für den Agenten möglichst zu unterbinden. Das bedeutet, ein Konflikt zwischen einem Agenten und einem Prinzipal entsteht immer dann, sobald beide Parteien ihren persönlichen Nutzen maximieren wollen und dieser maximale Nutzen der einen Partei nicht dem der jeweils anderen Partei entspricht.

In den meisten Fällen wird es jedoch nicht möglich sein, dass der Agent die für den Prinzipal optimalen Entscheidungen trifft und es somit zu Abweichungen und auch zur Entstehung von Kosten kommt. Diese Kosten bezeichnen Jensen und Meckling als "Residualen Verlust". Dieser Residuale Verlust ist jedoch nur ein Teil der Kosten die anfallen, wenn sich ein Prinzipal dazu entscheidet einen Agenten einzustellen. Zum anderen entstehen dem Prinzipal Überwachungskosten, wenn sich dieser ent- schließt seinen bzw. seine Agenten während der Arbeitszeit zu überwachen oder überwachen zu lassen. Da die Thematik der Kontrolle und Überwachung ein großer Eckpfeiler dieser Arbeit ist, wird diese im späteren Verlauf detaillierter dargestellt. Der Agent trägt jedoch auch sogenannte Bindungskosten, die ihm dadurch entste- hen, dass er sein gesamtes Humankapital (Wissen, Erfahrung, Know-How, Einschät- zungen, usw.) dem Unternehmen im Rahmen seines Arbeitsvertrages zur Verfügung stellt. Dafür wird er letztendlich vom Prinzipal entlohnt. Die sogenannten "Agency Costs"4, also die Kosten die schließlich entstehen, wenn ein Prinzipal-Agenten- Verhältnis zu Stande kommt, setzen sich aus den eben dargestellten Kosten zu- sammen:

- den Überwachungsausgaben auf Seiten des Prinzipals
- den Bindungskosten seitens des Agenten
- dem Residualen Verlust

Erwartet ein Prinzipal, dass diese Agency Costs durch einen höheren Gewinn gedeckt werden, entsteht dem Prinzipal kein Nutzenverlust, sondern ein Zuwachs an Nutzen. Das bedeutet, dass sich die Einstellung eines Agenten für ihn lohnt. Würden die eben dargestellten Kosten nicht gedeckt werden, würde dem Prinzipal ein solches Prinzipal-Agenten-Verhältnis auf Dauer keinen Nutzenzuwachs generieren und wäre somit nicht erstrebenswert bzw. nicht lohnenswert für ihn.

Beispiel

Welche Folgen kann es haben, wenn ein Agent seinen persönlichen Nutzen maximiert und dies nicht dem Wohl des Prinzipals und somit des Unternehmens entspricht? Hierzu betrachten wir ein formales, aber aussagekräftiges Beispiel5:

Geht man von der Situation aus, dass ein Manager 100% des Eigenkapitals eines Unternehmens und gleichzeitig die Kontrolle über das Unternehmen besitzt, vereint er den Standpunkt des Prinzipals und des Agenten in einer Person. Daher kann hier- bei kein Interessenkonflikt entstehen. Sein Gesamtnutzen setzt sich folglich aus sei- nen monetären, entgeltlichen Leistungen und den unentgeltlichen Vorteilen (bspw. kostspieliger Geschäftswagen, luxuriöse Büroausstattung, usw.) zusammen. Die un- entgeltlichen Leistungen sind dabei auf der x-Achse und die monetären Einnahmen, welche ebenfalls den Marktwert des Unternehmens widerspiegeln, auf der y-Achse von Abbildung 1 abgebildet. Besitzt der Eigentümer 100% des Eigenkapitals, dann erleidet er auch im gleichen Maße Verluste, wie er in unentgeltliche Leistungen in- vestiert. Dies verdeutlicht die Gerade a mit der Steigung −1. Punkt A und Entnahme- niveau E2 stellen also den Zeitpunkt dar, an welchem der Eigentümer 100% des Ei- genkapitals besitzt, welches W1 wert ist. Nun stellt man sich die Situation vor, dass ein Investor, welcher den Prinzipal darstellt, einen Teil (1 − ) des Unternehmens für den Preis (1 − )*W1 erwerben möchte.

Unternehmenswert

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Prinzipal-Agenten-Beziehung

Quelle: eigene Darstellung, in Anlehnung an Jensen & Meckling (1976), S.316

Das heißt, dass der ursprüngliche Manager, welcher nun als Agent fungiert, noch am Unternehmen besitzen würde. Antizipiert der Manager (Agent) dieses Angebot, dass er nun keine 100% der Kosten für die unentgeltlichen Vorteile, sondern nur noch -mal die entstandenen Kosten tragen muss, dann wird er womöglich einen größeren Teil an unentgeltlichen Vorteilen nutzen wollen als zuvor. Der Agent er- reicht somit kurzzeitig ein höheres Nutzenniveau (= höhere Indifferenzkurve U1) und befindet sich folglich in Punkt B. Durch seinen weiterhin höheren Konsum an unent- geltlichen Vorteilen sinkt jedoch der Marktwert für Investoren von W1 auf W2. Geht der Prinzipal aber von genau diesem Verhalten des Agenten aus, dann wird er den ursprünglichen Kaufpreis von (1 − )*W1 nicht akzeptieren, sondern höchstens (1 − )*W2. Das Gleichgewicht in Punkt C durch das Entnahmeniveau E4 wird folglich erreicht, wenn dem Agenten kein zusätzlicher Nutzen durch die Entnahme unentgelt- licher Vorteile entsteht. Der Agent muss sich jedoch damit abfinden, dass ein Inves- tor nur den Preis (1 -)*W2 bezahlt, da er schädliches Verhalten seitens des Agen- ten antizipiert. Im Endeffekt entsteht ein Wohlfahrtsverlust, welcher durch die niedri- gere Indifferenzkurve U3 (im Gegensatz zu U1) und durch den niedrigeren Unterneh- menswert W4 (im Gegensatz zu W1) abgelesen werden kann.

Prinzipal-Agenten-Probleme findet man jedoch nicht nur in Unternehmen. Anhand eines weiteren kurzen Beispiels wird ebenfalls deutlich, dass hinter vielen alltäglichen Situationen ein Prinzipal-Agenten-Problem steht: Man stellt sich beispielsweise vor, dass ein Kreditnehmer einen Kredit von einer Bank bewilligt bekommt. In diesem Fall stellt der Kreditnehmer den Agenten dar und die Bank handelt als Prinzipal. Die Bank (Prinzipal) kann sich in diesem Fall nicht vollständig sicher sein, dass der Kreditneh- mer (Agent) mit dem geliehenen Geld das macht, was er in den Gesprächen zuvor vorgab damit zu machen. Es handelt sich hierbei ebenfalls um einen Kontrollverlust seitens der Bank. Sie geht dieses Risiko jedoch ein, weil sie sich aus den anfallen- den Zinszahlungen einen gewissen Nutzenzuwachs erhofft, sofern der Kreditnehmer seine Schuld rechtzeitig begleicht.

Insgesamt lässt sich jedoch vereinfacht sagen, dass ein Prinzipal Kontrolle bzw. Befugnisse nur dann an einen Agenten abgeben sollte, wenn sich der Prinzipal dadurch einen Nutzenzuwachs versprechen kann.

3. Anreizsysteme und unvollständige Arbeitsverträge

Da die Ausgangsproblematik nun bekannt ist, müssen Lösungsansätze gefunden werden, welche dazu dienen, das grundlegende Prinzipal-Agenten-Problem einzu- schränken bzw. zu beheben. In erster Instanz versuchen Arbeitgeber, Eigentümer bzw. Prinzipale ihre Agenten im Vorhinein, d.h. bei Vertragsabschluss dahingehend zu bewegen, dass diese im Interesse und zum Wohle des Unternehmens handeln und sich nicht von ihrem eigenen, persönlichen Nutzenniveau "(ab)lenken" lassen. Dies geschieht in erster Linie durch leistungsbezogene bzw. verhaltensorientierte Anreizsysteme, welche dafür sorgen sollen, dass sich der Agent an dem Erfolg der Unternehmung aktiv beteiligt. Desweiteren wird in diesem Abschnitt auf die Möglich- keiten eingegangen, welche durch unvollständige Arbeitsverträge entstehen. Im ana- lytischen Abschnitt dieser Arbeit wird dann ausführlich erläutert, wie Prinzipale diese Möglichkeiten nutzen können, um den Erfolg des Unternehmens langfristig zu stei- gern.

3.1 Leistungsbezogene Anreizsysteme

Um zu erläutern, worum es sich bei leistungsorientierten Anreizsystemen handelt, muss zunächst definiert werden, was genau ein Anreizsystem darstellt, welche Grundprobleme und welche Funktionen es beinhaltet.

Ein Anreizsystem ist die Summe aller in ihrem Zusammenwirken bewusst gestalteten Anreize und Bedingungen für Mitarbeiter (Agenten), die vom Unternehmen (Prinzi- pal) gewünschte Verhaltensweisen hervorrufen, verstärken und honorieren. Im Ge- genzug sollen Anreizsysteme aber auch Anreize setzen, sodass die Wahrscheinlich- keit des Auftretens unerwünschter Verhaltensweisen gemindert bzw. bestraft wird6.

Zunächst einmal ist es von Bedeutung, dass man über die wesentlichen Funktionen von Anreizsystemen informiert ist. Anreize bzw. Anreizsysteme sollen bestimmte Zwecke und Effekte innerhalb eines Unternehmens haben bzw. auslösen. Zunächst sollen positive Anreize eine motivierende Funktion haben. Der Agent soll dahinge- hend motiviert werden, im besten Sinne des Prinzipals zu entscheiden und zu agie- ren. Dafür, dass er nicht seinen persönlichen Nutzen, sondern den Nutzen des Prin- zipals an erste Stelle setzt, soll er honoriert werden. Weiterhin sollen solche Systeme eine Selektionsfunktion besitzen. Dies hat die simple Bedeutung, dass man die bes- ten Agenten mit den besten Ergebnissen herausfiltern möchte, um diesen eine höhe- re Belohnung zu entrichten. Dabei ist zu beachten, dass in die Beurteilungsgröße des Agenten nur Größen aufgenommen werden sollten, die auch tatsächlich von ihm beeinflusst werden können. Dies nennt man Controllability-Prinzip.

Die Problematik, welche sich hinter Anreizsystemen verbirgt, ist die Gestaltung. Zu- nächst muss überlegt werden, welche Anreizarten überhaupt definiert werden. Hier spielt beispielsweise die Aufteilung von festem Grundgehalt und einer variablen Ver- gütung eine wichtige Rolle. Variable Vergütungsmechanismen sind beispielsweise Prämien, kurzfristig operative Anteile am Erfolg oder auch langfristig strategische Erfolgsanteile an der Unternehmung. Beispiele hierfür sind etwa Aktienoptionen am Unternehmen oder zu bestimmten Zeitpunkten ausgeschüttete Boni. Ein Problem, welches hier jedoch auftreten kann ist, dass ein oder mehrere Performancemaß(e) nur ganz selten alle Aspekte von Mitarbeiteraufgaben erfassen. Das bedeutet eben- falls, dass sich Agenten nur auf jene Tätigkeiten konzentrieren werden, die ihnen persönlich eine höhere Entlohnung bieten. Somit kann es zu der Situation kommen, dass viele Aufgaben, welche eventuell für die längere strategische Ausrichtung wich- tig wären, unerledigt bleiben. Hier spricht man vom Multitasking-Problem.

Ein weiteres Grundproblem ist die eben angesprochene Bemessungsgrundlage oder auch Performancemaß genannt, auf welcher man die Leistung eines Agenten objektiv nachvollziehen kann. Aufgrund der Tatsache, dass das Aktivitätsniveau des Agenten nicht eindeutig und kostenlos zu beobachten ist7, wählen viele Prinzipale den erzielten Erfolg (Output) des Unternehmens als Bemessungsgrundlage. Dieser ist als einziges durch den Prinzipal als auch durch den Agenten zweifelsfrei beobachtbar. Natürlich ist dieser auch von vielen nicht zu kontrollierenden Umweltzuständen abhängig. Jedoch bietet der gemessene Output eine gemeinsam zu beobachtende Größe, nämlich den Erfolg des Unternehmens.

Eine Ausnahme sind hier beispielsweise Chief Executive Officer (CEO oder auch Geschäftsführer) von Großkonzernen. Diese werden häufig in Abhängigkeit vom Ak- tienwert des Unternehmens entlohnt, da dieser als einer der objektivsten Bewer- tungskriterien gilt. Aus diesem Grund wird der Aktienwert auch häufig als Gradmes- ser für die Leistungen des Top-Managements hinzugezogen. Desweiteren ist die An- gabe einer Entlohnungs- bzw. Kompensationsfunktion seitens des Agenten notwen- dig. Diese dient dazu dass man bestimmen kann, was der Prinzipal dem Agenten mindestens zu entrichten hat, damit der Agent seine Tätigkeiten aufnimmt. Dabei spielt der Faktor Arbeitskosten (bspw. Fahrtkosten) beim Agenten eine entscheiden- de Rolle. Kann der Agent seine Arbeitskosten durch die Lohnzahlungen des Prinzi- pals nicht decken, so wird er das Angebot des Prinzipals/Arbeitgebers nicht anneh- men.

3.1.1 Explizite Anreizsysteme

Bei der Unterscheidung zwischen impliziten und expliziten Anreizsystemen soll der Fokus dieser Arbeit zum Großteil auf die expliziten Anreizsysteme gelegt werden, da diese eine bessere Darstellung zulassen und auf objektive Bewertungsgrundlagen zurückzuführen sind. Hierbei wird der Fokus auf Stock Option Plans, also dem An- recht Aktien zu einem vorab definierten Preis kaufen zu dürfen und dem Economic- Value-Added -Vergütungsschema (EVA-Vergütungsschema) liegen.

[...]


1 Vgl. Fama, E. (1980), S. 289

2 Vgl. Fama, E. (1980), S. 292

3 Vgl. Jensen, M. und W. Meckling (1976), S. 308

4 Vgl. Jensen, M. und W. Meckling (1976), S. 308

5 Vgl. Jensen, M. und W. Meckling (1976), S. 316-319

6 Vgl. Wolf, B. und E.P. Lazear (2001), S.11

7 Vgl. Kapitel 2.2

Ende der Leseprobe aus 44 Seiten

Details

Titel
Unvollständige Arbeitsverträge
Untertitel
Eine Analyse unter Berücksichtigung von Kontrolle, Gehaltsdelegation und Nachverhandlung
Hochschule
Universität Ulm  (Institut für Wirtschaftswissenschaften)
Autor
Jahr
2014
Seiten
44
Katalognummer
V279145
ISBN (eBook)
9783656736981
ISBN (Buch)
9783656736967
Dateigröße
956 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Arbeitsvertrag, Arbeitsverträge, Kontrolle, Delegation, Neuverhandlung, Prinzipal, Agent, Anreizsysteme, unvollständig, unvollständige Arbeitsveträge, Gehalt, Lohn
Arbeit zitieren
Marcus Kreysch (Autor:in), 2014, Unvollständige Arbeitsverträge, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/279145

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