Rezension zu "Alice im Hungerland - Leben mit Bulimie und Magersucht" von Marya Hornbacher


Rezension / Literaturbericht, 2004

20 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

1 Inhaltsangabe

2 Formale Auffälligkeiten

3 Charakterisierung der Marya Hornbacher

4 Wesentliche Textstellen

5 Leserempfehlung

6 Anhang
6.1 Glaubensbekenntnis
6.2 Trigger-Lines
6.3 Zehn Gebote

Literaturverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1 Inhaltsangabe

In der Autobiographie „Alice im Hungerland“ von Marya Hornbacher, deren 4. Auflage im Jahr 2003 im Ullstein Verlag erschien, beschreibt die Autorin ihr bisher geführtes Leben mit Bulimie und Magersucht.

In Walnut Creek, Kalifornien, geboren, streitet sich Marya Hornbacher-Beard im Alter von fünf Jahren zum ersten Mal bewusst mit einer Freundin über Lebensmittel. Beide beschließen mehr im Scherz als ernsthaft, eine Diät zu machen, was sie jedoch nach kurzer Zeit aufgeben. Maryas Eltern kümmern sich mehr um sich selbst, als um ihre einzige Tochter, demzumal streiten sie sich häufig, nicht nur, wenn es – ebenso wie bei Marya – um die Essgewohnheiten der beiden geht.

Im Alter von neun Jahren übergibt sich Marya zum ersten Mal (nach dem Essen von Chips) auf der Toilette, die vorherige Neugier wandelt sich in ein Suchtverhalten – Marya erkrankt an Bulimie (Ess-Brech-Sucht).

Zunächst gelingt es Marya, die Krankheit geheim zu halten, in einer späteren Phase bemüht sie sich jedoch nicht mehr so sehr um besagte Geheimhaltung sondern lässt es zeitweilig sogar darauf ankommen, beim sich Übergeben erwischt zu werden.

Nach einer ärztlichen Diagnose begibt sich Marya erstmals in eine Klinik zur Behandlung ihrer Bulimie, welche schließlich besiegt scheint – Marya wird entlassen.

Kurze Zeit später bricht die Bulimie jedoch wieder aus.

Im Alter von fünfzehn Jahren dann erfolgt der Übergang zur Anorexie (Magersucht). Auch diese ist nach kurzer Zeit nicht mehr zu verbergen, es folgen mehrere, nur kurzzeitig erfolgreiche Klinikaufenthalte, ebenso wie Marya immer wieder mit Rückschlägen sowie mit dem Verlust von Familie, Freunden, Job und nicht zuletzt auch des Wissens, was „normal“ ist, konfrontiert wird.

Bis zu ihrem zwanzigsten Lebensjahr schwankt Marya zwischen bulimischem und anorektischem Verhalten, ihr Gewicht bewegt sich in diesem Zeitraum aufgrund der häufigen Klinikaufenthalte, welche ihr Körpergewicht kurzzeitig stabilisieren, ständig zwischen 68 und 26 Kilo. Im Alter von 23 Jahren blickt Marya auf insgesamt fünf Krankenhausaufenthalte zurück, überwindet schließlich mit einem sehr großen Kraftaufwand ihre Zwänge und entscheidet sich für die Nahrungsaufnahme, für das Leben.

Mit ihrer Essstörung lebt sie weiterhin, jedoch steht Marya ihr Mann Julian unterstützend zur Seite und hilft, einen geregelten Tagesablauf einzuhalten.

Heute lebt und arbeitet Marya Hornbacher als Schriftstellerin und freie Redakteurin in Minnesota.

2 Formale Auffälligkeiten

Die Autobiographie „Alice im Hungerland“ von Marya Hornbacher spielt an vielen verschiedenen Orten, beginnend in Walnut Creek, Kalifornien, als Marya fünf Jahre alt ist. Die Geschichte wird von einem Ich-Erzähler beschrieben, da es sich bei diesem Buch um eine Autobiographie handelt, es ist somit eine auktoriale Erzählperspektive. Das Thema des Buches sind Essstörungen, vordergründig stehen Bulimie und Anorexie. Die Intention der Autorin ist, vor Essstörungen und ihren Folgen zu warnen, sowie zu informieren und Aufmerksamkeit zu schaffen, wenn es um Essstörungen geht. Die Autobiographie hat weder einen offenen Anfang noch ein offenes Ende, Sachverhalte und Erlebnisse werden detailliert und realistisch geschildert. Der gewählte Sprachstil ist teilweise poetisch, teilweise auch sehr geprägt durch Fachbegriffe zum Thema.

Auffällig sind die vielen im Buch enthaltenen Zitate, sie sind aus verschiedenen Büchern, Gedichten und Berichten entnommen, außerdem enthält der Text viele Gedanken der Autorin und nur wenig Dialoge. Es sind Auszüge der ärztlichen Untersuchungsprotokolle im Buch auffindbar, die dem Leser einen Einblick in die Situationsgefahr erleichtern. Ebenso gebraucht die Autorin häufig Metaphern, wenn von der Vergangenheit oder der Zukunft, um die sie zwischenzeitlich bangt, die Rede ist. Der größte Teil des Buches handelt von der Vergangenheit der Autorin, sie berichtet in Rückblenden, zum Ende hin berichtet sie jedoch auch von der Gegenwart (ihrer jetzigen Lebenssituation). Das Buch enthält weder Zeichnungen/Bilder noch Fotos, es hat vierhunderteinundneunzig (491) Seiten und besteht aus einer Einleitung und acht Kapiteln, sowie einem Nachwort, welches ergänzend zwei Kapitel, Danksagungen, eine Bibliographie und Anmerkungen enthält. Ebenfalls auffällig sind die Gedanken, welche oftmals klein gedruckt unter den normalen Textpassagen abgedruckt sind und die das Geschriebene bzw. Erzählte erläutern oder kommentieren.

3 Charakterisierung der Marya Hornbacher

Marya Hornbacher ist im Alter von fünf bis neun Jahren ein relativ ruhiges Kind, welches nicht viel Kontakt zu seinen Mitmenschen sucht, allerdings auch nicht zwanghaft davor flüchtet. Sie sitzt lieber auf der heimischen Couch, isst Chips und beschäftigt sich mit ihrem Hund. Hauptsächlich durch Neugier getrieben, übergibt sie sich mit neun Jahren zum ersten Mal über der Toilette.

Sie scheint ein leicht beeinflussbarer Mensch zu sein, zumindest im Kindesalter, in dem sie sich die Kritik und die Lästereien ihrer Schulkameradinnen über ihr Aussehen und Gewicht sehr zu Herzen nimmt, jedem Gespräch aufmerksam folgt und sich dementsprechend ruhig und anpassend verhält. Der Beginn der Bulimie ist ein Verhalten, welches zeigt, dass Marya versucht, sich anzupassen bzw. ihrem Umfeld zu gefallen. Sie nimmt ihre Mitschülerinnen als „dünne, schlaksige Wesen““ wahr und versucht, diesem Bild nachzueifern. Auch dass ihr Vater sich selbst „Mr. Schwein“, die Mutter „Dr. Schwein“ und Marya selbst „Schweinchen“ nennt, trägt einiges zu ihrem Verhalten bei. Marya empfindet dies als Angriff, sie kann keinen Zusammenhang erkennen zwischen diesen Spitznamen und dem Aussehen ihrer Körper. Mit dem immer häufigeren Erbrechen verliert Marya an Gewicht, was für sie zunächst bedeutet, dass sie ihren Mitschülerinnen weniger Angriffsfläche bietet, zumindest so lange diese nichts von Maryas Erkrankung ahnen. Außerdem wehrt sie sich somit gegen den Titel des „Schweinchens“ – wenn sie nicht aussähe, wie ein Schweinchen, so bestünde schließlich die Möglichkeit, dass ihr Vater aufhörte, sie so zu nennen. Marya macht teilweise einen naiven Eindruck, wenn es um den Krankheitsverlauf der Bulimie geht. Sie beginnt mit ständigen Diäten, treibt extrem viel Sport und wetteifert mit Freundinnen um den höchsten Gewichtsverlust, erkennt jedoch ihre Krankheit noch nicht so recht. Als sie schließlich doch erkennt, dass sie längst von der Essstörung bestimmt wird, ändert sich aufgrund dessen ihr Verhalten.

Marya fällt es schwer, Vertrauen zu anderen Menschen aufzubauen. Sobald sie ihr zu nahe kommen, ergreift sie die Flucht indem sie versucht, die anderen Menschen aus ihrem eigenen Leben auszuschließen. Ihre Wachsamkeit behält Marya bei, allerdings entwickelt sie eine recht ausgeprägte Angst vor dem Verlassenwerden, welche sie eben durch die Kontrolle der Nahrungsaufnahme zu verdrängen versucht.

Ebenso scheint Marya die Welt um sie herum teilweise als endpersonalisiert zu erleben, was bedeutet, sie ist kaum in der Lage, zwischen dem, was außerhalb und innerhalb ihres Körpers geschieht, zu unterscheiden. Indem Marya ihre Nahrungsaufnahme kontrolliert, versucht sie, eine Identität zu schaffen und diese auch zu spüren, was ihr dadurch jedoch nicht gelingt.

Eine so genannte „gesunde Abhängigkeit“ (eine Situation, in der Bedürfnisse geäußert, akzeptiert und erfüllt werden, wenn sie angemessen sind) innerhalb der Familie Maryas besteht nicht, was dazu führt, dass Marya ein völlig verfremdetes Verhalten entwickelt, Beziehungen zu beurteilen. So denkt sie zum Beispiel, eine „Abhängigkeit käme der Sklaverei gleich“ und „Intimität bedeute die Aufgabe der eigenen Integrität“. Die Bulimie verstärkt Maryas von Anfang an bestehende emotionale Labilität, die später ausbrechende Magersucht ebenso.

Dass Marya während ihrer Bulimie unter anderem eine Migräne entwickelt, bedeutet, dass sie zwar tatsächlich diese Migräne verspürt, tatsächlich jedoch taucht der eigentliche Schmerz nur am falschen Ort auf – sie muss ihre Gefühle ordnen, verdrängen, was für ihren Körper nicht gut ist und da Essstörungen nicht einfach zu behandeln sind, scheint sich Marya einen einfacheren Weg suchen zu wollen – eine behandelbare Krankheit, nicht eine psychische, die potentiell – wie sie glaubt – nicht behandelbar sei.

Maryas Persönlichkeit ist sehr von Wunschvorstellungen geprägt, sie träumt viel vor sich hin und zeigt Interesse am Lernen, ebenso deuten die vielen Zitate aus verschiedenen Büchern auf ihren guten Bildungsstand und ihr Interesse für das Lesen im Allgemeinen und das Lesen von Büchern hin.

Maryas Essstörung schein eine Art „Körpersprache“ zum Ausdruck bringen zu wollen, allerdings kann Marya auf die Frage ihrer Therapeutin „Wie fühlst du dich?“ nicht antworten, da sie fragen dieser Art nur zu verwirren scheinen. Außerdem leidet Marya an Konzentrationsstörungen und Kommunikationsschwierigkeiten, was besonders in den Gesprächen mit den einzelnen Ärzten und Therapeuten deutlich wird, auch leidet sie häufig unter Depressionen, Stimmungsschwankungen und Angstzuständen, welche größtenteils wohl durch ihre Krankheit ausgelöst werden bzw. wurden.

Marya besitzt die Fähigkeit, sehr klar und realistisch zu denken und dementsprechend über ihre eigene Person zu urteilen, was sie auch tut, jedoch scheint sie diese Tatsache so zu empfinden, als spräche sie über einen ihr gegenüberstehenden Menschen, einen fremden, nicht ihren eigenen Körper.

Sie weiß genau, was mit ihr und ihrem Körper vor sich geht, allerdings scheint sie damit zunächst nicht umgehen zu können – bis zu dem Zeitpunkt, wo sie für sich selbst entschließt, dass sie leben möchte und sie dazu essen muss.

Sie besitzt eine enorme Willensstärke, die sie während ihrer Bulimie und Magersucht jedoch falsch einsetzt, was sie aber nach langer Zeit selbst zu ändern versucht. Dies zeugt außerdem von Mut, denn diesen muss sie aufbringen, um letztlich heute Tag für Tag gegen ihre Essstörung anzukämpfen und ein einigermaßen geordnetes Leben führen zu können.

4 Wesentliche Textstellen

a) Seite 14 Z. 18 – 25

„…ja, es geht um Kontrolle, aber genauso um die Biographie des Einzelnen, um Philosophie, um die Gesellschaft, um das Gefühl der Entfremdung von sich selbst und der Umwelt, um Familienprobleme, um autoerotische Erlebnisse, um Mythen, Spiegel, Liebe, Tod, Sadismus, Masochismus, um illustrierte und Religion, darum, wie das blinde Individuum durch eine Welt stolpert, die ihm immer fremder wird.“

Ich empfinde diese Aussage als sehr realistisch. Marya zeigt durch diese Aussage, dass sie sich ihrer Lage, deren Auslöser und deren Lösung bewusst ist.

b) Seite 27 Z. 25 – 27

„Manche Menschen, die von Lebensmitteln besessen sind, werden Gourmetköche. Andere entwickeln Essstörungen.“

Mir gefällt der Sarkasmus, der in diesen zwei Sätzen steckt. Diese Art Galgenhumor finde ich zwar erschreckend, aber es steckt ein gewisser Reiz darin, weiter über diese Aussage nachzudenken.

c) Seite 45 Z. 5 – 8

„Die Eltern anorektischer Personen sind häufig sehr stark auf sich selbst fixiert, scheinen nach außen hin allerdings sehr besorgt um andere Familienmitglieder zu sein.“

Genau das ist auch bei Maryas Eltern der Fall, ihr selbst fällt dies merkwürdiger Weise kaum auf, obwohl sie ansonsten alles sehr treffend analysiert.

d) Seite 58 Z. 13 – 14

„Der Körper ist nicht mehr als ein Kostüm und kann durch reine Willenskraft verändert werden.“

Diese Textstelle halte ich für sehr wichtig, da es letztlich das ist, was Marya erkennen muss. Sie soll kein Kostüm mehr tragen, es ist ihr erlaubt, sie selbst zu sein – dies bedeutet, sie muss ihre Krankheit bezwingen, was ihr nur mit Hilfe ihrer Willenskraft zu gelingen vermag.

e) Seite 76 Z. 9 – 12

„Bulimie ist immer beides: verführerisch und beängstigend. Sie teilt den Geist in zwei Teile: man kann etwas aufnehmen, man kann es verweigern; man braucht, man braucht nicht.“

Dieser Gedankengang ist für mich einfach nachvollziehbar und daher gewiss auch erschreckend, denn es ist logisch und praktisch real.

[...]

Ende der Leseprobe aus 20 Seiten

Details

Titel
Rezension zu "Alice im Hungerland - Leben mit Bulimie und Magersucht" von Marya Hornbacher
Note
1,3
Autor
Jahr
2004
Seiten
20
Katalognummer
V278964
ISBN (eBook)
9783656728412
ISBN (Buch)
9783656740865
Dateigröße
482 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Teile dieser Arbeit und Bewertung des Rezension durch die Lehrkraft: 1) Inhaltsangabe: gut. 2) Formale Auffälligkeiten: sehr deutlich und detailreich beschrieben. 3) Charakterisierung der Hauptfigur: ausführlich und inhaltlich wie sprachlich überzeugend, ein guter Einblick in die Hauptfigur wird vermittelt. 4) Wesentliche Textstellen inkl. Begründung: quantitativ wie qualitativ besonders überzeugend - man merkt deine intensive Auseinandersetzung mit der im Buch behandelten Problematik. 5) Leserempfehlung: ebenfalls sehr ausführlich und gut begründete Rezension des Buches.
Schlagworte
rezension, alice, hungerland, leben, bulimie, magersucht, marya, hornbacher
Arbeit zitieren
Sina Dorothea Hankofer (Autor:in), 2004, Rezension zu "Alice im Hungerland - Leben mit Bulimie und Magersucht" von Marya Hornbacher, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/278964

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