Der Stabilitäts- und Wachstumspakt zur Disziplinierung nationaler Finanzpolitiken


Hausarbeit (Hauptseminar), 2004

24 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Notwendigkeit für den Erlass eines Stabilitätspaktes
2.1. Gewährleistung der Haushaltsdisziplin
2.2. Schutz der EU-Geldpolitik vor politischem Druck der Mitgliedsstaaten
2.3. Unterbindung von „Free-rider-Verhalten“
2.4. Verhinderung von „Bailouts“

3. Kritik am Regelwerk
3.1. Aufweichung versus Verschärfung des Paktes
3.2. Limitierter Handlungsspielraum der Haushaltspolitik
3.3. Außerachtlassung der öffentlichen Verschuldung
3.4. Politisierung des Sanktionsverfahrens

4. Reformvorschläge

5. Ausblick

Anhang

Literaturverzeichnis

This politically short-sighted decision is a regrettable step backwards in the European integration process and shows the talent of some politicians to increase the already impressive number of challenges ahead[1]

1. Einleitung

Auf ihrer Tagung vom 17. Juni 1997 in Amsterdam verabschiedeten die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union die Entschließung des Europäischen Rates über den Stabilitäts- und Wachstumspakt.[2] Ergänzt wurde die Entschließung am 7. Juli 1997 durch die Verordnung Nr. 1466/97 über den Ausbau der haushaltspolitischen Überwachung und Koordinierung der Wirtschaftspolitiken[3] sowie durch die Verordnung Nr. 1467/97 über die Beschleunigung und Klärung des Verfahrens bei einem übermäßigen Defizit.[4]

Bereits im November 1995 hatte der damalige Bundesfinanzminister Theo Waigel den Entwurf eines „Stabilitätspaktes für Europa“ vorgelegt. Dazu veranlasst hatte ihn vor allem die Erkenntnis, dass fast alle EU-Mitgliedsstaaten Schwierigkeiten bei der Erfüllung der im Vertrag von Maastricht (EGV) festgelegten Konvergenzkriterien (siehe Anhang) aufwiesen. Zugleich sollten die Vereinbarungen zu dem in Art. 104 EGV (siehe Anhang) geregelten Defizitverfahren präzisiert werden. Dieser Entwurf bildete sodann die Grundlage für den in Amsterdam verabschiedeten Stabilitäts- und Wachstumspakt. Waigels vorgelegter Entwurf war seinerzeit von seinen Befürwortern aufgrund schmerzhafter Sanktionen im Falle wiederholter Verletzungen der Konvergenzkriterien oftmals als ein „Stabilitätspakt mit Biss“ bezeichnet worden. Doch unter dem Druck der „Südstaaten“ der EU unter der Führung Frankreichs wurde die ursprüngliche Vorlage Waigels in erheblichem Maße aufgeweicht.

Vor dem Hintergrund dieses innerhalb der Mitgliedsstaaten bestehenden Dissenses über Auslegung und Umsetzung des Stabilitätspaktes soll diese Arbeit im Folgenden untersuchen, ob der Stabilitäts- und Wachstumspakt in seiner jetzigen Form die in ihn gesetzten Erwartungen erfüllen kann, nämlich die Mitgliedsstaaten zu einer stabilitätsorientierten Finanzpolitik zu bewegen. Kann der Stabilitätspakt angesehen werden „als Mittel zur Verbesserung der Voraussetzungen für Preisstabilität und ein starkes, nachhaltiges Wachstum, das der Schaffung von Arbeitsplätzen förderlich ist[5], oder sind Änderungen am Regelwerk notwendig, um dieses Ziel zu erreichen?

2. Notwendigkeit für den Erlass eines Stabilitätspaktes

2.1. Gewährleistung der Haushaltsdisziplin

Im Vertrag von Maastricht legten die Mitgliedsstaaten das Ziel der Preisstabilität als Grundvoraussetzung für ein Funktionieren der Europäischen Währungsunion fest. Preisstabilität kann jedoch nur durch einen stabilen Haushalt und gesunde öffentliche Finanzen gewährleistet werden. Zwar wurden im Maastrichter Vertragswerk finanzpolitische Regeln und diesbezüglich ein Überwachungs- und Sanktionsverfahren (Verfahren bei einem übermäßigen Haushaltsdefizit) vereinbart; doch stellte sich nach kurzer Zeit heraus, dass dieses zu langwierig und aufgrund vieler „Kann-Bestimmungen“ zu wenig durchgreifend war.[6] Um das Problem der Langwierigkeit zu lösen, wurde im Stabilitätspakt vereinbart, den Ablauf des Defizitverfahrens von den ursprünglich veranschlagten 3-4 Jahren auf ca. 10 Monate zu kürzen.[7]

Als Maßstab für dauerhafte Konvergenz und Einhaltung der Haushaltsdisziplin wurden 1992 insbesondere zwei Kriterien festgelegt: Zum einen sollte das Verhältnis des öffentlichen Defizits zum Bruttoinlandsprodukt den Referenzwert von 3% nicht überschreiten, zum anderen sollte der öffentliche Schuldenstand maximal 60% des Bruttoinlandsproduktes betragen. Um die Mitgliedsstaaten zur Einhaltung dieser Kriterien zu verpflichten, wurden auf dem Gipfel in Amsterdam 1997 Sanktionsmechanismen vereinbart, die zu einer Geldbuße von maximal 0,5% des BIP führen konnten. Diese Sanktionsregelung war nicht unumstritten, da der Gedanke, möglicherweise einen zusätzlichen Kredit aufnehmen und diesen dann gegebenenfalls an die finanzpolitisch soliden Staaten abführen zu müssen, einigen Mitgliedsstaaten widerstrebte. Begründet wurde diese Sanktion jedoch damit, dass „die eigentliche Idee des Stabilitätspaktes nicht die Bestrafung, sondern die stabilitätspolitische Orientierung der Haushaltsführung[8] sei. Mitgliedsstaaten sollten übermäßige Defizite vermeiden, um den Sanktionen aus dem Weg zu gehen.

Ergänzend wurde vereinbart, dass die Mitgliedsstaaten dem Rat der Wirtschafts- und Finanzminister (ECOFIN) und der EU-Kommission jährlich Stabilitätsprogramme vorzulegen hätten, in denen die mittelfristigen finanzpolitischen Ziele der Haushalte dargelegt und die Maßnahmen zur Zielerreichung erläutert werden sollten. Auf Grundlage dieser Programme kann der ECOFIN-Rat im Rahmen eines „Frühwarnsystems“ Empfehlungen zur Vermeidung eines Defizits an die Mitgliedsstaaten richten, wenn er zu der Erkenntnis kommt, dass die Mitgliedsstaaten vom mittelfristigen Haushaltsziel abweichen.

2.2. Schutz der EU-Geldpolitik vor politischem Druck der Mitgliedsstaaten

Vorstehende Maßnahmen zur Disziplinierung der Haushaltspolitik wurden unter anderem deswegen für notwendig erachtet, weil das Maastrichter Vertragswerk durch eine Integrationsasymmetrie Spielraum für Konflikte bei der Erreichung des Zieles der Geldwertstabilität gewährt. Zwar konnten sich die Teilnehmerstaaten der Währungsunion dazu durchringen, ihre jeweilige Zuständigkeit für Geldpolitik auf eine supranationale Ebene (EZB) zu übertragen, jedoch verständigte man sich gleichzeitig darauf, die Verantwortung über nationale Finanzpolitik bei den einzelnen Mitgliedsstaaten zu belassen.[9] Hieraus ergibt sich die Gefahr, dass Staaten mit hoher Verschuldung Druck auf die EZB ausüben und sie dadurch vom Weg einer stabilitätsorientierten Geldpolitik abbringen könnten. Diese Staaten haben ein Interesse an niedrigen Zinsen und höherer Inflation, da damit eine Entlastung in Form von real entwerteten Schulden eintritt. Zudem besteht bei diesen Staaten die Hoffnung, dass durch niedrige Zinsen eine Belebung der Wirtschaft erreicht wird, indem Kosten der Kapitalbeschaffung sinken und sich infolgedessen die Investitionsbereitschaft von privaten Haushalten und Unternehmen erhöht. Dies versetzt die Zentralbank in ein Dilemma, denn wenn sie diesen Forderungen nicht nachgibt, läuft sie Gefahr, beschuldigt zu werden, die Wirtschaft abzuwürgen. Dieser Vorwurf wäre in sofern bemerkenswert, als tatsächlich die unsolide Haushaltspolitik der betroffenen Staaten Ursache des Problems ist.[10]

Eine weiche Geldpolitik bringt zudem das Risiko mit sich, das Vertrauen der Finanzmärkte in die europäische Währung zu erschüttern. Daraus resultierenden Inflations- und Abwertungserwartungen wäre nur schwer entgegenzuwirken. Dass Deutschland an einer schwachen Währung kein Interesse hat, wird aus der Entschließung des Bundestages zur Wirtschafts- und Währungsunion vom 2. Dezember 1992 deutlich, in der es heißt: „Die künftige europäische Währung muß so stabil sein und bleiben wie die Deutsche Mark.[11]

2.3. Unterbindung von „Free-rider-Verhalten “

Weiteres Ziel des Stabilitätspaktes ist es, die Übertragung negativer externer Effekte, die aus einer zu hohen Staatsverschuldung eines Teilnehmerstaates resultieren, auf die anderen Mitgliedsstaaten zu vermeiden. Es besteht nämlich die Gefahr, dass die Teilnahme an einer Währungsunion zu einem erhöhten Anreiz zur Defizitfinanzierung führt, da Mitgliedsstaaten, die sich fiskalpolitisches Fehlverhalten zuschulden kommen lassen, weniger von Sanktionen der Finanzmärkte getroffen werden. Dies wird damit erklärt, dass nach Übertragung der Kompetenz über Geldpolitik auf die EZB das Risiko eines nationalen Zinsaufschlages entfällt, der von Gläubigern als Kompensation für nationales Inflations- und Abwertungsrisiko verlangt wird.[12] Stattdessen kann eine kreditfinanzierte Erhöhung der Staatsausgaben eines Mitgliedsstaates einen Anstieg der Kapitalmarktzinsen im gemeinsamen Kapitalmarkt bewirken, der von den übrigen Mitgliedsstaaten mitgetragen werden muss. Aufgrund der Größe des gemeinsamen Kapitalmarktes wird jedoch der Zinsanstieg beim Haushaltssünder geringer ausfallen als es außerhalb der Währungsunion der Fall gewesen wäre. Somit können die Kosten unsolider Finanzpolitik zumindest teilweise auf die Partnerstaaten abgeschoben werden.[13] Dieses „Free-rider-Verhalten“ ist vor allem dann sehr schädlich, wenn seine Auswirkungen auf private Investitionen und demzufolge auf das Wachstums- und Beschäftigungsniveau berücksichtigt werden.

[...]


[1] Dr. Jürgen Stark, Vizepräsident der Deutschen Bundesbank, zur Verletzung der Konvergenzkriterien durch mehrere EU-Mitgliedsstaaten, London, 2. Dezember 2003

[2] Entschließung 97/C 236/01, ABl. 1997, Nr. C 236, S. 1 f.

[3] EG-Verordnung Nr. 1466/97, ABl. 1997, Nr. L 209, S. 1 ff.

[4] EG-Verordnung Nr. 1467/97, ABl. 1997, Nr. L 209, S. 6 ff.

[5] EG-Verordnung Nr. 1466/97, Erwägungsgrund 1

[6] Hankel, u.a. (1998): S. 88

[7] Steuer, W. (1997): S. 2 und S. 9

[8] Hankel, u.a. (1998): S. 91

[9] Steuer, M. (1997): S. 11

[10] Hankel, u.a. (1998): S. 71

[11] Bundestagsdrucksache 12/3905 vom 2. Dezember 1992

[12] Stark, Remsperger (2003): S. 4

[13] Hankel, u.a. (1998): S. 74

Ende der Leseprobe aus 24 Seiten

Details

Titel
Der Stabilitäts- und Wachstumspakt zur Disziplinierung nationaler Finanzpolitiken
Hochschule
Eberhard-Karls-Universität Tübingen  (Internationale BWL)
Veranstaltung
Europäische Währungspolitik
Note
1,0
Autor
Jahr
2004
Seiten
24
Katalognummer
V27892
ISBN (eBook)
9783638298155
ISBN (Buch)
9783638649346
Dateigröße
533 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Stabilitäts-, Wachstumspakt, Disziplinierung, Finanzpolitiken, Europäische, Währungspolitik
Arbeit zitieren
Andreas Rostin (Autor:in), 2004, Der Stabilitäts- und Wachstumspakt zur Disziplinierung nationaler Finanzpolitiken, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/27892

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