Der ASD und sein Image

Möglichkeiten und Grenzen einer erfolgreichen Öffentlichkeitsarbeit im Hinblick auf die mediale Skandalisierung des Falls „Chantal“


Bachelorarbeit, 2012

51 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1.Einleitung

2.Öffentlichkeitsarbeit
2.1 Begriff
2.2 Entstehung und Entwicklung
2.3 Funktionen und Aufgaben
2.4 Öffentlichkeitsarbeit sozialer Organisationen
2.4.1 Begriff
2.4.2 Aufgaben der externen Öffentlichkeitsarbeit sozialer Organisationen
2.4.3 Soziale Themen in den Medien
2.4.4 Pressearbeit als Schwerpunkt von Öffentlichkeitsarbeit
2.4.5 Medienpräsenz
2.4.6 Aufbau und Pflege von Medienkontakten
2.5 Zusammenhang zwischen Öffentlichkeitsarbeit und Kinderschutz
2.5.1 Begriffsklärung ASD
2.5.2 Der ASD als Kinderschutzbehörde
2.5.3 Beispiel für eine Imagekampagne für den ASD: „Das Jugendamt. Unterstützung, die ankommt.“

3. Skandalisierung und Krisenmanagement 30
3.1 Begriffsklärung Skandalisierung und Krisenmanagement
3.2 Öffentlichkeitsarbeit in der Krise
3.3 Skandalisierung anhand des Falls Chantal
3.3.1 Skizzierung des Falls
3.3.2 Exemplarische Analyse ausgewählter Zeitungsartikel über den Fall
3.3.3 Auswertung der Untersuchungsergebnisse
3.3.3.1 Kritik an der Arbeit des ASD
3.3.3.2 Verantwortlichkeit und Zuschreibungen
3.3.3.3 Skandalisierung
3.3.3.4 Aufklärung und Ermittlungsergebnisse
3.3.4 Fazit

4. Ausblick

Literaturverzeichnis

Quellenverzeichnis Fall Chantal

Eidesstattliche Erklärung

1. Einleitung

Im Rahmen der folgenden wissenschaftlichen Untersuchung soll der Fragestellung nachgegangen werden: „Welche Möglichkeiten und Grenzen bestehen für eine erfolgreiche Öffentlichkeitsarbeit im Hinblick auf die mediale Skandalisierung von Einzelfällen wie des Falls „Chantal“?

Die Idee, das Thema „Der ASD und sein Image[1] “ in meiner Bachelor-Thesis zu bearbeiten, entstand während meines Praxissemesters im ASD Hamburg-Billstedt. In dieser Zeit habe ich festgestellt, wie schwer der Stand des ASD in der Öffentlichkeit[2] tatsächlich ist. Seit den Skandalen im Fall Lara, Jessica oder Chantal ist die ASD-Arbeit in den Fokus der Öffentlichkeit geraten. Nach dem Tod von Chantal konnte ich im Rahmen meines Praktikums unmittelbar miterleben, welche Konsequenzen damit einhergingen. Wieder einmal war ein Kind verstorben, wieder einmal hat der ASD versagt, nicht eingegriffen, zu spät reagiert und weggesehen.

Andererseits ist der ASD im Rahmen des Kinderschutzes auf die Mithilfe und Meldungen durch die Bevölkerung angewiesen. So ist Öffentlichkeitsarbeit ein notwendiges Instrument, um dem ASD zu einem positiven Image zu verhelfen. Die öffentliche Darstellung des ASD ist zwingend daran gekoppelt, unter welchen Bedingungen die tägliche Arbeit in den Dienststellen verrichtet werden kann. Die Medien[3] haben dabei einen wesentlichen Einfluss auf die öffentliche Meinung und das öffentliche Image des ASD. Um Kinderschutz wirksam und professionell leisten zu können, ist es notwendig, positive Arbeits- und Rahmenbedingungen zu schaffen. Dies wird durch die Medien erschwert, da sich Skandale nun mal besser verkaufen lassen und das Interesse der Bevölkerung an diesen eindeutig größer ist.

So auch Wörsdörfer, dessen Polemik 2010 im „Standpunkt Sozial“ erschienen ist und aufschlussreiche Erkenntnisse über die Entstehung und Aufrechterhaltung des

Feindbildes des ASD bietet. Skandalmeldungen erhöhen die Auflagen und Quoten, sodass die Medien sich in der Regel nur mit dem ASD beschäftigen, wenn etwas Schlimmes passiert ist, andererseits wehrt sich aber keiner dagegen und es wird keine ordentliche Öffentlichkeitsarbeit betrieben (vgl. Wörsdörfer 2010: 76 ff.).

Kreft/ Weigel sprechen in diesem Zusammenhang davon, dass die „Nicht-Fachöffentlichkeit“ vielmehr an Skandalen als an der guten fachlichen Arbeit des ASD interessiert ist, ganz nach dem Motto „bad news are good news“ (vgl. Kreft/ Weigel 2011: 14).

In dieser Arbeit werden zunächst die einzelnen thematischen Aspekte theoretisch behandelt. Dabei wird als Erstes auf die Definition und die Aufgaben sowie die Entstehung und den Verlauf der Entwicklung von Öffentlichkeitsarbeit in Deutschland im Allgemeinen sowie sozialer Organisationen im Speziellen eingegangen. Anschließend wird die Darstellung sozialer Themen in den Medien sowie Pressearbeit als Schwerpunkt von Öffentlichkeitsarbeit, Medienpräsenz sowie die Funktion der Medien und der Aufbau und die Pflege von Medienkontakten beleuchtet. Weiter befasst sich dieser erste Teil mit dem speziellen Bedarf des ASD an Öffentlichkeitsarbeit, dafür ist zunächst der Begriff des ASD zu klären, dann sind die Bedingungen darzustellen, unter denen der ASD als Kinderschutzbehörde agiert und schließlich ist zu erklären, welcher Zusammenhang zwischen Öffentlichkeitsarbeit und Kinderschutz besteht.

Als Beispiel für eine im Jahr 2011 durchgeführte Imagekampagne wird dann die Initiative der Bundesarbeitsgemeinschaft Landesjugendämter: „Das Jugendamt. Unterstützung, die ankommt.“ angeführt.

Im Folgenden wird nach einer Klärung der Begriffe „Skandalisierung“ und „Krisenmanagement“ auf Öffentlichkeitsarbeit in der Krise eingegangen. Um dies an einem Beispiel aus der Praxis zu veranschaulichen, wird vor diesem Hintergrund der Fall „Chantal“ geschildert und eine exemplarische Analyse ausgewählter Zeitungsartikel vorgenommen sowie anschließend die Ergebnisse der Untersuchung dargestellt.

Im Ausblick wird abschließend auf die Perspektive für das Image des ASD eingegangen.

Warum ist es für die Soziale Arbeit erforderlich, sich mit ihrem Image und mit Öffentlichkeitsarbeit zu beschäftigen? Gissel-Palkovich beschreibt den ASD als „ ein bedeutsames Arbeitsfeld kommunaler Sozialer Arbeit “ und als „ wesentliche Schaltstelle für die Verteilung sozialer Dienstleistungen und damit erheblicher monetärer Mittel auf der kommunalen Ebene “ (Gissel-Palkovich 2011: 9).

Über die Distanzierung von Skandalmeldungen hinaus geht um den Status von SozialarbeiterInnen, der Profession, das Ansehen der Jugendhilfe, der durch die Medien gefährdet wird. Die öffentliche Jugendhilfe stellt ein wesentliches Arbeitsfeld der Sozialen Arbeit dar, die SozialarbeiterInnen sind unmittelbar von dem schlechten Ansehen betroffen, die Auswirkungen bekommen sie im täglichen Umgang mit den Klienten zu spüren.

Den „Berufsethischen Prinzipien des DBSH“ ist zu entnehmen, wie sich SozialarbeiterInnen in der Öffentlichkeit verhalten sollen. Die Fachkräfte der Sozialen Arbeit sollen die Leistung ihres Berufsstandes in der Öffentlichkeit positiv darstellen und Abwertungen entgegentreten. Außerdem soll grundsätzlich das Ansehen des Berufes durch die Fachkräfte gefördert werden (vgl. DBSH 1997: 3 f.).

Hieraus ergibt sich die Aufforderung für eine professionell betriebene Öffentlichkeitsarbeit und die Notwendigkeit der Auseinandersetzung mit der medialen Berichterstattung.

An dieser Stelle folgt zunächst die theoretische Betrachtung der einzelnen thematischen Aspekte.

2. Öffentlichkeitsarbeit

2.1 Begriff

Es gibt unzählige Definitionsansätze für den Begriff „Öffentlichkeitsarbeit“. Deshalb soll beispielhaft die nachfolgende Auswahl einen Einblick in Diskussion um die Begriffsbestimmung geben.

Zwei bedeutende Namen in der Geschichte der „Public Relations“ sind „Edward L. Bernays“, der als Nestor der amerikanischen Public Relations gilt und „Albert Oeckl“, der als Nestor der deutschen Public Relations gilt. Bernays gründete Anfang der zwanziger Jahre als eine der Ersten in den USA eine eigene PR-Beratungsfirma. Oeckl war 1958 Gründungsmitglied der Deutschen Public Relations-Gesellschaft (DPRG) (vgl. Fröhlich 2008: 95).

Aus diesem Grunde sollen zunächst die Definitionsansätze der beiden „PR-Pioniere“ skizziert werden. Des Weiteren soll ein Ansatz aus neuerer Zeit aus dem „Fachlexikon Öffentlichkeitsarbeit“ angeführt und mit den beiden verglichen werden.

Bernays verwendet 1928 den Begriff der „Propaganda“ und definiert diesen im modernen Sinne als „ das stetige, konsequente Bemühen, Ereignisse zu formen oder zu schaffen mit dem Zweck, die Haltung der Öffentlichkeit zu einem Unternehmen, einer Idee oder einer Gruppe zu beeinflussen “ (Bernays 1928: 31).

Der Begriff „Propaganda“ hat durch die Erfahrungen des Krieges ein düsteres Etikett erhalten, ist aber an sich zunächst neutral zu verstehen und kann für alle Versuche von sozial, religiös oder politisch motivierten Gruppierungen, gemeinsame Überzeugungen an die Öffentlichkeit zu bringen, angewendet werden. Die Vergangenheit hat aber auch gezeigt, dass Propaganda unmoralisch werden und diese Verbreitung auch Lügen oder das bewusste Abzielen auf nachteilige Wirkungen für die Öffentlichkeit beinhalten kann (vgl. Bernays 1928 :29).

An sich ist eine Abgrenzung von „Public Relations“ und „Propaganda“ aus wissenschaftlicher Sicht bis heute nicht möglich, obwohl hier durch die extrem negative Belastung wegen der Propaganda im ersten und zweiten Weltkrieg speziell aus deutscher Sicht ein deutlicher Bedarf besteht (vgl. Fröhlich 2008: 106).

Oeckl setzte als einer der Ersten 1964 „Öffentlichkeitsarbeit“ als die geeignete deutsche Wortbildung mit dem Begriff der „Public Relations“ gleich (vgl. Fröhlich 2008: 95).

Nach Oeckl ist Öffentlichkeitsarbeit „ das bewusste, geplante und dauernde Bemühen, gegenseitiges Verständnis und Vertrauen in der Öffentlichkeit aufzubauen und zu pflegen “ (Oeckl 1964: 43).

Dabei wird ein Dreifaches ausgedrückt: „ Arbeit m i t der Öffentlichkeit, Arbeit für die Öffentlichkeit, Arbeit i n der Öffentlichkeit “ (Oeckl 1964: 36).

Die synonyme Verwendung mit dem Begriff der „Public Relations“ kann allerdings nur unter der konsequenten Berücksichtigung von sechs Kriterien erfolgen: 1. bewusstes Bemühen (klare Kenntnis über die Bedeutung), 2. geplantes Bemühen (systematisches Vorgehen), 3. dauerndes Bemühen (kontinuierliches nicht von Zufälligkeiten abhängiges Vorgehen), 4. gegenseitig (Wechselbeziehung öffentliche Meinung und Informations- und Kontaktbedürfnis des Auftraggebers), 5. Verständnis aufbauen (Transparenz, Einblick gewähren, Unterrichtung über das Wesentliche), 6. Vertrauen pflegen (Erzielen von Übereinstimmung zwischen dem Anliegen des Auftraggebers und dem öffentlichen Interesse) (vgl. Oeckl 1964: 25 ff.).

Rund 70 Jahre nach Bernays und 30 Jahre nach Oeckl werden im Fachlexikon Öffentlichkeitsarbeit zum einen „modernere“ Begriffe wie „Management“ und „Kommunikation“ verwendet, zum anderen wird zwischen verschiedenen Handlungsspielräumen differenziert. Weg von den weichen Begriffen „Vertrauen“ und Verständnis“ bei Oeckl geht es hier um „Meinungsbildung“ als die identifizierte Funktion von Öffentlichkeitsarbeit, was an Bernays anknüpft, der von der „Beeinflussung von Haltungen“ spricht. So wird der Begriff definiert als „ Management von Kommunikationsprozessen für Organisationen mit deren externen und internen Bezugsgruppen, um den wirtschaftlichen, politischen und sozialen Handlungsspielraum im Prozeß der öffentlichen Meinungsbildung zu schaffen und zu sichern “ (Lange/ Ohmann 1997: 93).

Die Definition von Oeckl ist sehr allgemein gehalten, drei Jahrzehnte später ist die Entwicklung zu einer spezifischeren Bedeutung möglich geworden. Auch schon Bernays spricht von konkreten Objekten, auf die sich die jeweilige zu beeinflussende Haltung bezieht und noch sehr deutlich von dem eigentlichen Prozess, dass Realität in Form von Ereignissen durch Propaganda geschaffen oder geformt werden soll. Demgegenüber drücken sich Oeckl und Lange/ Ohmann sehr viel vorsichtiger aus, indem Oeckl vom Aufbau und von Pflege von Verständnis und Vertrauen in der Öffentlichkeit, Lange/ Ohmann vom Schaffen von Handlungsspielraum im Prozess der öffentlichen Meinungsbildung sprechen.

2.2 Entstehung und Entwicklung

Public Relations stammen ursprünglich aus den USA, hier wurde der Begriff erstmalig 1897 im amerikanischen „Yearbook of Railway Literature“ in seiner heutigen Bedeutung verwendet. 1905 engagierte John D. Rockefeller senior den freien Journalisten Ivy Lee als Berater und Verteidiger, um sich gegen die öffentlichen Angriffe und Diskriminierungen durch kritische Journalisten, die in dieser Zeit die höchst bedenklichen Praktiken der schnell wachsenden großen Unternehmen wie Eisenbahnen, Banken, Erdöl- und Bergbaugesellschaften betrafen, zur Wehr zu setzen. Der PR-Pionier Edward L. Bernays, Neffe von Sigmund Freud, begann 1913 seine Laufbahn und brachte die angewandte Psychoanalyse in die PR ein, wodurch die Entwicklung dieser kommunikativen Disziplin mit sozialpsychologischen und psychostrategischer Orientierung wesentlich geprägt wurde (vgl. Oeckl 1999: 13 f.).

In den Kriegsjahren ging es weitgehend um die Bekanntmachung der Kriegsziele und um den Erhalt von Unterstützung durch die Bevölkerung. So kam es 1914 zur Gründung des „Comittee on Public Information“, für das unter anderem George Creel und Bernays gewonnen werden konnten und das die öffentliche Zustimmung für die Maßnahmen des Feldzugs in Europa gewann.

Nach dem Krieg hatten die Fachleute des aufgelösten „Comittee on Public Information“ die Idee einer Übertragung der im Krieg gesammelten Erfahrungen in der Pflege von Beziehungen auf die Wirtschaft, da die Notwendigkeit erkannt wurde, Vertrauen zur Öffentlichkeit herzustellen. Lee, Bernays und Creel wurden zu den Begründern der modernen Public Relations durch die Gründung eigener Beratungsbüros um 1920 herum. Auch große Unternehmen wie General Electric, die Metropolitan Life Insurance oder General Motors richteten in diesen Gründerjahren sogenannte Publicitybüros ein und starteten groß angelegte Kampagnen.

Auch im zweiten Weltkrieg waren die Public Relations notwendig, um die Ziele des Krieges umzusetzen. Es entstand das „Office of War Information“, um etliche Maßnahmen wie die maximale Ausweitung der Rüstungsproduktion, der Gewinn von Arbeitskräften, das Erwecken von Verständnis für die Notwendigkeit einer gewissen Rationierung und der Festigung von Moral an der Front und in der Heimat erforderlich in der Bevölkerung zu verbreiten.

Nach dem zweiten Weltkrieg folgte die bisherige Endstufe in der Entwicklung der Public Relations in den USA. Die Erfahrungen aus dem Krieg wurden wie schon in der dritten Phase nach dem ersten Weltkrieg durch die erheblich vergrößerte Anzahl an PR-Spezialisten nach Auflösung des „Office of War Information“ nun auf die Wirtschafts-, Verwaltung- und Verbandspraxis übertragen, wodurch die bis heute angewandte PR-Praxis entstand (vgl. Oeckl 1964: 90 ff.).

Die Entstehung und Entwicklung von Öffentlichkeitsarbeit in Deutschland vollzog sich nach Oeckl wie folgt: 1945 wurde die Public Relations von den amerikanischen Besatzungstruppen nach Deutschland „importiert“. Hundhausen setzte sich 1947 als einer der ersten mit den Public Relations auseinander. Er hatte bereits im Jahre 1937 einen Aufsatz veröffentlicht, um den Begriff in Deutschland bekannt zu machen, jedoch wurde diesem zu dem Zeitpunkt nur wenig Beachtung geschenkt. Anfang 1950 richtete der Deutsche Industrie- und Handelstag eine Presseabteilung ein, die im Februar 1951 in „Abteilung für Öffentlichkeitsarbeit“ umbenannt wurde. Die Pressestelle Hessischer Kammern und Verbände und der Bundesverband der Deutschen Industrie begannen im selben Jahr, eine umfangreiche Öffentlichkeitsarbeit zu betreiben. Auch erschien in diesem Jahr das Buch von Herbert Gross über „Moderne Meinungspflege“ und „Werbung um öffentliches Vertrauen – Public Relations“ von Hundhausen. Weitere Veröffentlichungen folgten von Domizlaff und Kropff sowie Mörtzsch und auch im Rahmen einer Auseinandersetzung mit dem Begriff „Public Relations“ folgten unter anderem von Hundhausen, Haacke und von Studnitz in den Jahren 1956 – 1958 weitere Beiträge. In der Praxis nahm die Entwicklung der Öffentlichkeitsarbeit einen schnellen Lauf. 1955 kam es beispielsweise zur Gründung der „Versammlung eines Ehrbaren Kaufmanns zu Hamburg e. V.“, die den Grundgedanken der Öffentlichkeitsarbeit im Bemühen einer Herstellung von Übereinstimmung mit dem Gemeinwohl realisierte. Das erste Fachseminar wurde 1958 durchgeführt. Im selben Jahr fand der vorläufige Abschluss der Entstehungsgeschichte statt. So gründete sich die „Deutsche Public Relations-Gesellschaft“ (DPRG) am 8. Dezember 1958 in Köln, indem sich zwanzig bekannte deutsche PR-Fachleute zusammenschlossen (vgl. Oeckl 1964: 95 ff.).

Oeckl verwendete laut eigener Aussage den Begriff „Öffentlichkeitsarbeit“ als Leitung der Presseabteilung des Deutschen Industrie- und Handelstages 1950 als Eindeutschung erstmalig, da die damalige Geschäftsführung den amerikanischen Begriff „Public Relations“ ablehnte. Sowohl die Veröffentlichungen als auch die Einrichtung von PR-Abteilungen führten entscheidend zum Durchbruch des Gedankens der Öffentlichkeitsarbeit im heutigen Sinne (vgl. Oeckl 1999: 16).

Auch schon vor 1945 gab es in Deutschland Ansätze der heutigen Öffentlichkeitsarbeit, die aber weder so genannt noch bewusst erkannt worden sind, sondern in Zusammenhang mit militärischen Fragen auftraten. 1894 war es von Tirpitz, Staatssekretär des Reichsmarineamtes, der auf den größeren Schiffen der Kriegsmarine einen Offizier mit Fragen der Information und dem Empfang von Besuchern betraute. Der Ansatz dieser Idee bildet die Grundlage für den Einsatz der heutigen Presseoffiziere der Bundeswehr. 1916 richtete Generalfeldmarschall von Ludendorff eine Informationsabteilung ein, die die Bevölkerung mit den sich in diesen Jahren ergebenden Verpflichtungen vertraut machen sollte. Bereits ein Jahr zuvor hatte Roselius die Idee zur Gründung eines „Hilfskomitees für Propagandazwecke während des Krieges als Einleitung zur Organisation einer nationalen Propaganda“, konnte dies jedoch nicht umsetzen, da die Bedeutung noch nicht erkannt wurde. In den Jahren 1933 – 1945 fand Öffentlichkeitsarbeit nicht statt, diese Jahre wurden durch „Volksaufklärung und Propaganda“ im Sinne des Deutschen Reiches dominiert. Jedoch fand in dieser Zeit im Jahre 1935 die Einrichtung einer zentralen Pressestelle der IG-Farbenindustrie AG in Berlin statt, deren Leitung dem Journalisten Passarge übertragen wurde und die 1937 eine gemeinsame Werkzeitschrift „Von Werk zu Werk“ und darauf folgend die Publikation „Erzeugnisse unserer Arbeit“ mit hoher Auflage in Deutschland und der gesamten Welt hervorbrachte (vgl. Oeckl 1964: 93 ff.)

Die Wurzeln der Öffentlichkeitsarbeit sind jedoch bereits in der Zeit vor Christus zu finden, die Idee und praktische Anwendung bildete die Grundlage für ethische Weltanschauungen und philosophisch-politische Systeme mit einer schnellen Ausbreitung, die mit den großen Religionsstiftern wie Moses, Kung-Fu-Tse oder Buddha in Verbindung gebracht werden können und schon zu dieser Zeit Einfluss auf das Denken von Millionen von Menschen nahmen. Auch in der kulturellen, politischen und wirtschaftlichen Entwicklung lassen sich in früher Zeit Vorläufer der Öffentlichkeitsarbeit finden, die aus Inspiration, aus Intuition, aus einer positiven Lebensauffassung heraus möglichst objektiv informierend Übereinstimmung mit der Öffentlichkeit zu erlangen versuchten. Z. B. lässt sich Platon in diesem Sinne als ein frühes Vorbild ansehen, der sich im 4. Jahrhundert vor Christus mit dem Staatsdenken und Gemeinwohl befasste (vgl. Oeckl 1964: 79 ff.).

Der Grundstein für die Öffentlichkeitsarbeit in der Sozialen Arbeit in der Bundesrepublik Deutschland wurde im Juni 1969 in Bergneustedt gelegt. Das Bundesinnenministerium, das die Zuständigkeit für Jugendhilfe und Sozialarbeit innehatte, ließ dort die sogenannten „Bergneustädter Gespräche“ stattfinden, im Rahmen derer rund 60 sachverständige Persönlichkeiten zum Thema „Öffentlichkeitsarbeit in der Sozialarbeit“ einen Austausch hielten. Die Ergebnisse wurden dabei in 15 Thesen festgehalten, die ihre Bedeutung bis heute erhalten haben (vgl. Pfannendörfer 1995: 27).

2.3 Funktionen und Aufgaben

Welche Faktoren aber haben eine Öffentlichkeitsarbeit im heutigen Sinne notwendig gemacht? Oeckl benennt in diesem Zusammenhang das Informationsbedürfnis, das sich aus unserer heutigen gesellschaftlichen Situation ergibt. Der grundsätzliche Strukturwandel, der sich von 1750 bis heute vollzog, hat unsere Gesellschaft völlig verändert. So sind eine verdoppelte Lebenserwartung, umgeschichtete Erwerbstätigkeit und zunehmende Arbeits- und Wohnkonzentration nur einige Gründe, weshalb der Mensch sich zu den Mitmenschen, zur Gesellschaft und zum Staat neu positionieren muss. Vor allem geht es dabei um Information und Aufklärung über Ereignisse in verschiedenen gesellschaftlichen Teilsystemen wie dem staatlichen Leben, der Politik oder der Wirtschaft, die immer komplexer und unübersichtlicher werden. Unser heutiges Wissen entnehmen wir zum größten Teil vermittelten Informationen, die die unmittelbare Wirklichkeit darstellen. Die Gesellschaft wird immer komplizierter und empfindsamer, die politische, wirtschaftliche und soziale Interdependenz steigt an und das Schicksal des einzelnen hängt mehr als zuvor vom Schicksal der Gesellschaft ab. Das Bedürfnis nach Information und Unterrichtung wird somit zu einem sozialen Bedürfnis erster Ordnung (vgl. Oeckl 1964: 17 ff.).

Oeckl fasst die Notwendigkeit von Öffentlichkeitsarbeit daher wie folgt zusammen: „ Aus der Erkenntnis, dass Nichtwissen, Nichtkennen, Nichterkennen und Halbwissen mit großer Wahrscheinlichkeit zu Nichtmögen, zu Unzufriedenheit und zu großer Ablehnung führen, brauchen wir eine Art der Information, welche dieses heute weitreichende Misstrauen beseitigt, Verständnis aufbaut und Vertrauen schafft. Diesen neuen Weg nennen wir Öffentlichkeitsarbeit “ (Oeckl 1964: 24).

Reineke versteht als Aufgabe von Öffentlichkeitsarbeit, „ das öffentliche Bewusstsein mit dem sowohl zutreffenden als auch dem Unternehmen dienlichen Vorstellungsbild zu besetzen “ (Reineke 1999: 103).

Diese Beschreibung ist deutlich wirtschaftswissenschaftlich ausgerichtet und vernachlässigt die anderen Teilsysteme, in denen mit Hilfe von Öffentlichkeitsarbeit agiert wird. Das Verständnis von Oeckl über die Aufgaben der Öffentlichkeitsarbeit ist demgegenüber noch wesentlich umfassender.

Oeckl benennt fünf Aufgaben, die Öffentlichkeitsarbeit leisten soll:

- Abwehren oder Vorbeugen?

Verteidigung, Rechtfertigung und Richtigstellung bei Angriffen oder

Prophylaxe durch rechtzeitige und ausreichende Bereitstellung von Informationen

- passive oder aktive Informationspolitik?

Aufklärung über wirtschaftliche, wissenschaftliche oder politische Probleme oder

Herstellung von Vertrauen in der Öffentlichkeit, Überzeugen, Erklären, positives Bekanntmachen

- Information nach außen und nach innen

Unterrichtung der Öffentlichkeit und Herstellung eines positiven Vorstellungsbildes unter Berücksichtigung der Innenfunktion einer Ermittlung und Beseitigung von imageschädigenden Umständen

- direkte Ansprache der Öffentlichkeit – indirekte Verbindung über die Medien

unmittelbare Ansprache durch direkte und individuelle Medien oder

indirekte Ansprache durch die Massenmedien auf die ihrerseits geeignet erscheinende Art und Weise

- Beobachten – Beraten – Planen – Maßnahmen durchführen

Erfassung von Meinungen und Anregungen, Unterrichtung des Auftraggebers, Beratung sowie Planung, Vorbereitung und Umsetzung entsprechender Maßnahmen (vgl. Oeckl 1964: 42 ff.).

2.4 Öffentlichkeitsarbeit sozialer Organisationen

2.4.1 Begriff

Schürmann bietet einen Definitionsansatz für die Öffentlichkeitsarbeit sozialer Organisationen. Zunächst ist zu erwähnen, dass nach Schürmann in interne und externe Öffentlichkeitsarbeit unterschieden wird. Da es in dieser wissenschaftlichen Untersuchung um die Darstellung des ASD in den Medien geht, also einer Außendarstellung, soll an dieser Stelle die externe Öffentlichkeitsarbeit Gegenstand der Betrachtung sein.

Nach Schürmann „ gestaltet sich die Außenpräsentation der Sozialen Arbeit als ein kommunikativer Vermittlungsprozess, bei dem Kontakte aufgenommen, Beziehungen gepflegt und Netzwerke gebaut werden, die als Bühnen der Selbstdarstellung zu gestalten sind “ (Schürmann 2004: 63).

Dabei liegt der Schlüssel für eine erfolgreiche Öffentlichkeitsarbeit in der Herstellung und dynamischen Gestaltung von Kommunikationsbeziehungen bei auffälliger und überzeugender Präsentation. Mit dem Bewusstsein, dass sich durch geplante Kommunikation Meinungen und Einstellungen in der Öffentlichkeit beeinflussen lassen, geht es darum, kontinuierliche Präsenz herzustellen, um zum Begriff zu werden und eine Positionierung zu erzielen. Dabei ist im Sozialbereich allerdings der Ethos der Sozialen Öffentlichkeitsarbeit zu beachten, um den Ruf und das Vertrauen in die Soziale Arbeit zu bewahren (vgl. Schürmann, ebd.).

[...]


[1] Image wird in dieser Arbeit verstanden als „ komplexes dynamisches Vorstellungsbild, das sich Personen von einer Sache, einem Sachverhalt, von einer Meinung oder einem Unternehmen machen “ (Lange/ Ohmann 1997: 52).

[2] Unter Öffentlichkeit ist nach dem Pluralismusmodell der westlichen Demokratie der „ Ort der öffentlichen Meinungsbildung, der prinzipiell allem am sozialen Geschehen Beteiligten offensteht “, zu verstehen (Lange/ Ohmann 1997: 92).

[3] Mit Medien sind in dieser Arbeit die Massenmedien gemeint, die als „ technische und organisatorische Mittel, mit denen Kommunikationsinhalte öffentlich, indirekt und einseitig an ein disperses Publikum verbreitet werden (z. B. Presse, Film, Funk, Fernsehen) “ definiert werden (Lange/ Ohmann 1997: 80).

Ende der Leseprobe aus 51 Seiten

Details

Titel
Der ASD und sein Image
Untertitel
Möglichkeiten und Grenzen einer erfolgreichen Öffentlichkeitsarbeit im Hinblick auf die mediale Skandalisierung des Falls „Chantal“
Hochschule
Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg
Note
1,3
Autor
Jahr
2012
Seiten
51
Katalognummer
V278673
ISBN (eBook)
9783656719748
ISBN (Buch)
9783656719731
Dateigröße
607 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Allgemeiner Sozialer Dienst, Öffentlichkeitsarbeit, Skandalisierung, Massenmedien
Arbeit zitieren
Caroline Franzke (Autor:in), 2012, Der ASD und sein Image, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/278673

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