Rating-Agenturen. Fluch oder Segen?


Hausarbeit, 2014

14 Seiten, Note: 1,4


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Geschichte und Entstehung

3. Ratings im Allgemeinen
3.1 Bedeutung
3.2 Ratingprozess und Anforderungen
3.3 Ratingklassen

4. Kritik

5. Mögliche Lösungsansätze

6. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Nicht zuletzt, jedoch in besonderem Maße, gerieten die Ratingagenturen in jüngster Zeit im Zuge der US-Finanzmarktkrise und nachfolgend der Schuldenkrise in Europa unter Druck. Der Vorwurf, mit zu weitreichenden Kompetenzen ausgestattet zu sein, die Krise und besonders die Entstehung von Blasen aber eher befördert als verhindert zu haben, stand schnell im Raum, so wie es bereits nach der Asienkrise 1997, oder den Insolvenzen von Enron und Parmalat der Fall war (Rosenbaum 2009: 5). Die Häufigkeit von Krisen säten Zweifel an der Funktionserfüllung der Rating-Agenturen und tatsächlich ging Milton Friedman sogar so weit, deren Einfluss mit militärischem Vernichtungspotential zu vergleichen, wenn er sagt „Die USA können ein Land mit ihren Bomben zerstören; Moody's indem es seine Anleihen herunterstuft“. Angesichts eines geschätzen Marktanteils der drei großen Agenturen, Standard & Poor's, Moody's und Fitch, von zusammen rund 90%, ist die Bezeichnung „Kartell“ nicht nur gebräuchlich sondern auch durchaus angemessen und stellt nur einen Teil der vorgebrachten Kritikpunkte dar (FES 2013). Bei aller Kritik sollte jedoch nicht vergessen werden, dass die globalen Finanzmärkte in den letzten Jahrzehnten ein beispielloses Wachstum erlebt und die „langsam“ agierende Politik längst abgehängt haben. Im Verlauf der Liberalisierung in den 70er Jahren, befördert durch Globalisierung und weltweite Vernetzung, entstanden immer komplexere Finanzprodukte, die Anzahl der partizipierenden Akteure stieg signifikant an und auch das Volumen der untereinander gehandelten Finanzprodukte stieg scheinbar unaufhörlich (Rosenbaum 2009: 17). Insofern stellen Rating-Agenturen einen Versuch dar, dem gestiegenen Bedarf an Informationen in einer zunehmend unübersichtlichen Finanzumgebung gerecht zu werden und dort Sicherheit und Transparenz zu schaffen, wo ansonsten Unsicherheit herrschen würde. Der eigene Anspruch steht also im diametralen Gegensatz zu den aktuell vorgebrachten Vorwürfen. Die vorliegende Ausarbeitung soll indes eine Annäherung an den Themenkomplex „Rating-Agenturen“ darstellen. Zu diesem Zweck soll einführend die Entstehung der Agenturen beleuchtet werden, ehe näher auf deren Funktion, das Zustandekommen von Ratings und die einzelnen Rating-Klassen eingegangen wird. Den Abschluss bildet eine Darstellung der diskutierten Problematiken und eine Diskussion mögliche Lösungsansätze, die gleichsam den Abschluss dieser Ausarbeitung darstellen soll.

2. Geschichte und Entstehung

Um die Struktur und das Verhalten der Rating-Agenturen zu verstehen und ein Verständnis für die Unterschiede zwischen angelsächsischem und kontinentaleuropäischen Wirtschaftssystem zu entwickeln, lohnt sich ein Blick in die Entstehungsgeschichte. So waren die USA in ihrer Gründungszeit im 18. Jahrhundert geprägt von Einwanderung und Mobilität, also deutlich anders als das statische Mitteleuropa, welches auf einem, bereits seit Generationen etablierten, System von Zünften und festen Strukturen beruhte. Übertragen lässt sich diese Situation auch auf den Bankensektor, der in Europa auf eine lange Tradition zurückblicken konnte und das Vertrauen und den Rückhalt der Bevölkerung genoss, während die Strukturen in den USA noch im Entstehen begriffen waren (Otte 2012). Ohne negativ besetzte Urteile reproduzieren zu wollen, so lässt sich doch eine erhöhte Anfälligkeit des us-amerikanischen Bankensektors für Betrug, Schwindel und daraus resultierende Insolvenzen von Kreditinstituten, konstatieren. Zwar war auch Europa weit von einem idealen Zustand entfernt, sah sich mit den eben genannten Problematiken in deutlich abgeschwächter Form konfrontiert. Empirisch nachweisbar ist zudem, dass das Vertrauen in den „ehrenwerten Kaufmann“ in den USA signifikant weniger ausgeprägt war – und bis heute weniger ausgeprägt ist – als dies in Europa als Vergleichsmaßstab der Fall war. Hinzu kommt, dass Banken in den USA oftmals deutlich kleiner und wesentlich zahlreicher als in Mitteleuropa waren, was es zusätzlich erschwerte, Informationen über die Kreditwürdigkeit von Kreditnehmern zu erfahren, da der (finanzielle) Aufwand zur Informationsbeschaffung für jede einzelne Bank immens hoch war und so nur selten Anwendung fand (Otte 2012). Der erste, der die sich bietende Lücke erkannte, war Lewis Tappan, der mit seiner „Mercantile Agency“ ein System anonymer Informanten und Spitzel aufbaute und anbot, Informationen über Geschäftsleute und Unternehmen zusammenzutragen und auf diese Weise Kenntnis über deren Kreditwürdigkeit und die Wahrscheinlichkeit eines Zahlungsausfalls zu gewinnen. Im Jahr 1857 beschäftigte diese frühe Rating-Agentur bereits 2.000 Agenten und deckte mit ihren Berichten rund 17.000 Unternehmen ab. Das rasante Wachstum lässt sich anhand von Zahlen erkennen: Nur fünf Jahre später waren bereits 200.000 Unternehmen in 6.400 Städten abgedeckt. Insofern kann diese Zeitperiode als „Gründerzeit“ der Rating-Branche betrachtet werden, denn auch die Gründung der heute dominierenden Agenturen fiel in diesen zeitlichen Abschnitt. Standard & Poor's wurde 1860, Moody's 1909 und Fitch 1913 gegründet. Zwar betrachten andere Quellen die Gründung von Moody's durch John Moody im Jahr 1909 als die erste Rating-Agentur, was die grundsätzliche Argumentation jedoch nicht beeinträchtigt. Festzuhalten ist, dass die Ursprünge des Geschäftsmodells darin liegen, Informationen zu sammeln – wenn auch auf rechtlich fragwürdige Art und Weise – und diese an Investoren zu veräußern (Rosenbaum 2009: 18; Otte 2012). Nochmals verwiesen sei an dieser Stelle auf die Tatsache, dass diese gesamte Entwicklung sich auf den us-amerikanischen Kontinent beschränkt und auch die Ursprünge von Rating-Agenturen hier zu verorten sind. Usächlich ist der bereits oben beschriebene Mentalitäsunterschied in den jeweiligen Wirtschaftssystemen. Im angelsächsischen Bereich auf der einen Seite ist die Kapitalmarktorientierung stark ausgeprägt, das bedeutet, die Investoren treten unmittelbar mit den Unternehmen in Kontakt. Weiterhin weisen Investmentbanking und Eigenkapitalorientierung eine höhere Beliebtheit auf, als dies in Kontinentaleuropa der Fall ist. Dort setzt man im Gegenteil auf ein kreditorientiertes System, in dem Investoren, besonders Kleinsparer, sich Banken als Mediäre bedienen, die als Zwischenstation zwischen Kapitaleigner und Kapitalnachfrager fungieren. Insgesamt war das europäische Bankensystem also bereits damalig tendenziell langfristiger und nachhaltiger angelegt als sein angelsächsisches Pendant, in dem Kreditinstitute eher Makler sind, als mit dem Schicksal der Kreditnehmer verbunden zu sein - Charakteristika, die sich bis in die heutige Zeit erhalten haben (Otte 2012).

3. Ratings im Allgemeinen

Angesichts des ständig ansteigenden Bedarfs an zuverlässigen Informationen über die Bonität von Kreditnehmern und Unternehmungen ist nicht nur der Anlagehorizont heute global ausgerichtet, sondern auch die Bewertungen müssen über Ländergrenzen hinweg Gültigkeit beweisen.

3.1 Bedeutung

Gerade institutionelle Investoren sind zwangsläufig darauf angewiesen, das Risiko einer Anlage bestimmen zu können, bevor sie jene tätigen, um mögliche Verluste klein zu halten oder von vornherein ausschließen zu können. Darüber hinaus verlangt Basel II eine risikoorientierte Kreditvergabe, weshalb die Bonität der jeweiligen Kreditnehmer verstärkt in den Vordergrund tritt und die zentrale Bedeutung von Rating-Agenturen erklärt (Korth 2004: 35). Da der Aufwand der Informationsgewinnung die Kapazitäten von Investoren über Gebühr belasten würde, werden die Recherchen von Rating-Agenturen übernommen, welche die Informationen standardisiert und qualitativ zur Verfügung stellen. Daher wird auch von „Massenproduzenten auf dem Informationsmarkt“ gesprochen (Rosenbaum 2009: 17). Im angelsächsischen Bereich tritt deren Bedeutung besonders hervor, da Unternehmen sich beorzugt über Anleihen finanzieren und somit direkt mit Einzelpersonen in Kontakt treten, ohne zur Kreditgewährung eine Bank zu konsultieren. Man spricht in diesem Zusammenhang auch von „Disintermediation“, um den Wegfall der Banken als Finanzintermediäre auszudrücken. Sind die Kosten zur Informationsgewinnung für Banken zwar hoch, so können sie angesichts komfortabler Kapital- und Personalausstattung doch mit überschaubarem Aufwand geleistet werden. Ganz anders stellt sich die Situation für einzelne Kapitalgeber kleinerer Größe, wie Kleinsparer und Privatpersonen, dar, die zwar ebenfalls ein Interesse daran haben, vor einer Investition über deren Risiko informiert zu sein, die Kosten alleine jedoch unmöglich tragen können und so Gefahr laufen, potentiell stark risikobehaftete Investitionen unter Unwissenheit zu tätigen. Die Aufgabe von Rating-Agenturen besteht also darin, eine Vergleichbarkeit von Risiken zu ermöglichen, ohne über vertiefte Kenntnisse verfügen zu müssen (Rosenbaum 2009: 17). Für den Kapitalnehmer ergibt sich hieraus der Vorteil, mit einer guten Bonität Kreditwürdigkeit für potentielle Investoren zu signalisieren und weniger auf Bankkredite angewiesen zu sein. Auf diese Weise sinken die Finanzierungskosten und der Prozess der Disintermediation wird verstärkt, das angelsächsische Wirtschaftssystem verstärkt sich also durch Rating-Agenturen selbst. Weiterhin beschränkt sich die Ausgaben von Anleihen nicht ausschließlich auf Unternehmen, sondern wird von Staaten ebenfalls als Instrument zur Finanzierung angewandt, die somit gleichermaßen von den genannten Vorteilen profitieren (Rosenbaum 2009: 18). Insofern kommt den Rating-Agenturen eine zentrale Rolle mit enormer Machtfülle zu. Denn diese haben nicht nur Einfluss auf die Bewertung eines Unternehmens oder Staates sondern beeinflussen auf diesem Weg auch deren Handeln. Da ein schlechtes Bonitätsrating die Kosten der Kreditaufnahme erhöht, resultierend daraus, dass die Kreditgeber höhere Zinsen als Sicherheit fordern, ist der Einfluss auf die Kapitalkosten erheblich. Zudem können Rating-Agenturen über den Weg der Bonitätsbeurteilung bestimmte Handlungen erzwingen, was beispielsweise eine Änderung der Politik oder des Geschäftsgebarens einschließt, wenn die Finanzierungskosten aufgrund eines schlechten Ratings derart hoch sind, dass ein besseres Rating unbedingt notwendig ist. Auf diese Weise schaffen Agenturen Standards, welche den Spielraum von Kreditnehmern massiv einschränken (Rosenbaum 2009: 16f.). Obgleich die drei dominierenden Rating-Agenturen privat sind, nicht staatlich kontrolliert werden und darüber hinaus eigentlich systemfremde Elemente darstellen, dominieren diese seit den 80er Jahren zunehmend das Wirtschaftsgeschehen auch Kontinentaleuropas – wobei die neoliberale Politik Margaret Thatchers, der eine „enterprise culture“ vorschwebte, gewichtigen Anteil hatte – haben sich also der Beschränkung des us-amerikanischen Marktes entzogen. Durch unterschiedliche Eigenkapitalvorschriften je nach Ratingklasse und Anlagerichtlinien für Großinvestoren wie Versicherer oder Investmentgesellscaften, welche Investitionen bei bestimmten Ratings ausschließen, genießen die Rating-Agenturen heute ein Mschtpotential, das zu ihrer Gründungszeit nicht absehbar war und haben nicht mehr nur Unternehmen im Blickfeld, sondern prüfen die Kreditwürdigkeit ganzer Länder (Otte 2012). Einen Eindruck von der Tragweite einer Herabstufung der Kreditwürdigkeit vermittelt ein Beispiel aus dem November 2003. Standard & Poor's stellte zu der Zeit die Ergebnisse einer Bonitätsprüfung bei den Spitzeninstituten der Sparkassen, in Hinblick auf bald wegfallende Staatsgarantien, vor. Die zu erwartenden Herabstufungen besonders bei den Landesbanken und die Aussicht auf eine Verteuerung der Kapitalaufnahme an den Finanzmärkten setzten die Entscheidungsträger derart unter Druck, dass diese bei S&P erreichte, nur einen Teil der Prüfergebnisse zu veröffentlichen, um nachteilige Folgen für die Sparkasse noch zu verhindern (Korth 2004: 39f.).

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Ende der Leseprobe aus 14 Seiten

Details

Titel
Rating-Agenturen. Fluch oder Segen?
Hochschule
Hochschule Bremen
Note
1,4
Autor
Jahr
2014
Seiten
14
Katalognummer
V278553
ISBN (eBook)
9783656717690
ISBN (Buch)
9783656717683
Dateigröße
605 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
rating-agenturen, fluch, segen
Arbeit zitieren
Mirko Kruse (Autor:in), 2014, Rating-Agenturen. Fluch oder Segen?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/278553

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