Das Verhältnis von Kirche und Staat. "De orde palatii" von Hinkmar von Reims


Hausarbeit, 2013

16 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Hinführung zu Hinkmars de ordine palatii
2.1 Die Zweigewaltenlehre
2.2 Fürstenspiegel
2.3 Historischer Kontext

3. Hinkmars Weltanschauung
3.1 Sekundärliteratur
3.2 de ordine palatii

4. Fazit

5. Literatur und Quellen
5.1 Quellen
5.2 Literatur

1. Einleitung

Hinkmar von Reims gilt als eine der herausragendsten Gestalten des 9. Jahrhunderts. Er prägte nicht nur die Politik seiner Zeit maßgeblich, sondern wirkte in seinen Schriften weit über zeitgenössische Geschehnisse hinaus.1 Die vorliegende Arbeit befasst sich mit dem Reimser Erzbischof und setzt es sich zum Ziel, die Weltanschauung Hinkmars im Bezug auf das Verhältnis von Kirche und Staat als auch auf das Bischofsamt darzustellen. Als Basis dazu dient das in der Forschung als de ordine palatii allgemein bekannte Traktat, welches Hinkmar 882 kurz vor seinem Tode verfasst hat. Methodisch möchte ich mich der Analyse des Werkes bedienen, werde jedoch auch weitere Aspekte der Sekundärliteratur, besonders die Metropolitanverfassung, einfließen lassen. Die Rhetorik Hinkmars und implizite Schlüsse sollen aufgrund des Umfangs der Arbeit nur an signifikanten Stellen von inhaltlicher Bedeutsamkeit dargestellt bzw. gezogen werden. Zur Kontextualisierung von Hinkmars Werk sind einige einleitende Unterkapitel vorgeschoben, die einen tieferen Zusammenhang zwischen verschiedenen Aspekten schaffen sollen und als theoretischer Unterbau für die Quellenanalyse fungieren. Auch soll die Fragestellung der Arbeit im Vergleich zum Vortrag deutlich eingeschränkt werden. Hier möchte ich das Werk isoliert betrachten und nicht auf Kontinuitäten zu anderen Werken eingehen, was sicherlich eine äußerst lohnenswerte Arbeit wäre, jedoch den Umfang zu weit ausdehnen würde, wäre doch mindestens die Analyse einer zweiten Quelle notwendig, um die Frage fundiert beantworten zu können. Zur Relevanz des Themas für das Seminar soll gesagt sein, dass Hinkmars politisches Schaffen und seine literarischen Werke so prägend waren, dass er auch im ostfränkischen Reich großen Einfluss ausgeübt hat und insofern relevant für das Thema des Seminars ist.

Es bleibt zu sagen, dass die aktuelle Forschung zum Gegenstand sehr spärlich ausfällt. Nicht nur die Quellenedition, sondern auch wichtige Monographien und sogar Aufsätze in Zeitschriften und Sammelbänden sind zu einem überwiegenden Teil bereits mehrere Dekaden alt und lassen darauf schließen, dass im Zeitraum von ca. 1960 bis 1980 ein intensiver wissenschaftlicher Diskurs zu Hinkmar von Reims stattgefunden hat, der allerdings nach der neuen Quellenedition von Thomas Gross und Thomas Schieffer wieder zum Erliegen gekommen ist. Gegenstand intensiver wissenschaftlicher Debatten war besonders die Frage, inwieweit Hinkmar bei seinem Werk von Adalhard abgeschrieben hat (s.2.3).

2. Hinführung zu Hinkmars de ordine palatii

2.1 Die Zweigewaltenlehre

Die Zweigewaltenlehre (auch: Theorie der Zwei Schwerter) bezeichnet eine Doktrin, welche sich mit dem Verhältnis von weltlicher (oder königlicher/kaiserlicher) und kirchlicher (bischöflicher/päpstlicher) Macht beschäftigt. Sie geht auf Papst Gelasius I. (wahrscheinlich Papst von 492-496) zurück, der diese Doktrin während der Spaltung der ost- und der weströmischen Kirche entwickelte und damit die Vormachtstellung der Kirche begründete.2 Dieses Theorem wurde während des gesamten Mittelalters aufgegriffen, weiterentwickelt und von diversen Autoren im eigenen Sinne uminterpretiert. Zur Veranschaulichung dieses relativ abstrakten Sachverhaltes bediente man sich neben den zwei Schwertern auch anderer Allegorien, um diese Idee möglichst populär zu machen. So werden die beiden Gewalten als Sonne (Kirche) und Mond (weltliche Macht) oder Leib und Seele bezeichnet. Hier lässt sich bereits ersehen, dass in der kirchenpolitischen Konzeption eine Primärstellung der Kirche ersonnen war. So beziehe der Mond sein Licht allein von der Sonne und ist auf diese angewiesen.3 Da auch Hinkmar in seinem Werk das Verhältnis von bischöflicher und königlicher Macht behandelt, bezieht er sich auch auf die Zweigewaltenlehre und legt diese in seinem Sinne aus.

2.2 Fürstenspiegel

Hinkmars Werk de ordine palatii lässt sich zweifelsfrei der Gattung der Fürstenspiegel zuordnen. Die Kategorie des Fürstenspiegels versteht sich dabei als eine mahnende und/oder belehrende Schrift, welche sich meist direkt an den jeweiligen Herrscher richtet und diesem darlegt, wie er herrschen solle. Dabei intendieren die Spiegel eine moralische Regulierung der Herrschaftsausübung, welche häufig religiös begründet wird. Oft wird auch die Regentschaft des Herrschenden legitimiert und dieser vor Methoden gewarnt, welche zu Tyrannei führen würden. Fürstenspiegel bezwecken zumeist, die alltägliche Gratwanderung des Herrschenden zwischen politischem Pragmatismus und moralischem Handeln zugunsten von ethisch und religiös unbedenklichem Handeln zu verschieben.4 Dieses Quellengenre besteht schon seit der Antike und erfährt im 9. Jahrhundert eine Renaissance. Dabei lässt sich allerdings feststellen, dass sich die zentralen Wertkomponenten der Schriften entscheidend verschoben haben. So stehe in der Antike das Streben nach Ruhm und Ehre an erster Stelle, wohingegen sich dieses Ideal im Mittelalter diametral wandelt. Nun stehen die christlichen, vor allem in mönchischer Tradition stehenden Tugenden, wie die humilitas (Demut), im Vordergrund. Auch werde die Herrschaft nicht um ihrer selbst willen ausgeübt, sondern als „Dienst“5 für das Volk definiert.

2.3 Historischer Kontext

Hinkmar von Reims (806-882) wird als eine der politisch einflussreichsten und maßgeblichen Personen des 9. Jahrhunderts angesehen. Von seiner Ordination zum Metropoliten der Reimser Erzdiözese im Jahre 845 bis zu seinem Tode im Jahre 882 betätigte er sich als bedeutsamer Ratgeber des westfränkischen Königs Karls des Kahlen (823-877) und dessen Erben. Auch sein literarisches Schaffen zu theologischen oder politischen Fragen haben seine Epoche nachhaltig beeinflusst und wurde zahlreich rezipiert. Nach seiner klösterlichen Ausbildung, die es ihm auch erlaubte, nicht unerhebliche Zeit am Königshof zu verbringen, erwarb er rasch das Vertrauen Karls und wurde auf sein Betreiben hin ordiniert. Zeitlebens hatte Hinkmar eine enge Bindung an das karolingische Königshaus und verteidigte es gegen äußere Feinde (z.B. gegen die Einfälle Ludwigs des Deutschen) als auch in literarischen Auseinandersetzungen gegen innere Widersacher (z.B. gegen seinen Neffen Hinkmar von Laon).6 Der Historiker Karl- Ulrich Betz geht bezüglich Hinkmars Bedeutsamkeit sogar soweit, dass er der Herrschaft Karls des Kahlen ein wesentlich kürzere Lebensdauer zutraut, hätte dieser nicht den klugen Reimser an seinem Hof gehabt.7

Sein Werk de ordine palatii entstand gegen Ende des Jahres 882, kurz vor Hinkmars Tod, und wird allgemein als sein politisches Testament tituliert. Darin schreibt der Metropolit seine Gedanken zur Herrschaftsauffassung und Hofhaltung des fränkischen Königs nieder. Es gilt generell als maßgebliches Werk seiner Zeit und Carlrichard Brühl schreibt sogar, dass „die Bedeutung dieses Traktats für die fränkische Verfassungsgeschichte kaum überschätzt werden kann.“8 Adressat des Werkes ist der junge König Karlmann, welcher nach dem Tod seines Bruders Ludwig III. im zarten Alter von 16 Jahren Alleinherrscher im gesamten Westfrankenreich wird.9

Gegenstand intensiver Diskussion war die Frage, ob und inwieweit Hinkmar sein Werk an ein bestehendes angelehnt hat bzw. aus diesem abgeschrieben hat. Namentlich bezieht sich dies auf ein heute verlorenes Werk des Abtes Adalhard von Corbie, welcher im frühen 9. Jahrhundert literarisch aktiv war. Dabei ist unklar, ob sich Hinkmars Werk nun auf die Hofhaltung Karls des Großen bezieht, wie es Adalhards Werk tue, oder auf das späte 9. Jahrhundert.10 Die verschiedenen Anteile der beiden Werke sind so vielfältig miteinander verschlungen, dass eine Unterscheidung kaum möglich sei. Fest stehe jedoch, dass Hinkmar sich Adalhards Werk bedient habe, um seine eigenen Vorstellungen damit zu untermauern. Es könne somit auf eine Umgestaltung der früh-karolingischen Ideen in Adalhards Werk hin zu Hinkmars politischen Vorstellungen im Bezug auf das auseinanderstrebende Karolingerreich des 9. Jahrhundert geschlossen werden.11 Bezüglich des näheren Verfassungskontextes lässt sich eine verblüffende Ähnlichkeit beider Werke feststellen, welche Hinkmar auch dazu veranlasst haben könnte, Adalhards Werk als Grundlage zu nehmen. Im Gegensatz zum jüngeren Werk kann der Adressat der Vorlage nicht genau ermittelt werden, vermutlich handelt es sich dabei jedoch um einen der Söhne Karls des Großen, für den Adalhard zwischenzeitlich als Regent eingesetzt war.12

3. Hinkmars Weltanschauung

An dieser Stelle soll auf verschiedene Episoden, Vorfälle und Ereignisse aus Hinkmars Leben eingegangen werden, welche Rückschlüsse auf seine Ideologie bezüglich des Episkopats und des Verhältnisses von Staat und Kirchen zulassen. Im zweiten Teil des Kapitels möchte ich mich direkt auf die Quelle beziehen und ihr Hinkmars Weltanschauung entnehmen.

3.1 Sekundärliteratur

George Tavard bezeichnet Hinkmar als „canonist rather than a theologican“13 und meint damit, dass Hinkmar seine Theorien tendenziell eher auf das kanonische Recht denn auf abstrakte theologische Betrachtungen stützte. Heinrich Schrörs sieht dies ebenso, da er Hinkmars theologische Schriften als Aneinanderreihung von Passagen älterer theologischer Schriften sieht. So sei Hinkmar zwar erstaunlich belesen gewesen, habe jedoch kaum eigene Gedanken entwickelt.14 Generell wird Hinkmar als konservativer Kleriker beschrieben, der bestrebt sei, seine Metropolitangewalt gegenüber den Suffraganen auszuweiten, wie die Konflikte um die Pseudo-Isidorianischen Fälschungen mit Hinkmar von Laon und Rothard von Soissons belegen.15

Der Reimser Metropolit gesteht dem König zwar das Recht zu, Gesetze zu entwickeln, jedoch sind einmal feststehende Gesetze unumstößlich und somit auch für den König verbindlich. In den frühen 30er Jahren des 9. Jahrhunderts war die Tatsache, dass der Herrscher einzig Gott Rechenschaft schuldig ist, ein Dorn im Auge vieler Bischöfe, die jedoch kein jurisdiktionelles Konzept entwerfen konnten, womit diese Ordnung hätte aufgebrochen werden können. Auch Hinkmar kann als entschiedener Gegner dieses Konstrukt angesehen werden. Dies verschob sich jedoch und die Ansicht setzte sich durch, dass ein geeigneter Kandidat in ein solches Amt nur von jenen, die selbst von Gott eingesetzt waren

[...]


1 Schrörs, Heinrich: Hinkmar. Erzbischof von Reims, Hildesheim 1967, S. 1 (im folgenden: Schrörs 1967).

2 Schieffer, Rudolf: Art. Zweigewaltenlehre, Gelasianische, in: LexMA 10 (1999), Sp. 720.

3 Levison, Wilhelm: Die mittelalterliche Lehre von den beiden Schwertern, in: Deutsches Archiv für Erforschung des Mittelalters 9 (1952), S. 14-42, hier S. 17.

4 Schmidt, Hans Joachim: Fürstenspiegel, in: Historisches Lexikon Bayerns, URL: <http://www.historisches-lexikon-bayerns.de/artikel/artikel_45391.de> (30.7.2013).

5 Ottmann, Henning: Geschichte des politischen Denkens. Das Mittelalter, Stuttgart 2004, S. 53.

6 Schieffer, Rudolf: Art. Hincmarus Remensis, in: LexMA 10 (1999), Sp. 30.

7 Betz, Karl-Ulrich: Hinkmar von Reims, Nikolaus I., Pseudo-Isidor. Fränkisches Landeskirchentum und römischer Machtanspruch im 9. Jahrhundert, Bonn 1965, S. 218.

8 Brühl, Carlrichard: Hinkmar und die Verfasserschaft des Traktats „de ordine palatii“, in: Deutsches Archiv für die Erforschung des Mittelalters 20 (1964), S 48-54, hier S. 48-49.

9 Löwe, Heinz: Hinkmar von Reims und der Apocrisiar. Beiträge zur Interpretation von De -rdine palatii, in: Festschrift für Hermann Heimpel (3), Veröffentlichungen des Max-Planck- Institus für Geschichte 36 (3), Göttingen 1972, S. 197-225, hier S. 202.

10 Brühl 1964: 49-51.

11 Löwe 1972: 224-225.

12 Hinkmar von Reims: De ordine palatii. Ed. Und Übersetzt von Thomas Gross u. Rudolf Schieffer, Hannover 1980 (MGH fontes iuris 3), S. 11 (im folgenden als Hinkmar: De ordine palatii).

13 Tavard, George: Episcopacy and Apostolic Succession according to Hincmar of Reims, in: Theological Studies 34,4 (1973), S. 594-623, hier S. 597 (im folgenden als Tavard 1973).

14 Schrörs 1967: 166.

15 Tavard 1973: 597.

Ende der Leseprobe aus 16 Seiten

Details

Titel
Das Verhältnis von Kirche und Staat. "De orde palatii" von Hinkmar von Reims
Hochschule
Ruhr-Universität Bochum
Note
1,3
Autor
Jahr
2013
Seiten
16
Katalognummer
V277979
ISBN (eBook)
9783656725398
ISBN (Buch)
9783656725244
Dateigröße
511 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Bischof, Hinkmar, Hinkmar von Reims, De ordine palatii, Zweigewaltenlehre
Arbeit zitieren
Hendrik Bergers (Autor:in), 2013, Das Verhältnis von Kirche und Staat. "De orde palatii" von Hinkmar von Reims, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/277979

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