Depeche Mode: Eine Analyse ausgewählter Songtexte


Essay, 2014

21 Seiten


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

They are family – wie Depeche Mode begann und warum es sie immer noch gibt
Anfänge
Anders sein
Stars
Gruppendynamik

Die Songtexte und die Interpretationen
Master & Servant (1984)
Blasphemous rumours (1984)
Enjoy the silence (1990)
Sister of night (1996)

They are family – wie Depeche Mode begann und warum es sie immer noch gibt

Anfänge

Wer sich heute an die 80er-Jahre erinnert, denkt zumeist im ersten Moment an schreckliche schrille Outfits, an bunte Pop-Art und andere Dinge, denen zumindest eins gemein ist: Sie enthalten irgendwie viel Farbe.

Musikalisch passt vielleicht Duran Duran dazu, Madonna oder auch die NDW. Doch schon im zweiten Anlauf sind da die anderen Assoziationen. Grufties, die ganze Dark-Szene, die Kehrseite der Popper- und Normalo-Welten.

Und dann ist da auch die Erinnerung an Depeche Mode. „People are People“ darf man heute ganz selbstverständlich zum Soundtrack der 80er zählen, selbst, wer sie nicht hören mochte, erinnert sich irgendwie an die blonde Haartolle von Martin Gore, an die charakteristischen Synthesizer-Klänge und an die martialische Anmutung des Outfits der vier Jungs aus England. Dabei war so gar nichts Martialisches an ihnen, als das Schicksal Ende der 70er Jahre Martin Gore, Dave Gahan, Andy Fletcher und Vince Clarke zusammenführte.

Wie bei vielen Bands entstand der Name, mit dem man berühmt wurde, erst nach einigen Anläufen. Im Falle von Depeche Mode gibt es drei Vorläufer: Clarke und Fletcher gründeten bereits 1976 die Schülerband „No Romance in China“, die schnell wieder zerbrach. Einen zweiten Anlauf wagte Clarke dann bereits gemeinsam mit Martin Gore und einem weiteren Freund namens Robert Marlowe: „French Look“ war geboren, hatte jedoch nur solange Bestand, bis Marlowe aus- und Andy Fletcher wieder mit einstieg und man sich in „Composition of sound“ umbenannte.

Und dann, ja dann, betrat Dave Gahan die Bühne. Der Sänger ergänzte das Trio Clarke/Fletcher/Gore kongenial und hatte auch gleich eine Idee für einen neuen Namen. Ein französisches Modemagazin stand schließlich Pate, und „Depeche Mode“ war geboren. Man schrieb das Jahr 1980. Die Idee zum Bandnamen war wohl der Modeversessenheit Gahans geschuldet, der sich zu jener Zeit bereits exzessiv in Londoner Clubs herumtrieb und in jeder Beziehung einen exaltierten Lebensstil ausprobierte, der auch sein Umfeld beeindruckte. Die anderen Bandmitglieder wehrten sich nicht, man interpretierte allerdings auch nichts Besonderes in den neuen Namen hinein, wie Vince Clarke bestätigt: „Wir mochten einfach den Klang der beiden Wörter.“

Dave Gahan, so muss man es heute wohl sehen, brachte den Rock’n’Roll in die Band. Nicht im musikalischen Sinne, sehr wohl aber, was die Attitüde anging. Fletcher, Gore und Clarke waren bei aller Begeisterung für die Musik doch eher schüchterne bürgerliche Mittelklassejungs, die sonntags in die Kirche gingen und enge Bindung an die Familie hatten. Nicht so Gahan. Bereits als Jugendlicher macht er „Karriere“, stiehlt, randaliert, landet vor dem Jugendrichter, ist unterwegs in Clubs und experimentiert auch mit Drogen. Und: er kann singen und hat darüber hinaus weitere musikalische Ideen, die sich fruchtbar mit jenen verbinden, die vor allem in Martin Gore vor sich hin schlummern.

Es ist dies die Geburtsstunde der Band „Depeche Mode“, wie sie in den kommenden Jahren im Rekordtempo zu Weltruhm gelangen wird. Mit Unterbrechungen hält sich dieser Ruhm mittlerweile fast 25 Jahre, Depeche Mode haben also quasi bald silbernes Bandjubiläum und sind längst in der Hall of fame des internationalen Rock und Pop-Business fest verankert.

Schaut man sich den Einstieg der vier Jungs in die Pop-Welt an, ist im Nachhinein durchaus ersichtlich, wie der Erfolg zustande kam. Ihre ersten Promoter, die Londoner DJs und Elektronik-Pop-Vorreiter Stevo und Daniel Miller kannten sich in der relativ kleinen Szene der Synthie-Bands gut aus. Diese hatte zu jenem Zeitpunkt bereits begonnen, differenzierte Strukturen zu bilden, es gab etablierte Bands, alte Hasen in einer eigentlich jungen Musikrichtung. Zu nennen wären Namen wie Human League, Cabaret Voltaire oder auch die deutsche Band Kraftwerk.

Depeche Mode, die sowohl zu Stevo als auch zu Daniel Miller Kontakt bekommen hatten, waren dagegen neu, unverbraucht, auch etwas naiv, und vor allem waren sie unglaublich gut. Miller sah sie als Vorband von „Fad Gadget“ beim Soundcheck zu einem Konzert: „Ich beobachtete diese Band, die aussah, als wäre sie eine miese New-Romantics-Band. Ich hasste die Neuen Romantiker, aber was da aus den Lautsprechern kam, war einfach unfassbar. Zuerst dachte ich: ‚Nun ja, der erste Song ist bei allen gut.‘ Aber es wurde immer besser.“

Musik super, Look mies. Diese Kombination beschreibt die Frühphase der Band in aller Kürze. Den Kleidungsstil, wenn man ihn denn überhaupt so nennen kann, beschrieb Andy Fletcher einmal so: „Ich trug damals Jogginganzüge, Fußballsocken und Hausschuhe. Martin bemalte sein Gesicht zur Hälfte weiß, und Vince sah aus wie ein Flüchtling aus Vietnam. Er legte seinem Gesicht Sonnenbräune auf, färbte seine Haare schwarz und trug ein Stirnband.“ Doch der Look tat dem aufkeimenden Erfolg keinen Abbruch, die Musik war einfach zu überzeugend. Und in den kommenden Jahren sollte unter anderem auch das Styling, vor allem das von Martin Gore, ein Erkennungszeichen und somit auch Erfolgsfaktor der Band werden.

Anders sein

Am Styling lässt sich im konkreten wie auch im übertragenen Sinne ein Teil des Erfolgs von Depeche Mode festmachen. Vor allem die Person Martin Gores ist hier ein Symbol. Gore wird in allen Beschreibungen seiner Person als schüchtern geschildert. Ein zurückhaltendes Kind der englischen Arbeiterklasse, das er in seinem tiefsten Inneren wohl auch immer geblieben ist.

Als Mitglied von Depeche Mode hat man ihn nichtsdestotrotz ganz anders in Erinnerung, und genau dieses Spannungsverhältnis gehört zur Erfolgsgeschichte der Band. Auf der Bühne schien ein anderer Mensch zu stehen. Lack- und Lederklamotten mit unübersehbaren Accessoires der SM-Szene, Frauenkleider, Gore hat im Laufe der Zeit in seinem Outfit wenig ausgelassen, was beim Betrachter Erstaunen und bisweilen auch Befremden, in dem Fall aber Aufmerksamkeit, hervorzurufen vermag.

Man muss keine psychoanalytischen Bemühungen anstellen, um zu erkennen, dass Gore die Arbeit mit der Band, die Musik als Therapie gegen die Langeweile des bürgerlichen Lebens, dem er innerlich verhaftet war, einsetzte. Er selbst hat die Analogie einmal formuliert: „Ich sehe unsere Musik unter dem Motto: ‚Liebe, Sex und Trinken gegen die Langeweile. (…) Ich bezeichne Liebe als ein Trostpflaster gegen die Langeweile, genauso wie Trinken und Sex.‘“

Das mag im ersten Moment ein wenig düster und deprimierend klingen, aber schließlich hatten auch Musik und Auftritte von Depeche Mode bisweilen etwas Düsteres und Depressives, dass aus dem Innersten zu kommen scheint, wie Martin Gore einmal in einem Interview zu seiner Art zu arbeiten andeutete: „Ich habe eine nicht näher bestimmbare Tendenz, Songs langsamer aufzunehmen. Ich will die Demos wohl bewusst depressiv halten.“ Wichtiger als diese manchmal martialische Anmutung war jedoch die Botschaft des Andersseins, die sowohl die Musik als auch insbesondere der Auftritt von Gore symbolisierte.

Obwohl die Musik von Depeche Mode recht schnell massenkompatibel wurde, war sie doch anders als die fröhlich und beliebig wirkende typische Pop-Musik der 80er. Und gerade diese Grenzgängerei zwischen Massengeschmack und Independentmusik ist es, die es einem großen Publikum ermöglicht, in einem halbwegs gesellschaftlich akzeptierten Rahmen „anders“ zu sein. Gerade vor dem Hintergrund aktueller Diskussionen über die Gleichstellung von Homosexuellen gehören Depeche Mode zu den Bands, die den Weg zur heute positiveren Sichtweise mit geebnet haben, indem sie „anderer“ Kleidung und „anderer“ Musik einen massenkompatiblen populären Rahmen gaben. Martin Gore selbst war sich dieser Vorreiterrolle allerdings wohl gar nicht wirklich bewusst, er lehnte sie intuitiv sogar ab. Alan Wilder, Mitglied der Band zwischen 1982 und 1995 formulierte das so: „Man kann sich keine Jungs vorstellen, die weniger schwul sind als wir. Trotz seines Crossdressings und seiner Schwulenklamotten konnte Gore sehr wütend werden, wenn die Leute ihn für homosexuell hielten.“

Stars

Gleichwohl müssen Depeche Mode mit ihrem optischen und musikalischen Stil etwas in den Menschen ausgelöst haben, das wie eine Befreiung wirkte. Aus den stillen Jungs, die mit Synthie-Klängen experimentierten wurde innerhalb weniger Jahre ein Mega-Event. Daniel Miller war fasziniert: „To go from nothing to that in seven years was amazing.“ „Nothing“, das waren die Anfänge, als Miller es fast verpasst hatte, die Band zu verpflichten. Und „that“, das war der Auftritt am 18. Juni 1988 im Rose Bowl Stadion in Pasadena, bei dem dieses riesige Stadion mit 70.000 Zuschauern aus allen Nähten platzte.

Zwei personelle Wechsel dürften den Aufstieg wesentlich befeuert haben. Bereits 1981 verließ mit Vince Clarke der Songwriter die Band. Clarke hatte mit „Just can’t get enough“ für den ersten Top-Ten-Hit der Band gesorgt, in Großbritannien erreichte die Single Platz 8 der Charts. Als Clarke ging, schien das ganze Projekt „Depeche Mode“ für einen Moment auf der Kippe zu stehen. Ein neuer Songwriter musste gefunden werden, und es scheint im Nachhinein vollkommen logisch, dass Martin Gore diesen Part übernahm, auch wenn es einen Moment dauerte, bis der zurückhaltende Gore sich die Verantwortung zutraute.

Mit seinen Texten und Kompositionen erreichten Depeche Mode die nächste Stufe ihres künstlerischen Potenzials, wie sich an Songs wie „Leave in silence“ erkennen lässt, die mehr Tiefgang als die Stücke auf dem Debütalbum haben und für den künftigen Sound der Band charakteristisch sein sollten.

Martin L. Gore ist gewissermaßen als Depeche Mode-Star die Antithese zu Sänger Dave Gahan, bis heute wird die Band von den Musikfans vor allem mit diesen beiden Namen assoziiert. Beide führen zeitweise ein typisches Starleben, beide suchen nach den Entgrenzungserfahrungen, die für große Künstler typisch und schaffensnotwendig sind. Dabei ist der Weg von Gore ein anderer als der von Gahan, und doch schaffen es beide immer wieder, ihre Erfahrungen gewinnbringend für den Erfolg der Band einzusetzen.

Martin Gore, der schüchterne englische Junge aus geordneten Verhältnissen, muss die Insel verlassen, um auf einer anderen Insel in volle Leben einzutauchen und sich künstlerisch weiterzuentwickeln. Er muss weg aus England, weg sowohl von der Insel im geographischen Sinne als auch von der Insel der Seligen, die das familiäre Umfeld darstellt.

[...]

Ende der Leseprobe aus 21 Seiten

Details

Titel
Depeche Mode: Eine Analyse ausgewählter Songtexte
Autor
Jahr
2014
Seiten
21
Katalognummer
V277639
ISBN (eBook)
9783656735182
ISBN (Buch)
9783656713524
Dateigröße
804 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
depeche, mode, eine, analyse, songtexte
Arbeit zitieren
M.A. Carsten Tergast (Autor:in), 2014, Depeche Mode: Eine Analyse ausgewählter Songtexte, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/277639

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