Eine Analyse des persönlichen Forschungszugangs von Hexereiforschern innerhalb der Religionsethnologie


Hausarbeit, 2012

13 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Themeneingrenzung

2. Definition und Entwicklung religionsethnologischer Forschungsarbeit

3. Persönlicher Zugang des Forschers zur Feldforschung
3.1 Methodologischer Agnostizismus
3.2 Glaube als Instrument bei Evans-Pritchard
3.3 Allgemeine Kritik an der ethnologischen Arbeitsweise

4. Ethnographische Beispiele
4.1 Methodologie von Evans-Pritchard
4.2 Methodologie von Ashforths

5. Der richtige Zugang?

6. Fazit

Eine Analyse des persönlichen Forschungszugangs von Hexereiforschern innerhalb der Religionsethnologie

1. Themeneingrenzung

Diese Hausarbeit untersucht den Umgang ethnologischer Forscher mit dem Phänomen der Hexerei. Im Vordergrund der Betrachtung steht dabei der persönliche Zugang des Forschers zu seiner ethnographischen Frage. Bei diesem persönlichen Zugang spielt insbesondere der Umgang mit Religion und Übernatürlichem eine Rolle. Die von der Arbeit zu beantwortende Frage lässt sich demnach wie folgt formulieren: Gibt es den einen richtigen ethnologischen Forschungszugang? Um diese Fragen zu beantworten, werden zunächst allgemeine Methoden der Ethnologie wie in etwa die Feldforschung thematisiert. Außerdem wird die Entwicklung des methodischen Zugangs dargestellt und danach wird eine Kritik an ethnologischer Arbeit im Allgemeinen vorgestellt. Die Aufgabe der Ethnologie, Hexerei nachvollziehbar und verständlich zu machen, wird im Anschluss anhand von zwei ethnographischen Beispielen analysiert. Diese Ethnographien sollen zeigen, wie Ethnologen Hexerei sichtbar und verständlich machen. Es handelt sich bei den Ethnographien einerseits um das für die Religionsethnologie prägendste Werk von Edward E. Evans-Pritchard „Witches, Oracles, and Magic among the Zande“ aus dem Jahr 1937, sowie den ethnographischen Roman „Madumo – A Man bewitched“ von Adam Ashforth aus dem Jahr 2000. Die beiden ausgewählten Ethnographien lassen sich kontrastierend gegenüberstellen, weil sie einerseits eine große zeitliche Differenz aufweisen, aber auf der anderen Seite auch im Umgang der Ethnologen mit der Religion Unterschiede aufweisen.

Das Beispiel der Hexerei erweist sich bei dieser Untersuchung als besonders sinnvoll, weil dies als einer der anspruchsvollsten Forschungsbereiche innerhalb der Ethnologie zu bezeichnen ist. „Wie aber wahrt man Distanz, wenn man sich gleichzeitig in die Gemeinschaft integrieren soll?“ (Schmidt 2008: 65). Diese Frage ist eine der grundlegendsten ethnologischen Arbeit und ist vor allem im Bereich der Hexerei zu stellen, weil die übernatürlichen Prozesse und Regeln einer Gesellschaft für Außenstehende nicht auf Anhieb nachzuvollziehen sind.

2. Definition und Entwicklung religionsethnologischer Forschungsarbeit

Wie machen Ethnologen Hexerei sichtbar und verständlich? Im Laufe der Zeit hat sich vor allem die Feldforschungsmethode sehr eng mit dieser Frage verknüpft, weil sie sich durch ihren tiefen und intensiven Zugang zu Gesellschaften, auch schwer verständlichen Sachverhalten annähern kann. Im Jahr 1922 hat Bronislaw Malinowski die Feldforschung als zentrale Methode der Ethnologie eingeführt. Damit hat er der Ethnologie eine klare theoretische Konzeption gegeben und die Methode kann als kennzeichnend für die Ethnologie bezeichnet werden und macht laut Justin Stagl „die Ethnologie zu einer der erfolgreichsten Wissenschaftsdisziplinen des 20. Jahrhunderts“ (Schmidt 2008: 62). Da die Feldforschung auch von den beiden im Folgenden analysierten Ethnologen umgesetzt worden ist, lohnt sich eine Kurzdefinition dieser Arbeitsweise: „Das Ziel [der Feldforschung] besteht […] darin, den Standpunkt des Eingeborenen, seinen Bezug zum Leben zu verstehen und sich seine Sicht seiner Welt vor Augen zu führen“ (Malinowski 1979 [1922]: 49, Hervorhebungen des Autors). Das Hauptelement dieser Methodik ist die teilnehmende Beobachtung, die sich dadurch auszeichnet, dass der Forscher für einen längeren Zeitraum bei Eingeborenen lebt, sich ein Kontaktnetzwerk aufbaut, um dann schließlich ihre Lebensweise möglichst umfassend verstehen zu können (Haller 2010: 144).

Die Feldforschung war nicht von Beginn an die dominierende Methode im religionsethnologischen Bereich. Laut den Ausführungen von Bettina Schmidt in ihrem allgemeinen Werk über die Religionsethnologie hat erst Emile Durkheim in der 2. Hälfte des 19.Jahrhunderts in der Religionsethnologie mit seiner funktionalistischen Sicht, dass „Religion als kodifiziertes System betrachtet [wurde], mittels dessen Menschen über sich selbst sprachen[…]“, einen Wendepunkt für eine geordnetere Forschung eingeleitet (Schmidt 2008: 37). In der Zeit zuvor war die Ethnologie, vor allem in Großbritannien laut Evans-Pritchard „hauptsächlich auf die Ansammlung und Sichtung von Details ausgerichtet […], ohne diese theoretisch zu hinterfragen“ (ebd.). Basierend auf Durkheims Ansicht hat Malinowski, der ebenfalls überzeugter Funktionalist war (ebd.: 39), schließlich die Feldforschungsmethode entwickelt und somit auch für eine Systematisierung gesorgt. Außerdem betont Malinowski den „emotionalisierten Zugang zur Religion“, der nötig sei, da jeder Mensch eine Form von Glauben brauche (ebd.). Auch Evans-Pritchard hält einen klaren methodischen Zugang für sinnvoll und bezeichnet die Erfolge der Vor-Feldforschungsphase deshalb als „nicht weniger dialektisch, spekulativ und dogmatisch als die Moralphilosophen des 18.Jahrhunderts“ (Schmidt 2008: 32). Im weiteren Verlauf wird sich zeigen, dass Evans-Pritchard und Malinowksi übereinstimmende Positionen bezüglich der Methodik vertreten.

Nachdem sich die Feldforschungsmethode in der Ethnologie etabliert war, hat sich die Beziehung zwischen Forscher und Feld während des 20. Jahrhunderts enorm gewandelt. Heutzutage sollen Ethnologen im Gegensatz zur Anfangszeit vor allem im religiösen Bereich die Regeln und Grenzen von Glaubensgemeinschaften respektieren (Schmidt 2008: 69). Dies gilt auch, wenn die Forschung dadurch möglicherweise in ihrem Resultat geschmälert wird. An diese Grundsätze muss Adam Ashforth sich als moderner Religionsethnologe halten. In der Zeit von Evans-Pritchard war dieser respektvolle Umgang mit der zu erforschenden Glaubensgemeinschaft allerdings noch nicht so weit ausgeprägt, weil dieser bspw. einen Diener zur Spionage eingesetzt hat (ebd.). „Im Unterschied zu den Ethnologen der Anfangsjahrzehnte besteht heute nicht mehr der Anspruch, alles zu berichten und komplett offenzulegen“ (Schmidt 2008: 75). Diese Aussage fasst den neuartigen Zugang für Ethnologen sinnvoll zusammen, weil ihr Anspruch mittlerweile eher durch eine Einzelfallbetrachtung in globalen Zusammenhängen geprägt ist (ebd. 67). Einige weitere typische Probleme der Feldforschung bzw. der Ethnologie allgemein bestehen weiterhin für jeden Forscher. Feldforschung ist weiterhin durch Anpassung geprägt und bringt das Problem der Übersetzbarkeit mit sich. Fremde Religionen sind nicht immer in Worte zu fassen und sprachliche Barrieren können sinnverzerrend sein (ebd. 71). Es gilt im weiteren Verlauf die unterschiedliche Herangehensweise von Edward E. Evans-Pritchard und Adam Ashforth zu untersuchen und zu analysieren, wie sie mit diesen Problemen umgegangen sind.

3. Persönlicher Zugang des Forschers zur Feldforschung

Muss oder darf ein Ethnologe eigenen Glauben für seine Forschungsarbeit nutzen oder sollte er agnostizistisch forschen? Wie geht er an sein Feld heran und gibt es überhaupt den einen richtigen Zugang? Die persönliche Herangehensweise und der Umgang mit diesem sensiblen Thema sind besonders bei Hexereiforschungen wichtig, da persönliche die Forschungsergebnisse entscheidend verzerren könnten. Grundlegend kann beim persönlichen Forschungszugang zwischen zwei divergierenden Grundpositionen unterschieden werden. Man muss die Frage klären, ob die Gefahr besteht, dass europäischen Religionen mit ihrer Diktion grundlegend für die Modellbildung fremder Religionen verantwortlich sind und waren. Laut Bettina Schmidt ist man zumindest in der Vergangenheit oftmals nicht wertneutral an die Forschung herangegangen und es somit kam es „zu zahlreichen Missverständnissen und Fehlbeurteilungen, mit denen die Religionsethnologie lange zu kämpfen hatte“ (Schmidt 2008: 36). Im Folgenden werden zwei Zugänge vorgestellt, die sich methodisch kontrastieren lassen. Zunächst wird die von Adam Ashforth angewandte Methode vorgestellt.

3.1 Methodologischer Agnostizismus

Der methodologische Agnostizismus nach Hubert Knoblauch besagt, dass die Frage nach übernatürlichen Mächten, wie z.B. einem Gott, unbeantwortet gelassen wird bzw. nicht zu beantworten ist (Knoblauch 1999: 14-15). Er lässt sich demnach als wertneutral charakterisieren und soll somit Voreingenommenheit verhindern. Dieser theoretische Entwurf ist allerdings auch für Knoblauch selbst nur sehr schwer in einer optimalen Art und Weise umsetzbar: „[…] Der vollständige Agnostizismus [ist] fast unmöglich, da er eine beinahe vollkommene Enthaltsamkeit der Beurteilung erfordert“ (Knoblauch 1999: 15). Gleichzeitig verdeutlicht er aber auch, dass dieser Entwurf seiner Ansicht nach das beste Verständnis für Religionsforschungen ermöglicht. „Wenn wir aber wirklich wissen wollen, was es mit […] Glaubensgemeinschaften auf sich hat, ist dieses Prinzip wenigstens als Maxime und Leitsatz unumgänglich“ (ebd.).

Dieser Zugang findet auch bei anderen Wissenschaftlern wie zum Beispiel Matthew Engelke Anklang. Er wirft in seinem Artikel „The Problem of Belief“ aus dem Jahr 2002 ebenfalls die Frage auf, ob man als Forscher selbst an etwas glauben muss, um übernatürliche Phänomene zu verstehen oder ein wertneutraler Zugang ohne Zustimmung und Ablehnung der Werte größeren Forschungserfolg verspricht. Es lässt sich somit eine Ähnlichkeit zwischen Matthew Engelke und Hubert Knoblauch erkennen. Engelke spricht beim Glauben vor allem von einer persönlichen Erfahrung, und sieht aufbauend auf Durkheim das gleiche Problem wie Hubert Knoblauch. Er erkennt die Schwierigkeit, diesen Ansatz optimal umzusetzen. So scheint es schwer sich während des Forschungsaufenthalts von persönlichen Gefühlen und Subjektivität freizumachen. „Belief is subjective, and therefore personal, experience. But subjectivity makes understanding religion as simply a ´social fact´ difficult” (Engelke 2002: 3). Er bezeichnet Ethnographien allerdings als sehr geeignet für den Zugang des methodologischen Agnostizismus: „The ethnography […] is richer for it“ (ebd.). Zumindest das Leitprinzip sollte nach Engelke trotz der anspruchsvollen Umsetzung eingehalten werden.

3.2 Glaube als Instrument bei Evans-Pritchard

Einen anderen Zugang zu seinem Feldaufenthalt hat Edward E. Evans-Pritchard gewählt. Evans-Pritchard war selbst ein sehr religiöser Mensch, ist zum Katholizismus konvertiert (Schmidt 2008: 46) und hat oftmals seinen Glauben betont. Dabei ist der Glaube seiner Ansicht nach ein Hilfsinstrument für das Verständnis anderer Religionen. Durch seinen eigenen Glauben finde man Zugang zu seinem „inneren Leben“, das dem Forscher eine „privilegierte Position“ für die Bewertung der sozialen Ordnung ermöglicht (Engelke 2002: 6). Man kann also von einem Hineinversetzen sprechen, welches einen intensiveren Zugang ermöglicht, der ohne eigenen Glauben nach Evans-Pritchard nicht erreicht werden kann. Somit kann man persönliche Motive und Überzeugungen in der Forschungsarbeit effektiv nutzen.

Distanziert hat er sich von einer „theologischen Position“ (Schmidt 2008: 46), die eine logische, rationale Erklärung religiöser Phänomene anstrebt. Diese sei nicht zu leisten. Bemerkenswert ist sicherlich auch seine Kritik an einigen seiner atheistischen Kollegen. Berühmte Ethnologen waren selbst Angehörige einer Religion, wie Edward Tylor z.B. Quäker, Malinowski Katholik oder Durkheim Jude (Schmidt 2008: 36). Laut Evans-Pritchard „[…] widersetzten sich die Gründerväter der Religionsethnologie ihrer Erziehung und waren während der Abfassung ihrer berühmten Werke Atheisten oder Agnostiker, die alle Religionen als Illusionen ablehnten“ (ebd.). Man kann also sagen, dass die erwähnten Ethnologen sich trotz ihres eigenen Glaubens eher Knoblauchs Methode angeschlossen haben und so für Evans-Pritchard keine „privilegierte Position“ in ihrer Forschung einnehmen konnten.

3.3 Allgemeine Kritik an der ethnologischen Arbeitsweise

Im Folgenden wird eine allgemeine Kritik vorgestellt, die sich im religionsethnologischen Kontext mit dem richtigen Forschungszugang auseinandergesetzt haben. Diese Debatte stellt mit einer grundsätzlichen Kritik ethnologische Arbeit in Frage und soll im Anschluss anhand der analysierten Ethnographien mögliche Schwächen an den Forschungen aufdecken.

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Ende der Leseprobe aus 13 Seiten

Details

Titel
Eine Analyse des persönlichen Forschungszugangs von Hexereiforschern innerhalb der Religionsethnologie
Hochschule
Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg
Note
2,0
Autor
Jahr
2012
Seiten
13
Katalognummer
V277463
ISBN (eBook)
9783656701248
ISBN (Buch)
9783656702580
Dateigröße
505 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
eine, analyse, forschungszugangs, hexereiforschern, religionsethnologie
Arbeit zitieren
Oliver Ruck (Autor:in), 2012, Eine Analyse des persönlichen Forschungszugangs von Hexereiforschern innerhalb der Religionsethnologie, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/277463

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