Lehrer mit Migrationshintergrund als Beitrag zur Integration


Hausarbeit, 2014

27 Seiten, Note: 1,5


Leseprobe


I. INTEGRATION ALS BESTANDTEIL DER BILDUNGSPOLITISCHEN DEBATTEN

Politiker werben um Pädagogen mit ausländischen Wurzeln, auch nach dem Bundesländervergleich von Viertklässlern wird der Ruf nach mehr Lehrern mit Migrationshintergrund lauter werden. Die Forschung dazu steht jedoch in den Kinderschuhen.

Am 31. Januar 2012 fand der fünfte Integrationsgipfel im Bundeskanzleramt statt. Dabei wurde der Nationale Aktionsplan Integration vorgestellt. Auf dem Integrationsgipfel waren Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel, Integrationsbeauftragte Maria Böhmer und 120 Vertreter aus den verschiedensten Bereichen anwesend. Der nationale Aktionsplan aus dem Jahr 2007 ist weiterentwickelt worden. Die Integrationsbeauftragte hat das Ziel der Integrationspolitik folgendermaßen formuliert: "Ziel unserer Integrationspolitik ist die gleiche Teilhabe aller hier lebenden Menschen. Bund, Länder, Kommunen, Vereine, Verbände und Migrantenorganisationen - sie alle tragen gemeinsam dazu bei".[1]

Mithilfe des nationalen Aktionsplans wird eine verbindliche Gestaltung der Integrationspolitik anvisiert. Darin werden die festen Indikatoren festgelegt, an denen die gelungene Integration bemessen wird. Laut Herr Dr. Michael Griesbeck, dem Vizepräsidenten des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge, "Ist der Anteil von Lehrkräften mit Migrationshintergrund auch ein zentraler Indikator zur Messung der interkulturellen Öffnung von Bildungseinrichtungen und wird in unterschiedlichen Ansätzen des Integrations- und Bildungsmonitorings - u.a. auch dem von Frau Staatsministerin Böhmer – berücksichtigt."[2]

Seit Dezember 2010 sind elf Dialogforen eingerichtet worden, die auf bestimmte Themenfelder bzw. Schwerpunkte zielen. Dazu zählen:

- Frühkindliche Förderung (Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend)
- Bildung, Ausbildung undWeiterbildung (Bundesministerium für Bildung und Forschung)
- Arbeitsmarkt undErwerbsleben (Bundesministerium für Arbeit und Soziales)
- Migranten im öffentlichen Dienst (Bundesministerium des Innern)
- Gesundheit undPflege (Bundesministerium für Gesundheit)
- Integration vor Ort (Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung)
- Sprache – Integrationskurse (Bundesministerium des Innern)
- Sport (Bundesministerium des Innern)
- Bürgerschaftliches Engagement (Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend)
- Medien (Beauftragte für Migration, Flüchtlinge und Integration)
- Kultur (Beauftragter für Kultur und Medien)

Wie aus dem Aktionsplan hervorgeht, ist jedes Ressort für einen bestimmten Bereich zuständig. Außerdem erhöht der Aktionsplan die Chancen der Einwanderer für den sozialen Aufstieg. In ihrer Rede auf dem fünften Integrationsgipfel rief Frau Maria Böhmer dazu auf, die Ressourcen, die die heterogene Gesellschaft mit sich bringt sinnvoll zu nutzen. "Die wachsende Vielfalt unseres Landes muss sich angemessen auch im öffentlichen Dienst widerspiegeln. Wir brauchen mehr Migranten in Kindergärten und Schulen, bei Polizei und Feuerwehr und in der Verwaltung. Der Bund setzt deshalb u.a. auf eine direkte Ansprache von Migranten in Stellenausschreibungen sowie die Schulung von Personalentscheidern“, so die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung."[3]

In ihrem Grußwort auf dem ersten bundesweiten Kongress der Lehrkräfte mit Zuwanderungs-geschichte, der im Jahr 2010 stattfand, erwähnte die Integrationsministerin, dass die Migrationsquote im öffentlichen Dienst 20% beträgt. Diese Quote ist der Tatsache, dass jeder Fünfte in Deutschland einen Migrationshintergrund hat, nicht angemessen. "Besonders dringend benötigen wir Lehrerinnen und Lehrer sowie Erzieherinnen und Erzieher mit Migrationshintergrund und die Stärkung der interkulturellen Kompetenz im gesamten öffentlichen Dienst."[4]

Aus der Debatte aus diesem Kongress hat die Integrationsbeauftragte fünf Schlussfolgerungen gezogen:

1. Die wichtigste Aufgabe der Integrationspolitik ist, mehr Jugendliche für Berufe im öffentlichen Dienst zu gewinnen, vor allem für den Lehrerberuf. In dieser Hinsicht leisten Lehrerinnen und Lehrer ihren Hauptbeitrag.
2. Die interkulturellen Kompetenzen in den Schulen, in Betrieben müssen gestärkt werden, da sie eine enorme gesellschaftspolitische Rolle spielen.
3. "Drittens die wohl wichtigste Voraussetzung für eine gelingende Integration darin, dass wir die in Deutschland lebenden Menschen mit Zuwanderungsgeschichte in ihrer Souveränität, Eigenständigkeit und Gestaltungskraft unterstützen und wertschätzen. Wir brauchen eine Kultur des Umgangs mit Heterogenität, in der Migranten institutionell nicht mehr in asymmetrischen Klientenbeziehungen verortet werden."[5]
4. Bei unserer Integrationspolitik soll nicht mehr auf die Defizite, sondern auf die Ressourcen gezielt werden. Daher ist ein Paradigmenwechsel in den Erziehungs-wissenschaften zwingend erforderlich, d. h. von der Ausländerpädagogik zur Trans-kulturellen Pädagogik. Die Kugeln im herderschen Modell müssen immer näher zusammenkommen.
5. Der öffentliche Dienst muss an die wandelnden demographischen Verhältnisse angepasst sein. Insbesondere betrifft es Lehrkräfte. Leider wird ein Migrations-hintergrund mehr als ein Risiko als eine Chance gesehen, das muss sich ändern.

Laut der aktuellen Statistiken sind die Lehrer mit Migrationshintergrund an der deutschen Schule unterpräsentiert, d. h. dass nur 1% der Lehrer in Deutschland eine Zuwanderungs-geschichte hat. In ihrem Buch "Vielfalt im Lehrerzimmer" erwähnt Viola Georgi die Tatsache, dass in manchen Großstadtschulen und Schulen in urbanen Ballungszentren die Schülerschaft nichtdeutscher Herkunftssprache über 90% ausmacht. Das führt zu sprachlicher und kultureller Heterogenität im Klassenzimmer. Dagegen bleibt die kulturelle und sprachliche Homogenität im Lehrerzimmer erhalten.

"Auf Landesebene sind in den letzten Jahren einige Anfragen an die Regierungen gestellt worden, in denen ebenfalls auf einen positiven Einfluss von Lehrkräften mit Migrationshintergrund auf Schülerinnen und Schüler mit eben solchen biographischen

Hintergründen und auf die Förderung eines interkulturellen Klimas an den Schulen hingewiesen wird (vgl. Karakaoğlu 2011, 121). In einem Antrag der Fraktionen der SPD und der Grünen an die Bremische Bürgerschaft wird ein Konzept gefordert, durch das mehr Migrantinnen und Migranten für das Lehramtsstudium gewonnen werden sollen.

Hier wird die interkulturelle Kompetenz als Ressource und die Vorbildfunktion dieser Lehrkräfte betont (vgl. Buhse et al. 2009). Ähnliche Anträge wurden im Jahr 2006 an die Hamburger Bürgerschaft und 2009 an den Bayerischen Landtag gestellt (vgl. Karakaoğlu 2011, 121). Darüber hinaus sind auch regionale Aktivitäten in diese Richtung zu verzeichnen. Seitens der Stadt Stuttgart wird unter dem Titel „Migranten machen Schule! Vielfalt im Klassenzimmer – Vielfalt im Lehrerzimmer“ die Bedeutung von Lehrerinnen und Lehrern mit Migrationshintergrund als „Brückenbauer“ (Schuster 2008, 2) herausgestellt. Im Gegensatz zu den vorherigen Quellen werden hier Lehrerinnen und Lehrer mit Migrationshintergrund als Bereicherung für die gesamte Schülerschaft hervorgehoben.

Lehrerinnen und Lehrer mit eigenem Migrationshintergrund stellen [...] eine große Bereicherung für unsere Schulen dar. Mit ihrem oftmals vielgestaltigen Bildungsgang, der eigenen Überwindung sprachlicher Hürden als Voraussetzung für eine erfolgreiche Lehramtsausbildung und ihrem besonderen kulturellen Hintergrund bringen sie Erfahrungen ein, von denen alle am Schulleben Beteiligten in vielfältiger Weise profitieren können. Durch ihre besonderen kulturellen und sprachlichen Kompetenzen können sie allen Schülerinnen und Schülern erweiterte Perspektiven und neue Erfahrungen vermitteln, sie können bei schulischen Schwierigkeiten den Zugang zu Schülerinnen und Schülern mit Migrationshintergrund eröffnen und das Gespräch zwischen Schule und Elternhaus erleichtern. Damit können diese Lehrerinnen und Lehrer einen wichtigen Beitrag dazu leisten, dass ihre Schule und die darin Unterrichtenden ihren Erziehungs- und Bildungsauftrag erfolgreich wahrnehmen“ (Rau 2008, 4)."[6]

II. BESTANDSAUFNAHME

In ihrem Buch "Vielfalt im Lehrerzimmer" von Viola Georgi wird folgendes Bild geboten. Aufgrund der Statistiken vom Statistischen Bundesamt vom Jahr 2009 werden folgende Zahlen rekonstruiert und veranschaulicht.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Aus der Dokumentation des ersten Bildungskongresses geht hervor, dass die statistischen Angaben spärlich sind. Aber sie belegen, dass

1. ein Lehramtsstudium von Abiturienten mit Migrationshintergrund unterdurchschnittlich selten belegt wird.
2. die Studienabbruchquote unter Studierenden mit Migrationshintergrund besonders hoch ist (45 % vs. 30 % gesamt).
3. nur ca. 1% der Lehrer einen ausländischen Pass haben.

Die Bremer Regionalstudie zur Studienwahl und zum Studienverlauf von Lehramtsstudierenden mit und ohne Migrationshintergrund zielte in der ersten Linie auf die Bestandsaufnahme der Studierenden mit Migrationshintergrund im Lehramt Universität Bremen. Außerdem dienten Motive zur Aufnahme des Studiums, die eigenen schulischen Erfahrungen, finanzielle und sprachliche Unterstützung als Gegenstand der Forschung. Dabei wurde die sozio-kulturelle Differenzierung vorgenommen. Von den 304 befragten Studierenden konnte 25% ermittelt werden. Trotz des hohen Anteils der Studierenden mit Migrationshintergrund nahm die Zahl in der zweiten Berufsvorbereitungsphase sowie nach der Einstellungspraxis von Behörden und Schulen tendenziell ab. Zu dieser Tatsache besteht ein umfangreicher empirischer Forschungsbedarf.

Während in Deutschland die Unterrepräsentanz von Lehrern und Lehrerinnen mit Migrationshintergrund ein Gegenstand der bildungspolitischen Debatten in der jüngsten Zeit geworden ist, wird dieses Thema aus verschiedenen Perspektiven im angloamerikanischen Raum seit Anfang der 1980er Jahre wissenschaftlich untersucht. "Bereits 1985 wurde in Großbritannien die Unterrepräsentanz bzw. der Mangel an ausgebildeten Lehrkräften aus den Reihen der ethnischen Minderheiten (minority ethnic groups) festgestellt und beklagt."[7] Es wurden verschiedene Arbeitsgruppen gegründet , die die Unterrepräsentanz analysierten und gemeinsam die Strategien erarbeiteten, wie sie die jungen Menschen dazu ermutigen, sich für den Lehrerberuf zu entscheiden. Für die Unterrepräsentanz der Lehrkräfte mit Migrationshintergrund sind folgende Ursachen identifiziert worden:

- die Wahrnehmung des niedrigen Status des Lehrerberufs
- die geringe Zahl von role models an Schulen
- die Angst vor Isolation und rassistischen Vorurteilen im Kollegium
- der Mangel an Aussichten auf berufliches Vorankommen
- die Schwierigkeit insbesondere für einen Teil der Frauen bestimmter ethnischer Minoritäten, an einem ferneren Ort zu studieren

Die Zugangsbarrieren sind längst zu einem Forschungsgegenstand geworden. Die britische Studie ermittelte die Unterschiede zwischen den " Visible Minority Ethnic Students (MES) und den "weißen" Studierenden. Bei der MES-Gruppe war eine hohe Bereitschaft zum Studieren feststellbar, obwohl nur wenige die Hochschulabschlüsse erworben haben. Dabei legten sie ihre Schwerpunkte auf folgende Fächer wie Recht, Medizin, Wirtschaft und Informationswissenschaften, was insbesondere bei den asiatischen Studierenden beobachtbar war.

Es zeigen sich deutliche Übereinstimmungen zwischen den britischen und den einzelnen deutschen qualitativen und quantitativen Untersuchungen. Die Anzahl der deutschen Studien ist spärlich im Vergleich zu den im angloamerikanischen Raum. Es wurden die Tests durchgeführt, die gezielt darauf gerichtet waren, die Auswirkung der interkulturellen Kompetenz auf die Leistung der Schüler und Schülerinnen zu erforschen. An der Befragung nahmen 49 Lehrer und Lehrerinnen mit Migrationshintergrund teil. "Für die USA, Großbritannien und die Schweiz wird festgestellt, dass ein interkulturell sensibler Umgang mit migrationsbedingter Heterogenität vorwiegend denjenigen Lehrkräften gelinge, die selbst aus einem solchen Kontext kommen oder in der Familie damit befasst sind. Schließlich wird festgestellt, dass in Klassen mit Lehrenden aus ethnischen Minoritäten das Klima der Wertschätzung kultureller Vielfalt häufig höher ist. "[8]

[...]


[1] www.bundesregierung.de

[2] Bundeskongress Lehrkräfte mit Migrationshintergrund : Potenziale gewinnen . Ausbildung begleiten. Personalentwicklung gestalten. 08.03.2010 bis 09.03.2010 Kongressdokumentation. S. 20

[3] www.bundesregierung.de

[4] Bundeskongress Lehrkräfte mit Migrationshintergrund : Potenziale gewinnen. Ausbildung begleiten. Personalentwicklung gestalten. 08.03.2010 bis 09.03.2010 Kongressdokumentation. S. 12

[5] Bundeskongress Lehrkräfte mit Migrationshintergrund : Potenziale gewinnen . Ausbildung begleiten. Personalentwicklung gestalten. 08.03.2010 bis 09.03.2010 Kongressdokumentation. S. 13

[6] http://www.mentoring-mig.uni-kassel.de/wp-content/uploads/2011/11/forschungsbericht_mentoring_naumann_end.pdf S. 3-4

[7] Ursula Neumann, 2011, S. 124

[8] Ursula Neumann, 2011. S. 126

Ende der Leseprobe aus 27 Seiten

Details

Titel
Lehrer mit Migrationshintergrund als Beitrag zur Integration
Hochschule
Pädagogische Hochschule Heidelberg
Note
1,5
Autor
Jahr
2014
Seiten
27
Katalognummer
V276390
ISBN (eBook)
9783656693055
ISBN (Buch)
9783656696162
Dateigröße
553 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
lehrer, migrationshintergrund, beitrag, integration
Arbeit zitieren
Lioudmila Berlejung (Autor:in), 2014, Lehrer mit Migrationshintergrund als Beitrag zur Integration, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/276390

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