Moralischer Universalismus oder partikulare Solidarität?. Vermittlungsversuch zweier moralphilosophischer Konzepte


Project Report, 2014

13 Pages, Grade: 2,0


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Inhaltsverzeichnis

Einleitung

1. Der moralische Universalismus und dessen Dialektik

2. Argumente für den Ansatz einer partikular ausgerichteten Solidarität

3. Das konstruktive Spannungsverhältnis beider Moralkonzepte
3.1. Die positiven Momente beider Ansätze
3.2. Die negativen Momente beider Ansätze

4. Versuch einer Synthese beider Moralkonzepte

Schluss

Literaturliste:

Einleitung

Der inhaltliche Schwerpunkt dieser Hausarbeit liegt auf der Untersuchung des Konfliktpotentials und einer Prüfung der Vermittlungsfähigkeit zwischen einer universalistisch ausgerichteten Ethik auf der einen Seite, und einer Freundschafts- bzw. Solidaritätsethik, welche die besonderen moralischen Verpflichtungen gegenüber bestimmten Gruppen betont, auf der anderen Seite.

Genauer hin soll aufgezeigt werden, in welchen Fällen ein solcher Konflikt sich einstellen kann, was also seine Bedingungen sind und wie eine Vermittlung zwischen beiden Ethikkonzepten aussehen könnte. Es soll dabei zunächst der allgemeine Konfliktfall erfasst werden, also das Prinzip gesucht und verhaftet1 werden, welches den Widerspruch auslöst. Zu diesem Zweck wird der moralische Universalismus mit Rückgriff auf Immanuel Kants moralphilosophische Schriften (u.a. die Metaphysik der Sitten) mit seinem formalen Kern, dem Kategorischen Imperativ und das damit konfligierende loyalitätsethische Konzept von Wolfgang Kersting (u.a. der Text: Internationale Solidarität), exemplarisch bearbeitet. Kersting argumentiert dabei für die Bedeutung und Relevanz des Solidaritätsbegriffes und positioniert sich mit seinen Einwänden kritisch gegenüber einem alle Loyalitätspflichten einebnenden Universalismus.

Diese Einwände Kerstings gegen eine Überbetonung des moralischen Universalismus werden hier zunächst angeführt und auf ihre Bedeutung und Überzeugungskraft hin untersucht, wobei sie gleichsam als eine methodische Schablone2 für eben jene Fälle dienen werden, bei denen der Konflikt mit dem moralischen Universalismus sichtbar und auf einer abstrakten (allgemeinen) Stufe diesem Vorhaben entsprechend, lösbar wird. Es soll also ein eigener3 Vermittlungsversuch in Form einer Synthese zwischen diesen beiden Ethikkonzepten versucht werden. Dieses Vorhaben wird im Rahmen dieser Hausarbeit freilich einige Abstriche im Umfang und Detailschärfe in Kauf nehmen müssen.

Wenn dabei eine wie auch immer geartete Auflösung des Grundkonflikts beider Ansätze auffindbar ist, dann würde dadurch die simple Frage nach der Vorzüglichkeit des einen oder des anderen Moral-Konzepts in eine meines Erachtens viel spannendere Fragestellung nach den jeweiligen Geltungsbereichen und -ansprüchen und dessen Grenzen eröffnet, die ja ohnehin schon darum im Raum steht, weil die universalistischen Moralvorstellungen in unseren Vorstellungen durchaus dominant und tonangebend sind und der solidaritätsethische Ansatz durch seine bloße Artikulation (abgesehen von seiner Polemik) diese zu einer erneuten Rechtfertigung drängt, wie dies auch anders herum mit jedem neuen Ansatz gegenüber einer etablierten Theorie der Fall ist.

Der Schwerpunkt liegt also auf dem systematischen Lösungs- bzw. Vermittlungsversuch dieses Konfliktfeldes, der bei aller Begrenztheit der Möglichkeiten in einer solchen Arbeit eine bescheidene Antwort auf die Fragen geben will: Gibt es prinzipiell eine vermittelnde Instanz zwischen universalistischer Moral und solidaritätsethischen Konzepten? Und wenn es diese gibt, wie ist sie begrifflich zu erfassen?

1. Der moralische Universalismus und dessen Dialektik

Der moralische Universalismus nach Kant4 ist der scheinbare Widerpart zu einem solidaritätsethischen Konzept, welches Wolfgang Kersting in seinem Text „Internationale Solidarität“ vorstellt. Scheinbar deswegen, weil Kersting selbst nicht von zwei sich komplett ausschließenden Ansätzen ausgeht, aber vor allem darum, weil im Zuge dieser Arbeit gezeigt werden soll, dass sich beide Ansätze in einer fruchtbaren Synthese verbinden lassen.

Der moralische Universalismus ist gegen einen Partikularismus ausgerichtet, welcher bestimmten Gruppen besondere moralisch relevante Rechte und Pflichten abverlangt. Diese Nivellierung der Besonderheiten von z.B. Solidargemeinschaften in moralischer Hinsicht, hat das Prinzip der Verallgemeinerbarkeit5 zum Grundsatz. Die moralische Relevanz steht und fällt mit dieser möglichen Verallgemeinerbarkeit der Maximen einer Handlung, welche nach dem Kategorischen Imperativ, hier für unser Vorhaben zweckmäßig nach der Universalisierungsformel, prüfbar ist:

„ Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz werde. “ 6

Dieses „allgemeine Gesetz“ erlaubt nun keine Ausnahmen aufgrund von besonderen Gründen, diese werden nun gerade geprüft und eventuell als nicht verallgemeinerbar und damit als vernunftwidrig verworfen. Das ist die Stärke des rein formalen Prinzips des Kategorischen Imperativs, dass er subjektive und neigungsbezogene Willensent- schlüsse jederzeit durch ein allgemeines Vernunftgesetz a priori auf ihre Universalisierbarkeit prüft. So nötigt das Vernunftgesetz den Willen zur moralisch hochwertigen Handlung. Von jedweden speziellen Verbindlichkeiten gegenüber Gruppen, wie z.B. der Familie, den Freunden oder Landes- oder Bundesgenossen, wird bei diesem prinzipiellen Verfahren vollkommen abstrahiert, was eine Kritik im Rahmen einer solidaritätsethischen Position als sinnvoll und notwendig erscheinen lässt.

Dieser Abstraktionsvorgang des universalistischen Prinzips soll hier als dialektisch verstanden sein, insofern er zwei sich widerstrebende Momente enthält. Dieses Prinzip ist die Abstraktion und also das Abziehen aller sonstigen Eigenschaften und nur zufälligen gesellschaftlichen Stellungen und Positionen von einem menschlichen Wesen, bis auf die allgemeinen Eigenschaften, nämlich die Vernunftbegabung und die damit auf das engste verbundene Freiheitsfähigkeit7 des Menschen.

Diese Totalabstraktion von allen sozialpolitischen und sonstigen Besonderheiten ist gleichzeitig die allgemeine, formale Stärke und die konkrete, materiale Schwäche des Kategorischen Imperativs.

2. Argumente für den Ansatz einer partikular ausgerichteten Solidarität

Von der Struktur her müssen Argumente für den Ansatz einer partikular ausgerichteten Ethik darauf abzielen, die Nivellierungen des universalen Ansatzes aufzugreifen und diese als eine relevante Vernachlässigung bestimmter ethischer bzw. moralischer Momente des menschlichen Lebens zu kennzeichnen. Es muss also zumindest gezeigt werden, dass es gute Gründe für eine Erweiterung der Idee des moralischen Universalismus gibt. Wolfgang Kersting geht es in seinem hier zur Bearbeitung herangezogenen Text8 nicht etwa um die Abschaffung der Geltung des moralischen Universalismus, sondern um die Eröffnung eines speziellen Geltungsbereiches für eben jene solidaritätsethischen Konzepte, welche die speziellen partikularen Normen und Verpflichtungen betonen.

Kersting plädiert in seiner Schrift für eine Synthese der universalistischen und partikularistischen moralischen Orientierung und nennt diese: „[...] eine vollständige, beide gleichermaßen umfassende Moralphilosophie.“9 Für die Zwecke speziell dieser Arbeit genügt zunächst ein systematisches Herausgreifen der entscheidenden Argumente für eine partikulare moralische Orientierung, um im weiteren Verlauf der Betrachtungen einen speziellen Versuch einer Synthese zu unternehmen, welcher durch das Spannungsverhältnis zum universalen Geltungsanspruch des Kategorischen Imperatives Kants seine Form gewinnt.

Kersting unterscheidet zunächst typologisch zwischen sozialen Beziehungen der Hilfe, der Gerechtigkeit und der Solidarität, und leitet jeweils spezielle Normgeltungen ab, wobei nur die letztere, also die „Normen der Solidarität“10, an bestimmte Bedingungen geknüpft ist. Es sind nun speziell diese Normen der Solidarität, welche partikularistischer Natur sind, eben weil deren Geltungsansprüche an jene Bedingungen geknüpft sind, während die beiden anderen Normen inklusiv und universell für alle Menschen gelten. An dieser Stelle bietet sich ein Zitat Kerstings an, weil es den operativen Kern seiner, als auch unserer weiteren Überlegungen treffend aus- buchstabiert:

„ Solidarit ä tsnormen sind hingegen partikularistischer Natur. Sie verpflichten nicht menschliche Individuen als menschliche Individuen, sondern als Mitglieder einer bestimmten sozialen Gemeinschaft; sie konstituieren somit auch keine inklusive Verpflichtungssymmetrie zwischen Menschen als Menschen, sondern nur eine partikular-exklusive Verpflichtungssymmetrie zwischen den Mitgliedern einer bestimmten Gemeinschaft; zwischen diesen und den anderen, den Nicht- Gemeinschaftsmitgliedern, besteht hingegen ein Verh ä ltnis der ethischen Asymmetrie. “ 11

Der Ansatz für eine partikular ausgerichtete Solidarität und die damit verbundenen Normen ist also das Aufzeigen von eben solchen Verpflichtungen und Bindungen, welche aus der Zugehörigkeit zu bestimmten Gruppen folgt. Dabei gelten die Normen als wechselseitig bindend, also nur innerhalb der Gruppe (partikulare Inklusion) und nicht in gleichem Maße gegenüber den Menschen außerhalb der Gruppe (Exklusion). Hier wird nun der Widerspruch zu universalistischen Moralprinzipien deutlich, welche ja immer für alle Menschen aufgrund ihres bloßen Menschseins gelten.

[...]


1 „Verhaftet“ im Sinne von begrifflich erfasst und möglichst klar und eindeutig erkannt. Dieser Sprachgebrauch ist aus ästhetischen Gründen von I. Kant übernommen.

2 Die beiden scheinbar konfligierenden Moral-Konzepte sollen schematisch (im Sinne einer einfach gehaltenen dialektischen Analyse) einander gegenübergestellt und auf ihren speziellen Geltungsbereich und dessen Grenzen untersucht werden.

3 Angeregt und inhaltlich ausgebaut durch die wertvollen Diskurse im Seminar zur Freundschaftsethik an der Universität Leipzig, im Wintersemester 2013/14.

4 Wie er in den „Grundlegungen zur Metaphysik der Sitten“ und in der „Metaphysik der Sitten“ beschrieben ist.

5 Nur wenn eine Maxime des Willens verallgemeinerbar ist, ist sie durch den rein formalen Kategorischen Imperativ und also vor der allgemeinen Vernunft gerechtfertigt.

6 Immanuel Kant, Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, Seite 53.

7 Vgl. dazu Immanuel Kant, Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, Seite 91-97.

8 Wolfgang Kersting, Internationale Solidarität, Suhrkamp Taschenbuch Wissenschaft, Frankfurt 1998.

9 W. Kersting, Internationale Solidarität, 1998, Seite 411.

10 Vgl. dazu W. Kersting, Internationale Solidarität, 1998, Seite 413 - 415.

11 W. Kersting, Internationale Solidarität, 1998, Seite 415.

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Details

Title
Moralischer Universalismus oder partikulare Solidarität?. Vermittlungsversuch zweier moralphilosophischer Konzepte
College
University of Leipzig  (Sozialwissenschaft und Philosophie)
Course
Modul: Angewandte Ethik; Seminar: Freundschaftsethik
Grade
2,0
Author
Year
2014
Pages
13
Catalog Number
V276196
ISBN (eBook)
9783656693048
ISBN (Book)
9783656695233
File size
422 KB
Language
German
Keywords
moralischer, universalismus, solidarität, vermittlungsversuch, konzepte
Quote paper
Ronny Daniel Kupfer (Author), 2014, Moralischer Universalismus oder partikulare Solidarität?. Vermittlungsversuch zweier moralphilosophischer Konzepte, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/276196

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