Übersichten erhaltener Werke antiker Autoren. Band 2: Aischylos, Sophokles, Euripides, Aristophanes


Fachbuch, 2014

81 Seiten


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Aischylos
Die Perser
Thebais: Sieben gegen Theben
Promethie: Der gefesselte Prometheus
Orestie: Agamemnon
Orestie: Die Totenspende
Orestie: Die Eumeniden
Danais: Die Schutzflehenden

Sophokles
Aias
Antigone
König Ödipus
Die Frauen von Trachis
Elektra
Philoktet
Ödipus auf Kolonos

Euripides
Alkestis
Medeia
Hippolytos
Hekabe
Andromache
Die Kinder des Herakles
Die Hilfeflehenden
Herakles
Elektra
Troische Tetralogie: Die Troerinnen
Helena
Iphigenie bei den Taurern
Ion
Die Phoinikerinnen
Orestes
Iphigenie in Aulis
Die Bakchen
Rhesos
Der Kyklop

Aristophanes
Die Archarner, Die Ritter
Die Wolken
Die Wespen, Der Frieden
Die Vögel
Lysistrate, Die Weiber am Thesmophorenfest
Die Frösche
Die Weibervolksversammlung
Plutos

Menander
Der Griesgram (Dyskolos)
Die Geschorene (Perikeiromene)
Der Schild (Aspis) oder Die Erbtochter (Epikleros)
Das Schiedsgericht (Epitrepontes)
Samia

Vorwort

In diesem Bändchen behandle ich alle erhaltenen griechischen Theater­stücke

Aischylos‘ Perser sind das älteste erhaltene Werk eines Athener Autors. Deshalb hier einige Vorbemerkungen:

[Die Athener Demokratie] Königsherrschaft in dem Sinne, daß das älteste Kind die Macht erbte (auch wenn z.B. ein jüngerer Bruder geeigneter war) ist in der Antike nahezu unbekannt. Königsherrschaft hieß hier, daß die Reichen und Mächtigen (sie selbst nannten sich die „Edlen“, Aristokraten,) aus ihren Reihen den Herrscher bestimmten. Der König regierte im Interesse der Reichen.

Zu Solons Zeiten gab es in Athen schon lange keine Könige mehr. Das war keine große Sache. (Kodros war noch König, sein Sohn Archon auf Lebenszeit, später wurde die Amtszeit auf zehn und schließlich auf ein Jahr begrenzt. Ab wann es mehre Archonten gab, ist unbekannt.) Wichtiger war die mit den Namen Solon verbundene Abschaffung der Schuld­sklaverei (um 593). Verarmte Athener blieben danach Bürger. Das Ziel dieser Maßnahme war, diese Bürger als Mitkämpfer im Krieg zu erhalten. Eine Folge dieser Maß­nahme war, daß Tyrannen möglich wurden. Im Gegensatz zum König stützte sich der Tyrann auf die Armen; und da die Armen keine Stimme haben und ihre Meinung über den Tyrannen ungehört, von keinen Chronisten aufgezeichnet, verhallt, wurde Tyrann ein schlechter Name.

Die bedeutendsten attischen Tyrannen waren die Peisistratiden. Unter ihrer Herrschaft erreichte Athen seine erste Blüte. Hippias, der Sohn des Peisistratos, wurde 510 mit Hilfe der Spartaner gestürzt. Als die neuen Herren die Zustände der Zeit vor den Peisistra­tiden wiederherstellen wollten, wurden sie gestürzt. Die Athener suchten einen neuen Peisistratos und fanden ihn in Kleisthenes. Schon dessen Vater Megakles hatte mit Peisi­stratos um die Tyrannenherrschaft gekämpft. Mit seiner Einteilung der Bürgerschaft in zehn Phylen zerschnitt Kleisthenes die vielfältigen Bande zwischen den mächtigen, alten Familien und der übrigen Bevölkerung. Damit die Neubürger nicht mehr an ihren Vaternamen erkenntlich waren, verordnete er die Benennung nach der Heimatgemeinde. Aus Aischylos, dem Sohn des Euphorion wurde Aischylos aus Eleusis. Aber was wäre passiert, wenn Kleisthenes nicht wenig später gestorben wäre? (Wir haben keine Nachrichten über sein Ende.) So gelten die ersten Schritte seiner Herrschaft als die Begründung der Athener Demokratie, die wenig später in den Perserkriegen ihre erste Bewährungsprobe zu bestehen hatte.

Die Peisistratiden und später die demokratischen Machthaber taten etwas für die Armen: Entlohnungen für die Tätigkeit als einer der 6000 Richter und für den Besuch der Volksversammlung wurden eingeführt. Trotz des Peloponnesischen Krieges führte Kleophon um 410 die diobelia (d.h. zwei Obolen, nach dem anfänglichen Tages­betrag der Leistung), eine Staatspension für arme Bürger ein. Nach der Niederlage im Bundesgenossenkrieg 355 flossen alle Staats­einnahmen in das theorikon, die schon zu Perikles‘ Zeiten eingerichtete Kasse für staatliche Unterstützungszahlungen an Bürger. (Von theoria, Schau. Ursprünglich sollten diese Gelder den Besuch der Theateraufführungen ermöglichen.) – Natürlich wurde der freie Bürger, der sein Schiff ruderte, um sich zu verteidigen, dafür nicht bezahlt Aber er mußte sich ernähren, und dafür erhielt er dann doch Geld.

Die Athener verteidigten ihre Demokratie, um sich ihre Einkünfte zu erhalten, und sie schlossen Fremde aus, um diese Einkünfte nicht mit ihnen teilen zu müssen. Perikles’ Aufstieg begann 451 mit einem Gesetz, das Menschen, die nicht von beiden Seiten von Athenern abstammten, das Bürgerrecht entzog.

Die armen Athener verteidigten die Demokratie, indem sie weder Politiker noch Beamte über sich duldeten. Die Ämter wurden entmachtet. Dem Rat und seinem ständigen Ausschuß, der Prytanie, gehörte jeder Bürger einmal an, die Archonten wurden ab 487 erlost, die zehn Strategen kontrollierten sich gegenseitig und verloren später auch ihre Bedeutung. Redner, die in der Regel kein Amt bekleideten, versprachen dem versammelten Volk die Erfüllung seiner Wünsche. Aber diese Redner waren oft nur Strohmänner. Mit der Einbringung einer Gesetzesinitiative war das Risiko verbunden, wegen Gesetzwidrigkeit angeklagt und zu einer hohen Geldstrafe verurteilt zu werden (Graphe paranomon). Deshalb schickten die eigentlichen Führer junge Leute oder Außenseiter vor, die bereit waren, das Risiko zu übernehmen. – Alles wurde direkt vom Volk entschieden. Redner und Philosophen behandelten die Frage, ob das Volk dabei an seine früheren Beschlüsse gebunden sei.

Zur Ausführung lästiger, geringgeschätzter und dennoch eine gewisse Erfahrung erfordernder Gemeinschaftsaufgaben gehörten der Gemeinschaft Sklaven. Später wurden Staatsklaven auch mit wichtigen Verwaltungsaufgaben betraut. Daß sie es dabei nicht selten zu einem beträchtlichen Vermögen brachten, nahm man in Kauf: Ein bestechlicher Sklave war im Gegensatz zu einem mächtigen Amtsträger aus der Bürgerschaft keine Gefahr für die Demokratie.

Die Athener Demokratie war sehr stabil. Zweimal wurde ihre Herrschaft für wenige Monate unterbrochen: Aufgrund der Friedenssehnsucht nach der gescheiterten Sizilianischen Expedition und der Abwesenheit der Flotte mit tausenden armen und deshalb demokratisch gesinnten Ruderern konnten sich in Athen 411 die Gegner der Demokratie durchsetzen und die Einführung eines Zensus (das heißt eines Mindest­vermögens für die Teilhabe an der Macht) vorschlagen. Und nach der Niederlage im Peloponnesischen Krieg 404 glaubte man, sich unter einer Oligarchie besser mit den Siegern arrangieren zu können. Doch beide Male wurde die Demokratie rasch wieder­hergestellt. Die Reformen nach der Niederlage im Bundesgenossenkrieg 355 und später im Schatten Alexander des Großen zeigen die Kraft der Athener Demokratie.

[Die Steuern der Athener] Ein Teil der Kriegsbeute wurde auf der Burg der Göttin geweiht, das heißt für künftige Notfälle zurückgelegt. Eine andere Einnahmequelle war die Verpachtung der Silberbergwerke. Später kamen von den Bundes­genossen erpreßte Beiträge hinzu. Zuletzt machten Zölle, Markt- und Hafen­gebühren und die Steuern der Fremden, die sich in der Stadt niederließen um Handel zu treiben oder bei Isokrates, Platon und ihren Erben zu studieren, einen immer größeren Anteil an den Einnahmen aus. – Wenn das Geld knapp wurde, konnte es geschehen, daß ein reicher Metöke oder auch Bürger unter einem Vorwand verurteilt wurde, um sein Vermögen verteilen zu können.

Die Vorstellung, dem Staat Steuern zu zahlen, war einem freien Athener genauso fremd wie – wenigstens in der frühsten Zeit – der Gedanke, für der Gemeinschaft geleistete Dienste bezahlt zu werden. Er sah sich als freien Menschen, der niemanden, auch keinen Staat und keine Regierung über sich hatte. Aber es bestand oft ganz unübersehbar die Notwendigkeit gemeinsamen Handelns. Entweder, man wehrt sich gemeinsam mit allem was man hat gegen Angreifer – oder man wird getötet oder versklavt oder verliert sein Eigentum. Die Einen brachten Schild und Schwert zum Kampf mit, die Reicheren unterhielten Pferde. Da man auch nach Köpfen stark genug sein mußte, verbot Solon die Schuld­sklaverei und ließ ins Ausland verkaufte Athener Bürger auslösen. Das Erbrecht sollte verhindern, daß Frauen, die aufgrund ihres Geschlechtes nicht mitkämpfen konnten, Land erbten. Jedes Landlos sollte ja einen Reiter oder Hopliten (Schwerbewaffneten) ernähren (Daß der Besitzer eines Land­loses zu alt zum mitkämpfen war, war genauso undenkbar, wie daß er zu alt wäre, das Land zu bestellen.) – Gemeinsam baute man Schiffe (daraus wurden staatliche Werften), die Wohl­habenden übernahmen den Unterhalt der Schiffe (die Trierarchie), die ganz Armen, die sich nicht mal ein Schild leisten konnten, ruderten. – Fremde (in Athen hießen sie Metöken) zahlten Steuern, weil sie nicht mitkämpften. (Daß später auch Metöken Kriegsdienst leisten mußten, änderte daran nichts.)

Die meisten attischen Reiter liebten ihre Pferde und waren gerne Reiter, obwohl das höhere Kosten bedeutete. Andererseits galt jemand, der sich als Hoplit mustern ließ, obwohl er nach seinem Vermögen Reiter sein müßte, nicht als Steuerhinterzieher, sondern als besonders demokratisch gesinnt. Die Reiterei wurde als aristokratische Waffengattung mit Mißtrauen betrachtet. Um die Reiterei zu vergrößern und zugleich zu demokratisieren, erhielten die Reiter später einen Zuschuß zum Unterhalt der geforderten zwei Pferde und des Pferdeknechtes.

Der Ursprung der Trierarchie lag vermutlich darin, daß Reiche Leute auf eigene Kosten Schiffe zur Bekämpfung der Piraten oder für einen Raubzug ausrüsteten. Auch später wurden in einzelnen Fällen Trierarchien übernommen, um Geltung und Achtung zu gewinnen. Wohlhabende Menschen übernahmen aus diesen Gründen oft auch die Ausstattung eines Festes (dabei insbesondere des Chores, deshalb der Name Choregie,) oder eines sportlichen Wett­kampfes. Die teuersten und ehrenvollsten Choregien waren nicht die für einen tragischen Chor (wo die Sänger dem Inhalt des Stückes entsprechende Kostüme trugen), sondern für die Dithyrambenchöre am ersten Tag der Dionysien, wo jeder der zwanzig Choregen fünfzig Männer oder Knaben mit prunkvollen, oft mit Gold verzierten Gewändern ausrüsten mußte. Und die Männer und die Väter der Knaben, selbst­bewußte attische Bürger, erwarteten, die Prunk­gewänder behalten zu dürfen Mit der Zeit wurde der soziale Druck zum Mitmachen institutionalisiert. Wer meinte, man habe ihn zu Unrecht zu einer Trierarchie oder Choregie herangezogen, konnte protestieren: „Seht den, der ist viel reicher“, und dieser mußte entweder die Leistung übernehmen oder mit dem ursprünglich Bestimmten sein gesamtes Vermögen tauschen. (Wie es bei einem Vermögenstausch [Antidosis] zuging, können wir in Demo­sthenes’ Rede Gegen Meidias lesen.) – Im Jahre 362 wurden nach einer Niederlage Trierarchen angeklagte, weil sie ihre Trierarchie durch Unternehmer besorgen ließen. Das gehört zu den Auswüchsen der radikalen Demokratie, das Wesentliche bei einer Trierarchie oder Choregie war zu dieser Zeit längst die blanke Zahlung. Es war ja kaum denkbar, daß z.B. Isokrates, der nach einer Antidosis-Klage noch mit 82 Trierarch wurde, selbst auf dem Schiff mitfuhr.

Die tatsächliche oder vorgebliche Bindung an eine persönliche Tätigkeit begrenzte die Höhe der Aufwendungen: Ein reicher Mann mußte alle zwei bis drei Jahre ein Summe, die vielleicht ein Zehntel seines Vermögens ausmachte, für den Unterhalt eines Schiffes aufwenden. Aber einer, der das zehn- oder hundertfache besaß, mußte auch nicht mehr zahlen Lange schossen die Reichsten die Aufwendungen für die Schiffsausstattungen vor und die weniger reichen Trierarchen mußten ihnen diese Vorschüsse erstatten. Dabei machten sie laut Demosthenes noch einen Gewinn Später konnte die Be­lastung bis zur Ausstattung von drei Schiffen und einem Beiboot steigen, zugleich gab es Trierarchien, die sich mehrere Bürger teilten.

Berlin-Friedrichshagen, den 03.07.2014

Hans Belde

Aischylos

Thespis zog übers das Land, studierte bei örtlichen Kultfesten die Chöre ein und trat ihnen beim Auftritt als Sprecher gegenüber, um mit Reden und Fragen Anlaß zu immer neuen Tänzen zu geben. Solon verbot die nach einem lokalen Brauch Satyr­masken tragenden Chöre (Plutarch, Solon 29 – von den Bocksfüßen der Satyre stammt das Wort Tragödie); erst Peisistratos ließ Thespis bei den Athener Dionysien auftreten. – Im demokratischen Athen wurden die Chöre nicht mehr von fahrenden Sängern, sondern aus Bürgern gebildet. Am Vorabend der Dionysien wurde das Kultbild des Gottes, ein Phallus, in das Theater gebracht, am ersten Tag trug aus jeder der zehn Phylen ein fünfzigköpfiger Knabenchor und ein ebenso starker Männerchor einen Hymnus zu Ehren des Gottes vor, am zweiten Tag fand der Komödien­agon statt. Darauf folgten an drei Tagen drei ebenfalls fünfzigköpfige Tragödienchöre. Die Ausstattung der Aufführung, die Choregie, übernahmen reiche Bürger. Fanden sich keine Freiwilligen, wurden sie vom Archon bestimmt; und so wurde aus der Choregie eine leitourgia, eine Steuer. Der Autor des unter Xenophons Namen überlieferten Staat der Athener schrieb, daß die Chöre die Reichen ärmer machen und den Armen Gelegenheit zum Geldverdienen geben sollen. Die Zahl von tausend Sängern am ersten Tag zeigt, daß die Chöre als Arbeits­beschaffungsmaßnahme dienten. Später – vielleicht als Abfindung, als für die Tragödienaufführungen doch wieder pro­fessionelle Chorsänger beschäftigt wurden – erhielten ärmere Bürger schon für den Besuch der Dionysien und anderer Feste aus einer speziellen Kasse, dem theorikon, pro Tag zwei Obolen.

Die Tragödienchöre wurden im Laufe der Zeit in Teilchöre geteilt, von denen nur der letzte Satyrmasken behielt. Die davor auftretenden Chöre und der Sprecher – alles Männer – trugen andere Masken. Damit schied sich das Satyrspiel von der Tragödie. Mit den Satyrmasken wurde das Wilde, Rauschhafte abgelegt. Bald kam ein zweiter und dritter Sprecher oder besser Schauspieler hinzu. (Nach Wilamowitz gab bei der Orestie der erste Schauspieler Kassandra und Orestes, der Zweite Klytaimestra und die anderen Frauenrollen, der Dritte alle übrigen Rollen. Der erste Schauspieler hat erst in der zweiten Hälfte des ersten Stückes seinen beeindruckenden Auftritt; der Zweite hatte die meisten Verse vorzutragen, darunter viele Reden; vom Dritten wurde kaum Gesang und schauspielerische Aktion verlangt.) – Von Thespis und seinen Zeit­genossen Choirilos sind noch nicht einmal Titel erhalten. Von dem nächsten Autor, Pratinas, berichtet die Suda, daß unter seinen 50 Stücken 32 Satyr­spiele waren. Als Tragödientitel sind u.a. Perseus und Tantalos überliefert. Phrynichos schrieb Aigyptioi, Alkestis, Danaides; Titel wie wir sie auch von späteren Dichtern kennen. Aber Phrynichos brachte auch zeitgeschichtliche Ereignisse auf die Bühne. Herodot berichtet: „Als Phrynichos ein von ihm gedichtetes Schauspiel Die Einnahme von Milet aufführte, brach das ganze Theater in Tränen aus, und die Athener nahmen ihn in eine Strafe von 1000 Drachmen, weil er sie an ein für sie so schmerzliches Ereignis erinnert hatte, verordneten auch, daß das Stück nie wieder aufgeführt werden dürfe.“ (VI 22) 476 wurden Phrynichos’ Poinissen aufgeführt. Aus der Hypothesis, der antiken Inhaltsangabe zu den Persern von Aischylos, wissen wir, daß am Anfang der Phoinissen ein Eunuch den Saal für die Sitzung des persischen Rates besorgte und dabei von Salamis berichtet. Den Namen trug das Stück nach dem Chor, der phönizische Sklavinnen, offenbar die Witwen der gefallenen Ruderer, vor­stellte; er wird vermutlich Klagelieder gesungen haben. Aischylos’ 472 aufgeführte Perser, die älteste erhaltene Tragödie, ist eine Bearbeitung der Phoinissen. Themi­stokles war Chorege bei den Poinissen und der junge Perikles bei den Persern.

Ob die Perser in einer inhaltlichen Beziehung zu den anderen Stücken standen, mit denen sie aufgeführt wurden, ist umstritten. Alle anderen von Aischylos erhaltenen Stücke standen vermutlich mit den anderen am gleichen Tag aufgeführten in einem inhaltlichen Zusammenhang. Von seiner Darstellung des Epos in einer zusammen­hängenden Tetralogie hat sich ein Musterbeispiel in der Orestie erhalten. In der Danai s (von der nur das erste Stück überliefert ist) ließ Aischylos vielleicht wieder einen ungeteilten fünfzigköpfigen Chor die fünfzig Töchter des Danaos darstellen. Die Promethie bestand vielleicht nur aus zwei Tragödien, die Formen waren noch nicht erstarrt. Die Ilias dramatisierte Aischylos in der Achilleis: Die Myrmidonen zeigten die Gesandtschaft, die Entsendung von Patroklos und endeten damit, das Achill die Nachricht von dessen Tod erhält. Zwischen Gesandtschaft und der Entsendung Patroklos’ hat Aischylos eine Szene eingefügt, die sich in der Ilias nicht findet. Darin drohen die Griechen Achill als Verräter zu steinigen. Aischylos spitzt den Konflikt zu, dafür macht er sogar Patroklos zu Achills Geliebten (Platon Symposion 180a). Das zweite Stück der Tetralogie hieß nach dem Meernymphen im Gefolge der Thetis Die Nereiden, das dritte Die Phrygier, vermutlich stellte hier der Chor das Gefolge des bittend zu Achill kommenden Priamos dar. Wie wir aus Aristophanes’ Fröschen wissen, nahm Achill Priamos’ Bitten mit regungslosem Schweigen entgegen. Von Aischylos’ Dramatisierung der Odyssee sind nur die Titel erhalten: Psychagogoi (Odysseus’ Fahrt in die Unterwelt, wo er die Seelen der vor Troja gefallenen Helden trifft), Penelope, Die Knochen ­sammler (die Versöhnung mit den Verwandten der erschlagenen Freier); das Satyrspiel hieß Kirke. Eine andere, ganz verlorene Tetralogie behandelte die Aias-Geschichte. – Auf ein verlorenes Stück will ich noch hinweisen: Niobe prahlt, daß sie viele Kinder habe, während die Göttin Leto nur zwei hat. Zur Strafe töten Letos Kinder Apoll und Artemis sämtliche Kinder der Niobe. (Die Geschichte erzählt in der Ilias [24,602ff] Achill Priamos, um ihm zum Essen zu bewegen; auch Niobe habe wieder gegessen.) Aischylos Niobe begann nach dem Tod der Kinder, zeigte eine regungslose Niobe, die (wie Achill in den Phrygiern [Vgl. Aristophanes Frösche 910ff]) verhüllt auf der Bühne sitzt und zuletzt ver­steinert. Platon zitiert daraus „aitia (Grund, Schuld) läßt Gott wachsen bald, / wenn er zu Boden schmettern will ein Haus.“ (Staat 380a)

Aischylos erlebte den Sturz der Peisistratiden und die Reformen des Kleisthenes. Als die Perser aus Strafe für die (von der Bühne mit der Einnahme von Milet propagierte) Unter­stützung des ionischen Aufstandes einen Feldzug nach Griechenland unter­nahmen, wählten die Athener den Philaiden Miltiades zu ihren militärischen Führer. Miltiades war einst von Peisistratos als eine Art Statthalter nach der Chersonesos entsandt worden und nahm am Skytenzug des Dareios teil. Unter Miltiades siegten die Griechen 490 bei Marathon, dabei kämpfte auch Aischylos mit. Aber schon im folgenden Jahr entging Miltiades nur knapp einem Todesurteil. Auch bei dem Sieg über die Flotte des Xerxes bei Salamis zehn Jahre später war Aischylos beteiligt. Es fällt auf, das Aischylos in den Persern keinen einzigen Griechen namentlich erwähnt. Er schildert eine Kriegslist des Themistokles (353ff, vgl. Herodot VIII 75), ohne ihn zu nennen; vielleicht, weil er zum Zeitpunkt der Aufführung schon aus Athen ver­bannt war. – Nach der Entmachtung des Areopags und der Ermordung des Politikers Epihaltes zeigte Aischylos in der Orestie die Einsetzung des Areopags durch die Göttin Athene und warnte vor einem Bürgerkrieg: „Aufruhr, unersättlich im Leid, / tose nie durch diese Stadt / Trinke nie der Boden das schwärzliche Blut / der Bürger und fordre, zornberauscht, / nie widermordende Sühne“ (Eumeniden 978ff) – Die Perser trugen Aischylos Einladungen in andere Städte ein. Für Tyrannen Hieron von Syrakus schrieb er Die Frauen von Aitnai. Aischylos starb 456 in Gela auf Sizilien.

Die Perser

Der alte persische Würdenträger vorstellende Chor singt in seinem Einzugslied von seiner Sorge: Schon lange blieb jede Nachricht vom Heer aus. Die Königin Atossa tritt auf und erzählt von einem unheilverheißenden Traum. Schließlich kommt der Bote und beendet die Ungewißheit mit der Nachricht von der Niederlage bei Salamis. „Wer ist nicht tot?“ fragt Atossa, und der Bote antwortet: „Der König Xerxes selber lebt und sieht das Licht.“ (296, 299), bevor er die vielen gefallenen Großen nennt. Sein von vielen Fragen unterbrochener Bericht wird mit lautem Schmerzensgeschrei aufgenommen. Dann erscheint der Geist des Dareios, führt das Unglück auf den Übermut des Xerxes zurück, der sich insbesondere darin zeigte, daß dieser über den Hellespontos, der Meerenge zwischen Asien und Europa, eine Brücke schlug „Sterblich, meint’ er, alle Götter / ja Poseidon zu bemeistern. Kam nicht Krankheit des Gemüts / über meinen Sohn?“ (749ff, vgl. Herodot VII 35) Zuletzt erscheint Xerxes selbst, weinend, schluchzend, vor Schmerz kreischend. – Der Chor singt: „Die aber im asiatischen Land / befolgen nicht länger der Perser Gesetz; / sie zollen fürderhin unter dem Zwang / des Herrschers keine Tribute mehr (…) Und länger bleibt den Sterblichen nicht / die Zunge im Gewahrsam; frei / zu reden ist nun entfesselt das Volk.“ (584ff)

Thebais: Sieben gegen Theben

Das Stück war die letzte Tragödie der Thebais (Laios, Ödipus, Sieben gegen Theben, Sphinx): Am Anfang spricht Eteokles in voller Rüstung zu den Bürgern Thebens: Er gönnt sich keinen Schlaf; wenn Glück beschieden ist, stammt es von Gott, für eine Niederlage trüge er allein die Verantwortung. Alle sollen, jeder mit seiner ganzen Kraft, an der Verteidigung der Stadt mitwirken. Der Bote berichtet von den Vorbereitungen der Feinde. Beide ab. – Der Chor der thebanischen Jungfrauen stürmt in panischer Angst auf die Bühne und flüchtet an alle Altäre, zu Ares, Zeus, Pallas, Kypris, Artemis, Hera und Apollon. Eteokles kommt zurück und weist sie eindringlich zurecht: so zu den Götter zu flehen verbreite nur Angst, „Die Götter ziehen fort aus einer Stadt, die fällt.“ (266), richtig sei vielmehr für den Sieg reiche Opfer zu versprechen. – Dann stellt der Bote den vor dem ersten Tor stehenden Feind vor und Eteokles den ihm gegenüberstehenden Verteidiger. Das wiederholt sich für jedes der sieben Tore, es sind siebenmal zwei Helden­lieder. Der Chor fügt jeweils ein Gebet an. Beim siebenten Tor bestürmt er Eteokles umsonst, nicht selbst seinem Bruder Polyneikes gegenüberzutreten. – Nach einem Chorlied berichtet der Bote von Sieg und dem Tod der beiden Brüder. Der Chor singt: „O finsterer Fluch vom Haus / des Ödipus, der sich nun erfüllt“ (802f) Der Trauerzug naht und teilt sich in widerredende Halbchöre. Der Auftritt von Antigone und Ismene und der anbrechende Streit um Polyneikes Bestattung ist eine spätere Einfügung.

Promethie: Der gefesselte Prometheus

Nach dem Umsturz verfolgt der neue Machthaber auf grausame Weise seine Feinde. Zwei seiner Knechte führen einen seiner Gegner zu einem Felsen, an den ihn ein biederer Handwerker schmieden muß: „O tief verhaßte, meiner Hände Fertig­keit“ (45) Ein alter Gefährte, der rasch auf die Seite der neuen Macht wechselte, erscheint, und versucht ihn zu gleichem zu überreden. Später taucht ein Mädchen auf, das vor den Nachstellungen des neuen Machthabers und seiner eifersüchtigen Frau flüchtet, und zuletzt kommt ein Bote, der mit fürchterlichen Drohungen Aussagen von dem Gefangenen erpressen will. Dieser beugt sich nicht, und indem die angedrohten neuen Qualen Wirklichkeit werden, endet das Stück. – Der neue Machthaber ist Zeus, der seinen Vater, den Titanen Kronos stürzte, so wie dieser sich zuvor gegen seinen Vater Uranos empörte. Der Handwerker ist Hephaistos, der alte Gefährte ist Okeanos, das Mädchen ist Io (Prometheus Vorhersage ihrer weiteren Flucht ist ein noch erstaunlicheres geographisches Bild als der Weg der Feuerpost im Agamemnon), der Bote ist Hermes; einer nach dem anderen tritt auf, dazwischen singt der Chor. Der Gefangene ist Prometheus, der zuerst Zeus gegen Kronos unterstützte, sich aber später Zeus widersetzte, indem er den Menschen das Feuer und andere Techniken gab. Im gefesselten Prometheus ruft er aus: „Ich hasse alle Götter / die für die Wohl­tat wider Recht mir Böses tun.“ (975) – Auf den Gefesselten Prometheus folgte der Befreite Prometheus, von dem wir durch Fragmente wissen, daß er zeigte, wie Herakles mit einem Pfeil den Adler erlegt, der alle zwei Tage an Prometheus’ Leber fraß. Prometheus konnte die Schmerzen nicht mehr ertragen, und sucht ein Ende seiner Qual. (Cicero überliefert in lateinischer Übersetzung ein paar Verse [Gespräche in Tusculum II 26].)

Orestie: Agamemnon

„Zu den Göttern fleh ich um Erlösung von der Pein / jahrelangen Wächterdienstes. Auf den Arm gestützt, / nach Hundes Art gestreckt auf der Atriden Dach (…) / schau ich nach dem Flammenzeichen aus, / dem Feuerschein, der uns aus Troja Kunde bringt / und Botschaft seines Falls. Denn so gebraucht die Macht / das vorbedachte, männlich planende Herz der Frau.“ (1ff) An diesem Tag wird das Flehen des Wächters erhört, in der Ferne flammt ein Schein auf. Aber seine Freude ist nicht ungetrübt, der Wächter ist eingeweiht. – Der Chor der argivischen Greise zieht ein, singt von dem schon zehn Jahre dauernden Krieg, fragt: „Königin, / Klytai­mestra, (…) / was hat du erfahren, was ist geschehen? / Wessen Kunde vertraust / du, ringsum Opfer anordnend?“ (83) und erinnert, während er Opfer­handlungen ausführt, an ein anderes Opfer: „Zeus, wer er auch sei, wenn so / zu heißen ihm lieb (…). Schwoll einst ein Gewaltiger auch / von trotziger Kraft – / wer sagt, daß er war? Dem Sieger erliegt / auch, der ihm folgt [Kronos und Uranos]. / Die Fülle der Einsicht aber gewinnt, / der feiert mit Ernst den Triumph Zeus’. / Weise zu sein wies er den Weg / den Sterb­lichen, und er setzte dies: / Daß aus Leid wir lernen.“ (160ff) Als in Aulis widrige Winde das Heer aufhielten, beschlossen die Herrscher die Jungfrau zu opfern. „Zu Boden ergießend das Safrangewand, / trifft mit erbarmenheischenden Pfeil / des Blicks sie jeden der Schlächter, / voll Anmut, einem Gemälde gleich, / zu reden gewillt, so wie sie oft / an schöner Tafel im Männersaal / des Vaters gesungen, und Glanz verlieh (…) mit keuscher Stimme. / Das Weitere sah und sage ich nicht. (…) Künftiges sei dir kund / erst wenn’s geschieht. Nicht rühre daran / Es wissen, hieße klagen zuvor.“ (238ff)

Klytaimestra verkündet: „Die Stadt des Priamos fiel in der Argeier Hand.“ (267) Als der Chor ungläubig nach der Herkunft der Nachricht fragt, antwortet sie: „Brand auf Brand entbot die Feuerpost bis her / zu uns. Der Ida erst zu Hermes’ Vorgebirg / auf Lemnos. Von der Insel großen Fackelschein / empfing sodann des Athos Gipfel, Zeus geweiht. (…) Und bot, so wie die Sonne wohl ihr goldenes Licht, / der Warte auf Makistos’ Höhn den Schein des Kiens. / Sie zögert nicht und waltet, keineswegs von Schlaf / sorglos benommen, treulich ihrer Botenpflicht. / Und weiter zu Euripos’ Fluten gibt der Schein / der Fackel sich den Wächtern auf Messapios kund (…). So habe ich der Flammenträger Gesetz bestimmt, / und wechselnd einer nach dem andren hat’s erfüllt.“ (282ff) Der Chor staunt. Klytaimestra beschreibt das gefallene Troja und mischt dunkle Ahnungen ein: „Nun bewohnen sie der kriegsgefangenen / Trojaner Häuser (…) und gleich Wohlhabenden, so schlafen sie / die ganze Nacht, die keiner Wache mehr bedarf. / Und wahren sie die Scheu vor des besiegten Lands / stadtschirmenden Gottheiten und der Götter Sitz, / so werden wechselweis die Sieger nicht besiegt. / Indes befalle ja das Lager keine Gier, / zu plündern, was sich nicht gebührt. (…) So könnt es wohl geschehen, daß der Toten Fluch / beschwichtigt wird.“ Der Chorführer antwortet: „Nach weisen Mannes Art verständig sprichst du, Frau.“ (334ff) Klytaimestra geht in den Palast.

Nach dem nächsten Chorlied tritt ein Bote auf, jubelt, die Heimat wiederzusehen, und berichtet von Trojas Fall. Die knappe Erwiderung der Greise verwundert ihn, er fragt, doch sie wollen lieber schweigen. So herabgestimmt berichtet er von den Nöten des Krieges, der Enge auf dem Schiff, im Lager Nässe, Ungeziefer und Winter, in denen der Ida so eisigen Schnee hinunterschickte, daß die Vögel tot vom Himmel fielen. Klytaimestra tritt aus dem Palast: „Schon früher jubelte ich auf in Wonnelust, / als zu uns zuerst der Feuerbote kam bei Nacht, / den Fall und die Zerstörung Ilions kundzutun. / Da waren Leute, die mich tadelten: >Beschwatzt / durch Feuerwächter, glaubst du, Troja sei zerstört? / Wie leicht wird eines Weibes Herz doch aufgeregt< / Für solche Leute schien ich einer Irren gleich. / Ich brachte dennoch Opfer (…) Was braucht es deiner langen Rede noch?“ (587ff) Sie eilt fort, um den Empfang ihres Gatten vorzubereiten. Der Bote berichtet dem Chor, wie sich bei der Rückfahrt das sturmgepeitschte Meer mit Schiffsgebälk und Leichen füllte.

Dann trifft Agamemnon ein. Der Chor begrüßt ihn: „Wohlan, o König, der Troja zerstört, / des Atreus Sproß, / wie red ich dich an? Wie ehr ich dich? (…) Als du das Heer entbotest / um Helenas willen – ich berge es nicht –, / erschienst du mir überaus häßlich gemalt, / ein Mann der die Ruder seines Verstands / nicht klüglich fühlt, wenn er Kühnheit sich / verschafft durch sterbende Krieger.“ (782ff) Agamemnon fertigt ihn kurz ab: „Der erste Gruß kommt Argos und den Göttern zu, / den heimischen, die mir behilflich waren, zurück- / zukehren und mir Recht zu schaffen von der Stadt / des Priamos. Die Götter nämlich hören nicht / auf Rechtsgeschwätz.“ (810ff) Klytai­mestra gelingt es geschickt, Agamemnon weiter seinem Volk zu entfremden: „Ihr Bürger, Argos’ Älteste, versammelt hier / Nicht hält die Scham mich ab, euch kund­zutun, wie sehr / ich meinen Gatten liebe“ Er war so lange weg, Gerüchte meldeten mehrfach seinen Tod. Deshalb hat sie seinen Sohn Orestes bei seinem Waffenbruder, dem Phoker Strophios, in Sicherheit gebrach. Er hielt ihr die Gefahr vor Augen „wenn das herrenlose Volk / den Rat der Alten stürzt. Eingeboren ist´s / den Menschen nämlich, noch zu stoßen, den der fällt. (…) Nun jedoch, / geliebtes Haupt, / verlasse diesen Wagen. Aber setze auf / den Boden nicht den Fuß, der Ilion zertrat. / Ihr Mägde, warum säumt ihr noch? Obliegt euch nicht, / die Teppiche zu bereiten auf den Grund des Wegs? (…) [Agamemnon:] O Sproß der Leda (…) Der Zeit der Trennung gleichst du deine Rede an. / Lang dehnst du sie aus. (…) Doch bringe keine Huldigung mir dar, als wär ich ein / Barbarenheld. (…) Die reichgewirkte Pracht / vermöcht ich niemals zu betreten ohne Scheu. / Ich möchte als Mensch geachtet sein, nicht als ein Gott. (…) [Und weiter in Wechselrede] Nein, sage solches gegen meinen Willen nicht. / Den eignen opfern mag ich nicht. Du weißt es wohl. / Hast eingeschüchtert du den Göttern dies gelobt? (…) Was hätte Priamos getan nach solchen Sieg? / Er wäre auf den Prunk getreten, glaub ich wohl. / So fürchte denn der Menschen Tadel gleichfalls nicht. / Doch immer hat des Volkes Stimme große Macht. / Der nie Beneidete wird auch nie bewundert sein.“ (855ff) Agamemnon gibt nach und läßt sich nur noch die Schuhe ausziehen, bevor er sich vor den Augen des Volkes über purpurne Teppiche in das Haus führen läßt.

Klytaimestra kehrt zurück um Kassandra zu holen. Sie lockt: „Du bist / begünstigt durch den alten Reichtum deiner Herrn. / Die unverhofft sich schöne Ernte eingebracht, / sind zu den Sklaven rauh in allem übers Maß. / Von uns jedoch wird dir zuteil, was üblich ist.“ (1042ff) Kassandra bleibt stumm, Klytaimestra fragt den Chor, ob sie nur die Barbarensprache kenne. Schließlich wird es ihr zu bunt und sie geht wieder ab. Da bricht es aus Kassandra: „Apollon Apollon (…) Wohin entführst du mich? / [Chorführer:] Zum Hause der Atriden; wenn du’s nicht gewußt (…). / [Kassandra:] Ein gottverhaßtes also, das um vieles weiß: / Von bösen Mord und abgehau­enem Haupt, / ein Menschenschlachthaus und ein Flur, von Blut bespritzt.“ (1085ff) Auf ruhige Augenblicke, in der sie der Chor ausfragt, folgt wieder „ein ungeheurer Krampf der Wahrsagung“: „Tot / die Knaben, hingemordet von verwandter Hand, / mit eigenen Fleisch die Hände angefüllt zum Mahl / Gekrös und Eingeweide, Bürde, jammervoll, / wovon der Vater kostet, tragen sie zur Schau. / Auf Rache sinnt dafür ein Leu (…). Der Fürst der Schiffe aber, Zerstörer Ilions / weiß nicht, wie der verfluchten Hündin Zunge, nun / sie heiteren Sinns gesprochen und gedehnt das Wort, / nach Art der tückischen Ate auf Verderben sinnt. (…) / [Chorführer:] Das Mahl Thyests, der seine Kinder Fleisch verzehrt, / versteh ich schaudernd (…). Doch als noch andres laut ward, fiel ich aus der Bahn. [In Wechselrede:] Ich sage: Agamemnons Ende wirst du sehn. / Unselige Hüte dich Beschwichtige deinen Mund (…) / Du sprichst Gebete. Jene dort bereiten Mord. / Wer ist der Mann, der dies Entsetzliche vollbringt? / Verloren hast du gänzlich meiner Sprüche Spur.“ (1218ff) – Im nächsten Anfall sieht Kassandra ihren Tod. Sie geht in den Palast. Der Chorführer fragt: „Kennst du dein / Geschick in Wahrheit, warum gehst du unverzagt / nach gottgetriebenen Tieres Weise zum Altar? / [Kassandra:] Kein Aufschub ist, ihr Freunde, keine Rettung auch. / [Chor­führer:] Doch hoch gepriesen wird der letzte Augenblick. / [Kassandra:] Der Tag ist da, nur wenig hülfe mir die Flucht.“ (1296ff). Vor dem Tor schaudert sie noch mal zurück. Dann tritt sie ein. Kurz danach ist Agamemnons Todesschrei zu hören. Der ratlose Chor zerfällt in Einzelstimmen. Die Ersten wollen handeln, den Tod der Gewaltherrschaft vorziehen. Die letzten Stimmen wollen erst mal genau wissen, was los ist.

Klytaimestra erscheint mit einer blutigen Doppelaxt in den Händen über den Leichen von Agamemnon und Kassandra; die Mörderin gibt den Botenbericht über ihre Taten. Der Chor ruft: „Verbannt wirst du sei / erdrückt vom Hass der Bürger“, sie antwortet: „Nun spricht dein Urteil mir Verbannung aus der Stadt (…) Ihm aber widersetztest du dich damals nicht, / der achtlos, so, als ging ihm ein Stück Vieh zugrund, / sein eigen Kind geopfert. (…) Ich sage dir: / Wenn du mir so drohst, du findest gleicherweise mich / gerüstet. (…) Hier liegt der Mann, der Schändliches mir angetan, / der Chrysestöchter Lust gestillt vor Ilion - / und sie, die Kriegsgefangene, Zeichendeuterin (…) die treulich mit ihm schlief und scheuerte / die Ruderbank. Doch taten sie’s nicht ungestraft. / Er fiel, wie ich berichtet. Sie, nach Schwanes Art, / sang vor dem Tod den letzten Klagelaut und liegt / ihm nun zur Seite, sein Herzliebchen, das er mir / als Zukost meiner üppigen Wonne mitgebracht.“ (1411ff) – Dann ändert Klytai­mestra ihren Ton: Sie antwortet auf die Vorwürfe des Chores: „Daß dies mein Werk, behauptest du kühn. / Nicht füge hinzu, / daß ich das Weib Agamemnons sei. / Gestalt der Gattin des Toten nahm / der rauhe, alte Rachegeist an, / um Atreus’ willen, des argen Wirts / vollzog er an ihm die Sühne / und opferte für die Kleinen den Mann.“ Und der Chor lenkt ein: „Wer wird dir zeugen, du seist (…) ohne Schuld? / Wie könnte dies sein? Doch stand / dir als Helfer der Väter Rachegeist bei.“ (1498ff) Klytaimestra verspricht: Agamemnon, der den Tod der Iphigenie ge­büßt hat, wird ein ordentliches Begräbnis und Grabspenden bekommen. Sie vermeidet den Namen des Kindermörders Atreus und spricht (nach einem anderen Vorfahren) statt von Atriden von Pleistheniden: „Ich will mit des Pleisthenidenbluts / Fluchgeist beschwören ein Bündnis: So schwer / es [die Schuld] ist, er lasse es ruhn. Hinfort / verlaß er dies Dach, und ein andres Geschlecht / zerreib er mit Mord am eigenen Stamm. / Behalt ich einen geringen Teil des Guts, / ganz ist es genug, erlös ich das Haus / von wechselseitigen Morden.“ (1569ff)

Das beginnende Einvernehmen wird zugleich gestört: Aigisthos kommt mit Bewaffneten. Endlich ist sein Vater Thyestes gerächt. Ihm droht der Chor: „Nicht entgehen wird im Gericht dein Haupt / der Steinigung / [Aigisthos:] Du, der du sitzest auf der unteren Ruderbank, / sprichst so, da die am Steuer doch die Meister sind? [Chor­führer:] Als könntest du Gebieter der Argiver sein, / der du, nachdem du dies Geschick geplant, doch nicht / gewagt, die Tat zu tun mit eigener Mörder Hand / [Aigis­thos:] Der Trug, versteht sich wohl, war das Geschäft der Frau.“ (1615ff) Als er sich an seine Krieger wendet, greift Klytaimestra ein: „Nein Geliebter Neues Übel laß uns nimmermehr begehen (…) Ihr aber, ehrwürdige Greise, geht in eure Häuser nun, / eh ihr tut was Leiden bringt.“ (1654ff) Der Chorführer beschimpft ohnmächtig Aigisthos, den Klytaimestra beruhigt: „Solches eitle Widerbelfern würdige der Beachtung nicht / Du und ich, wir ordnen alles wohl als dieses Hauses Herrn.“ (1671f)

Orestie: Die Totenspende

Orestes legt am Grab seines Vaters Agamemnon eine Locke nieder. Pylades, Stro­phios’ Sohn, begleitet ihn. Dann verstecken sie sich, weil seine Schwester Elektra und der Chor der Mägde kommen. Der Chor singt: „Ehrfurcht Unzerstörbar einst (…). Jetzt ist / sie fern. Und es ängstigt jeder sich, / und unter den Sterblichen ist der Erfolg / zum Gott geworden“ (55ff). Elektra soll auf Geheiß von Klytaimestra ein Opfer verrichten: „Wie red ich schicklich, flehe wie den Vater an? / Behaupt ich, dem geliebten Mann wird dies zuteil / von dem geliebten Weib, und meine Mutter ist’s? / Ich bin so dreist nicht. (…) Oder schweig ich schmählich – wie der Vater unterging – / wenn ich den Trank ausgieße, den die Erde schlürft, / und schleudre, abgewandten Angesichts, im Gehen / die Urne weg, wie einer Müll beiseite schafft?“ (88ff) Die Chorführerin rät, sie soll beim Opfer um einen Rächer flehen. – Elektra findet die Locke, erkennt darin ein Zeichen ihres Bruders, und dieser tritt hervor. Orestes, Elektra und der Chor beten und flehen im Wechselgesang, bis die Chorführerin unter­bricht: „Gebührend habt ihr diese Rede ausgedehnt, / das Grab zu ehren, das der Klage sonst entbehrt.“ (513f) Orestes fragt, wieso Klytaimestra eine Grabspende befahl. Die Chorführerin antwortet: „Von einen Traum / und nachtverirrten Grauen­bildern aufgeschreckt.“ (523f) Das gibt Mut, Orestes entwirft den Plan. – Der Chor singt: „Viel nährt die Erde des / Entsetzlichen, ungeheure Angst, / und es schwellen die Arme des Meers / von Ungestüm, das Menschen bedroht. (…) Aber wer erschöpft des Manns / überkühnes Trachten, und wer / der dreisten Weiber verwegene Gier (…) Über der Ehe Bündnis siegt / lieblose Brunst.“ (585ff)

Der zweite Teil des Stückes spielt vor dem Königshaus. Orestes und Pylades treten als Reisende auf und werden von einem mürrischen Pförtner empfangen. Er holt Klytaimestra, der sie den Tod von Orestes melden. Klytaimestra: „Weh mir Wie sind wir häuptlings umgestürzt / O dieses Hauses Fluchgeist, unbezwinglicher (…) Nun auch Orestes, der so wohlberaten doch / den Fuß gezogen aus dem unheilvollen Schlamm“ (691ff) – Eine Amme tritt aus den Palast und wird von der Chorführerin aufgehalten: „Wo gehst du hin, Kilissa, aus des Hauses Tor? (…) [Amme:] Aigisthos schleunigst herzuholen heißt die Herrin mich. (…) Vor den Hausgesinde sieht sie tief / bekümmert drein, doch innerhalb der Augen birgt / sich ein Gelächter, da die Dinge sich so schön / für sie gestalten.“ (732ff) Die Amme ist auf ihre Herrin eifersüchtig, Orestes war ihr Leben. Sie schildert ihre ganze liebe Mühe, die sie mit den kleinen Orestes hatte: „Sein lautes Schreien, das mich aufgejagt bei Nacht, / und manches andre, das verdrießlich war, ich trug’s. (…) Man muß ein unverständig Kind / mit Klugheit pflegen wie ein Tierchen. Ist’s nicht so? / Das Kleine, das in Windeln liegt, es sagt ja nichts, / wenn es der Durst und Hunger plagt und wenn es naß / gemacht.“ (751ff) Endlich unterbricht sie die Chorführerin: „Wie ausgerüstet will sie, daß er kommen soll? (…) Soll er mit einer Wache kommen oder allein? / [Amme:] Speerträger sollen ihn begleiten.“ (766ff) Die Chorführerin sorgt dafür, das Aigisthos unbegleitet kommt, und nachdem der Chor im Gesang für das Gelingen betete, kommt Aigisthos und geht in den Palast.

Aus dem Palast stürzt der Pförtner und meldet Klytaimestra Aigisthos’ Tod. „Die Toten, sag ich, töten die Lebendigen.“ (886) „[Klytaimestra:] Weh mir Aigisths geliebte Kraft Du bist dahin. / [Orestes:] Du liebst den Mann? Im gleichen Grabe sollst du ruhn. (…) / [Klytaimestra:] Mein Sohn Halt inne / scheue diese Brust mein Kind, / aus der du oft (…) die Muttermilch gesogen. / [Orestes:] Soll ich die Mutter schonen, Pylades? / [Pylades:] Wo blieben künftig dann die Sprüche des Apoll, / die Phythia kundgibt, wo die feste Kraft des Eids? / Kein Feind ist so gewaltig, wie die Götter sind.“ (893ff) Schließlich zerrt Orestes Klytaimestra in den Palast. Der Chor jubelt: „So jauchzet denn auf, daß vom fürstlichen Haus / entwich der Übel, der Götter Verderb.“ (943) – Orestes tritt er heraus, meldet dem Chor die Tat. Schon da regen sich Zweifel. Zuletzt sieht er Rachegöttinnen, Erinyen, vor denen er von der Bühne flieht.

Orestie: Die Eumeniden

Die delphische Priesterin zögert den Apollontempel zu betreten, da sich darin die grauenvollen Rachegöttinnen, die Erinyen, befinden. Gleich dem von ihnen gehetzten Orestes sind sie erschöpft in den Schlaf gefallen. Apollon erscheint, weckt Orestes, und schickt ihn zu dem Tempel der Athene in ihrer Stadt Athen. Die Erinyen (der Chor) werden von Klytaimestras Schatten aufgescheucht. Später verjagt sie Apollon: „[Erinyen:] Den Muttermörder jagen wir von Haus und Hof. / [Apollon:] Und was geschieht der Gattin, die den Mann erschlug? / [Erinyen:] Das ist ein Mord an Blutsverwandten nicht. / [Apollon:] So achtet ihr für nichts / den Bund, für den die hohe Hera bürgt und Zeus“ (210ff) – Die nächste Szene ist in Athen: Orestes umklammert das Kultbild der Athene, ihm folgen die Erinyen: „Mutter Nacht, höre mich, / Mutter Nacht, du gebarst / mich der Welt des Lichtes, / mich der Welt der Finsternis / zum Gericht. / Letos Sohn kränkt dein Recht, / raubt das Wild. Mir gehört’s / mutterblutbesudelt.“ (321ff [Nach­dichtung Wilamowitz])

Athene erwählt ein Gericht aus Athener Bürgern. Vor ihnen fragt Orestes die Erinyen: „Warum, da sie [Klytaimestra:] noch lebte, hetztest sie du nicht?“ Und wieder die Antwort: „Sie war dem Mann, den sie erschlug, nicht blutsverwandt.“ (604f) Apollon sagt für Orestes aus: „Noch niemals sprach ich (…) vom Sitz des Sehers Worte, die mir nicht / befohlen hätte der Olympier Vater, Zeus. (…) [Chorführerin:] Zeus also wär’s, behauptest du, der dich gedrängt, / Orestes zu verkünden, seiner Mutter nicht / zu achten und zu rächen seines Vaters Tod? [Apollon:] Ein andres ist es, wenn ein Hochgeborener fällt, / der ausgezeichnet war durch gottverliehenen Stab (…). Vom Kriege, wo er alles gut zu Ende geführt, / kam er zurück. Mit Freundlichkeit empfing sie ihn. / Doch als er in der Wanne badete, da warf / sie einen Mantel über ihn, und im Gewirk, / dem endlos künstlichen, fing sie ihn und schlug ihn tot. (…) / [Chor­führerin:] So gälte Zeus das Schicksal eines Vaters mehr, / ihm, der doch selbst den greisen Vater Kronos band? (…) [Apollon:] Die Mutter bringt, was uns ihr Kind heißt, nicht hervor. / Sie ist nur frisch gesäten Keimes Nährerin, / der sie befruchtet, zeugt.“ (616ff) Zugleich verspricht er ein ewiges Bündnis von Orestes und seinen Erben mit Athen. Athene bestimmt den Areshügel zum dauernden Sitz eines Gerichtes und fordert die Richter zur Stimmabgabe auf. „Das letzte Urteil auszusprechen ist mein Amt, / und für Orestes geb ich meine Stimme ab. / Weiß ich von keiner Mutter doch, die mich gebar. / Dem Männlichen gehört mein ganzes Wesen an.“ (734ff) Später verkündet sie: „Der Mann ist freigesprochen von der Schuld des Bluts / die Zahl der Stimmen für und wider ihn ist gleich.“ (752f) Die Erinynen protestieren: „Ihr spätgeborenen Götter, weh / Altes Gesetz / reitet ihr nieder, entwindet es meiner Hand.“ (777ff) Doch Athene besänftigt die Älteren, aus den Rachegöttinnen werden die Wohlmeinenden, die Eumeniden. Am Ende geleiten fackeltragende Frauen und Mädchen die Eumeniden zu ihrer neuen unterirdischen Heimstatt. –– Das verlorene Satyrspiel Proteus zeigte vermutlich als Gegenbild zur unglücklichen Heimkehr von Agamemnon die glückliche Heimkehr von Menelaos.

Danais: Die Schutzflehenden

Die Töchter des Danaos bitten den König von Argos um Schutz vor den Söhnen des Aigyptos. Dieser muß zwischen zwei Übeln wählen: der Beleidigung der Götter durch die Zurückweisung der Danaiden und einen Krieg mit den Ägyptern. Die Überlegung des Pelasgos kleidet Aischylos in ein schönes Bild: „Ein tief, ein rettend Überlegen tut uns not, / nach Art des Tauchers dringend zu verborgnem Grund / mit sehendem Aug.’“ (407ff) Erst als die Danaiden drohen, sich mit ihren Gürteln am Altar zu erhängen, entscheidet sich der König für ihre Aufnahme, diese Entscheidung wird durch die Volksversammlung bestätigt. Dann erscheint drohend der Herold der Ägypter mit seinen Schergen. Danaos, der sie (wie zuvor Pelasgos mit seinem Gefolge) von einer Anhöhe aus kommen sah, holt Hilfe. In diesen Mauerschauen liegt der Hauptanteil des Danaos, die Sprecherin der Danaiden ist die Chorführerin. Der aufs Neue herbeigeeilte Pelasgos vertreibt mit Bewaffneten die Ägypter, die wiederkommen werden. Das Stück Die Schutzflehenden endet in Angst. Ein Nebenchor der argivischen Mägde singt kurz von Kypris und – gegen die Danaiden – das Heirat das Beste wäre und nimmt so den Gehalt der folgenden Stücke vorweg.

Denn im verlorenen nächsten Stück der Danaidentetralogie, den Aigyptioi, kriegen die Söhne des Aigyptos die Danaiden doch – und werden von diesen in der Hochzeitsnacht getötet. Nur eine, Hypermestra, tötet ihren Gatten Lynkeus nicht. Dafür wird ihr in den Danaides der Prozeß gemacht. Zuletzt rettet sie Aphrodite mit einer großen Rede, von der ein Teil erhalten ist: „Der keusche Himmel sehnt sich nach der Erde Schoß, / und Sehnsucht faßt die Erde zu umfangen ihn – / Da fällt der Regen aus dem himmlischen Gewölk / und macht die Erde schwanger. Sie gebiert alsdann / der Herden Nahrung und das Brot den Sterblichen / der Bäume Blüt’ auch, von der Hochzeit Tau benetzt, / gedeiht zur Frucht. Von alledem bin die Ursach’ ich.“ – Die dritte Tragödie widerlegt die Erste; die Flucht der Danaiden war falsch – aber nicht ganz: Am Ende steht die Stiftung der Ehe durch Aphrodite. Die Danaiden spiegeln (wie die Orestie [und zuletzt die Rede von Sophokles’ Antigone {905ff}, daß sie für ihren Gatten oder ihre Kinder nicht gegen das Gesetz der Stadt verstoßen würde]) die Ersetzung eines alten Rechts durch ein Neues: Die Danaiden wollen die Söhne des Aigyptos nicht heiraten, da Aigyptos Bruder des Danaos ist und sie somit verwandt sind. Mit der Entstehung des Eigentums wurde es jedoch vorgeschrieben, daß Erbtöchter ihre nächsten männlichen Verwandten heiraten, damit der Besitz nicht fortgegeben wird. – Im Satyrspiel Amymone wurde derselbe Gehalt auf andere Weise erzählt: Die Danaidentochter Amymone, die ausgeschickt wurde, um Wasser zu suchen, wird von Poseidon vor einen Satyr gerettet – um dann von Poseidon einen Sohn zu bekommen. In den Tragödien statt den Mädchenraub die Ehe, im Satyrspiel statt dem Satyr der olympische Gott. –– Vermutlich bildete die Danaidentetralogie den Abschluß einer oft abgeschriebenen zehnteiligen Aischylosauswahl, die in der Kaiserzeit auf sieben Stücke verkürzt wurde. Nur so ist die Überlieferung der als Einzelnes fast unverständlichen Schutzflehenden und der Reichtum an Fragmenten aus den anderen Stücken der Danais zu erklären.

Sophokles

Sophokles wurde 497 geboren und siegte 468 erstmals bei den Dionysien, damals noch über Aischylos. 443/2 stand er dem zehnköpfigen Kollegium der Hellenotamiai vor, das die Gelder des Seebundes verwaltete. 441/0 gehörte Sophokles zu den zehn Strategen und führte (als Samos aus dem Seebund ausscheiden wollte und daraufhin von Perikles angegriffen wurde) ein kleines Flottenkontingent, das den Abfall der Nachtbarinsel Chios verhindern sollte. Der Dichter Ion von Chios hat darüber eine Anekdote festgehalten, die Athenaios überlieferte (13,603e). 420 nahm Sophokles den Gott Asklepios aus Epidauros auf, d.h. die Kultfigur des Gottes, eine Schlange, wurde bis dieser eine eigene Kultstätte bekam, in dem heiligen Bezirk eines attischen Heilheros, dessen Priester Sophokles war, aufbewahrt. 411 stimmte Sophokles der Einsetzung der Vierhundert zu (Aristoteles Rhetorik III 18). Er starb 406 in dem von den Spartanern belagerten Athen. Sophokles hatte großen Erfolg bei den Preis­richtern: 18 Siege, ansonsten immer den zweiten Platz. – Wie von Aischylos wurde auch von Sophokles eine Auswahl von sieben Stücken überliefert, die in der Regel mit einer Einführung (der Hypothesis) und Kommentaren (Scholien) versehen sind und deren Aufführung sich so mitunter datieren läßt. (Antigone 442, Philoktet 409, Ödipus auf Kolonos postum 401)

Aias

Aias behandelt eine Episode aus dem trojanischen Krieg. Durch Eingreifen der Göttin Athene erhielt nicht Aias, sondern Odysseus die Waffen des toten Achill. Aias ist darüber auf das äußerste erzürnt, er will seine falschen Freunde, die ihn betrogen haben, allesamt vernichten, doch die Göttin Athene verwirrt seinen Sinn und Aias metzelt statt ihrer die erbeuteten Herden der Griechen mitsamt der Hirten nieder.

Im Prolog führt Athene Odysseus den mit Wahn geschlagen Aias vor: „Ich rufe Aias, komm vor die Behausung gleich / Was tust du da, Athene? Ruf ihn keinesfalls heraus / Willst du’s nicht schweigend dulden, daß du nicht im Ruf der Feigheit stehst? / Bei allen Göttern, nein Laß es genügen, daß er drinnen bleibt / Was könnte denn geschehen? War dieser früher denn kein großer Held? / (…) Genügen wird es mir, wenn dieser in der Hütte bleibt. / Du zauderst, einen Mann im Wahnsinn deutlich anzusehn? / Wenn er bei Sinnen wäre, wiche ich mit Zögern nicht vor ihm. / Er wird dich sicherlich nicht sehn, obwohl du ihm so nahe bist. / Wie, wenn er doch mit den gleichen Augen blickt? / Ich werde über seine Augen Dunkel breiten trotz des scharfen Blicks. / Es könnte alles so sein, wenn es eine Gottheit plant. / Schweig, bleibe stehen und verharre so, wie du grade bist / Ich muß wohl bleiben, wollte aber lieber aus dem Wege sein.“ (73ff) Der blutbeschmierte Aias kommt heraus, und berichtet Athene stolz, wie er die Atriden erschlug und seinen Hauptwidersacher Odysseus in der Hütte langsam zu Tode quält. Nachdem Aias wieder hinein geht, um das Tier, das er für Odysseus hält, zu Tode zu peitschen, wendet sich Athene an Odysseus: „Siehst du, Odysseus, hier der Götter Macht, wie groß sie ist? / Wen hättest du gefunden mit mehr Vorbedacht oder Geschick / im angemessenen Handeln als dort diesen Mann? / [Odysseus:] Ich kenne keinen; Mitleid fühle ich jedoch mit ihm, / den Unglückseligen (…). Ich sehe nämlich, daß wir nichts anderes sind / als Schatten. / [Athene:] Gut, wenn du dies erkennst, so sage nie / ein übermütig Wort zu Göttern.“ (118ff)

Der Chor – der Seeleute aus Aias’ Heimat Salamis vorstellt – zieht ein. Ihm berichtet Aias’ Nebenfrau Tekmessa von der schrecklichen Tat. Dann tritt der aus seinen Wahn erwachte Aias auf. Alle reden Aias zu, sie hängen ja alle von Aias ab… Aias kleiner Sohn Eurysakes, den er von Tekmessa hat, wird herangeholt. Doch alle Bemühungen bleiben umsonst, Aias kann mit der Schande nicht weiterleben: „Töricht denkst du, / wenn du meinen Charakter jetzt noch zu erziehen planst.“ (595) – Dann, nach einen Standlied des Chores, verkündet Aias (der schon das Schwert in der Hand hält), daß er sich jetzt im Meer die Schuld abwaschen wird. Der Chor versteht falsch und singt ein Jubellied – Die irrsinnigen, falschen Hoffnungen zerstört ein Bote von Aias’ Halbbruder Teukros: Die anderen Feldherrn planen Schlimmes gegen Aias, sie zückten schon gegen Teukros die Schwerter. Und der Seher Kalchas prophezeite: Aias prahlte, daß er auch ohne die Götter siegen könne. Deshalb will ihn heute und nur heute Athene vernichten. Der Chor teilt sich und geht nach beiden Seiten ab um Aias zu suchen und in der Hütte zu verstecken. – Nun folgt der letzte Szenenwechsel in einer erhaltenen antiken Tragödie (vermutlich machten die immer aufwendigeren Bühnenbilder später einen Szenenwechsel unmöglich): Wir befinden uns nun an einen einsamen Platz am Strand und werden Zeugen, wie sich Aias in sein Schwert stürzt.

In seinem Monolog vor dem Selbstmord bat Aias Zeus, dafür Sorge zu tragen, daß ihn Teukros als erster findet und ordentlich bestattet. (825ff) Tekmessa findet ihn. Sie betrauert Aias, danach kommt Teukros und läßt sich Aias’ Leiche noch mal aufdecken, um Abschied zu nehmen. Das dauert zu lange, denn schon kommt Menelaos, um die Bestattung zu verbieten: „Der plante für das ganze Heer den Tod“ (1055) Teukros protestiert. Menelaos hat kein Recht dazu: „Du willst behaupten, daß / du diesen Mann für die Achaier hast als Bündner hergebracht? / Ist er nicht selbst hierher gefahren als sein eigner Herr? Welches Recht hast du, die Männer zu beherrschen, die Aias führte von daheim?“ (1097ff) Menelaos geht drohend ab: „Schändlich wär’s, / daß nur mit Worten straft, wer’s mit Gewalt erzwingen kann.“ (1160f) Tekmessa bringt Eurysakes, um von Vater Abschied zu nehmen. Schließlich kommt Agamemnon als oberste Autorität im griechischen Heer, um die Bestattung endgültig zu verbieten. Agamemnon hält Teukros, dem Sohn einer in Gefangenschaft geratenen Königs­tochter und somit einer Sklavin, seine Herkunft vor: „Willst du nicht maßvoll sein, begreifen wer du von Geburt bist / und irgendeinen freien Mann herbringen / der gegen uns an deiner Stelle deinen Part vertreten soll? / Denn wenn du sprichst vermag ich nicht mehr zu verstehen, / denn die Barbarensprache kenn´ ich nicht“ (1259ff) Teukros entgegnet: „Weißt du den nicht, daß der, der deines Vaters Vater war, / Pelops, in alter Zeit auch ein Barbar, ein Phrygier war?“ (1291f) – Zuletzt setzt Odysseus, der die ihm von Athene erteilte Lektion nicht vergessen hat, Aias’ Bestattung durch.

Antigone

Im Prolog fragt Antigone Ismene, ob sie von der neusten Verfügung gehört hat. Sie hat nichts gehört, schließlich haben sie gerade an einem Tag beide Brüder verloren. Antigone berichtet: Kreon hat Polyneikes’ Bestattung verboten. Sie will aber ihren Bruder diesen Dienst erweisen und fragt ihre Schwester, ob sie helfen will. Diese lehnt entsetzt ab. Wie sollen sie als Frauen es wagen, ein ausdrückliches Verbot zu übertreten? – Der Chor der thebanischen Greise singt bei seinem Einzug vom eben überstandenen Krieg. Daran schließt die Rede des neuen Machthabers Kreon an: Nach dem Bruderkrieg muß die Ordnung der Stadt neu begründet werden, und deshalb soll der Friedensstörer Polyneikes unbestattet bleiben, den Vögeln und Hunden ein Fraß Kreon will die Greise in die Pflicht nehmen, doch diese lehnen ab: „Einen Jüngeren ordne diese Last zu tragen an“ (216) Da kommt ein Wächter, der sich dreht und windet, bevor er endlich meldet: „Die Leiche hat gerade einer bestattet.“ (245) Kreon begreift das als Angriff auf seine Macht: „In dieser Art murren schon lange Männer in der Stadt / gegen mich in Unzufriedenheit. (…) Von solchen weiß ich ganz genau, daß sie / verführt von Lohn die Tat begangen haben. / Kein ärgerer Brauch als die Liebe zum Geld / erwuchs den Menschen.“ (289ff) Hier folgt das berühmte Standlied: „Vielgestaltig ist das Ungeheure, und nichts ist ungeheuer als der Mensch.“ (332f)

Danach erscheint wieder der Wächter und meldet, daß die Schuldige, Antigone, gefaßt ist. Der Erfolg macht den Feigling von vorhin frech. Antigone bekennt sich zu ihrer Tat. Kreon läßt ihre Schwester holen. Ismene, die anfangs noch so ängstlich war, bekennt sich als Mitschuldige – und wird von Antigone schroff zurückgewiesen. Kreon läßt beide abführen. Im zweiten Standlied besingt der Chor die Macht der Götter. Haimon nähert sich seinem Vater Kreon und verteidigt seine Braut Antigone auf sehr vorsichtige Weise: „Dein Blick ist erschreckend für den Mann im Volk / bei solchen Worten, die du nicht magst, wenn du sie hörst. / Mir aber ist es möglich, im Dunkeln zu hören, / wie sehr die Stadt dieses Mädchen bedauert.“ (690ff) Es hilft nicht. Er wird deutlicher und droht mit Selbstmord, bevor er abgeht. Als der Chor Kreon nach den Schicksal der Schwestern fragt, erfahren wir aber fast nebenbei, daß Ismene schon nicht mehr hingerichtet werden soll. Nach dem kurzen Eroslied und Antigones Klagelied, verkündet Kreon Antigones Urteil: Sie soll eingemauert werden. Danach hält sie die seltsame Rede, daß sie für einen Gatten oder ihre Kinder nicht das Gesetz der Stadt übertreten hätte: „Einen anderen Gatten bekäme ich, wenn er sterben, / und ein Kind von einen anderen Mann, wenn ich es verlieren würde. / Nachdem aber Mutter und Vater im Hades geborgen sind, gibt es keinen Bruder, der da nachwachsen könnte.“ (909ff) Im vierten Standlied werden Beispiele vom Schicksal geschlagener Menschen besungen. Dann tritt der Seher Teiresias warnend auf. Aber auch ihn, immer noch, unterstellt Kreon Eigennutz: „Das ganze Sehervolk giert nach Geld.“ (1055) – Dennoch konnte Teiresias einen Sinneswandel bei Kreon bewirken. Seiner Einsicht „Vielleicht ist das Beste, daß man die bestehenden Gesetze / wahre bis zum Lebensende“ (1113f) folgt ein jubelnder Hymnus voller Bacchantinnen und Nymphen. Es ist jedoch schon zu spät. Das Stück schließt mit den Berichten von den Toden Antigones, Haimons und zuletzt Kreons Frau.

König Ödipus

Ödipus tritt vor den Palast und sieht dort alte Priester, Jünglinge und Kinder schutzflehend Öl- und Lorbeerzweige niederlegen. Ein alter Priester wendet sich an ihn: Schon einmal hat er die Stadt befreit, damals, als er das Rätsel der einen schrecklichen Blutzoll fordernden Sphinx löste, zum Lohn Iokaste, die Witwe des alten Königs Laios zur Frau bekam und selbst Herrscher wurde. Nun bedrückt wieder schweres Leid die Stadt: die Pest brach aus. Jetzt soll er mit gleicher Tatkraft helfen Ödipus antwortet, daß er von dem Unglück weiß und schon seinen Schwager Kreon nach Delphi schickte, um vom Orakel Rat zu holen. Dieser kommt zurück und berichtet, der Gott habe verkündet, daß die Pest nicht eher weichen werde, als das Land von der Schmach gereinigt ist, den Mörder des Laios zu beherbergen. – Der Chor der thebanischen Greise fleht in seinem Einzugslied um Erlösung von der Pest. Ödipus informiert ihn über den delphischen Spruch, und der Chorführer rät, den Seher Teiresias nach Laios’ Mörder zu fragen. Ödipus antwortet, daß er ihn schon auf Kreons Rat holen ließ. – Teiresias kommt, rückt aber erst unter schweren Drohungen mit der Sprache raus: „Des Mannes Mörder, den du suchst, sag ich, bist du“ (362) Ödipus glaubt zunächst an eine von Kreon angestiftete Verschwörung. Dieser ver­teidigt sich damit, daß es schön dumm wäre, Herrscher sein zu wollen: „Jetzt erhalt ich alles ohne Neid von dir, / herrschte ich selber, vieles müßte ich auch gezwungen tun. / Wie sollt´ mir da, die Königswürde zu besitzen, süßer / sein als kummerlose Macht und hoher Rang?“ (590ff)

[...]

Ende der Leseprobe aus 81 Seiten

Details

Titel
Übersichten erhaltener Werke antiker Autoren. Band 2: Aischylos, Sophokles, Euripides, Aristophanes
Autor
Jahr
2014
Seiten
81
Katalognummer
V276168
ISBN (eBook)
9783656690528
ISBN (Buch)
9783656690535
Dateigröße
753 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
übersichten, werke, autoren, band, aischylos, sophokles, euripides, aristophanes
Arbeit zitieren
Hans Belde (Autor:in), 2014, Übersichten erhaltener Werke antiker Autoren. Band 2: Aischylos, Sophokles, Euripides, Aristophanes, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/276168

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