Beseitigung durch Hexenprozess? Motive hinter der Verurteilung Jeanne d'Arcs


Hausarbeit, 2013

12 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Kontext

3. Prozess
3.1. Anklagepunkte
3.2. Akteure
3.2.1. Die Engländer
3.2.2. Die Universität von Paris

4. Fazit

5. Quellen- und Literaturverzeichnis

1. Einleitung

„Es hiess, dass nach nahezu einem Jahrhundert des Krieges, eine Jungfrau ihr entzweites Volk wieder einen würde“1

So lautet es einer Legende zufolge, die sich in Frankreich erzählt wurde.2 Die Legende einer Frau die Frankreich von den Engländern befreien und Burgund und Frankreich wieder vereinen würde. 1429 behauptete Jeanne d'Arc eben diese Jungfrau zu sein. Aus dieser Behauptung und den Ereignissen der folgenden zwei Jahre sollte ein Mythos entstehen, der bis heute wirkt. Sei es in der Literatur3, im Film4, oder in Computerspielen5, die Person der Jeanne d'Arc und ihre Geschichte wird weltweit und für alle Altersschichten aufbereitet.

Schlägt man in den einschlägigen Lexika des Mittelalters nach, so wird man die üblichen Fakten finden. Jeanne d'Arc, Tochter eines Bauern, wahrscheinlich geboren im Jahr 14126, befreite Frankreich aus den Händen englischer Besatzer, wurde der Ketzerei angeklagt und am 30. Mai 1431 hingerichtet.7 Die Lebensgeschichte kennt jeder, denn der Jeanne d'Arc Mythos geht, seit sie in Erscheinung trat, um die Welt und beschäftigt sowohl Laien, als auch Wissenschaftler.

Die Publikationen der letzten Jahre befassen sich im Schwerpunkt mit der medialen Inszenierung, der Rezeption Jeanne d'Arcs als Heilige, der Instrumentalisierung der pucelle als Aushängeschild für die Nation Frankreich, oder der kriegerischen Jeanne als feministisches Vorbild.

Entgegen des Forschungstrends sich mit den Rezeptionsrollen Jeanne d'Arcs zu befassen, soll diese Arbeit einen Ansatz bieten der zeigt, dass der vermeintliche Hexenprozess in Wahrheit ein politisches Instrument war um sich der unbequemen Jeanne zu entledigen.

Die Quellen, die bei der Erarbeitung der Person Jeanne zur Verfügung stehen, beschränken sich im Wesentlichen auf die Akten des Verurteilungs- und Nichtigkeitsprozesses und persönliche Briefe.

Von den französischen Originalprozessakten sind nur Fragmente ab der 6. öffentlichen Sitzung erhalten, jedoch liegen von Schreibern und Notaren des Prozesses überarbeitete lateinische Manuskripte vollständig vor8. Die Prozessakten liefern nicht nur Einblicke in die Befragungen und Verhöre Jeannes, sondern spiegeln gleichzeitig auch Ereignisse dieser Zeit wider, die in sonstigen Quellen nicht behandelt werden.

Zudem sind insgesamt 21 Briefe überliefert die Jeanne d'Arc an verschiedene Personen, darunter der Dauphin, diverse Geistliche, oder Adlige Englands, schrieb9. Diese sind vor allem dann hilfreich, wenn man sich mit Jeannes Selbstverständnis befasst. Da diese Arbeit von ihrer politischen Rolle handelt, tritt ihr Eigenbild in den Hintergrund. Als Grundlage dieser Arbeit werden deshalb ausschließlich die Prozessakten dienen.

Um beurteilen zu können in welchen Umständen Jeanne d'Arc aufwuchs und später handelte, muss zunächst der Kontext hergestellt werden. Anschließend wird der Verurteilungsprozess kurz umrissen und danach beurteilt werden, welche Motivation sich aus den Anklagepunkten und den beteiligten Akteuren erkennen lässt. Abschließend wird auf Grundlage dieser Erkenntnisse versucht die Intention des ersten Prozesses deutlich zu machen.

2. Kontext

Die Umstände des sogenannten Hundertjährigen Krieges sind sehr komplex, umfassen sie doch die Konflikte zweier Königshäuser über die Dauer mehrerer Jahrhunderte. Deshalb soll der Ablauf nur mit den wichtigsten Stationen kurz skizziert werden um die Situation zu Zeiten Jeannes deutlich zu machen. Der Hundertjährige Krieg war kein Staatenkrieg in dem England gegen Frankreich kämpfte, sondern ein Krieg der von den Königshäusern Valois und Lancaster um Thronansprüche geführt wurde. Ausgangspunkt dieses Konflikts war bereits die Invasion Wilhelms von der Normandie in England 1066, der sich dort den Thronanspruch erkämpfte. Durch ihn kam es zu einer Verbindung des französischen Festlands mit England. Die Ansprüche der englischen Könige auf das Festland wuchsen, als Heinrich von Anjou Eleonore von Aquitanien heiratete und 1154 unter dem Namen Heinrich II. König von England wurde. Zwar erhielt Frankreich 1204 die Normandie zurück, jedoch behielt das englische Königshaus Gebiete im Süden. Problematisch war nun, dass Frankreich die Engländer herausdrängen wollten, während die Engländer natürlich ihren Besitz sichern wollten. Der einfachste Weg einer Sicherung wäre gewesen selbst Herrscher über das Gebiet zu werden, was sich 1316 mit dem Tod Ludwig X. ergab. Ludwig verstarb kinderlos und löste damit einen Erbfolgekonflikt aus. Nach ihm folgte sein Bruder als Philipp V. auf den Thron, doch auch er verstarb ohne Nachkommen, ebenso wie dessen Nachfolger Karl IV. Im Jahr 1328. Diese unglückliche Nachfolgegeschichte sollte enden indem ein Neffe Ludwig X. den Thron besteigen sollte. Jedoch forderte im Mai des gleichen Jahres England den Thron für Edward III., der sich selbst als legitimen Nachfolger sah10.

Diese Hinleitung zu dem tatsächlichen Kriegsgeschehen zeigt bereits wie verwoben die französischen und englischen Königshäuser miteinander waren und wie strittig die Frage der legitimen Nachfolge war.

Der tatsächliche Ablauf des Krieges wird ab dieser Stelle vernachlässigt werden, wichtig wird der Konflikt 1420 mit dem Vertrag von Troyes. Mit diesem Vertrag wurde Heinrich, König von England, zum rechtmäßigen Erbe Karl VI.11, da der Dauphin per Vertrag „als angeblich illegitimes Kind der Königin Isabeau von der Nachfolge ausgeschlossen“12, unter anderem weil er mit dem Mord an Johann Ohnefurcht, Herzog von Burgund, in Verbindung gebracht wurde13. Die Problematik dieses Ausschlusses wurde deutlich, als Heinrich V. 1422 verstarb und Karl VI. kurze Zeit nach ihm. Innerhalb des Volkes hatte der Dauphin zwar viele Unterstützer14, allerdings hätte er sich, um seine Legitimität zu sichern, in Reims salben und krönen lassen müssen15.

Dies war die Ausgangslage in der Jeanne auftauchte. Ein Frankreich, das sich bereits seit 92 Jahren im Krieg mit England befand und dessen Machtverhältnisse nun im Unklaren waren. Jeanne sah sich selbst als Erfüllung der eingangs erwähnten Prophezeiung, die dem Dauphin auf den Thron verhelfen würde16. Nach mehreren Wochen der Prüfung konnte Jeanne Karl davon überzeugen, dass sie Frankreich befreien würde und er der legitime Thronfolger Frankreichs sei17. Mit der Unterstützung des Dauphin und einigen Männern gelang die Befreiung Orléans unter der Leitung Jeannes am 7. Mai 1429. Sie nahmen mehrere Festungen und Städte ein, die dem Dauphin den Weg nach Reims ermöglichten18. Karl wurde am 17. Juli 1429 mit „dem heiligen Öl gesalbt und [als Karl VII.] gekrönt.“19, womit Jeannes Aufgabe den Dauphin auf seinen, in ihren Augen, rechtmäßigen Thron zu verhelfen erfüllt war.

Die weitere Entwicklung Jeannes war bedingt durch die innenpolitischen Entwicklungen. Während die Berater des Königs auf diplomatische Lösungen drängten, wollte Jeannes den König dahingehend bewegen sich sämtliche Gebiete zurück zu erobern, beginnend mit Paris. Nachdem die Franzosen bei ein Sturm auf Paris eine Niederlage erlitten, zog sich Jeanne zurück20. Trotz eines Waffenstillstandes marschierte Jeanne „mit einer verstärkten Truppe in Compiègne ein, wo sie am 23. Mai[...]in die Hände der Burgunder gerät.“21.

Die genauen Umstände der Übergabe an die Engländer und die Auslieferung an die kirchliche Gerichtsbarkeit wird zu einem späteren Zeitpunkt näher beleuchtet.

3. Prozess

Doch im Folgenden soll der Ursprungsprozess von Rouen genauer betrachtet und die Motivation der Beteiligten erörtert werden, um zu klären ob es sich um einen Hexenprozess handelt, oder ob eine politische Motivation erkennbar wird. Obwohl sich die Beurteilung auf inhaltliche Aspekte stützt, zunächst ein Hinweis darauf, wie der Prozess, rein formal, betrachtet werden kann. Eine Vorbetrachtung zur Rechtmäßigkeit des Ursprungsverfahrens scheint notwendig, da nur mit dessen Rechtmäßigkeit eine Betrachtung des Verfahrens überhaupt sinnvoll erscheint. Schirmer-Imhoff hat in ihrem Vorwort einige Anmerkungen zu den juristischen Vorgängen des Prozesses gemacht. So sei der Prozess ein „klassische[r] Inquisitionsprozeß [...] mit seinem vorgeschriebenen Gang des Verfahrens“22. Allerdings weist Tanz darauf hin, dass die Zuständigkeit des Gerichts in Rouen bis heute strittig ist23.

3.1. Anklagepunkte

Inhaltlich befasste sich der Prozess ursprünglich mit 70 Anklagepunkten, die gegen Jeanne hervorgebracht wurden und jede ihrer Verfehlungen ausführlich erklärten24. Auf Grundlage ihrer im Vorbereitungsprozess getätigten Aussagen verkürzten die Richter die Anklage auf 12 Artikel, die am 5. April 1431 veröffentlich wurden. Da die Anklagepunkte im einzelnen nicht besprochen werden müssen, sondern lediglich der allgemeine Umfang und die Konnotation der Anklage deutlich werden soll, reicht an dieser Stelle ein Auszug der Präambel, die am 28. März verlesen wurde, aus:

„...damit durch Euch als Richter Johanna,[...], schuldig erklärt werde als Hexe und Zauberin, Wahrsagerin und falsche Prophetin, die böse Geister beschwört und mit ihnen im Bunde ist, als abergläubisch, die Schwarze Kunst betreibend, in Sachen unseres katholischen Glaubens falsch denkend, schismatisch,[...]zweifelnd, als Lästerin Gottes und Seiner Heiligen, ärgerniserregend, aufsässig, den Frieden störend und ihn verhindernd, als Kriegshetzerin,[...], die Ehrbarkeit und Schicklichkeit ihres Geschlechts verletzend und unehrerbietig und unpassend Kleid und Beruf der Krieger annehmend[...], als ketzerisch, oder wenigstens der Ketzerei äußerst verdächtig - weswegen sie rechtsgültig bestraft und gebessert werden soll.“25

[...]


1 Joan of Arc (1999), Regie: Christian Duguay.

2 Ebd.

3 Bspw. Schiller, Friedrich, Die Jungfrau von Orleans.Die Verarbeitung der Jeanne als literarische Figur und ihre Glorifizierung als „Vollstreckerin Gottes Willen auf Erden“ (Tanz, S., Jeanne d'Arc. Spätmittelalterliche Mentalität im Spiegel des Weltbildes, Leipzig 1991, 57.) begann schon 1429.

4 Bspw. Joan of Arc (1999), Regie: Christian Duguay.

5 Bspw. Wars & Warriors - Jeanne d'Arc (2004), Vidis.

6 Das Geburtsjahr Jeanne d'Arcs ist in der Forschung strittig. Aus den Prozessakten geht hervor, dass Jeanne von sich selbst behauptet sie sei zum Zeitpunkt des Prozesses 19 Jahre alt gewesen.

7 Solon, P., s.v. Joan of Arc, Dictionary of the Middle Ages 7 (1986), 114.

8 Der Prozeß Jeanne d'Arc. Akten und Protokolle, hrsg. v. R. Schirmer-Imhoff, München 31978, 11.

9 Vgl. Müller, W., Der Prozeß der Jeanne d'Arc, Hamburg 2004, 281.

10 Edward III. rechtfertigte seine Legitimität damit, dass seine Mutter Isabelle die Tochter des französischen Königs Philipp IV. war (vgl. Curry, A., Der Hundertjährige Krieg, Darmstadt 2012, 24f.).

11 Curry, Krieg, 84.

12 Feld, H., Frauen des Mittelalters. Zwanzig geistige Profile, Köln 2000 (Beihefte zum Archiv für Kulturgeschichte 50), 244.

13 Curry, Krieg, 84.

14 Curry, Krieg, 86.

15 Reims befand sich zu dieser Zeit in der Hand der Burgunder, jedoch lag „das Recht, den König zu salben[...]seit 1179 in den Händen des Erzbischofs von Reims und [war] unbedingt an dessen Residenz gebunden.“ (Fischer-Wilbert, A., Die Universität von Paris im Prozeß gegen Johanna von Orleans, Bonn 1974, 85.).

16 Schirmer-Imhoff, Prozeß, 141.

17 Feld, Frauen, 268.

18 Schirmer-Imhoff, Prozeß, 155.

19 Feld, Frauen, 283.

20 Ebd., 288.

21 Fischer-Wilbert, Universität, 88.

22 Schirmer-Imhoff, Prozeß, 11.

23 Tanz, Jeanne, 211.

24 Eine Auflistung aller 70 Artikel findet sich in Bütler, J., Jeanne d'Arc. Akten der Verurteilung. Köln 1943, 160-193.

25 Schirmer-Imhoff, Prozeß, 71.

Ende der Leseprobe aus 12 Seiten

Details

Titel
Beseitigung durch Hexenprozess? Motive hinter der Verurteilung Jeanne d'Arcs
Hochschule
Universität Münster
Note
1,7
Autor
Jahr
2013
Seiten
12
Katalognummer
V276057
ISBN (eBook)
9783656687474
ISBN (Buch)
9783656687450
Dateigröße
430 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
beseitigung, hexenprozess, motive, verurteilung, jeanne, arcs
Arbeit zitieren
Ann Greenberg (Autor:in), 2013, Beseitigung durch Hexenprozess? Motive hinter der Verurteilung Jeanne d'Arcs, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/276057

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