Deutsche Einwanderung nach Brasilien


Hausarbeit (Hauptseminar), 2014

25 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Vorwort

2. Deutsche Einwanderung im 19. Jahrhundert

3. Der Nationalisierungsprozess und die „deutsche Gefahr“

4. Klärung der Identitätsfrage vor dem Hintergrund des Deutschtums

5. Deutsche Sprache in Brasilien

6. Nachwort

7. Literatur- und Quellenverzeichnis
7.1. Printquellen
7.2. Internetquellen

1. Vorwort

Wenn man von deutscher Einwanderung in Brasilien spricht, verbindet man damit in erster Linie die große Einwanderungswelle im 19. Jahrhundert und die vielen Gründungen von deutschen Kolonien im Süden Brasiliens. Und tatsächlich konzentrieren sich viele Forschungen auf die Geschichte der deutschen Einwanderer im 19. und 20. Jahrhundert. Doch es existieren einige Dokumente aus der Zeit, als die Kolonisierung des Landes erst begann, die von deutscher Präsenz in Brasilien zeugen. Noch bevor die ersten deutschen Kolonien in Brasilien entstanden, haben bereits Abenteuersucher und Reisende, Schriftsteller und Künstler, Wissenschaftler und Intellektuelle das Land für sich entdeckt.

Deutsche Einwanderer haben im Laufe der letzten zwei Jahrhunderte zur wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklung des Landes einen bedeutenden Beitrag geleistet. Heutzutage findet man in Brasilien immer noch Spuren deutscher Einwanderer: Nicht nur die vielen Menschen, die Nachkommen, die einen deutschen Namen tragen, sondern auch viele Orte (wie z.B. Blumenau). In den vergangenen 200 Jahren haben sich die Deutschen an das Leben in Brasilien angepasst. Sie sind mittlerweile gut in die Gesellschaft integriert und es ist bemerkenswert, dass sie ihre Sprache, ihre Traditionen und ihr gesamtes Kulturgut durch die Jahrhunderte getragen und an nachkommende Generationen weitergegeben haben. Die Vielzahl an Organisationen und Vereinen, die sich heute mit der Erhaltung der deutschen Sprache und Kultur in Brasilien beschäftigen, zeugen davon wie stark die Deutschen an die Geschichte, Sprache und Kultur ihrer Vorfahren gebunden sind.

In der vorliegenden Seminararbeit konzentriere ich mich auf die Zeit der großen Einwanderungswelle im 19. Jahrhundert, erläutere die Gründe für die Auswanderung der Deutschen nach Brasilien und beleuchte die Hintergründe für ihre Anwerbung seitens der brasilianischen Regierung. Des Weiteren gehe ich darauf ein, wie sich das Leben der Deutschen in Brasilien im 20. Jahrhundert angesichts der politischen Spannungen und Umbrüche in Europa sowie in der ganzen Welt verändert hat und welche Auswirkungen der Nationalsozialismus in Deutschland und der Zweite Weltkrieg auf die Deutschstämmigen in Brasilien hatte. Weitere Schwerpunkte, die ich im Rahmen meiner Seminararbeit behandeln möchte, sind die Frage der Integration und Identität der Deutschstämmigen in Brasilien. Des Weiteren werde ich auf die Situation der deutschen Dialekte in Brasilien eingehen, insbesondere das Hunsrückische. Da ich mich in dieser Arbeit auf den kulturwissenschaftlichen Teil stütze, wird von sprachwissenschaftlichen Analysen der einzelnen Dialekte abgesehen. Abschließend möchte ich in einem Schlusswort zum Thema der deutschen Einwanderung in Brasilien persönlich Stellung beziehen.

2. Deutsche Einwanderung im 19. Jahrhundert

Das 19. Jahrhundert in Europa war geprägt von Hunger, Not, Arbeitslosigkeit und sozialen Missständen. Im Volk gab es immer wieder Unruhen, weil die Menschen von Kriegen und regionalen Konflikten ausgezehrt waren. Immer mehr flüchteten vom Land in die Städte, in der Hoffnung auf ein besseres Leben.[1] Ihre Erwartungen wurden oft nicht erfüllt, da die voranschreitende Industrialisierung für grundlegende Veränderungen auf dem Arbeitsmarkt sorgte – und nicht unbedingt zu Gunsten der Arbeiter. In den Fabriken wurden immer mehr Maschinen eingesetzt, die Menschen, die vom Land kamen waren für bestimmte Arbeiten oft entweder unqualifiziert oder mussten, um überhaupt Arbeit zu haben, unterbezahlte Tätigkeiten verrichten. Der große Andrang vom Land führte schnell zur Überbevölkerung in den Industriestädten und zu einer noch größeren Misere.[2]

Über 57 Millionen Europäer brachen im 19. Jahrhundert in die Neue Welt auf, in der Hoffnung dort ein besseres Leben vorzufinden. Es waren überwiegend Bauern, Handwerker, einfache Arbeiter und Kaufleute, aber auch Intellektuelle und Menschen, die aus religiösen und politischen Gründen in ihrem Land starker Diskriminierung ausgesetzt waren.[3]

Brasilien entwickelte sich zu einem beliebten Auswanderungsziel der Deutschen und beide Länder, sowohl Brasilien als auch Deutschland profitierten von der Ein- bzw. Auswanderung. Aus der Sicht Deutschlands, und Europa allgemein, war die Auswanderung der Menschen eine mögliche Lösung vieler Probleme. Dadurch wurden die Städte entlastet, die Menschen, die auf dem Land keine Perspektiven hatten, bekamen nun wenigstens Hoffnung auf ein besseres Leben.[4]

In Brasilien versuchte man durch das Anwerben von Ausländern einige Ziele der Kolonisierungspolitik zu erreichen. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts gab es bereits erste deutsche Einwanderer, die im Jahr 1818 im Süden Bahias die Kolonie Leopoldina gründeten. Zunächst beruhte die Ansiedlung von Deutschen auf dem System der sogenannten sesmarias. Unter sesmaria verstand man durch Schenkung oder Kauf erworbenes unkultiviertes Land. [5] Die ersten Kolonien, die im Süden Brasiliens entstanden, wurden in Kaffeeplantagen aufgeteilt, welche von Sklaven bewirtschaftet wurden. Ursprünglich beruhte die Idee der Kolonisierungspolitik jedoch darauf, dass man auf dem unbebauten Land Familien ansiedelt, die ihr Land selbst bewirtschaften.[6]

Die brasilianische Regierung sah eine Besiedlung des Südens durch deutsche Einwanderer vor. Diese Vorstellung von Kolonisierung des Landes setzte man im Jahr 1824 fort, nach dem Brasilien die Unabhängigkeit erlangt hatte. Der Großteil des Landes im Süden Brasiliens war zur damaligen Zeit noch unbebaut und großflächig mit Wald bedeckt. Um dieses Land wirtschaftlich nutzen zu können, waren Arbeitskräfte gefragt.[7]

Doch die Ansiedlung der Deutschen im Süden des Landes hatte nicht nur agrarpolitische Ziele. In den Grenzregionen geriet Brasilien immer wieder mit seinen Nachbarstaaten in Konflikte und so war es vorrangiges Ziel diese Gebiete, die dem Staat gehörten, möglichst schnell zu besetzen.[8] Des Weiteren sollten die Siedlungen als Zwischenstationen und Verbindungspunkte zwischen den Süden und Norden des Landes dienen.[9]

Im Jahr 1830 wurden das Anwerben und das Besiedeln des Landes durch deutsche Einwanderer eingestellt. Grund dafür war die Verabschiedung eines neuen Gesetzes, laut welchem es untersagt wurde, staatliche Gelder in die Kolonisierung mit Hilfe von Einwanderer zu investieren. Eine Neubesiedlung des Landes durch Einwanderer fand erst wieder im Jahr 1845 statt. Zwischen 1830 und 1845 wurden einige private Kolonisierungsprojekte geplant und genehmigt, jedoch sind diese gescheitert, da keine ausreichenden finanziellen Mitteln vorhanden waren, um neue deutsche Einwanderer anzulocken.[10]

Mitte des 19. Jahrhunderts sah man bereits der offiziellen Abschaffung der Sklaverei entgegen. Viele der europäischen Länder sind bereits Ende des 18. Jahrhunderts aus dem Sklavenhandel ausgetreten, so auch z.B. Portugal im Jahr 1761. Doch Brasilien hielt weiterhin am Sklavenhandel fest, doch letztendlich konnte der Staat der Kritik und dem Druck aus dem Ausland nicht standhalten und der Sklavenhandel wurde im Jahr 1850 verboten. Dieses politische Ereignis begünstigte und löste neue Zuwanderungswellen von Deutschen und anderen Europäern aus.[11]

Die Ansiedlung der Deutschen konzentrierte sich überwiegend auf den Süden des Landes, u.a. in Santa Catarina, Paraná, Rio Grande do Sul, Espirito Santo, São Paolo, etc. Aber auch im Norden des Landes waren die Deutschen präsent. So führt der Soziologe Gilberto Freyre in seinem Werk Nós e a Europa Germânica als Beispiel den deutschen Einfluss im Bundesstaat Pernambuco auf, insbesondere in der Hauptstadt Recife auf. Diese Stadt wurde in vielen Bereichen des Lebens von den Deutschen dominiert. So waren z.B. deutsche Handwerker, Künstler und Hersteller von Instrumenten besonders gefragt und beliebt. Das Deutsche wurde eher bevorzugt, als das Französische, das vorher dominiert hatte. Es betraf nicht nur die Waren und Dienstleistungen, sondern auch die Musik, Kunst, Literatur und die Wissenschaft. Sogar in der Universität von Recife lehnte man sich an die deutsche Denkweise.[12]

Somit stellt sich die Frage, warum ausgerechnet Deutsche für die Besiedlung der Gebiete ausgesucht worden sind. Dafür gibt es mehrere Gründe. Einer dafür war die Heirat des Kronprinzen Pedro mit der österreichischen Erzherzogin Leopoldine. Dadurch wurden die Beziehungen zwischen Brasilien und Deutschland gestärkt.[13] Des Weiteren galten die Deutschen als besonders fleißig, was Visconde de Abrantes während seinen Besuch in Berlin zum Ausdruck gebracht hat:

„Visconde de Abrantes, Großgrundbesitzer mit Sklavenhaltung, hielt ebenso wie andere bedeutenden Persönlichkeiten die Deutschen für die besten Landwirte Europas, effizient, wohlerzogen, arbeitsam, ideale Einwanderer für die Kolonisierungspolitik.“ [14]

Seit ihrer Ankunft in Brasilien haben die Deutschen auf viele Bereiche des Lebens Einfluss genommen. Sie trugen nicht nur zu wirtschaftlichen Entwicklung bei, sondern veränderten nachhaltig das gesellschaftliche und soziale Leben in Brasilien. Dank der deutschen Siedler wurde das vorher unbewohnte und unkultivierte Land als Lebens- und Arbeitsfläche genutzt. Aus ihrer Heimat brachten sie gewisse Kenntnisse mit sich und haben zu einigen Verbesserungen in der Landwirtschaft beigetragen. Sie prägten darüber hinaus entscheidend den Handel. Bereits in den Anfängen der 20 Jahre des 19. Jahrhunderts waren in Rio de Janeiro viele Deutsche als Kauf- und Handelsleute tätig. Einige Deutsche schlossen sich zusammen und gründeten Vereine, in denen sie ihre Sprache und Kultur pflegten.[15] Sie eröffneten eigene Schulen, wo sie ihren Kindern die deutsche Sprache beigebracht haben,[16] es wurden Zeitungen und Zeitschriften in deutscher Sprache herausgegeben.[17]

Die Deutschen, die sich im 19. Jahrhundert in Brasilien angesiedelt haben, kamen aus den verschiedensten Regionen. Die untenstehende Tabelle[18] zeigt die verschiedenen Herkunfts- und Ansiedlungsorte bzw. entstandenen deutschen Kolonien in Brasilien.

Aufgrund der vielfältigen Zusammensetzung bei der Besiedlung, kam es zur Vermischung und gegenseitiger Einflussnahme von Sprachen (insbesondere Dialekten), Bräuchen, Sitten und Kulturen.[19] Denn die deutschen Siedler stammen nicht nur aus Deutschland, Österreich und anderen Teilen Europas, zwischen 1877 und 1879 wurde auch ein großer Zustrom von Russlanddeutschen verzeichnet, die aus den verschiedensten Ecken des Russischen Reiches kamen. Aber die Neuankömmlinge wiesen nicht nur sprachliche und kulturelle Unterschiede auf, sondern gehörten verschiedenen Konfessionen auf. So strebten die Einwanderer eine Ansiedlung –je nach Konfession – entweder in katholisch geprägten, oder in protestantischen Kolonien an.[20]

Die Einwanderer aus Europa tendierten oft dazu sich in Regionen und Siedlungen niederzulassen, die einen hohen Anteil an Menschen, die aus ihrem Sprach- oder Kulturkreis stammen, bzw. die der gleichen Konfession angehörten, aufwies. In Städten und Regionen, wo sich viele deutsche Einwanderer angesiedelt haben, wurden deutsche Schulen und Kulturvereine gegründet, um die deutsche Sprache und Kultur zu pflegen und aufrechtzuerhalten.[21] Es wurden eigene Kirchen gebaut und Ortschaftsräte (conselhos comunitários) gewählt, um die Interessen der Kolonisten nach außen zu vertreten. Das führte dazu, dass die Kolonien geschlossene Gesellschaften darstellten, deren Mitglieder in einer eigenen Welt lebten und weder den Erwerb der portugiesischen Sprache, noch eine Integration in die brasilianische Gesellschaft angestrebt haben.[22] Vor dem Hintergrund der brasilianischen Nationsbildung und Assimilationspolitik stellten sprachliche und kulturelle Unterschiede, aber auch die andere Konfessionszugehörigkeit ein Problem für die Deutschen dar.[23]

Auf die Assimilationspolitik und die Nationalisierungskampagne, welche die Deutschen im 20. Jahrhundert besonders unter Druck gesetzt hatten, werde ich in nachfolgenden Kapiteln näher eingehen. Eine entscheidende Rolle spielen dabei die Ereignisse in Europa am Anfang und in der Mitte des 20. Jahrhunderts, die sich unmittelbar auf die Haltung gegenüber den Deutschen in Brasilien ausgewirkt haben. Gleichzeitig möchte ich analysieren, wie sich die Umstände auf die Identitätswahrung- bzw. Bildung ausgewirkt haben. Dass die deutschen Siedler in ihrer Lebensweise und im Vergleich zu anderen Einwanderungsgruppen eine Besonderheit darstellten, macht Giralda Seyferth in ihrem Aufsatz „Deutsche Einwanderung in Brasilien“ deutlich:

„ Die Besonderheit der „deutschen Kolonien“ lag nicht in der Siedlungsform, die auch von anderen Einwanderungsgruppen praktiziert wurde. Ihre landwirtschaftliche Produktionsmethode unterschied sich zwar von der im ländlichen Brasilien sonst üblichen, aber die deutschen Einwanderer passten ihre mitgebrachten Bräuche und Gewohnheiten an die neue Umwelt an – ebenso ihre Arbeitsgeräte – und veränderten damit ihre materielle Kultur. Die Besonderheiten des kulturellen Subsystems der deutschen Siedler […] spiegelt sich in den Ernährungsgewohnheiten wider, in der Wohnkultur, in der gesellschaftlichen Organisation, im Arbeitsethos, im Vereinsleben etc. sowie im täglichen Gebrauch der deutschen Sprache oder von Dialekten. Die Errichtung von kommunalen und privaten Schulen, die zum Teil der katholischen oder lutheranischen Kirche angeschlossen waren, der Unterricht in deutscher Sprache sowie Gründung von Schützen, Gesangs- und Turnvereinen trugen ebenfalls zu einer markanten kulturellen Differenzierung.“ [24]

[...]


[1] Gregory (2013 : 116)

[2] Tubino (2007: 52-53)

[3] Magalhães (1998: 19)

[4] Gregory (2013:116)

[5] Seyferth ( 2010: 739)

[6] Seyferth (2010 : 739)

[7] Tubino (2007 :58)

[8] Tubino (2007 : 55)

[9] Seyferth (2010 : 740)

[10] Seyferth (2010 : 741)

[11] Seyferth (2010 : 742)

[12] Tubino (2010:14-15)

[13] Tubino (2010:55)

[14] Seyferth (2010:741)

[15] Seyferth (2010:739)

[16] Seyferth (2010:752-753)

[17] Seyferth (2010:748-749)

[18] Gregory (2013:118)

[19] Magalhães (1998: 27)

[20] Gregory (2013:117)

[21] Seyferth (2010:752)

[22] Magalhães (1998:27)

[23] Seyferth (2010:741)

[24] Seyferth (2010:748)

Ende der Leseprobe aus 25 Seiten

Details

Titel
Deutsche Einwanderung nach Brasilien
Hochschule
Johannes Gutenberg-Universität Mainz  (Fachbereicht für Sprache, Kultur, Translation)
Veranstaltung
Seminar: Sprachen und Kulturen Brasiliens
Note
1,3
Autor
Jahr
2014
Seiten
25
Katalognummer
V276039
ISBN (eBook)
9783656686842
ISBN (Buch)
9783656686866
Dateigröße
690 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
deutsche, einwanderung, brasilien
Arbeit zitieren
Katharina Martaler-Martin (Autor:in), 2014, Deutsche Einwanderung nach Brasilien, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/276039

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