Persönlichkeitsstörungen am Beispiel von Borderline


Hausarbeit, 2013

30 Seiten, Note: 1,1


Leseprobe


Einleitung

„Die Geburt bringt nur das Sein zur Welt;
die Person wird im Leben erschaffen.“

(Théodore Simon Jouffroy)

„Achten die Menschen sich selbst,
so achten sie gewöhnlich auch die fremde Persönlichkeit
.“

(Samuel Smiles)

Wir treffen täglich auf ganz unterschiedliche Menschen, die sich jeweils durch ihre ganz eigene und unverwechselbare Art und Weise auszeichnen. Die einzigartigen Konstellationen von Emotionen, Gedanken und Reaktionen des Individuums bezeichnet man als Persönlichkeit. Eine gesunde Persönlichkeit hilft dem Individuum sich in der Gesellschaft zurechtzufinden und dabei selbstbestimmt auf neue Anforderungen zu reagieren. Unter bestimmten psychosozialen und genetischen Bedingungen können Persönlichkeitszüge jedoch starr und unflexibel werden. Es entstehen Persönlichkeitsstörungen. Es ist für mich sehr faszinierend zu betrachten, welche Auswirkungen eine psychische Erkrankung auf das ganze Bewusstsein und soziale Leben einer Person haben kann. Aus diesem Grund habe ich meine Aufmerksamkeit bei der Wahl einer Praxisstelle vor allem auf Institutionen gerichtet, die dieses Klientel betreuen. Dabei bin ich auf eine psychiatrische Klinik in Istanbul (Türkei) aufmerksam geworden. Als Vorbereitung auf das Praktikum dort und für die spätere Tätigkeit als Sozialarbeiterin, widme ich diese Hausarbeit dem Thema der Persönlichkeitsstörungen.

Die folgende Ausarbeitung soll zunächst einen Überblick zur Definition, zu grundsätzlichen Kriterien zur Bestimmung und Diagnose von Persönlichkeitsstörungen geben, um dann näher auf die Borderline- Persönlichkeitsstörung einzugehen.

1. Definition und die Stigmatisierung

„Persönlichkeit und Persönlichkeitseigenschaften eines Menschen sind Ausdruck der für ihn charakteristischen Verhaltensweisen und Interaktionsmuster, mit denen er gesellschaftlich-kulturellen Anforderungen und Erwartungen zu entsprechen und seine zwischenmenschlichen Beziehungen auf der Suche nach einer persönlichen Identität mit Sinn zu füllen versucht.“ (Fiedler 2007: 2)

Wenn diese speziellen Verhaltens- und Handlungssmuster so extrem, unflexibel und fehlangepasst sind und somit den sozialen Regeln und Erwartungen so sehr widersprechen, dass es dadurch zu einer deutlichen Beeinträchtigung der Lebensführung kommt, so handelt es sich um eine Persönlichkeitsstörung. Die Übergänge zwischen sozial akzeptierter und nicht akzeptierter Abweichungen sind jedoch sehr fließend und stark kontextabhängig. So erfolgt die Diagnose der Persönlichkeitsstörung zwangsläufig in einem Bereich wissenschaftlicher und gesellschaftlich-kultureller Streitfragen. (Vgl. Hautzinger et al 2008: 133,Fiedler 2007: 3)

Bis in die jüngste Gegenwart hinein wurden in der psychiatrischen Nomenklatur Menschen mit einer Persönlichkeitsstörung mit dem Begriff „Psychopath“ stigmatisiert. Den „Psychopathen“ kennzeichnen die bis ins scheinbar krankhafte reichende Störungen in zweierlei Hinsicht. Einerseits als ein mit subjektiven Leiden verbundenes Versagen im Leistungs- und Beziehungsbereich und andererseits eine mehr oder weniger starke Tendenz dazu, Normen und Regeln zu verletzen. Die Erklärung dafür, warum die Definition und Beschreibung der Psychopathie früher und zu Teilen sogar heute noch wie schlechte Eigenschaften, asoziale Tendenzen oder auch wie ein Katalog menschlicher Verhaltensweisen klingen, liegt unteranderem darin, dass zu Beginn des 19. Jahrhunderts in der Psychiatrie versucht wurde, die Unterscheidbarkeit der psychopatisch-krankhafter und intendiert verantwortbarer Dissozialität und Kriminalität wissenschaftlich zu lösen. (Vgl. Fiedler 2007: 4)

Eine Kritik zur Psychiatrieklassifikation entstand bereits in den 1960er- und 1970er Jahren. Die soziologisch-antipsychiatrische Position kritisierte hierbei, die stark stigmatisierende Dynamik der Diagnostik als „Etikettierung“ oder „Labeling“. Für den Betroffenen selbst, trägt die diagnostische Feststellung einer Persönlichkeitsstörung die Gefahr einer überdauernden fixierenden Merkmals- und Identitätszuschreibung in sich. Denn anders als bei anderen psychischen Störungen wie z.B. einer Phobie, Depression oder auch Schizophrenie, gibt es bei dieser Diagnose das Stigmatisierungsproblem, da nicht nur einzelne Verhaltens- und Erlebensepisoden als störend bezeichnet werden, sondern die Persönlichkeitsabweichung bezieht sich immer auf die Person als Ganzes. (Vgl. Fiedler 2007: 4-5)

2. Historische Entwicklung

Die Konzepte der Diagnostik und Klassifikation von Persönlichkeitsstörungen stehen eng verbunden mit der Geschichte der Psychiatrie als medizinischer Wissenschaft überhaupt. Außerdem wird die Ideengeschichte der Psychopathiekonzepte im Wesentlichen von den traditionellen Vorstellungen der französischen, der angelsächsischen und der deutschsprachigen Psychiatrie geprägt.

Im 18. Jahrhundert ergab sich ein Abgrenzungsproblem, denn neben den eindeutig geisteskranken „Irren“, für die damals die ersten „Irrenhäuser“ eingerichtet wurden, gab es auch eine Personengruppe, die sich zwar abnormal und sozial deviant verhielten, bei denen jedoch nicht eindeutig klar war, ob ihnen karitative Fürsorge zusteht oder ob sie für ihre als teils kriminell eingestufte Dissozialität einer Strafe zuzuführen seien. Angesichts einer Überfüllung der Zuchthäuser und infolge der Kritik einiger Mediziner sahen sich die Staatsverwaltungen gezwungen sich mit der Verwaltung dieser Personengruppe auseinander zu setzen. So kam es zu einem starken Ausbau des Systems der Irrenanstalten, der den sozialpolitischen Erfordernissen gerecht werden sollte. Zugleich kam es zu der Aufgabe, „nach Menschlichkeit, Vernunft und Recht den Schuldigen vom Kranken zu trennen“ (Jervis 1978: 47). (Vgl. Fiedler: 11, Jervis 1978: 47)

Erstmals in der neuzeitlichen Psychiatrie legte 1809 der Franzose Phlilippe Pinel mit der Beschreibung „manie sans délire“ (zu Deutsch: Wut oder Raserei ohne Geistesverwirrung) eine nosologische Einordnung gestörter Persönlichkeiten vor. In seiner ätiologischen Theorie differenzierte er zwischen endogenen (zügellose Veranlagung) und biographischen Faktoren (mangelhafte Erziehung). Diese Typisierung ergänzte Esquirol 1839 in seiner Lehre der Monomanien mit einigen Delikttypen. Die Übernahme dieser Delikttypen in die Psychiatrie führte jedoch zwangsläufig zu einer sozialgesellschaftlichen Wertung der Persönlichkeitsabweichungen. 1857 wurde dies noch einmal durch die Degenerationslehre von Morel weiter verstärkt. Morel war davon überzeugt, dass schädliche Umwelteinflüsse Kriminalität und gewohnheitsmäßige Dissozialität entstehen lassen würden. Diese Gewohnheitsführung würde dann so vererbt werden, dass der Schweregrad der Störung von Generation zu Generation zunehmen würde. (Vgl. Fiedler 2007: 11)

Unter dem Einfluss der Degenerationslehre versuchte Koch als erster im deutschen Raum die Persönlichkeitsstörungen zu systematisieren. Koch unterschied dabei angeborene von erworbenen Formen der Pychopathie, die angeborenen bildeten aber den Schwerpunkt. Von Koch führte der Weg zu Kraepelin, der sich im Laufe immer neuer Überarbeitung allmählich von der französischen Tradition der Degenerationslehren gelöst und einen Weg in Richtung unseres modernen Psychopathieverständnisses eingeschlagen hat (1909-1915). (Vgl. Fiedler 2007: 13-15)

Unser heutiges Verständnis von Psychopathie bzw. Persönlichkeitsstörung gründet sich in wesentlichen Teilen auf Kurt Schneiders Monographie "Die psychopathischen Persönlichkeiten" (1923). Schneider arbeitete die Psychopathielehre Kraepelins unter besonderer Berücksichtigung einer besseren Abgrenzung der Psychopathien gegenüber den endogenen Psychosen und einer Ersetzung der wertenden soziologischen Einteilungsprinzipien Kraepelins durch eine möglichst reine, wertneutralere Typenlehre aus.

Schneiders von Systematisierungsversuchen freie Einteilung aus den 1920er Jahren hat den Grundstein für die modernen Klassifikationssysteme ICD und DSM gelegt. Aufgrund dieser aktuellen Bedeutung sind hier die 10 Typen, die Kurt Schneider 1928 unterschied, aufgelistet:

- Die Hyperthymischen
- Die Depressiven
- Die Selbstunsicheren (Unterformen: Die Ängstlichen und die Zwanghaften)
- Die Fanatischen
- Die Geltungsbedürftigen
- Die Stimmungslabilen
- Die Explosiblen
- Die Gemütlosen
- Die Willenlosen
- Die Asthenischen

(Vgl. Fiedler 2007: 16-19)

2.1 Internationale Vereinheitlichung

Die Bemühungen der Psychiatrie um Anerkennung als medizinische Wissenschaft im 19.Jahrhundert waren von dem Anspruch geleitet, für die psychiatrischen Störungsbilder eine weithin akzeptierbare Systematik zu entwickeln.

1889 einigten sich Psychiater erstmals auf einem internationalen Kongress auf ein einheitliches Klassifikationsschema, das jedoch in der Praxis kaum berücksichtigt wurde. Alle nationalen wie auch internationalen Versuche zu einer einheitlichen Klassifikation zu gelangen blieben bis zum Ende des zweiten Weltkriegs erfolglos. Der einzige Fortschritt war 1939, dass das in der Medizin weltweit gebräuchliche ICD erstmals um eine Reihe psychiatrischer Krankheiten erweitert wurde. Doch die weltweite Anerkennung der ICD-6-Systematik blieb trotz dringender Empfehlung der WHO auf Vereinheitlichung aus. (Vgl. Fiedler 2007: 21-22)

Noch bis einschließlich der ICD-9 von 1980 gab es keine weltweite Akzeptanz des Systems. So waren von den Psychiatern der WHO Neuerungen kontinuierlich diskutiert worden, eine Grundlegende Neuorientierung gab es jedoch erst von den Psychiatern der American Psychiatric Association. Diese Psychiater entwickelten Mitte der 1970er Jahre die dritte Version des US-amerikanischen Diagnostic ans Statistical Manual of Mental Disoders (DSM-III). (Vgl. Fiedler 2007: 25-26)

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Details

Titel
Persönlichkeitsstörungen am Beispiel von Borderline
Hochschule
Hochschule Bremen
Note
1,1
Autor
Jahr
2013
Seiten
30
Katalognummer
V275888
ISBN (eBook)
9783656688983
ISBN (Buch)
9783656688976
Dateigröße
402 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
persönlichkeitsstörungen, beispiel, borderline
Arbeit zitieren
Funda Uyar (Autor:in), 2013, Persönlichkeitsstörungen am Beispiel von Borderline, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/275888

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