Die Großstadt bei Erich Kästner

Eine vergleichende Analyse der Großstadtdarstellung in "Der Gang vor die Hunde" und "Emil und die Detektive"


Hausarbeit, 2014

20 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung – Eine Stadt und zwei Werke

2 Technisierung und ihre Auswirkungen
2.1 Mensch und Maschine
2.2 Fabian und die Straßenbahn
2.3 Emil und die Autos
2.4 Fabians Straßenbahn und Emils Autos

3 Die Medien der großen Stadt
3.1 Das tägliche Pensum
3.2 Journalist Kästner, der Schutzengel
3.3 Das Kino
3.4 Die Werbung

4. Fazit: Kinder und Erwachsene in der Großstadt

5. Literaturverzeichnis

1. Einleitung – Eine Stadt und zwei Werke

In der Literatur der Weimarer Republik war die Großstadt, insbesondere Berlin ein beliebtes Motiv. Erich Kästner hat die Großstadt in einer Reihe seiner Werke thematisiert. Dazu zählen auch „Emil und die Detektive“ von 1929 und „Fabian. Die Geschichte eines Moralisten“ von 1931[1].

Der Kinderroman und der Erwachsenenroman werden im Folgenden bezüglich der Großstadtdarstellung vergleichend analysiert. Diese zwei – nicht nur auf den Adressaten bezogen unterschiedliche Werke – haben den Schauplatz Berlin und die Großstadtatmosphäre gemeinsam. Zentrale Themen sind dementsprechend Technisierung, neue Medien, Werbung und Sport. Diese werden als Gliederung dem Vergleich Orientierung geben. Ziel der Arbeit soll die Klärung sein, inwieweit sich das Bild der Großstadt Berlin in Kästners Werken gleicht und inwieweit es sich unterscheidet.

In „Der Gang vor die Hunde“ wird eine grundsätzlich düstere Atmosphäre erzeugt. Arbeitslosigkeit und Sittenverfall prägen die gesellschaftliche Situation. Nach dem Selbstmord seines besten Freundes Labude stirbt auch noch der Protagonist Fabian.

In „Emil und die Detektive“ spielt zwar auch der Dieb eine Rolle, der Emils Geld für die Großmutter und die Berlinreise stiehlt, aber das Gros der auftretenden Figuren ist freundlich und hilfsbereit, sodass der Eisenbahndieb gestellt werden kann und Emil sogar eine Belohnung für das Fassen des gesuchten Verbrechers erhält.

Die zwei Werke scheinen also ein sehr unterschiedliches Bild von Stadt und Menschen zu entwerfen, doch es geht um dieselbe Stadt, um die Großstadt Berlin, die vom selben Autor beschrieben wird. Dies erscheint Grund genug für eine detaillierte Untersuchung.

Die Forschungsliteratur zu Kästners Werken hat sich bereits ausgiebig mit der Thematik Großstadt auseinandergesetzt, wobei dem Werk „Fabian. Die Geschichte eines Moralisten“ mehr Aufmerksamkeit geschenkt wurde, als Kästners Kinderroman. Ein direkter Vergleich der beiden Werke wurde diesbezüglich bisher jedoch noch nicht gezogen.

2 Technisierung und ihre Auswirkungen

Die Technisierung der Großstadt, beziehungsweise in der Großstadt, führt einerseits zu Entwicklung und Fortschritt. Andererseits resultieren daraus Rationalisierung und Arbeitslosigkeit. Im Folgenden wird untersucht, wie die beiden Werke Kästners die technischen Neuerungen darstellen.

2.1 Mensch und Maschine

In einer Stadt, die von Technisierung geprägt ist, ersetzen Maschinen menschliche Arbeit, sodass hohe Arbeitslosenzahlen nicht wundern. In „Der Gang vor die Hunde“ wird dies am Beispiel von Professor Kollrepp und seiner Maschine für die Textilindustrie veranschaulicht. Der Erfinder fühlt sich schuldig, weil durch seine technische Neuerung viele Menschen ihre Arbeit verlieren und ein Mädchen bei einem daraus resultierenden Arbeiteraufstand ihr Leben lässt.[2] Der Ingenieur hat Reichtum und Ansehen der Familie aufgeben, um seine weiteren Erfindungen geheim halten zu können. Seine Familie ist mit seinem uneigennützigen Verhalten nicht einverstanden. Sie lässt ihn entmündigen und in die Psychiatrie einweisen. Fabian begegnet ihm, als er auf der Flucht vor den Sanitätern der Irrenanstalt ist, die ihn abholen sollen.[3]

Dieser Einsatz für die Menschen, speziell für die Arbeiter, bleibt ein Einzelfall. Daran, dass Professor Kollrepp in seiner letzten Szene in eine Heilanstalt abtransportiert wird, obwohl er nach eigener Aussage nicht verrückt[4] ist, zeigt sich exemplarisch, wie hoch ein Einsatz sein muss, um sich gegen die Technisierung der Großstadt zu wehren und der Rationalisierung entgegenzuwirken. Zugleich zeigen die Umstände um Professor Kollrepp den Zwiespalt auf, dass einerseits mit dem Technikeinsatz Profit gemacht werden kann, andererseits aber auch Arbeitsplätze und in der Folge Menschenleben gefährdet sind. Die Maschine nimmt dem Menschen Arbeit ab, ist ein technischer Fortschritt, aber auch eine Konkurrenz zur menschlichen Arbeitskraft.

Emil dagegen profitiert auf seiner Jagd nach dem Eisenbahndieb vom „Komfort der Neuzeit“[5]. Das Hauptquartier der Detektive liegt im Hof neben dem Hotel des Diebes gerade richtig angrenzend an den Untergrundbahnhof und an Lokale zum Telefonieren.[6] Diese Infrastruktur ist Grundlage für Mobilität in angemessener Geschwindigkeit und problemlose Kommunikation, zumindest solange das zusammengelegte Taschengeld der Detektive reicht.

Die Technisierung selbst wird in „Emil und die Detektive“ nicht thematisiert. Lediglich eine grundsätzliche „Licht- und Elektrizitätseuphorie“[7] äußert sich beispielsweise als eine Kundin von Frau Tischbein, Emil Berlin beschreibt. Sie spricht von „Straßen, die nachts genau so hell sind wie am Tage“.[8] Das Licht und die allgegenwärtige Elektrizität der Großstadt werden hier als Faszinosum dargestellt.

Ansonsten kommt die Technisierung durch den häufigen Gebrauch von Verkehrs- und Kommunikationsmitteln, sowie durch die starke Repräsentation der Medien zum Ausdruck.

2.2 Fabian und die Straßenbahn

Fabian bekommt die Ausmaße der Technisierung am eigenen Leib zu spüren, als „jemand heftig gegen Fabians Stiefelabsatz [stößt]. […] Es war die Straßenbahn“[9]. Die Bahn wird hier personifiziert als ‚jemand‘ dargestellt. Und zwar als jemand, der Gefahr für Fabian darstellt und ihm eindeutig überlegen ist. Nicht der Schaffner hat den Fehler begangen, sondern Fabian steht der Straßenbahn im Weg. Die Weiterfahrt hat Priorität vor seiner körperlichen Unversehrtheit. „Der Verkehr der Großstadt erhält somit Übermacht gegenüber dem >kleinen Mann<[10] Marja Rauch stellt mit dieser These die Machtverhältnisse zwischen Mensch und Maschine dar.

Im Falle von Professor Kollrepps Erfindung und dem getöteten Mädchen, aber auch bei Fabians unfreiwilligem Zusammentreffen mit der Straßenbahn zeigt sich die Überlegenheit der Technik dem Menschen gegenüber.

Der Verkehr in Fabians Berlin besteht jedoch nicht nur aus Straßenbahnen, sondern auch aus Autobussen, Taxen und Untergrundbahnen. Und dieser Verkehr wird von Fabian oft als „Lärmbelästigung“[11] wahrgenommen, beispielsweise wenn „Lastautos ratter[n]“[12] oder der Straßenlärm wie ein Regenguss an die Scheiben trommelt[13]. Gerade beim Gedanken an die ruhige Heimat wird der Lärm für Fabian zur Qual[14]. Die Geräuschkulisse, die mit dem sonst so praktischen Verkehr verbunden ist, wird als störend empfunden.

Wiederum fortschrittlich und konstruktiv sind die neuen Verkehrsmittel, was die Schnelligkeit der Fortbewegung betrifft. Fabian betritt die Untergrundbahn nicht einfach, oder steigt ein, sondern er springt hinein[15], um sich dem Tempo der eigentlichen Fahrt anzupassen.

Trotz des gewissen Grades der Anpassung sind Fabian die Verkehrsmittel teilweise auch fremd. Nach der Descartes-Lektüre blickt Fabian auf die Straße und sieht Autobusse, „die, wie Elefanten auf Rollschuhen, die Kaiserallee entlang [fahren]“[16]. Dieser Vergleich oder vielmehr die Assoziation des Protagonisten zeugt von einer kindlichen „Unvertrautheit der modernen Technik“[17]. Der Elefant steht für Größe des Verkehrsmittels, ist jedoch ein Tier, der Natur zugehörig und somit widersprüchlich zur Technik des Autobusses. Die Rollschuhe implizieren die Geschwindigkeit, aber in Bezug auf den Elefanten auch die Unnatürlichkeit dieser künstlich erzeugten Fortbewegung. Und gerade diese Distanz zum Natürlichen widerstrebt dem Provinzler – und hier vor allem Descartes-Leser – Fabian, der sich nach Ruhe sehnt. In einem Moment erreicht er dieses Ruhen in sich, als er die Augen schließt[18], doch einen Augenblick später lacht er über den Philosophen und distanziert sich somit wieder von den Gedanken an Revolution in der Einsamkeit.

[...]


[1] Die Erstausgabe hat den Titel „Fabian. Die Geschichte eines Moralisten.“ Grundlage dieser Arbeit und Quelle ist jedoch „Der Gang vor die Hunde“, eine Ausgabe herausgegeben von Sven Hanuschek, die den Versuch einer Rekonstruktion von Kästners Urfassung anstellt.

[2] Vgl. Kästner: Der Gang vor die Hunde 2013, S. 104-123 (besonders 105f).

[3] Vgl. ebd. S. 104-123 (besonders 122f).

[4] Vgl. ebd. S. 122.

[5] Kästner: Emil und die Detektive 1949, S. 109.

[6] Die Telefonie ist in „Emil und die Detektive“ ein zentrales Kommunikationsmittel. Durch den kleinen Dienstag hat die Detektivbande sogar eine eigene Telefonzentrale. Da in „Der Gang vor die Hunde“ das Telefonieren jedoch eine untergeordnete Rolle spielt, wird an dieser Stelle auf weitere Ausführungen verzichtet.

[7] Schaub: Emil und die Detektive 2005/2006, S. 139.

[8] Kästner: Emil und die Detektive 1949, S. 38.

[9] Kästner: Der Gang vor die Hunde 2013. S.9.

[10] Rauch: Fabian 2001, S. 63.

[11] Ebd. S. 84.

[12] Kästner: Der Gang vor die Hunde 2013, S. 102.

[13] Vgl ebd. S. 34.

[14] Vgl. ebd. S. 153.

[15] Vgl ebd. S. 20.

[16] Ebd. S. 38.

[17] Rauch: Fabian 2001, S. 85.

[18] Vgl. Kästner: Der Gang vor die Hunde 2013, S. 38.

Ende der Leseprobe aus 20 Seiten

Details

Titel
Die Großstadt bei Erich Kästner
Untertitel
Eine vergleichende Analyse der Großstadtdarstellung in "Der Gang vor die Hunde" und "Emil und die Detektive"
Hochschule
Universität zu Köln  (Institut für deutsche Sprache und Literatur)
Veranstaltung
Seminar zu Erich Kästner
Note
1,3
Autor
Jahr
2014
Seiten
20
Katalognummer
V275827
ISBN (eBook)
9783656683018
ISBN (Buch)
9783656682998
Dateigröße
496 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
großstadt, erich, kästner, eine, analyse, großstadtdarstellung, gang, hunde‘, detektive
Arbeit zitieren
Jacqueline Schäfer (Autor:in), 2014, Die Großstadt bei Erich Kästner, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/275827

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