Ein Stück Wald im Wohnzimmer? Feldforschung zu selbstgesägten Weihnachtsbäumen in Heidelberg


Hausarbeit, 2013

29 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Methodologie der Datenerhebung
2.1. Ethnographie und Feldforschung
2.2. Fragestellung und Exposé
2.3. Methoden und Methodologie
2.4. Feldnotizen
2.5. Visuelle Dokumentation
2.6. Sekundäre Daten

3. Feldforschungsergebnisse

4. Das „Soziale Leben“ der Weihnachtsbäume

5. Schlussbetrachtungen und Ausblick

6. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Weihnachtsbäume gibt es seit dem Spät-Mittelalter. In jener Zeit versammelten sich die Menschen um Weihnachten in den Kirchen, um Aufführungen des Paradies- und des Krippenspieles beizuwohnen. Das Paradiesspiel handelte davon, „wie Adam und Eva die Schuld in die Welt brachten, von der Christus die Menschen durch seinen Tod erlöste“ (Becker-Huberti 2010). Zu den Requisiten dieser Darstellung zählte ein Baum, von dem als Symbol für die Paradiesfrucht ein roter Apfel gepflückt wurde. Im Laufe der Zeit wurde dieser Baum zunehmend mit dekorativen Gegenständen, wie beispielsweise Kerzen sowie Back- und Naschwerk, geschmückt. Zunächst gehörte der Weihnachtsbaum ausschließlich zum evangelischen Brauchtum. Um 1850 wurde diese Tradition mit anderen Bräuchen vermischt und der Weihnachtsbaum wurde deutsches Gemeingut (ebd.). In dieser Hausarbeit möchte ich jedoch nicht aus historischer, sondern aus ethnologischer Perspektive, auf die Weihnachtsbäume eingehen. Ich werde mich damit befassen, welche Bedeutung der selbstgesägte Weihnachtsbaum für die Heidelberger Weihnachtsbaumproduzenten und -endverbraucher hat.

Anhand von zwei Fallbeispielen aus dem Raum Heidelberg – Schriesheimer Wald und Weihnachtsbaum-Heidelberg – werde ich das Thema selbstgesägte Weihnachtsbäume erörtern. Dabei möchte ich sowohl die Seite der Verkäufer als auch die der Kunden miteinbeziehen. Da ein Feldforschungsprojekt die Grundlage dieser Hausarbeit bildet, werde ich zunächst auf die von mir angewandte Methodologie der Datenerhebung eingehen und danach eine Interpretation der Forschungsergebnisse darstellen. Außerdem möchte ich im größeren, theoretischen Rahmen darauf eingehen, inwiefern Weihnachtsbäume Gegenstände mit einem „sozialen Leben“ sind. Der Hauptteil dieser Hausarbeit wird also grob gesagt aus einem methodologischen, einem praktischen und darauf aufbauend aus einem theoretischen Teil bestehen. Die Arbeit wird anschließend durch ein Fazit abgerundet.

2. Methodologie der Datenerhebung

Zunächst möchte ich erläutern mit welchen Methoden ich die Daten erhoben habe und warum ich diese Vorgehensweise gewählt habe. Unter „Ethnographie und Feldforschung“ werde ich die Rahmenbedingungen des Feldforschungsprojektes umreißen und danach zur Fragestellung und dem Exposé meiner Forschung übergehen bevor ich zu den von mir verwendeten Methoden – Interviews und Teilnehmende Beobachtung – übergehe. Nachdem ich erklärt habe, wie ich diese Daten festgehalten habe – mit Hilfe von Feldnotizen und Bildern – werde ich noch kurz auf die Sekundärquellen eingehen.

2.1. Ethnographie und Feldforschung

Als Ethnographie, also „über Menschen schreiben“ (Madden 2010, 16; Übersetzung der Verfasserin), wird im ethnologischen Kontext einerseits der Prozess der systematischen, empirischen Feldforschung und andererseits das schriftliche Produkt der ethnographischen Forschung von Anthropologen bezeichnet (Beer 2008, 11; Sanjek 2002, 295). Durch die unmittelbare Interaktion mit den Informanten im Feld und durch die Teilnahme an deren Alltag sammeln Ethnographen mit Hilfe von vorwiegend qualitativen Forschungsmethoden Daten. Sie haben dabei zwei Funktionen: „By undertaking participant observation ethnographers are both guiding research and a tool of the research“ (Madden 2010, 34).

Im Feld zu forschen gilt als „zentrale Methode der Ethnologie“ (Beer 2008, 11) und Teilnehmende Beobachtung wiederum als „Kernelement der Feldforschung“ (Haller 2005, 142). In der Regel handelt es sich bei Feldforschungen um langzeitige Forschungsprojekte, die einen einjährigen Aufenthalt bei der erforschten Gruppe nicht unterschreiten sollten (Salzman 2010, 462). Da die Projekte der Teilnehmer der Veranstaltung Methoden der Datengewinnung jedoch auf einen weitaus engeren Rahmen begrenzt sind, haben wir kurze, einsemestrige Projekte mit einigen mehrstündigen Aufenthalten bei den jeweiligen Personengruppen beziehungsweise an den jeweiligen Orten durchgeführt. Auch der geographische Raum wurde durch das Thema Heidelberg und der Wald auf die nähere Umgebung unseres Studienortes reduziert. Wir haben demnach „Anthropology at Home“ (Ardener 1987) betrieben. Dabei hat sich in Bezug auf mein Forschungsprojekt das folgende Zitat von George und Louise Spindler bewahrheitet: „The purpose of anthropology is to make the exotic familiar and the familiar exotic“ (Ithaca College 2007). Obwohl ich vor Beginn des Seminars dachte, dass ich mit dem Feld – Heidelberg und der Wald – einigermaßen vertraut bin, habe ich im Laufe der Forschung aus dem ethnographischen Blickwinkel gänzlich fremde Menschen und Facetten der Umgebung sowie Wohlbekanntes aus einer anderen, emischen Perspektive kennengelernt.

2.2. Fragestellung und Exposé

Da das Thema Heidelberg und der Wald recht weit gefasst ist, hat jeder Kursteilnehmer sich zunächst einen kleinen Forschungsbereich ausgewählt und daraufhin eine konkrete Forschungsfrage formuliert (Beer 2008, 15). Ich habe mir zunächst überlegt, welche Themengebiete mich persönlich interessieren würden, und mit Hilfe von Suchmaschinen im Internet recherchiert, ob es im Raum Heidelberg Möglichkeiten gibt, diese Gegenstände zu untersuchen. Das gemeinsam im Seminar erstellte Tafelbild, das eine Themenauswahl darstellt, hat mir dabei zusätzliche Anregung gegeben. Aufgrund der Jahreszeit, in der die Forschung stattfinden sollte, und meiner persönlichen Begeisterung für die Adventszeit und das Weihnachtsfest, habe ich mich besonders für einen möglichen Forschungsbereich in Verbindung mit Weihnachtsbäumen interessiert. Da meine Eltern beide Grundschullehrer sind und ich seit fünf Jahren in den Semesterferien als Kinderbetreuerin in einem Schülerhort arbeite, habe ich außerdem die Waldkindergärten in Erwägung gezogen. Obwohl mir das erstgenannte Thema intuitiv mehr zugesagt hat, habe ich mir eine Alternative rausgesucht, da ich mir nicht sicher war, ob ich für die Thematiken rund um Weihnachtsbäume eine Projektgruppe mit einem ähnlichen Forschungsbereich finden würde.

Nachdem ich mich für den Waldkindergarten „Riesenstein“ entschieden und mich der Gruppe mit didaktischem Schwerpunkt angeschlossen hatte, entwarf ich mein erstes Exposé für meine Forschung und kontaktierte das zuständige Personal des Kindergartens, um den Verantwortlichen mein Projekt vorzustellen und um eine Zusammenarbeit zu bitten. „Ein Exposé dient dazu, Vorgehen und Fragestellung zu fixieren und zu verdeutlichen“ (ebd., 16), wie Bettina Beer schreibt. Und bei dieser Ausarbeitung wurde mir bewusst, dass ich mich für das falsche Forschungsthema entschieden hatte. Bei der intensiveren Auseinandersetzung mit der Thematik habe ich bemerkt, dass eine Fragestellung in Verbindung mit Weihnachtsbäumen weitaus reizvoller ist, da sie komplexer und weniger offensichtlich in Zusammenhang mit unserem Hauptthema steht. Ich war der Ansicht, dass letzteres mich mehr fordern würde. Schließlich ist es wichtig, bei einem solchen mehrmonatigen Projekt nicht den Ansporn zu verlieren und bei dem Waldkindergarten war diese grundlegende Motivation von Anbeginn an nicht wirklich vorhanden. Ich hatte mich vorwiegend für das Thema entschieden, weil ich dachte, dass es besser in die Gesamtgruppe der Teilnehmer passen würde.

Nachdem ich den neuen Fokus ausgewählt hatte, schrieb ich ein neues Exposé. Meine konkrete Forschungsfrage lautete zunächst „Wie nehmen Kunden und Anbieter der Weihnachtsbaum-Verkaufsstellen Schriesheimer Wald und Weihnachtsbaum-Heidelberg den Weihnachtsbaum wahr?“. Ich entschied mich also für den Vergleich von zwei Weihnachtsbaumproduzenten und beschloss die Thematik aus der Perspektive der Anbieter und Verkäufer zu analysieren. So konnte ich auch mein fachliches Interesse an der Erforschung von Traditionen, an den Mensch-Natur-Beziehungen und an der vergleichenden Arbeit, unter anderem in Bezug auf die Unterschiede und Gemeinsamkeiten der beiden Forschungsorte, sowie der Perspektiven der Kundschaft und der Anbieter, einbringen. Ich habe mich dazu entschlossen, den Personen im Feld nicht mitzuteilen, dass ich zusätzlich am jeweils anderen Ort forsche, da ich befürchtete, dass dieses Wissen bei wirtschaftlich konkurrierenden Betrieben in einer Region eventuell zu einer Verfälschung der Aussagen führen könnte. Die Informanten könnten beispielsweise zu Übertreibungen neigen, um sich besser im Vergleich zum anderen Anbau- und Verkaufsort darzustellen.

Ein zufälliges Gespräch mit einer Bekannten über Weihnachtsbäume hat mich auf den Aspekt der Wahrnehmung der Weihnachtsbäume aufmerksam gemacht. Sie vertritt die Ansicht, dass gefällte Weihnachtsbäume getötet worden sind, und möchte kein totes Stück Wald beziehungsweise Natur in ihrem Wohnzimmer stehen haben. Ich habe anschließend darüber nachgedacht, wie und ob Menschen Weihnachtsbäume als Teil des Waldes oder der Natur wahrnehmen und welche Bedeutung der Weihnachtsbaum für Menschen haben kann. Anschließend habe ich das Gespräch mit meinem Forschungsthema assoziiert und die spezifische Forschungsidee in Form einer Fragestellung und eines Exposés entwickelt. Zudem habe ich einen Zeitplan aufgestellt, den ich während der Forschung, abgesehen von der Vorbesprechung Ende November und der Nachbesprechung Mitte Januar mit Weihnachtsbaum-Heidelberg, nicht einhalten konnte. Der Grund dafür war, dass ich noch keine Rückmeldung vom Betrieb erhalten hatte und die Produzenten im Januar nicht zur Verfügung standen.

Im Laufe der Forschung hat sich meine Fragestellung geändert und lautet schlussendlich: „Welche Bedeutung hat der selbstgesägte Weihnachtsbaum für die Heidelberger Weihnachtsbaumproduzenten und -endverbraucher?“ Der Begriff „Bedeutung“ scheint mir als wissenschaftliche Formulierung angemessener als „Wahrnehmung“ zu sein, da Letzterer eher ein Sinneseindruck ist, während „Bedeutung“ sich vielmehr auf den Sinngehalt bezieht. Auch die Begriffe „Produzent“ und „Verbraucher“ scheinen mir angemessener zu sein, da sie ausdrücken, dass der Weihnachtsbaum zu einer Ware geworden ist und sich meine Forschung des Weiteren nicht nur den Verkauf an sich, sondern auch den Produktionsprozess und den anschließenden Konsum durch den Käufer umfasst. Zudem möchte ich mich auf selbstgesägte Bäume beschränken, wie aus der finalen Fragestellung hervorgeht.

2.3. Methoden und Methodologie

Nach der Formulierung der Fragestellung und der Anfertigung eines Exposés muss die Auswahl adäquater Methoden getroffen werden, um das Thema zu behandeln (ebd., 18). Die Begriffe „Methode“ und „Methodologie“ können wie folgt definiert werden: „[…] a methodology is a justification of the use of a particular set of methods (a toolkit). Methods are what tools you use; a methodology is an explanation of why you use those tools“ (Madden 2010, 25). Bei der Feldforschung werden in der Ethnologie meist unterschiedliche Methoden kombiniert. Diese „Methoden-Vielfalt“ (Beer 2008, 11) ermöglicht die wechselseitige Ergänzung und Kontrolle der Forschungsergebnisse.

Im Folgenden möchte ich zusammenfassen, welche Methoden ich bei der Feldforschung eingesetzt habe. Insgesamt habe ich drei Nachmittage mit Teilnehmender Beobachtung verbracht, davon zwei Nachmittage mit zusätzlichen informellen Gesprächen mit den zwei Hauptinformanten, drei Angestellten und mehreren Kunden. Zunächst habe ich gedacht, dass ich von Weihnachtsbaum-Heidelberg nicht ausreichend Infos erhalten würde, weil die Familie Beuchert, die Firmenbesitzer, selbst aus Zeitgründen nicht Teil meiner Forschung sein konnten. Ich habe mir überlegt einen anderen Weihnachtsbaumproduzenten in der Umgebung zu kontaktieren, habe jedoch keine geeignete Alternative gefunden. Im Endeffekt habe ich bei Weihnachtsbaum-Heidelberg zwar auf der Seite der Produzenten weniger Informationen gesammelt, aber da ich die Interviews mit Herrn Kling immer vor den Aufenthalten Weihnachtsbaum-Heidelberg durchgeführt habe, wusste ich bereits auf was ich achten musste und welche Fragen ich stellen sollte. So konnte ich bei Weihnachtsbaum-Heidelberg effizient vergleichbare Daten sammeln und hatte im Endeffekt mehr als genügend Material, auf das ich zurückgreifen konnte. Hinzu kommen zwei halbstrukturierte Interviews mit den jeweiligen Kontaktpersonen und zwanzig Kundenbefragungen, die in fünf halbstrukturierte Interviews und fünfzehn strukturierte Interviews mit Fragebögen unterteilt sind. Des Weiteren habe ich zusätzliches Material, beispielsweise Flyer, E-Mails und Zeitungsartikel gesammelt, ein Forschungstagebuch geführt und die Feldforschungsorte fotografisch festgehalten. „Jeder Schritt muss begründet sein“ (ebd., 11), lautet Beers Forderung im Hinblick auf die Feldforschungsmethoden. Dementsprechend möchte ich nun im Detail auf meine methodologische Vorgehensweise eingehen und die Gründe für diese Anwendung darlegen.

2.3.1. Interviews und Gespräche

„The ethnographic interview is prized because it supposedly gets to uncover valid and truthful statements as a consequence of the face-to-face and interrogative nature of the exchange“ (Madden 2010, 67). Diese Aussage von Madden verdeutlicht, wie wichtig es ist im Laufe einer ethnologischen Forschung immer wieder das Gespräch zu suchen und ethnographische Interviews zu führen. Mit den Personen im Feld zu sprechen war aufgrund dessen ein zentraler Baustein meiner Methodik.

Im Bereich Weihnachtsbaumproduktion hatte ich pro Anbaustelle jeweils einen Hauptinformanten – Herrn Kling vom Schriesheimer Wald und Herrn Bakkal von Weihnachtsbaum-Heidelberg – mit denen ich informelle, halb- und unstrukturierte Interviews geführt habe. Hinzu kommen informelle Gespräche mit diversen Angestellten. Außerdem habe ich fünf halbstrukturierte und fünfzehn strukturierte Interviews mit den Kunden der beiden Verkaufsstellen geführt.

[...]

Ende der Leseprobe aus 29 Seiten

Details

Titel
Ein Stück Wald im Wohnzimmer? Feldforschung zu selbstgesägten Weihnachtsbäumen in Heidelberg
Hochschule
Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg
Note
1,3
Autor
Jahr
2013
Seiten
29
Katalognummer
V275771
ISBN (eBook)
9783656686897
ISBN (Buch)
9783656686880
Dateigröße
422 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Feldforschung, Forschungsprojekt, Weihnachten, Weihnachtsbaum, Natur, Methoden, Datengewinnung
Arbeit zitieren
Véronique Becker (Autor:in), 2013, Ein Stück Wald im Wohnzimmer? Feldforschung zu selbstgesägten Weihnachtsbäumen in Heidelberg, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/275771

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