Organisierte Kriminalität in Deutschland und Aserbaidschan


Masterarbeit, 2014

57 Seiten


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

A. Einleitung
I. Organisierte Kriminalität als weltweites Phänomen
II. Geschichtliche Sicht in Deutschland und Aserbaidschan..
1. Organisierte Kriminalität in der Bundesrepublik Deutschland - Historische Entwicklung..
2. Organisierte Kriminalität in Aserbaidschan – Historische Entwicklung
III. Die Situation in Deutschland und Aserbaidschan.
1. Organisierte Kriminalität nach RiStBV.
2. Organisierte Kriminalität nach Art. 35 CM..
1. Der moderne Zustand der Beteiligung

B. Professionelle Tätergruppen und Organisierte Kriminalität.
I. Die Formen der Teilnahme und Täterschaft an einer kriminellen Straftat
1. Der Initiator..
a) Anstiftung gem. § 26 StGB, Art. 32 CM.
b) Werbung..
aa) Kriminelle Vereinigungen (§ 129 StGB)..
bb) Terroristische Vereinigungen ( § 129 a StGB)
c) Belohnung oder belohnende Billigung (§ 140 StGB).
d) Anleitung mit detaillierten Beschreibungen zum Ausprobieren und Ausführen von Straftaten (§ 130a StGB).
2. Helfer, Helfershelfer und Unterstützer: Beihilfe gem. § 27 StGB
3. Täterschaftliche Mitwirkung
a) Mittelbare Täterschaft.
b) Nebentäterschaft..
4. Arten der Straftatteilnehmer.
a) Täter
b) Anstifter der Straftat
c) Die Helfer der Straftat, der Tatbestand der Beihilfe
d) Die Organisatoren der Straftat
5. Verschiedene Formen der Tätergruppen in Aserbaidschan..
a) Teilnahme am Verbrechen einer Gruppe, die vorher nicht gemeinsam handelt..
b) Teilnahme an einem Verbrechen von einer Gruppe, die vorher gemeinsam handelte
c)Teilnahme am Verbrechen mit der Einführung der verschiedenen Rollen (gemeinsame Teilnahme)
II. Die Bande.
1. Der Begriff der Bande..
2. Struktur der Bandentaten.
3. Bandendelikte
a) Deutschland.
b) Aserbaidschanische Verbrecherbande.
aa) Teilnahme an Verbrechen, begangen durch eine kriminelle Bande, die gemeinsam
handelt
bb) Durchführung des Verbrechens von einer organisierten Bande
III Kriminelle Vereinigung § 129 StGB
1. Der Begriff der kriminellen Vereinigung.
2. Vereinigungszweck..
3. Formen der Beteiligung
4. Kriminelle Einheit als Form der Teilnahme.
IV Terrorismus in Deutschland und Aserbaidschan..
1. Terroristische Vereinigung in Deutschland nach § 129 a StGB
a) Kriminologischer Terrorismusbegriff..
b) Der Begriff ,, terroristische Vereinigung“
c) Bildung terroristischer Vereinigungen.
d) Statistiken und Umfragen zum Thema Terrorismus in Deutschland und weltweit.
2.Terrorismus in Aserbaidschan

C. Zusammenfassung

Literaturverzeichnis

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A. Einleitung

I. Organisierte Kriminalität als weltweites Phänomen

Innerhalb der letzten Jahre ist die Bedrohung durch die Organisierte Kriminalität stark gestiegen. Sie stellt die Innenpolitik sämtlicher Länder der Welt vor große Probleme. Zum einen gelingt es der Organisierten Kriminalität rechtsfreie Räume zu schaffen, in denen der Staat handlungsunfähig bleibt, zum anderen nimmt sie Einfluss auf die Wirtschaft, den Staat und die Gesellschaft. Dies bringt irreparable Folgen für den Staat mit sich und führt zu Verbrechensgewinnen in der legalen Wirtschaftswelt und der funktionierende Wettbewerb wird somit beeinträchtigt. Es gibt eine Reihe von Schreckensszenarien, die bei uns in der extremen Form noch nicht vorhanden sind, aber auf die wir uns schon frühzeitig einstellen sollten.1 Organisierte Kriminalität betrifft allgemein Gruppierungen, die systematisch kriminelle Ziele verfolgen.2 Der Begriff der Organisierten Kriminalität besteht aus einem Substantiv (Kriminalität) und einem Adjektiv (organisiert). Kriminalität bedeutet eine Gesamtheit von strafbaren Handlungen. Organisiert ist sie, wenn sich die Täter bestimmter Werkzeuge bedienen und damit gegenüber sonstigen Tätern einen Vorteil besitzen. Organisiertes Verbrechen ist ein sehr gut geplantes Verbrechen. In Bezug zu Europa lassen sich folgende Arten von Organisierter Kriminalität (folgend OK genannt) unterscheiden:

- Weltweit agierende OK, italienische und amerikanische Mafia, südamerikanische Drogenkartelle, chinesische und japanische OK,
- Westeuropäische OK als gemeinsamer Begriff für unterschiedliche regional, national oder international agierende Gruppierungen (türkische, kurdische und afrikanische Organisationen und mittel- und osteuropäische OK.3

In der Schweiz ist die vom internationalen Terrorismus ausgehende Gefährdung geringer, weil die rechtlichen Institutionen gegen den Terrorismus aktiver sind. Italien bezeichnet man als ,,Dienstland'' für die Rekrutierung von Terroristen und anderer damit verbundenen Straftaten.

In den USA traten nach dem 11.September 2001 in der Strafrechtspflege sehr große, verschärfte Strafverfolgungen in Kraft. Dabei steht die Verfolgung von kriminellen Gruppen sowie deren Zerschlagung an oberster Stelle.4

Ungarn und Estland sind auf dem Wege, gegen die OK eine Reform der
Gesetzes durchzuführen. Dagegen hat die Türkei die Verfassung geändert
und eine neue Strafprozessordnung und ein neues Strafgesetzbuch
geschaffen. Sie unterscheiden nicht mehr Terrorismus und Mafiaorganisationen voneinander. Die Initiativen in anderen Ländern, wie z.B. in Österreich, haben den Tatbestand der Bandenbildung zu kriminellen Vereinigungen umgestaltet.5 Die internationale Zusammenarbeit spielt eine sehr große Rolle und ist unabhängig von den strukturellen und politischen Unterschieden in den verschiedenen Ländern. Die Europäische Union ist mit ihren Initiativen ein Vorreiter der internationalen Kooperation. Die Bedrohung, die durch die organisierte Kriminalität entsteht, wird noch immer nicht sehr ernst genommen.6 Nach den klassischen Studien von Whyte (1996) werden mit Teams, mobs und crews verschiedene Arten von OK unterschieden.7 Best und Luckebill meinen damit Gruppen, die Straftäter mit unterschiedlichen Kompetenzen beinhalten.8 Dadurch strukturiert sich also die Interaktion um die Arbeitsteilung, die für die Ausübung der jeweiligen Straftaten von Bedeutung ist. So genannte Szenen werden durch eine lose Form der Organisation gebildet. Damit sind Orte gemeint, in denen sich Gleichgesinnte treffen. Dabei spielt es keine Rolle, ob diese Treffen offen oder verdeckt sind. Hierbei entsteht ein Zusammentreffen von Angebot und Nachfrage, bei dem Informationen ausgetauscht werden. Es entsteht dadurch auch eine Verfestigung der kulturellen Identität sowie ein Gefühl der Zusammengehörigkeit. Des weiteren unterscheidet man Straftaten zwischen legalen Unternehmungen und illegalen Unternehmungen.

Innerhalb der legalen Unternehmungen werden zum Teil illegale Mittel genutzt, illegale Geschäfte finanziert oder zum Reinwaschen illegal erworbener Gewinne ein Beitrag geleistet. Dies sind die Mittel, um die gesteckten Ziele zu erreichen. Innerhalb illegaler Unternehmungen gibt es Verflechtungen zwischen Straftätern, die sich zum einen an der an illegalen Märkten beteiligen und die aus eben diesen ökonomischen Gegebenheiten resultieren. Eines der bekanntesten Beispiele ist hierbei das amerikanische Verbrechersyndikat, die Cosa Nostra, die sogenannte neue Mafia in Sizilien sowie andere bekannte Syndikate aus Drogen produzierenden Ländern.9 Weniger bekannte Gruppierungen, die auf anderen illegalen Märkten tätig sind, dürfen dabei auch nicht außer Acht gelassen werden. Straftäter finden sich via Connections bzw. Networks. Diese werden benötigt, wenn Straftaten begangen werden sollen, die die Zusammenarbeit verschiedener Spezialisten erfordern. Die Connections sind unbeständig. Es gibt mal mehr, mal weniger feste bzw. dauerhafte Kontakte. Die Connections etablieren sich meist nur in regional begrenzten Milieus. Des weiteren kann man zwischen einfachen Gruppen und mafiosen Gruppierungen unterscheiden. Bei den Gruppen, auch Gangs genannt, stehen die Bindungen zwischen den Straftätern im Vordergrund, die Handlungen spielen dabei eine untergeordnete Rolle.10

Die Kriminalität stellt bei den Gruppen den Lebensstil dar. Er entsteht aus den kulturellen oder ethnischen Zugehörigkeiten ihrer Mitglieder und bedürfen keines Zieles. Ein Beispiel sind die Drogendealer. Deren Vorgehensweise ähnelt stark legalen Großunternehmen.11 Der kleine Dealer vor Ort braucht Beziehungen zu einem Kilohändler sowie einen kleinen Kundenkreis. Das Geld, das er damit verdient, investiert er in die Finanzierung des eigenen Drogenbedarfs sowie des Lebensunterhalts. Gruppierungen, die als Bindeglied zwischen Drogenproduzenten und Großhändlern dienen, handhaben das anders. Hierbei spielt nicht nur die sorgfältigere Planung eines effizienteren Mitarbeiterstabes eine Rolle, sondern auch das Betriebskapital. Der Ankauf von Rohstoffen, aber auch der Transport werden mit diesen Mitteln finanziert. Beziehungen zur Minimierung des Risikos und zum Reinwaschen der nicht reinvestierten Gewinne sind dabei auch von Nöten. Die kriminellen Gruppierungen sind in einzelnen Ländern aus ihrer spezifischen historischen Entwicklung entstanden. Auch die sozialen Rahmenbedingungen spielen dabei eine Rolle. Die sozialen Rahmenbedingungen werden informelle Organisationen genannt, da sie im Umfeld einzelner Familien entstehen und somit eine gewisse soziale Funktion erfüllen.

Sie bedienen sich der subkulturellen Legitimität, da sie Dienstleistungen anbieten, die von staatlichen Institutionen nicht unterstützt werden. Ein Mittel zur Festigung der Macht ist die Einschüchterung. Die Anwendung von Gewalt ist ein weiteres Mittel. Dieser Mittel bedient man sich auch gerne bei der Auseinandersetzung mit konkurrierenden Gruppierungen oder für die Ausübung seiner mafiosen Tätigkeiten.12

II. Geschichtliche Sicht in Deutschland und Aserbaidschan

1. Organisierte Kriminalität in der Bundesrepublik Deutschland - Historische Entwicklung

Als die ersten Formen der organisierten Kriminalität werden die Räuberbanden dargestellt. Bis ins 16. Jahrhundert lassen sich große Gruppen von Straftätern zurück verfolgen. In Einzelfällen stellte man einen Größe von bis zu 400 Personen als Mordbrennerbanden fest. Sehr bekannt sind die Überfalle einer Bande um den Laininger Seppl im Jahr 1786. Hier führte man den Aspekt einer gut geplanten Tatausführung als ,,organisierte Kriminalität'' an, wobei offensichtlich die Tätigkeit des ,,gut organisiert'' als ,,gut geplant'' den entscheidenden Grund für die entsprechende Zuordnung angibt.13 Ende des 19ten Jahrhunderts kam es dann wieder zu Erscheinungsformen, welche man auch heute noch retrospektiv mit der organisierten Kriminalität in Verbindung bringt. Das „organisierte Verbrechertum“ spielte in den Beratungen für die StPO von 1877 eine Rolle. Dabei waren vorrangig die so genannten Spar- und Ringvereine von Bedeutung. Sie gelten als Vorläufer der organisierten Kriminalität, obwohl es zu dem Zeitpunkt auch schon Banden gab.14 Der Charakter der Spar- und Ringvereine spiegelte sich in einer stabilen Organisation mit festen Regeln und Zielen wieder, damals sogar in Form eines traditionellen Vereins, der in seiner Zuordnung zur organisierte Kriminalität führte. Im Jahr 1889 entstand in Berlin der erste Klub von Zuhältern, der Geselligkeitsverein Königsstadt. 1898 wurde dann auch in Berlin der Dachverband „Ring Berlin“ gegründet. Dies war ein Zusammenschluss aller Berliner Ganovenvereine. Der Verein hatte sich mittels verschiedener Geheimstatuten das Ziel gesetzt, „die Wirtschaft des Landes zu beeinflussen, durch Expansion der eigenen Geschäftsbasen, wie illegale Spielclubs, Bordelle, Wettbüros und Hehlerumsatzplätze, durch den Kokain- und Morphiumhandel, Schutzgelderpressung, Mädchenhandel und Korruption“.15 Ein Element, die Einflussnahme, welche später Bestandteil der offiziellen Definition organisierter Kriminalität in der BRD wurde, fand sich auch schon damals. Allein das Bild in Berlin wurde im Jahr 1930 von ca. 40 Zuhältervereinen geprägt. Sie waren in drei Ringen zusammengeschlossen. Aber nicht nur in Berlin wurde das Problem größer. Auch in vielen anderen deutschen Großstädten entstanden entsprechende Vereine, die sich letztendlich deutschlandweit im „Deutschen Ring“ organisierten.16 Erst durch den Nationalsozialismus kam es im Jahr 1934 zur Auflösung dieser Ringvereine. Exner unterschied nach dem 2. Weltkrieg die Verbrechervereinigungen in spezialisierte, arbeitsteilig arbeitende Banden auf der einen Seite, sowie „ständige Gemeinschaften“ auf der anderen Seite.17 Vor allem die Zuhältervereine erlebten in den 50er Jahren eine Renaissance. Sie war aber eher kurzlebig. In Braunschweig kam es auf Grund dieser Wiederbelebung solcher Organisationen im Jahr 1957 zu Verurteilungen nach § 129 StGB, dem Tatbestand der Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung.18 Die kriminalpolizeiliche und kriminologische Literatur der BRD beschäftigte sich nach dem Zweiten Weltkrieg mit den Themen der organisierten Kriminalität und des organisierten Verbrechens kaum. In den USA war das organisierte Verbrechertum viel weiter.19 In Deutschland war es noch nicht existent gewesen, so zumindest der Tenor, der sich auch in einem Bericht nachlesen lässt, der Ende der 60er Jahre erschien. Und das, obwohl in dem selben Bericht über eine Gruppe „bandenmäßig organisierter Zuhälter“ berichtet wurde. Gegen 1971 waren in Europa Verbrechensorganisationen tätig, die mit den Syndikaten in den USA vergleichbar waren. Das Ausmaß der Organisationen, neben der sizilianischen Mafia und der süditalienischen „ehrenwerten Gesellschaft“, war nicht bekannt. So stellte es zumindest Göppinger 1971 fest. Erst 1970 rückte die organisierte Kriminalität in der BRD in den Blickwinkel der polizeilichen Literatur. Es wurde eine Definition erstellt, die drei Komponenten beinhaltete.

1. Der Akteur: Es müssen mehrere Gruppen vorhanden sein oder es muss sich um eine mehr als zweistufig gegliederte Verbindung handeln.
2. Die Tätigkeit: Eine Arbeitsteilung muss bei den Straftaten vorliegen.
3. Das Ziel: Vorrangige Ziele sind die Gewinnerzielung oder die Einflussnahme auf das öffentliche Leben.20

2. Organisierte Kriminalität in Aserbaidschan – Historische Entwicklung

Bis zuletzt gab es in der Aserbaidschanischen Republik keine ideale Gesetzgebungsdoktrin zu den verschiedenen Verbrechen, die durch kriminelle Banden begangen wurden. Vom 7. bis zum 19. Jahrhundert war die muslimische Rechtsform in Aserbaidschan als Hauptquelle des Rechts gültig. Nach Anschluss Aserbaidschans an Russland im Jahr 1828 geschah ein Übergang von der religiösen zur weltlichen Rechtsform. Nach der Okkupation Aserbaidschans durch das zaristische Russland begann in Aserbaidschan die Verwendung einer Strafgesetzgebung, die die Unterwerfung des Volkes zum Ziel hatte. Aber auch während der Jahre blieb das „Beteiligungsproblem“ selbst im russischen Strafrecht ungelöst. N. S. Tagansev, einer der berühmtesten russischen Kriminalisten bis zur Revolution, schrieb, dass die Theorie über „Beteiligung“ in einem chaotischen Zustand ist.21 Im 20. Jahrhundert blieb im russischen Imperium der Code von Gesetzen „zur Verbrechens- und Justizvollzugsstrafe“ von 1845 in Kraft. Aber diese Gesetze waren nicht imstande, die neuen Formen von Banden und Gruppen zu bekämpfen. Deswegen wurde im Jahr 1903 ein neues Strafgesetzbuch erarbeitet und durch Zar Nikolei III bestätigt. In den 51. und 52. Artikeln dieses Strafgesetzbuchs wurden zwei Formen der Beteiligung bestimmt. Das waren die Einheit und die organisierte Gruppe (Schayka). Hierbei wurde betont, dass die Einheit für das Begehen der schweren Kriminalität oder Verbrechen und die organisierten Gruppen für Begehen von eigener schwerer Kriminalität gestaltet worden sind. Das wichtigste Merkmal der organisierten Gruppen war laut dem Strafgesetzbuch ihre Stabilität und ihr langfristiges Vorhandensein. 1918 wurde Aserbaidschan als unabhängiger Staat gegründet und es wurde eine Unabhängigkeitserklärung angenommen. Im neu entstandenen unabhängigen Staat blieb das Strafgesetzbuch „zur Verbrechens- und Justizvollzugsstrafe“ vom 1903 des russischen Imperiums mit einigen Änderungen in Kraft. Die Aserbaidschanische Demokratische Republik (ADR) hatte keine Zeit für das Erstellen eines neuen Strafgesetzbuchs, denn am 28. April 1920 wurde Aserbaidschan wieder durch die sowjetisch, russische Armee okkupiert.22

Am 12. Dezember 1919 wurden Russlands „Leitende Anfänge zum Strafrecht“ eingeführt. In diesem Dokument fanden zum ersten Mal die wichtigsten Prinzipien des sowjetischen Strafrechts ihren Ausdruck. Gemäß diesem Dokument wurde das Projekt der wichtigsten Bestimmungen des Strafrechts von der Aserbaidschanischen SSR am 09. Juli 1920 bestätigt. Hier fanden die Information über den verallgemeinerten Begriff und die Arten der Beteiligung ihren Ausdruck.23 In Artikel 18 des Dokuments wird betont: die Beteiligung ist das Begehen eines gesellschaftlich gefährlichen Tatbestandes, wenn es gemeinsam durch eine Gruppe von Personen vollzogen wird. Zu diesen Gruppen von Personen gehörten eine Gruppe, Bande oder Einheit.24 Am 01. Februar 1923 wurde das erste Strafgesetzbuch von der Aserbaidschanische SSR in Kraft gesetzt. Es wurde anhand des 1922 in Russland angenommenen Strafgesetzbuchs vorbereitet und die Artikel 15 und 16 regelten die Beteiligung. Abhängig von der Beteiligungsstufe des Verbrechens und des Gefährlichkeitsgrads der begangenen Straftat bestimmte es jedem Straftatteilnehmer eine angemessene Strafe. Obwohl es im allgemeinen Teil des Artikels keinen Hinweis über die Formen der Beteiligung gab, wurden diesbezüglich in verschiedenen Normen des speziellen Teils entsprechende Fälle berücksichtigt. Im zweiten Strafgesetzbuch Aserbaidschans, welches am 15.

Januar 1927 angenommen wurde, wurde ein Artikel der Beteiligung gewidmet. In Artikel 18 wurde nur der Name Beteiligung (Ausführender, Provozierter und Helfer) erwähnt, ihre Formen wurden nicht näher beschrieben und nur allgemeine Prinzipien der strafrechtlichen Haftung bei der Beteiligung wurden bestimmt. Dem Strafgesetzbuch kam in diesem Entwicklungsstadium eher eine theoretische Bedeutung zugute. Denn es war weiterhin üblich, dass in solchen Strafsachen durch den Einfluss der sowjetischen Regierung das Militär Strafen ohne Anwendung des Strafgesetzbuches durchsetzte. Deshalb war es normal, dass es außergerichtliche Schießbefehle gab, von den 10 Straftaten waren nur 4 auf Beteiligung bezogen. In das Strafgesetzbuch von 1927 wurde kein Hinweis zur Bestimmung der Haftung von Verbrechensteilnehmern aufgenommen. Nur in Artikel 52 des Gesetzbuches wurde bei der Bestimmung der Strafe unter erschwerten Umständen das Begehen der Straftat durch eine „kriminelle Bande“ aufgezeigt.25 In den speziellen Bereichen des Strafgesetzbuches der Republik von 1922 und 1927 wurden die Namen einiger Formen der kriminellen Teilnehmer genannt. Es enthielt die folgenden Beteiligungsformen, zum einen die im Vorfeld ohne Zustimmung entstandene Gruppe („skop“), die im Vorfeld durch Zustimmung entstandene Gruppe („zagovor“), die kriminelle Gruppe, welche für kriminellen Aktivitäten als berufliche Beschäftigung entstanden ist („schayka“) und die „Bande“.26

Die Analyse des Strafgesetzbuches der Aserbaidschanischen SSR von 1960 zeigt, dass die Beteiligung und Formen der Gruppe in separaten Straftaten

nicht richtig festgestellt wurden. Z.B. wurde das Begehen eines Verbrechens während eines langen Zeitraums durch eine organisierte Gruppe nicht als alleiniges Merkmal betrachtet und tatsächlich wurden diese Verbrechen als Taten einer Gruppe von Personen bewertet, die sich im Vorfeld verabredet haben. In Artikel 17 wurde die Beteiligung wie folgt erklärt: „Beteiligung ist die absichtliche gemeinsame Teilnahme von zwei oder mehreren Personen beim Begehen einer Straftat.“ Obwohl in diesem Gesetzbuch die Erklärung von allgemeinen Begriffen der Beteiligung im Vergleich zu den vorherigen Strafgesetzbüchern positiv geändert wurde, war dieser Begriff aus rechtlicher Sicht nicht perfekt. Diesbezüglich entstanden heftige Streitigkeiten über die Frage nach der Wahrscheinlichkeit der Beteiligung bei den Straftaten auf Grund von Nachlässigkeit. Im allgemeinen Teil des Strafgesetzbuches von 1960 waren keine Normen zu Formen der Beteiligung vorhanden. Nur in Artikel 37 wurde bei der Bestimmung der Strafe unter den erschwerenden Fällen der Haftung das Begehen der Straftat durch organisierte Gruppen aufgezeigt. Aber im speziellen Teil wurden verschiedene Formen der Beteiligung bei der Straftat berücksichtigt, z.B. die „Bildung einer Bande“ (Artikel 70), die „Bildung von kriminellen Gruppen“ (Artikel 70.1), die „Bildung von Waffeneinheiten oder mit Waffen ausgestatteter Gruppen (Artikel 70.2), organisierte Gruppe (Artikel 71), im Vorfeld vereinigte Gruppe (Artikel 93), oder „eine Gruppe Personen“ (Artikel 109).27

III. Die Situation in Deutschland und Aserbaidschan

1. Organisierte Kriminalität nach RiStBV

Definition der Organisierten Kriminalität Der Begriff Organisierte Kriminalität wurde in der BRD durch die Polizei eingeführt. Das Wort organized crime musste adoptiert werden und zur deutschen Sprache hinzugefügt werden. Die erste Definition stammte von einer 1973 gegründeten Fachkommission der Arbeitsgruppe Kripo, an der Vertreter des BKA und einzelner Landeskriminalämter teilnahmen.28 Schon im 19. und der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts hatte sich die kriminologische Literatur mit dem Thema beschäftigt. Die Orientierung der Kriminologie beschäftigt sich mit der Deckung des Interesses der individuellen Täter, sowie deren Bezüge und Bindungen zu Gruppen und Subkulturen.29 Die Organisierte Kriminalität und die mit ihr verbundenen Gefahren und Ermittlungsschwierigkeiten haben am Ende des 20.

Jahrhunderts zur Änderung des materiellen Strafrechts und Strafprozessrechts geführt Es fehlt an einer Legaldefinition der Organisierten Kriminalität. Anfang der 90er Jahre des 20. Jahrhunderts wurde durch eine von der Justiz- und Innenministerkonferenz eingesetzte „Gemeinsame Arbeitsgruppe Justiz, Polizei zur Strafverfolgung Organisierter Kriminalität'' die Definition festgelegt. Sie lautet wie folgt: „Organisierte Kriminalität ist die von Gewinn- oder Machtstreben bestimmte planmäßige Begehung von Straftaten, die einzeln oder in ihrer Gesamtheit von erheblicher Bedeutung sind, wenn mehr als zwei Beteiligte auf längere oder unbestimmte Dauer arbeitsteilig a) unter Verwendung gewerblicher oder geschäftsähnlicher Strukturen, b) unter Anwendung von Gewalt oder anderer zur Einschüchterung geeigneter Mittel oder c) unter Einflussnahme auf Politik, Medien, öffentliche Verwaltung, Justiz und Wirtschaft zusammenwirken.''30

Die oben genannte Definition leidet an einer Unbestimmtheit. Sie verdeutlicht nicht hinreichend genug, welche Merkmale unbedingt vorhanden sein müssen und welche fehlen dürfen. Diese Angaben sind aber wichtig, damit man weiß, ob noch von organisierter Kriminalität gesprochen werden kann oder nicht. Es bestehen viele Zweifel, ob diese Beschreibung die Delikte der organisierten Kriminalität aus dem gesamten Spektrum des Kriminalitätsaufkommens überhaupt erfassen kann. Im Schrifttum herrscht deshalb eine rege Diskussion um die Definition der Arbeitsgruppe Justiz/Polizei. Eine Erschließung des Begriffes über die Organisationsstruktur wird von der gemeinsamen Arbeitsgruppe versucht, aber es werden ebenfalls die begangenen Straftaten, die in organisierter Form begangen werden, analysiert und auch dahin gehend ein Bezug hergestellt.

[...]


1 Kanther, M., Internationale Organisierte Kriminalität- Aktuelle Herausforderungen und Lösungsstrategien in: Politische Studien, Sonderheft 3/1997, S. 18.

2 http://de.wikipedia.org/wiki/Organisierte_Kriminalit%C3%A4t

3 Droste, S. 16.

4 Gropp / Sinn, S. 641-644.

5 Militello/ Arnold/ Paoli, S. 93.

6 Gropp / Sinn, S. 641.

7 Gropp/ Sinn, S. 644.

8 Schwind/ Steinhilper/ Kube, S. 34.

9 Droste, S. 17.

10 Schwind/ Steinhilper/ Kube, S. 35.

11 Gropp, S. 120.

12 Besozzi, S. 31-33.

13 Kinzig, S. 46-47.

14 Mayrhofer/ Jehlke, S.26.

15 Kinzig, S. 47.

16 Kinzig, S. 47.

17 Kinzig, S. 48.

18 Mayrhofer/ Jehlke, S.25.

19 Mayerhofer/ Jehle, S.26.

20 Kinzig, S. 55-57.

21 Burtschag, S.6.

22 Borzenkow, S. 155.

23 Staats- und Rechtsgeschichte der Aserbaidschanischen SSR herausgegeben von M.S. Xalofov, S. 155.

24 Borzenkow, S. 156.

25 Aliyev, S. 27.

26 Aliyev, S. 27.

27 Wessel, S. 33.

28 Strafgesetzbuch der Republik Aserbaidschan, S. 57- 59.

29 Besozzi, S. 31. 9

30 Gropp, S. 114.

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Details

Titel
Organisierte Kriminalität in Deutschland und Aserbaidschan
Hochschule
Universität Potsdam
Autor
Jahr
2014
Seiten
57
Katalognummer
V275665
ISBN (eBook)
9783656682240
ISBN (Buch)
9783656682271
Dateigröße
641 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
organisierte, kriminalität, deutschland, aserbaidschan
Arbeit zitieren
Master Ravan Hasanov (Autor:in), 2014, Organisierte Kriminalität in Deutschland und Aserbaidschan, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/275665

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