Sprachliche Varietäten der Stadt Berlin und deren Einflüsse auf die Stadtsprache


Seminararbeit, 2014

16 Seiten

Anonym


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. EINLEITUNG

2. STADTSPRACHE BERLINS
2.1 WESENTLICHE CHARAKTERISTIKA DES BERLINISCHEN
2.1.1 PHONOLOGIE
2.1.1.1. VOKALE
2.1.1.2. KONSONANTEN
2.2 WEITERE GRAMMATIKALISCHE BESONDERHEITEN
2.2.1 ZUSAMMENFALL VON AKKUSATIV UND DATIV
2.2.2 ERZÄHLTEMPUS

3.EINFLÜSSE
3.1 SLAWISCH
3.2 NIEDERDEUTSCH
3.2.1 DAS NIEDERDEUTSCHE ZU BEGINN DER SPRACHGESCHICHTE BERLINS
3.2.2 HOCHDEUTSCH VS. NIEDERDEUTSCH
3.3 FRANZÖSISCH
3.3.1. FRANZÖSISCH DIE SPRACHE DES HOFES
3.3.2 FRANZÖSISCHE EMIGRANTEN IN BERLIN
3.3.3 ZUNEHMENDE VERMISCHUNG DES FRANZÖSISCHEN MIT DER BERLINER SPRACHE
3.4 JIDDISCH
3.4.1 WAS IST JIDDISCH
3.4.2 DER EINTRITT INS BERLINISCHE
3.4.3 BEISPIELE FÜR JIDDISMEN IM BERLINER JARGON
3.4.4 EXKURS: ANTISEMITISMUS

4. ZUSAMMENFASSUNG

LITERATURVERZEICHNIS

1.Einleitung

In der 750-jährigen Stadtgeschichte Berlins hat es eine Vielzahl an Migrationen ge- geben und diese sind nicht spurlos an der Stadt vorbeigegangen. In der Arbeit soll besonders auf die Frage eingegangen werden, inwiefern die verschiedenen histo- risch zugezogenen Sprachvarietäten die Berliner Stadtsprache geformt und beein- flusst haben. Dazu wird erst einmal unter dem linguistischen Aspekt erklärt, was heute unter der Berliner Stadtsprache zu verstehen ist. Diesbezüglich werden die wesentlichen Charakteristika des Berlinischen aufgeführt und erläutert. Eine Stadt- sprache zeigt sich auch in dem Sprachbild einer Stadt, weshalb im Folgenden auch kurz die Einflüsse auf die Namen (Straßennamen, Bezirksbezeichnungen etc.) Ber- lins aufgeführt werden. Dies geschieht bereits im Zuge der Aufzählungen der ver- schiedenen Sprachvarietäten, welche sich durch die Binnenimmigration und dem ebenfalls durch Migration bedingten Fremdspracheneinfluss ergaben. Um die ge- nauen Auswirkungen jener beschreiben zu können, muss hier jedoch der historische Kontext mit eingebunden werden, weshalb zu jeder aufgeführten Variation auch kurz auf die Sprachgeschichte eingegangen wird, die in chronologischer Reihenfolge, be- ginnend mit dem 13. Jahrhundert und endend mit dem 19. Jahrhundert, dargestellt ist.

2. Stadtsprache Berlins

Das Berlinische bezeichnet die lokale Stadtsprache Berlins. Darunter „versteht man gewöhnlich eine von den meisten der in Berlin Aufgewachsenen im zwanglosen Ge- spräch verwendete Sprache, die mit lokalen Formen regelmäßig vom Standard ab- weicht.“1 Die Sprachvarietät ist sehr heterogen, bedingt durch viele Faktoren: zum Einen sind die Normen des Berlinischen nicht schriftlich festgelegt, zum Ande- ren wird sie von sehr vielen Sprechern aus unterschiedlichen Gruppen in verschie- denen Situationen verwendet und des Weiteren weist die Historie des Berlinischen einige Besonderheiten auf, unter anderem auch viele sprachliche Einflüsse. Die Linguisten sind sich uneinig, ob das Berlinische zur Klasse der Dialekte, Sozio- lekte oder einfach zu den Umgangsprachen zählt, weshalb hier auch nicht weiter darauf eingegangen werden soll, zumal es keine Relevanz für diese Arbeit darstellt.

2.1 Wesentliche Charakteristika des Berlinischen

Das Berlinische weist viele besondere Merkmale auf, von denen hier aber nur die wesentlichen genannt werden sollen, die sich partiell sehr von der Standartsprache unterscheiden und zwar sowohl in der Lautung, Syntax als auch im Wortschatz.

2.1.1 Phonologie

2.1.1.1 Vokale

Der kurz gesprochene Vokal a wurde vom Berliner als e oderäausgesprochen, was heute noch in der Aussprache des Artikels „das“ ersichtlich ist, da dieser als „det“ und mittlerweile auch als „dit“ realisiert wird. Auch der Diphthong au wird vom Berliner, im Gegensatz zum standartdeutschen Sprecher, anders ausgesprochen, nämlich als ein langes o wie z.B. in Wörtern wie „Bom“ <Baum> oder „lofen“ <laufen>. Doch diese Besonderheit ist nur auf Wörter zu übertragen, welche den Diphthong bereits im mhd. beinhalteten, dahingegen gehen Wörter wie „Haus“ auf ein langes u im mhd. zurück und werden demnach mit dem au gebildet.

Diese Grundlage findet sich auch beim Diphthong ei. Findet sich im mhd. ein ei, benutzt der Berliner das im ndh. wie ein langes e, z.B. Beene <Beine> oder keene <keine>, wenn nicht die Basis das mhd. i ist, wird das ei beibehalten. Die Ausnahme bildet hier jedoch das Pronomen „meen“ <mein>.2

Zudem hängt der Berliner an eine Vielzahl von Wörtern ein e an: feste, alleene oder drinne.

„Vor m, r, l und sch spricht der Berliner das kurze i gerundet als ü, also ümmer, Kürsche, Mülch und Füsch.“3

Auch das kurze u ersetzt unter anderem in dem Wort „auf“ den Diphthong und wird „uff“ gesprochen.

Charakteristisch ist jedoch auch, dass die Vokale in „einsilbigen Formen von Subjektiven und Adjektiven, aber auch in Verbformen“4 verkürzt ausgesprochen werde, wie z.B. in: kricht (kriegen).

2.1.1.2. Konsonanten

„Nach Agathe Lasch (1928:256) ist g ‚ stimmhaft palataler (weicher) Reibelaut im An- laut [...], inlautend j nach e, i, ei, l, r ’“5, wie etwa in: jut <gut> oder Morjen <Morgen>. Im Auslaut oder vor s, t wird es als ch realisiert, wie z.B.: saacht <sagt> oder Dach <Tag>.

Die Artikulation des Lautes ch wird der Schriftsprache meist gerecht, jedoch im berlinischen „ick“ <ich> sowie in der Endung - ken, bei Wörtern, wie „bißken“, wird es als k gesprochen, obwohl letzteres immer seltener Anwendung findet.6 Der Konsonant r erreicht mit dem Ende des 18. Jahrhundert seine Stimmlosigkeit im Berlinischen und wurde seitdem als t, z oder als ch in der Aussprache verwirklicht. Das Phänomen ist erkennbar, wenn z.B. das r vor einem t steht: „watte mal“ <warte mal> oder vor einem langem Vokal steht.7

Nach der schriftsprachlichen Festlegung wird das s entweder stimmhaft oder stimmlos benutzt. „Vor Konsonanten wird anlautendes s wie sch ausgesprochen: Schtall.8 Zwischen r und t ist die Aussprache sch üblich: Durscht.“ Des Weiteren verändert sich s im Auslaut zu t: wat <was>. Im 19.Jahrhundert wurde das z als stimmloses s artikuliert: ßwei <zwei>.

Im In- bzw. Auslaut behält t seine schriftsprachliche Funktion, abgesehen von einigen Wörtern, wo es als dd realisiert wie in: schliddern. Im Anlaut jedoch wird es zum d gewandelt, z.B. Deubel <Teufel>, aber gegenwärtig ist das t im Anlaut sich dabei durchzusetzten. Das pf, wird als f artikuliert: Fennich <Pfennig>. Im In- bzw. Auslaut wandelt sich jenes jedoch zum p: Appel <Apfel>.

Der Nasal n gleicht sich m an, vor f und in der Kombination nm: kamma <kann mir>. Er verschwindet jedoch ganz in „fufzen“ <fünfzehn> und „fufzich“ <fünfzig>. Das Schwinden von Endsilben bzw. unbetonten Silben/Wörtern scheint eine weitere charakteristische Eigenschaft des Berlinischen zu sein, wie z.B. bei ha’m <haben>, sin <sind> oder jetz (jetzt).

2.2 Weitere grammatikalische Besonderheiten

2.2.1 Zusammenfall von Akkusativ und Dativ

Die Dativ- und Akkusativpronomen der ersten (mir/mich) und zweiten (dir/dich) Person Sg. fielen zu den Formen „mi“ und „di“ zusammen. Im Berlinischen hat sich jedoch nur das erstgenannte zusammengefallene Pronomen „mi“ gehalten, welches nun als „ma“ verwirklicht wird.9

2.2.2 Erzähltempus

Das berlinische Erzähltempus setzt sich aus dem Präteritum, welches eine zum Sprechzeitpunkt abgeschlossene Handlungen beschreibt, und dem Perfekt, welches „den Vollzug einer Handlung zur Sprechzeit als gegebene oder als (möglicherweise) wiederkehrende Tatsache markiert“10, zusammen, beispielsweise in: Ick war in Berlin jewesen.

3. Einflüsse

„Sie ist keine reguläre, charakteristische Abwandlung des (Standart-)deutschen, sondern hat ihren niederdeutschen Kern [...], ein Gutteil fremdländischer Wörter und Redewendungen in sich aufgenommen [...].“11 Diese Zusammenfassung des Berlinischen geht nun nicht im Einzelnen auf die relevanten sprachlichen Einflüsse ein, welche die Stadtsprache bedeutsam geprägt haben. Im Folgenden dieser Arbeit werden deshalb jene genau dargestellt.

3.1 Slawisch

Bevor Zuwanderer in die Mark Brandenburg zogen, bewohnten Slawen seit dem 6. Jahrhundert das Gebiet. Belege dafür lassen sich im überlieferten Namensmaterial aus dem Berliner Raum wiederfinden. Dieses zeigt ebenfalls, dass in dem Landschaftskreis polabisch und sorbisch gesprochen wurde.12

[...]


1 Schönfeld, Helmut: Berlinisch heute. Kompetenz-Verwendung- Bewertung. Franfurt am Main, 2001. S.31.

2 vgl. Schönfeld, Helmut: Die Umgangssprache im 19. und 20. Jahrhundert In: Hrsg. Schildt, Joachim/ Schmidt Hartmut. Berlinisch. Geschichtliche Einführung in die Sprache einer Stadt. Berlin, 1992. S.232-234.

3 Schlobinski, Peter/Blank, Uwe: Der Berliner Dialekt. Unterrichtsvorschlag für die Ausgestaltung des Schwerpunktes 2 „ Gruppenspezifisches Sprachverhalten“ im Grund- und Leistungskurs des ersten Semester. Berlin, 1989. S.18.

4 Schönfeld (1992). S. 233.

5 Schlobinski (1989). S. 13.

6 vgl. Schönfeld (1992). S. 236-237.

7 vgl. ebd. S. 237.

8 ebd. S. 237.

9 vgl. Schlobinski (1989). S. 20.

10 Schlobinski (1989). S.20.

11 Nachama,Andreas: Jiddisch im Berliner Jargon oder Hebräische Sprachelemente im deutschen Wortschatz. Berlin, 1994. S. 14.

12 Vgl. Schlimpert, Gerhart: Die Geschichte Berlins im Spiegel seiner Namen. In: Hrsg. Schildt,Joachim/ Schmidt Hartmut. Berlinisch. Geschichtliche Einführung in die Sprache einer Stadt. Berlin, 1992. S. 306.

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Details

Titel
Sprachliche Varietäten der Stadt Berlin und deren Einflüsse auf die Stadtsprache
Hochschule
Freie Universität Berlin
Jahr
2014
Seiten
16
Katalognummer
V275387
ISBN (eBook)
9783656680642
ISBN (Buch)
9783656680628
Dateigröße
496 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
sprachliche, varietäten, stadt, berlin, einflüsse, stadtsprache
Arbeit zitieren
Anonym, 2014, Sprachliche Varietäten der Stadt Berlin und deren Einflüsse auf die Stadtsprache, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/275387

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