Einführung in die Thermodynamik


Skript, 2015

160 Seiten


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

0. ZUR BEDEUTUNG DER THERMODYNAMIK

1. GRUNDBEGRIFFE DER MOLEKULARMECHANIK

2. DER NULLTE HAUPTSATZ

3. DAS IDEALE GAS

4. DER ERSTE HAUPTSATZ

5. DER ZWEITE HAUPTSATZ

6. DER DRITTE HAUPTSATZ

7. THERMODYNAMISCHE POTENTIALE UND GLEICHGEWICHTSBEDINGUNGEN

8. DAS VAN DER WAALS‘SCHE GAS

9. DAS MASSENWIRKUNGSGESETZ VON GULDBERG UND WAAGE

0. ZUR BEDEUTUNG DER THERMODYNAMIK

„Die mathematische Form der Behandlung bei allen streng entwickelten Theorien (im eigentlichen Sinne des Wortes) ist die einzig wissenschaftliche, die einzige welche systematische Geschlossenheit und Vollendung, welche Einsicht über alle möglichen Fragen und Formen ihrer Lösung bietet“ (Edmund Husserl)

Werner Heisenberg nennt vier abgeschlossene Theorien: Die klassische Mechanik, die Elektrodynamik in Verbindung mit der speziellen Relativitätstheorie, die Quantenmechanik und die statistische Theorie der Wärme. Dabei heißt eine Theorie abgeschlossen wenn in ihr kein Begriff weggelassen, keiner hinzugefügt werden kann, ohne die Aussagefähigkeit der Theorie zu verändern. Des weiteren, dass ihr ein widerspruchsfreies vollständiges Axiomensystem zugrunde liegt.

Ein Axiom ist bekanntlich ein logischer Begriff, es wird als wahr vorausgesetzt, steht an der Spitze einer Theorie. Es sichert die logische Ableitbarkeit der Aussagen in dieser Theorie und somit deren Wahrheit. Beispielsweise ist das Neutrale Gesetz a + 0 = a im Bereich der ganzen Zahlen ein Axiom, dagegen ist die Aussage a 0 = 0 für ganze Zahlen ein beweisbarer Satz. In der Geometrie ist die Aussage, dass in der Ebene durch zwei verschiedene Punkte genau eine Gerade verläuft ein Axiom, der Satz des Pythagoras dagegen beweisbar.

Unter einem Axiomensystem versteht man dann einige wenige dieser Axiome. Es ist widerspruchsfrei, wenn wir in der Theorie nicht einen Satz A ableiten können und andererseits aber auch dessen Negation. Also zum Beispiel dass das Quadrat einer Zahl stets nichtnegativ ist, dann aber auch wieder das Ergebnis erhalten könnten, dass a² 0 gilt. Das System ist vollständig, wenn jede Aussage der Theorie auch tatsächlich aus dem Axiomensystem logisch ableitbar ist.

Somit sind mit anderen Worten die vier von Heisenberg genannten Theorien in ihrem logischen Gehalt mathematische Theorien. Das Axiomensystem der Newton‘schen Mechanik besteht bekanntlich aus den drei berühmten Axiomen: Dem Trägheitssatz, der Kraftformel F = m a, sowie ‚Actio gleich Reactio‘, die Elektrodynamik beruht auf den vier Maxwell’schen Gleichungen, die Quantenmechanik auf dem Heisenberg’schen Unbestimmtheitsprinzip.

Somit hängt die Wahrheit der entsprechenden Theorie von der Wahrheit der jeweiligen Axiome ab. Dies muss aber richtig verstanden werden. Isoliert zu behaupten, der Mars bewege sich in einer Ellipse um die Sonne ergibt überhaupt keinen Sinn. Vielmehr gilt nach Heinrich Hertz für eine exakte Theorie, dass nicht ein einzelner Bestandteil der Erfüllung, zum Beispiel durch das Experiment fähig sein muss, sondern „dass dies nur für ein System als Ganzes, für ein System von theoretischen Sätzen insgesamt zu verlangen und zu finden ist“ (Heinrich Hertz).

Wie rechtfertigt sich nun die Gültigkeit der Axiome? Entgegen einer vorläufigen Meinung, sie seien sozusagen evident wahr, gilt, dass diese weder aus der Erfahrung ableitbar sind noch durch diese widerlegt oder bestätigt werden können, wie Henri Poincaré ausführt, tatsächlich „bleiben diese der Erfahrung völlig fremd, … sie beruhen auf Gesetzen der inneren Anschauung und Logik und haben mit der äußeren Erfahrung derselben keinerlei Zusammenhang … “ (Heinrich Hertz).

Somit sind die vier abgeschlossenen Theorien von Werner Heisenberg die einzigen anwendungsfähigen Theorien die in sich logisch geschlossen sind, in denen die Wahrheit herrscht, in denen jede Aussage unzweifelhaft bewiesen bzw. widerlegt werden kann. Keine andere empirisch anwendbare Theorie kann diese Sicherheit für sich beanspruchen.

Beispielsweise hat Wolfgang Pauli 1931 gezeigt, dass bei dem -Zerfall aus den zugrundeliegenden Prinzipien logisch folgt, dass hierbei ein weiteres Teilchen mit genau definierten Eigenschaften entstehen müsse. Er nannte dies das Neutrino. Inwiefern diese theoretische Aussage jedoch im Realen, der von uns erlebbaren Welt, ihre Entsprechung hat, ist eine ganz andere Frage. Vor genau dieser stand zum Beispiel auch Heinrich Hertz, ob nämlich die logische Existenz einer elekromagnetischen Welle im Vakuum, wie sie aus den Maxwell’schen Gleichungen folgt, auch im Empirischen sein Äquivalent hat? Tatsächlich konnte Hertz in seinem Karlsruher Labor dann die Realität derartiger Wellen bestätigen. Ebenso wurde 1956, also ca. 25 Jahre nach der Pauli’schen Prognose, dessen Neutrino nachgewiesen.

Wodurch wird nun das logisch Ideale mit dem empirisch Realen verknüpft? Es ist offenbar das Experiment mit der richtenden Instanz der Statistik. Doch es ist klar, dass hierbei nur Wahrscheinlichkeitsurteile möglich sind. Wie David Hume klar gezeigt hat: Jedes Experiment kann nur endlich viele Bestätigungen liefern die darüber hinaus nur den momentanen Zustand rechtfertigen. Jeder Schluss hieraus auf den hierdurch nicht erfassten unendlich großen Rest, auf die prinzipiell ungewisse Zukunft ist logisches Harakiri. Also: In der Welt des Idealen herrscht die Wahrheit, in derjenigen des Realen die Wahrscheinlichkeit.

Dass die Ergebnisse der Theoretischen Physik sich in so erstaunlicher Art und Weise auch im Realen wiederfinden darf über diese Tatsache nicht hinwegtäuschen. „Das Unerklärlichste ist, dass wir die Natur überhaupt verstehen können“, sagt Albert Einstein. Dass wir die theoretischen Ergebnisse exakt vorhersagen können liegt natürlich daran, dass die zugrundeliegende Sprache diejenige der Mathematik ist, doch „warum können wir uns bei der Naturbeschreibung der Mathematik bedienen, ohne den dahinter befindlichen Mechanismus zu beschreiben? Niemand weiß es“, sagt Richard Feynman. „Damit diese Forderung überhaupt erfüllbar sei, müssen gewisse Übereinstimmungen vorhanden sein zwischen der Natur und unserem Geiste“, meint Heinrich Hertz.

Nun mag es für den Praktiker naheliegend sein, derartige Überlegungen den Theoretikern und Philosophen zu überlassen, „stop talking and get on with the job“, sagte der große englische Wirtschaftswissenschaftler R. F. Harrod. Wenn die Wahrheit in der Empirie nicht zu finden ist, so muss man sich eben mit der Wahrscheinlichkeit begnügen, nicht umsonst rechtfertigen die großen Erfolge der Technik diesen Standpunkt. Dass aber diese Meinung zu kurz greift, dass sie schlicht falsch ist, dies hat bereits vor mehr als 500 Jahren kein Geringerer als Leonardo da Vinci in aller Klarheit dargelegt: „Diejenigen, die sich der Praxis ohne Wissenschaft hingeben, sind wie der Steuermann, der das Schiff ohne Ruder und Kompass lenkt, der niemals die Sicherheit hat, wo er hinfährt“.

Wie können wir nun diese Aussage von Leonardo präzisieren? Was bedeutet das theoretische Wissen für den Praktiker genauer? Welche Konsequenzen ergeben sich insbesondere für die vier abgeschlossenen Theorien im Sinne von Heisenberg? Hierfür lassen sich zumindest drei Argumente anführen:

1. Wird in einer derartigen Theorie eine neue Hypothese formuliert, so kann man sofort nachprüfen, ob diese in deren Rahmen logisch konsistent ist. Als beispielsweise Fresnel die Vermutung aufstellte, das Licht sei eine elektromagnetische Welle, konnte er sicher sein, sich im Bereich der Elektrodynamik zu bewegen. Derartige Wellen folgen logisch aus den Maxwell’schen Gleichungen. Dagegen kann man zeigen, dass es in der klassischen Mechanik unmöglich ist, einen Apparat zu konstruieren, der fortlaufend mehr Arbeit leistet als in ihn investiert wird, ein ‚Perpetuum Mobile‘. Wieviel Aufwand, wieviel Zeit, wieviel Arbeit wurde schon im Zusammenhang mit diesem Problem verschwendet, wobei offenkundig war, dass jeder Versuch zwangsläufig zum Misserfolg führen musste. Klarer lässt sich wohl kaum die Leonardo‘sche Aussage demonstrieren.

2. In keiner anderen Theorie lässt sich das Comte’sche Prinzip ‚savoir pour prevoir‘ realisieren. Wir haben bereits oben gesehen, wie Wolfgang Pauli und Heinrich Hertz die jeweiligen Axiome weiterentwickelt haben und hierbei kühne Prognosen trafen, die sich dann auch tatsächlich verwirklicht haben. Dies gilt aber nicht nur für die theoretische Erkenntnis. Die ganzen Realisationen in der Technik wurden nur so möglich. Jede neue Invention war nur möglich auf der Basis der immer weiter fortschreitenden logisch-theoretischen Weiterentwicklung der der Theorie zugrundeliegenden Prinzipien. Weder Faraday noch Maxwell konnten auch nur im Ansatz ahnen, welch unübersehbare Folgen sich aus ihren Prinzipien ergeben würden. Dabei hat keiner der großen Erfinder, weder Marconi noch Werner von Siemens noch Thomas Alva Edison, den vorhandenen Axiomen auch nur ein neues hinzugefügt.

3. Doch nicht nur in der reinen Erkenntnis zeigt sich die Überlegenheit der axiomatisch aufgebauten Theorien, was natürlich klar ist, sondern auch in der praktischen Umsetzung. Wir haben erwähnt, dass die Klammer des Idealen mit dem Empirisch-Realen das Experiment ist. Inwiefern eine diesbezügliche Hypothese als bestätigt angesehen werden kann, hängt natürlich entscheidend davon ab, inwiefern eindeutige Prüfkriterien zur Verfügung stehen. Und da solche nur mathematisch formuliert werden können sind die genannten vier abgeschlossenen Theorien auch die einzigen die über solche verfügen. Somit ist hier eine notwendige Bedingung für die exakte Anwendbarkeit in der Praxis erfüllt, gerade deshalb haben sich diese auch hier ganz besonders bewährt. Als beispielsweise Fresnel seine Hypothese bezüglich der Wellennatur des Lichts prüfte und das Experiment die eindeutig bestimmten Kriterien der Beugung und Interferenz zeigte war keine andere Auslegung möglich. Licht ist im Rahmen der Maxwell’schen Elektrodynamik eine Welle.

In keiner anderen Wissenschaft ist somit eine derartige Sicherheit in der Erkenntnis möglich. Dabei soll natürlich nicht die Bedeutung derartiger Wissenschaften in Frage gestellt werden. Wenn aber beispielsweise in der Paedagogik die Hypothese formuliert wird, in Klassenverbänden würde die Inklusion, also das gemeinsame Lernen unterschiedlicher Gruppen mit verschiedenen, teilweise divergierenden Voraussetzungen, bessere Ergebnisse erzielen, so kann diese Aussage weder logisch begründet, noch exakt überprüft werden. Schon gar nicht lassen sich aus einem zeitlich momentanen punktuellen Ergebnis Aussagen über die zukünftige Entwicklung machen. Ebensowenig sind Hypothesen in der Volkswirtschaft bezüglich der nachgefragten Geldmenge und einem entsprechenden Konsum logisch zu begründen, die Keynes’sche Hypothese bezüglich einer aktiven und passiven Kasse ist weder logisch exakt begründbar noch kann sie getestet werden.

„Die Thermodynamik ist das Musterbeispiel einer axiomatisch aufgebauten Wissenschaft“ (A. Sommerfeld). Sie stellt demgemäß das Paradigma einer Wissenschaft dar und lässt somit exemplarisch erfahren, was wissenschaftliche Erkenntnis bedeutet. Ihre fundamentalen Prinzipien sind in die gesamte Physik eingegangen, haben als Konsequenz hieraus das heutige Weltbild ganz allgemein geprägt und sind mehr oder minder klar im allgemeinen Bewusstsein präsent.

Logisch baut die Thermodynamik auf den vier Hauptsätzen auf. Die Bezeichnung ist hierbei etwas missverständlich. Denn wie wir wissen sind in der Logik Sätze beweisbar und das sind die vier Hauptsätze gerade nicht. Die korrekte Bezeichnung müsste eigentlich „Hauptaxiome“ lauten. Gleichwohl wie, jedenfalls sind gerade diese Hauptsätze von einer allgemeinen Bedeutung, die weit über den eigentlichen Bereich der Thermodynamik hinausweist.

Zunächst fordert der ‚Nullte Hauptsatz‘ die Existenz der Temperatur, ihre exakte klare Fassung gibt dann der ‚Zweite Hauptsatz‘. Über die Bedeutung dieses Begriffes in Theorie, Praxis, Alltagsleben brauchen wir kein Wort zu verlieren. Von geradezu umwälzender Bedeutung ist der Inhalt des ‚Ersten Hauptsatzes‘, des ‚Satzes von der Erhaltung der Energie‘. In genialer Art und Weise, geleitet von einer kühnen Intuition, hat hier Robert Mayer ein für die gesamte Natur gültiges fundamentales Erkenntnisprinzip erschlossen. Die ganze weitere Entwicklung, die auf diesem Satz beruht, in der Atomphysik, der Biologie, der Chemie usw. kann hier nur angedeutet werden. Walther Gerlach spricht zu Recht von „der wichtigsten naturwissenschaftlichen Entdeckung des 19. Jahrhunderts“.

Wenn auch nicht so populär, so steht die Aussage des ‚Zweiten Hauptsatzes‘ derjenigen des ‚Ersten‘ in der allgemeinen Bedeutung kaum nach. War in der klassischen Mechanik Zukunft und Vergangenheit gleichberechtigt, konnte hier zwischen diesen nicht unterschieden werden, in krassem Gegensatz zu der allgemeinen Erfahrung, so wird durch den ‚Zweiten Hauptsatz‘ mit der Einführung der Entropie Klarheit erreicht. Die Natur schreitet in einer eindeutig definierten Zeitrichtung voran. Die ablaufenden Prozesse sind unumkehrbar. Unter anderem ergibt sich hieraus, für den Techniker von besonderem Interesse, dass es unmöglich ist, die beim Bremsen erzeugte Wärme wieder in mechanische Energie zurück zu verwandeln. Die ganze Tragweite der Entropie ergab sich dann als Ludwig Boltzmann den Begriff auf atomarer Grundlage im Rahmen der Wahrscheinlichkeit und Statistik formulierte. Wurden zunächst hier von verschiedener Seite noch Bedenken geäußert, so war es „der feste Glaube an die Allgemeingültigkeit dieses Begriffes, den Max Planck schon in seiner Dissertation zum Ausdruck gebracht hatte, der ihn 1900 zu seinem Strahlungsgesetz und Quantentheorie führte“ (A. Sommerfeld). „Für Einstein waren Boltzmanns statistische Deutung der Entropie, Plancks Theorie der Wärmestrahlung und die Arbeiten von H. A. Lorentz die entscheidenden wissenschaftlichen Erlebnisse“ (Wolfgang Pauli).

Machen wir schließlich noch eine Bemerkung zum ‚Dritten Hauptsatz‘ von Walter Nernst und Max Planck, „der genialsten Erweiterung der klassischen Thermodynamik in unserem Jahrhundert“ (A. Sommerfeld): Hieraus ergibt sich unter anderem, dass der absolute Nullpunkt nicht erreichbar ist. Auf die weiteren Konsequenzen können wir hier nicht näher eingehen.

Sowohl für die weitere theoretische Entwicklung, für die Technik, für das allgemeine Weltbild, war der konsequente weitere Aufbau der Thermodynamik auf der Atomhypothese die nachhaltigste und folgereichste Konsequenz. Ursprünglich wurde der Atombegriff von Demokrit (ca. 460 bis 370 v. Chr.) im Zusammenhang mit einem philosophischen Problem kreiert. Als Folge hieraus begründete dann dieser auf der Basis des Atoms die mechanistische Weltansicht. Über Epikur (341 bis 270 v. Chr.) kam der Begriff dann zu Lukrez (ca. 70 n. Chr.) in das klassische Rom. Schließlich wurde er in der Neuzeit im Wesentlichen von Gassendi im 17. Jahrhundert erneut aufgegriffen.

Standen hierbei vorwiegend allgemeine philosophische Überlegungen im Vordergrund, so wurde aus ihm eine exakte wissenschaftliche Hypothese als Dalton das Atom zur Grundlage der wissenschaftlichen Chemie machte, im Gegensatz zu der bis dahin vorherrschenden Alchemie. In diesem Zusammenhang formuliere er das Gesetz der ‚multiplen Proportionen‘, dieses wurde dann von Gay-Lussac ergänzt zu den ‚ganzzahligen Volumverhältnissen‘. Beide Gesetze kombinierte in genialer Art und Weise Avogadro zu seiner berühmten Regel: ‚Alle Gase enthalten unter gleichem äußeren Bedingungen von Druck und Temperatur im gleichen Volumen die gleiche Anzahl von Molekülen‘ (Avogadro sprach damals noch von Korpuskeln).

Allerdings bewegte man sich weitestgehend im rein Hypothetischen ohne letztlich Klarheit zu erlangen. Über die wirklichen Größenverhältnisse bestanden keinerlei konkrete Vorstellungen, der tatsächliche Zahlenwert der Avogadro-Konstante konnte erst Jahre später durch Josef Loschmidt bestimmt werden, weshalb diese Zahl im deutschen Sprachgebrauch bisweilen auch als Loschmidt’sche Zahl bezeichnet wird. Überhaupt wurde die Hypothese Avogadros von den Koryphäen jahrelang ignoriert bzw. nicht anerkannt. Dies änderte sich erst mit Walter Nernst, man erkannte dann hierdurch auch, dass die korrekte Formel für das Wasserstoffgas H2 lautet und nicht H, wie früher angenommen wurde.

Die Situation änderte sich dann mit Maxwell, und insbesondere mit W. Gibbs und Ludwig Boltzmann entscheidend. Hier wurde nämlich erkannt, dass die Atomhypothese nur dann sinnvoll bearbeitet werden kann, wenn die Analyse auf statistischer Grundlage erfolgt. Die Statistik war somit zu einem eigenständigen Erkenntnisinstrument geworden.

Dennoch war zu der damaligen Zeit das Atom ein rein hypothetischer Begriff, begleitet von scharfen Diskussionen, die bis zu persönlichen Angriffen ausarteten. „Hams oans gsehn?“ wurde Ludwig Boltzmann spöttisch von Ernst Mach gefragt, der neben Wilhelm Ostwald zu den prominentesten Kritikern zählte. Es dauerte bis zu dem berühmten Jahr 1905, bis Einstein zusammen mit Smoluchowski im Zusammenhang mit der Brown’schen Bewegung die Existenz des Atoms signifikant nachweisen konnte. Unter anderem konnte hierbei auch erstmalig die Planck-Boltzmann’sche Konstante k experimentell bestimmt werden.

Der Triumphzug des Atoms war von da an nicht mehr aufzuhalten, wobei die Vollendung schließlich in der Quantenmechanik erfolgte. Dass dabei die ‚Boltzmann’sche – Statistik‘ eine Modifikation erfuhr und hier in die ‚Bose – Einstein - ‘ bzw. ‚Fermi – Dirac – Statistik‘ überging ist kein Defizit des Boltzmann’schen Konzepts, sondern dessen glänzende Bestätigung. Denn je tiefer man in das Atom eindrang, desto klarer wurde, dass dieses nur statistisch erfasst werden kann.

Dass bei der außerordentlichen Tragweite der thermodynamischen Prinzipien der Anwendungsbereich praktisch unerschöpflich ist, bedarf kaum keiner weiteren Begründung: Bei jedem realen Prozess tritt Wärme auf! Thermochemie, Thermoelektrik, Meteorologie, Biologie, Kältemaschinen, die Liste ließe sich beliebig fortsetzen!

Aufgaben:

Afg. 1:

Erläutern Sie den Begriff ‚Abgeschlossene Theorie‘ im Sinne von Werner Heisenberg.

Afg. 2:

Nennen Sie Beispiele für Axiome, die physikalischen Theorien zugrunde liegen.

Afg. 3:

Wie rechtfertigt sich die Gültigkeit der Axiome? Nach Henri Poincaré sind diese weder aus der Erfahrung ableitbar noch können sie durch diese widerlegt oder bestätigt werden. Erläutern Sie diese Aussage.

Afg. 3:

Nach Heinrich Hertz gilt für eine exakte Theorie, dass hier sich die Wahrheit nicht auf ein einzelnes Faktum bezieht, sondern „dass dies nur für ein System als Ganzes, für ein System von theoretischen Sätzen insgesamt zu verlangen und zu finden ist“ (Heinrich Hertz). Erläutern Sie diesen Satz.

Afg. 4:

„Das Unerklärlichste ist, dass wir die Natur überhaupt verstehen können“ (Albert Einstein). Erklären Sie diesen Satz.

Afg. 5:

Erläutern Sie den Unterschied zwischen theoretisch – logischer und empirischer Erkenntnis an folgendem Beispiel:

1. Aus den Peano – Axiomen der Mathematik folgt für natürliche Zahlen steng beweisbar: 2 + 2 = 4.

2. Wir haben zwei Körbe mit Äpfel, abwechselnd nehmen wir aus jedem jeweils einen heraus und kommen so zu vier Äpfel. Können wir sicher sein, dass wenn wir dies wiederholen, dass wir dann wieder vier Äpfel haben werden? Wie sind die Verhältnisse bei Birnen, Nüssen? In der Quantenelektrodynamik wird gezeigt, dass gewisse Paare von Elementarteilchen zerstrahlen können. In diesem Fall gilt 2 + 2 = 0. Ist durch diese neue Erkenntnis unsere mathematische Regel widerlegt?

Afg. 6:

Die Sätze der ‚Newton’schen Mechanik‘ sind in der ‚Allgemeinen Relativitätstheorie‘ im Allgemeinen nicht richtig. Zum Beispiel bewegt sich in der klassischen Mechanik der Mars in einer Ellipse um die Sonne, in der ‚Allgemeinen Relativitätstheorie‘ führt er eine Art gleichförmige Bewegung aus. Ist die klassische Mechanik deshalb falsch?

Afg. 7:

„Diejenigen, die sich der Praxis ohne Wissenschaft hingeben, sind wie der Steuermann, der das Schiff ohne Ruder und Kompass lenkt, der niemals die Sicherheit hat, wo er hinfährt“ (Leonardo da Vinci). Erläutern Sie diesen Satz.

Afg. 8:

„Savoir pour prevoir“ (Auguste Comte). Erläutern Sie diesen Satz.

Afg. 9:

„Die Thermodynamik ist das Musterbeispiel einer axiomatisch aufgebauten Wissenschaft“ (A. Sommerfeld). Erläutern Sie diesen Satz.

Afg. 10:

„Der Energieerhaltungssatz von Robert Mayer war die wichtigste naturwissenschaftliche Entdeckung des 19. Jahrhunderts“. (Walther Gerlach). Erläutern Sie diesen Satz.

Afg. 11:

Nennen Sie Beispiele, wo die Thermodynamik sowohl unser Weltbild als auch unser Alltagsleben grundsätzlich verändert hat.

1. GRUNDBEGRIFFE DER MOLEKULARMECHANIK

Sowohl in der klassischen Elektrodynamik als auch in der klassischen Thermodynamik ist das Atom ein fremder Begriff. Die weitere Entwicklung konnte jedoch die Tatsache nicht ignorieren, dass unsere physikalische Welt auf der Atomstruktur basiert. Symbolisieren wir die Moleküle durch „kleine Tischtennisbälle“, so können wir innerhalb gewisser Grenzen die Prozesse im Rahmen der Newton’schen Mechanik beschreiben. Hierbei stehen wir jedoch sofort vor einem grundsätzlichen Problem:

Haben wir nämlich auf einem Billardtisch beispielsweise 5 Kugeln, so können wir für jede einzelne die Energie ermitteln und dann additiv die Gesamtenergie feststellen. Ein solches Vorgehen ist jedoch in einem Gas völlig illusorisch. Wir verdeutlichen dies durch ein Beispiel: Würden wir jedes Molekül in einem cm³ Luft durch einen Backstein repräsentieren, so könnten wir die gesamte Erde, ohne das Wasser, mit einer 120 Meter hohen Mauer zudecken!

Die Stoffmenge

Ein Grundprinzip der Physik besagt, dass die Untersuchungsobjekte messbar sein müssen. Dabei beruht die Messbarkeit auf die Festlegung einer Einheit. Für unser Problem ergeben sich dabei nachstehende Vorüberlegungen:

1. Sei n die neu zu definierende Stoffmenge, N die tatsächlich Teilchenzahl, so muss offenbar gelten:

n N (1)

Also: Die Stoffmenge n muss die tatsächliche Teilchen Zahl N proportional repräsentieren.

2. Die Stoffmenge n darf nicht von der chemischen Beschaffenheit des zu beschreibenden Stoffes abhängen.

Beispielsweise darf das Längenmaß nicht davon abhängen ob wir Holz oder Metall ausmessen.

3. n darf nicht zu klein sein.

Denn bei der gewaltigen Zahl von N muss unsere Einheit praktikabel bleiben. Beispielsweise messen wir die Entfernung Erde – Mond nicht in Millimetern, den Atomdurchmesser nicht in Kilometer.

4. n darf nicht zu groß sein.

Hier haben wir ein ganz spezielles Problem, das nur für die Stoffmenge gilt. Denn in der weiteren Analyse wollen wir von der Infinitisimalrechnung Gebrauch machen. Wie bekannt setzt aber sowohl die Differential - als auch die Integralrechnung den Grenzwertbegriff voraus. Offensichtlich ist aber der Grenzübergang gegen Null nur im Bereich der reellen Zahlen möglich und n ist selbstverständlich eine natürliche Zahl. Wir nehmen nun an, dass die Werte der Stoffmenge n, trotz ihrer gewaltigen Zahl, in Anbetracht der sie noch weit übertreffenden Teilchenzahl N, auf der Zahlengeraden so „dicht“ angeordnet werden können, dass trotzdem die Infinitisimalrechnung anwendbar ist. Natürlich liegt hierbei vom streng logischen Gesichtspunkt aus eine kleine Mogelei vor und wir werden sehen, dass hiermit durchaus ein grundsätzliches Problem verbunden ist!

Unsere vier Forderungen werden dann durch folgende Definition erfüllt:

Definition:

Wir setzen:

n = N (2)

Dabei ist L die Avogadro’sche Zahl, sie ist von der Größenordnung 6,022 .

Wir haben bereits erwähnt, dass der Teilchenbegriff den Rahmen der klassischen Thermodynamik sprengt. Aber durch die Einführung der neuen Basisgröße n wird die Naturbeschreibung wesentlich vereinfacht. Insbesondere ist es hierbei möglich, die Theorie mit exakten Zahlenwerten zu versehen, die mit der Erfahrung übereinstimmen, dies war in der klassischen Thermodynamik nicht möglich.

Das Mol

Definition:

Hierunter verstehen wir die Einheit der Stoffmenge n.

Setzen wir nun in unserer Definition bei (2) n = 1, so erhalten wir L = N, also:

Die Einheit der Stoffmenge wird in jedem Stoff durch die Avogadro’sche Zahl L verwirklicht. Ein Stoff mit n = 1 enthält also 6,022 Teilchen.

Die theoretische Analyse wird nun wesentlich vereinfacht, wenn wir im Folgenden die beobachtbaren phänomenalen Größen auf das Mol beziehen, also molare Größen bilden:

Molare Größen

Molare Masse:

Definition:

Sei m die Masse, n die Stoffmenge, dann setzen wir:

M = (3)

Sind nun , die Teilchenmassen zweier Stoffe, M, M‘ ihre molaren Massen so folgt:

(4)

Denn:

Aus (3) folgt:

m = M n und m‘ = M‘ n‘ (5)

Da N, N‘ die tatsächlichen Teilchenzahlen sind, folgt:

m = N und m‘ = N‘ (6)

Weiter berücksichtigen wir (2):

N = L n, N‘ = L n‘ (2)

Wir kombinieren (5), (6), (2) und erhalten:

(7)

Dieses Ergebnis ist insofern von Bedeutung, als dass es in der Chemie immer nur auf die Verhältnisse der wägbaren Massen ankommt. Die tatsächlichen Werte, wie beispielsweise die Molekülmasse waren lange Zeit ebenso unbekannt wie die tatsächliche Teilchenzahl N. Trotzdem hat die Chemie den Molbegriff stets mit großem Erfolg angewandt.

Da nun die Teilchenzahl in jeder Stoffmenge dieselbe ist, findet man in den Lehrbüchern der Chemie für das Mol folgende erläuternde Definition:

Unter einem Mol, genauer Gramm-Mol, versteht man eine Masse eines Stoffes, die in Gramm diejenige Menge realisiert, die die Summe der Atomgewichte des Stoffes angibt.

Beispiele:

Ein Mol Wasserstoff H2 wird durch 2 Gramm realisiert, ein Mol des Sauerstoffgases O2 durch 32 Gramm.

Das Mol wurde ursprünglich von Wilhelm Ostwald eingeführt, der, wie oben gesagt, den Atombegriff ablehnte. Er definierte das Mol als eine bestimmte ‚Stoffmenge‘, wodurch sich auch die Bezeichnung erklärt. Angepasster wäre vielleicht die Benennung ‚Teilchenzahl‘ für das Mol, eben die Avogadrozahl.

Molares Volumen:

Definition:

Ist V das Volumen eines Stoffes, n die Stoffmenge, so setzen wir:

(8)

v heißt molares Volumen.

Analog werden wir dann im Folgenden die molare Wärme, Energie, Entropie usw. definieren.

Spezifische Molekülzahl

Definition:

Ist V das Volumen, N die Teilchenzahl, so setzen wir:

NS = (9)

NS heißt spezifische Molekülzahl.

AUFGABEN:

Afg. 1:

Man begründe den Satz: „Zur Thermodynamik ist auf molekularer Grundlage nur ein statistischer Zugang möglich, wobei dieser auf Mittelwerten basiert.“

Afg. 2:

Man erläutere die Aussage aus Afg. 1 durch einen anschaulichen Vergleich.

Afg. 3:

Der Definition der Stoffmenge liegen vier Kriterien zugrunde. Zwei teilt sie mit den Bedingungen, die für die Definition jeder Maßeinheit gelten. Welche? Die Vierte betrifft nur sie. Was liegt dieser Überlegung zugrunde?

Afg. 4:

Nennen Sie ein entscheidendes Argument für die Darstellung der Thermodynamik auf molekularer Grundlage.

Afg. 5:

Man zeige: Ist µ die Masse eines Teilchens, N die Teilchenzahl und L die Avogadro – Konstante, so gilt:

µ = M/L

dabei ist M die molare Masse.

Afg. 6:

Man begründe die Aussage:

Ein Gramm-Mol ist die Masse eines Stoffes, die in Gramm diejenige Menge realisiert, die die Summe der Atomgewichte des Stoffes angibt.

Afg. 7:

Welche Menge Wasser realisiert ein Mol?

Afg. 8:

Wir nehmen an, wir haben eine Zählmaschine mit einem Computer kombiniert. Diese zähle sukzessive pro Sekunde eine Million Teilchen eines mols. Wie lange würde sie zählen?

Afg. 9:

Geben Sie in einem Satz an, was man unter der spezifischen Molekülzahl versteht.

2. DER NULLTE HAUPTSATZ

Der Weg zum Nullten Hauptsatz

Die Erfahrung zeigt:

1. Das thermische Gleichgewicht

Jedes abgeschlossene System S geht nach gewisser Zeit in einen Gleichgewichtszustand über. Befinden sich zwei Systeme S1 und S2 im Gleichgewicht, werden diese unmittelbar in Kontakt miteinander gebracht, so wird das zusammengesetzte System S1 S2 ebenfalls in einen Gleichgewichtszustand übergehen. Befindet sich schließlich S1 im Gleichgewicht mit S2 und S2 im Gleichgewicht mit S3, so auch S1 mit S3 (Transitivität) . Die fundamentalen Bedingungen der Gleichheit sind somit erfüllt.

2. Die Temperatur

Wie kann nun dieses Gleichgewicht konkret beschrieben werden? Maß ist hierfür die Temperatur T. Zwei Systeme befinden sich also dann und nur dann im Gleichgewicht, wenn sie dieselbe Temperatur haben. Dabei ist diese Temperatur eine Zustandsgröße, das heißt, das hierdurch festgelegte Gleichgewicht ist unabhängig von der Vorgeschichte. Auf welche Art und Weise, Variation des Druckes, des Volumens und ähnlichem, dieses entstanden ist, hängt hiervon nicht ab.

Wie können wir nun seinerseits diese Größe exakt benennen? Hierzu folgen wir den Überlegungen von Ludwig Boltzmann:

Befindet sich das System im Gleichgewicht, so dürfen wir annehmen, dass die Verteilung der Moleküle im Wesentlichen ihren Abschluss gefunden hat, das heißt, dass die wahrscheinlichste Verteilung vorliegt. „Größere“ Veränderungen sind unwahrscheinlich. Insbesondere sind dann die Abweichungen von den charakteristischen Mittelwerten minimal, speziell von der Energie, als der wesentlichen Größe zur Beschreibung des Verhaltens der Moleküle. Somit sehen wir die Gleichgewichtsbedingung T, die Temperatur, in unmittelbarer Beziehung zum Mittelwert der Energie der Moleküle gesetzt.

Es „wäre also am einfachsten die mittlere Energie selbst ‚die Temperatur‘ zu nennen“ (R. Feynman). Die historische Entwicklung ging jedoch einen etwas anderen Weg und wir setzen:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

(1)

Hierbei ist f der Freiheitsgrad, den ein einzelnes Molekül einnehmen kann. Genauer:

f = 3: Drei Freiheitsgrade für die kinetische Energie, je einer für die x -, y -, und z - Richtung.

f = 3: Je einen Wert für die Rotationsenergie um eine der drei Hauptachsen.

Insgesamt kann also das Molekül 6 Freiheitsgrade haben. Theoretisch ist noch die Schwingungsenergie der Atome im Kristall um die Gleichgewichtslage möglich, sie spielt aber aus quantenmechanischen Gründen hier keine Rolle.

Die obige Proportionalität verwandeln wir nun in eine Gleichheit durch Einführung der berühmten Planck – Boltzmann‘schen Kontanten k:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

(2)

Oder:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

(3)

Diese allgemein gehaltenen Überlegungen erfassen wir nun exakt axiomatisch:

Der Nullte Hauptsatz

Der Nullte Hauptsatz

Jedes sich selbst überlassene abgeschlossene System geht in einen Gleichgewichtszustand über der durch eine Zustandsgröße T bestimmt wird. Dabei gilt für T die Beziehung:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

(4)

Hierbei gilt:

: Mittelwert der Energie E des Systems.

f: Freiheitsgrad des repräsentierenden Moleküls.

k: Planck- Boltzmann’sche Konstante.

Wir erinnern hier noch einmal an die Ausführungen in 0. Der ‚Nullte Hauptsatz‘ ist ein Axiom und damit keine empirische Erfahrungsregel, sondern eine logische Aussage. Er gehört somit nicht dem Realen, sondern dem Idealen an, er ist also letztlich in der Mathematik beheimatet.

Zur Planck-Boltzmann’schen Konstanten k

Das Boltzmann’sche Prinzip:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

(5)

steht prägnant eingemeißelt in dem imposanten Grabstein Ludwig Boltzmanns auf dem Wiener Zentralfriedhof. Die Bezeichnung ‚Boltzmann’sches Prinzip‘ stammt hierbei von Einstein. Dabei handelt sich um eine der wichtigsten und folgenreichsten Formeln der gesamten Physik: Die Wahrscheinlichkeit W für die Verteilung der Moleküle, sowie die im Zweiten Hauptsatz festgelegte Entropie S werden hierbei auf einfache Art und Weise durch die Planck-Boltzmann’sche Konstante verknüpft. Dass ihr Wert erstmalig 1905 im Zusammenhang mit der Einstein’schen Analyse der Brown’schen Bewegung experimentell ermittelt wurde haben wir erwähnt.

Momentan genügt es bezüglich der Entropie festzuhalten, dass diese gemäß dem Zweiten Hauptsatz eine monoton wachsende Funktion ist, bis sie schließlich ihr Maximum erreicht hat. Da weiter k positiv ist, der ln monoton wächst, nimmt also auch die Wahrscheinlichkeit fortlaufend zu, bis der für das System wahrscheinlichste Wert erreicht ist. Helmholtz drückte das so aus, dass fortlaufend „der Übergang von einer künstlichen Ordnung zu einer wahrscheinlicheren Unordnung erfolgt“.

Wir werden später nach der Analyse des Ersten und Zweiten Hauptsatzes sehen, dass die Boltzmann’sche Formel wie folgt geschrieben werden kann:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

(6)

U: Energie

Für das weitere beachten wir nun, dass Boltzmann für die Wahrscheinlichkeit den inversen Wert der üblichen Definition aus methodischen Gründen gewählt hat (vgl. hierzu 3.). Gehen wir zur üblichen Definition über, so müssen wir schreiben:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

(7)

Oder umgeformt:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

(8)

Die Anwendungsmöglichkeiten sind hierbei unerschöpflich. Wir können so die Teilchendichte, die Verteilung der Molekülgeschwindigkeit, die Verdampfung einer Flüssigkeit usw. berechnen, bis die Formel schließlich in die Planck’sche Strahlungsformel einging, wobei die erste Quantenmechanische Formel gefunden wurde:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

(9)

Dabei gilt:

: Das durch 2 dividierte Planck’sche Wirkungsquantum .

: Die Strahlungsfrequenz

: Das berühmte Planck’sche Energiequant.

Der Begriff der Zustandsgröße

Wir haben oben gesagt, die Temperatur sei eine Zustandsgröße, das heißt ihr momentaner Wert sei unabhängig von der „Vorgeschichte“, also auf welche Art und Weise er schließlich erreicht wurde. Wie können wir diese Aussage exakt mathematisch erfassen? Hierzu nehmen wir beispielsweise an, T sei eine Funktion des Molvolumens v und des Druckes p:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

(10)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

(11)

Durch Volum- und Druckänderung werde dann die Temperatur auf folgenden Wert gebracht:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

(12)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

[Darstellung der Wege für T als Zustandsfunktion]

Die Graphik veranschaulicht die folgenden drei Wege:

Weg 1:

Wir erhöhen zunächst bei konstantem Volumen v1 den Druck von p1 auf p2, dann expandieren wir bei konstantem p2 auf das Volumen v2.

Weg 2:

Wir expandieren zunächst bei konstantem Druck p1 das Volumen von v1 auf v2, dann erhöhen wir den Druck bei konstantem v2 von p1 auf p2.

Weg 3:

Dieser Zick-Zack-Weg kombiniert in gewisser Art und Weise die Wege 1 und 2. In „kleinen“ Schritten ändern wir sukzessive v und p und erhalten jeweils eine „kleine“ Änderung von T: T. Summieren wir nun alle diese Werte, so erreichen wir ebenfalls ausgehend von T1 schließlich den neuen Wert T2:

T1 T2: (13)

Nun gehen wir durch fortlaufende Verkleinerung der „Zacken“ auf den Grenzwert über:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

(14)

Die Summe (13) geht dann über in:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

(15)

Soll nun der Wert T2 unabhängig davon sein, auf welche Art und Weise der Übergang von T1 nach T2 erfolgt ist, so muss es offenbar gleichgültig sein, welchen der drei Wege wir gewählt haben. Ja, jeder beliebige Weg von T1 nach T2 muss zu demselben Resultat führen. Wir können dies so formulieren:

Das Linienintegral:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

(16) ist unabhängig vom Weg.

Offenbar sind die Wege 1 und 2 ein Spezialfall dieser Aussage.

Gehen wir nun von T2 aus den umgekehrten Weg zu T1, so müssen wir erhalten:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

(17)

Dabei müssen beide Integrale vom Absolutwert her gleich sein:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

(18)

Wir könnten sonst nämlich die Temperatur an der Stelle (v1,p1) in beliebiger Art und Weise verändern, indem wir einfach die Wege genügend oft hin und her laufen.

Also:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

0der:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

(20)

Da beide Integrale vom Hin – und Rückweg unabhängig sind, gilt für jede beliebige geschlossene Kurve von (v1,p1) nach (v2,p2) und wieder zurück nach (v1,p1):

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

(21)

Schließlich betrachten wir noch einmal die Summanden T im Zusammenhang mit dem Zick-Zack-Weg:

Offenbar gilt:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

(22)

„Änderung von T in Bezug auf eine „kleine“ Änderung von v, wobei v selbst einer „kleinen“ Änderung unterworfen wird“ (dabei soll der Index anzeigen, dass p festgehalten werden soll).

Ebenso:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

(23)

„Änderung von T in Bezug auf eine „kleine“ Änderung von p, wobei p selbst einer „kleinen“ Änderung unterworfen wird“ (dabei soll der Index anzeigen, dass v festgehalten werden soll)“

Somit beträgt die gesamte Änderung von T:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

(24)

Bilden wir dann die üblichen Grenzübergänge, so erhalten wir:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

(25)

Das heißt:

dT ist ein vollständiges Differential oder eine Paff’sche Form.

Allgemein:

Sei = (x,y) eine Funktion der Variablen x und y. Folgende Aussagen sind äquivalent:

1. ist eine Zustandsgröße.

2. Das Integral

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

(26)

ist unabhängig vom Weg.

3. Das geschlossene Kurvenintegral ergibt Null:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

(27)

4. d ist ein vollständiges Differential:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

(28)

dabei soll der Index anzeigen, dass diese Größe hier konstant gehalten werden soll. Wir werden dies im Folgenden generell so handhaben.

AUFGABEN:

Afg. 1:

Auf welcher Erfahrungsgrundlage beruht der ‚Nullte Hauptsatz‘? Was bedeutet in diesem Zusammenhang die Transitivität?

Afg. 2:

Auf welcher Hypothese beruht die Boltzmann‘sche Energiedefinition? Was wäre der „einfachste Weg“ in diesem Zusammenhang nach Richard Feynman?

Afg. 3:

In welchen Formen kann die Energie eines Moleküls vorkommen?

Afg. 4:

Man bestimme den Freiheitsgrad eines zweiatomigen hantelförmigen Moleküls? Begründung?

Afg. 5:

Man erläutere noch einmal den Unterschied zwischen einer empirischen und einer axiomatisch – logischen Aussage am Beispiel des ‚Nullten Hauptsatzes‘.

Afg. 6:

Worin besteht die fundamentale physikalische Eigenschaft einer ‚Zustandsfunktion‘?

Afg. 7:

Man nenne die drei mathematischen Bedingungen, die notwendig und hinreichend sind, dass f(x,y) eine Zustandsfunktion ist.

Afg. 8:

Man erläutere dies am Beispiel der mechanischen Potentiellen Energie (s,h), wobei wir annehmen, dass diese von der horizontalen s und der Höhe h abhängt.

3. DAS IDEALE GAS

Das ‚Ideale Gas‘ ist, wie die Benennung erkennen lässt, ebenso wie der ‚Massepunkt‘, der ‚Starre Körper‘, das ‚elektrische Feld‘, ein rein theoretischer Begriff und somit wie diese im Reich der Logik beheimatet. Wie wir wissen haben diese jedoch auch im Realen ein unübersehbares Feld von Anwendungen gefunden. Dasselbe gilt auch für das ‚Ideale Gas‘!

Definition des Idealen Gases

1. Die Moleküle werden als ausdehnungslose kleine Massepunkte betrachtet.

2. Die Kräfte zwischen den Molekülen werden als vernachlässigbar angesehen.

Tatsächlich kann das Verhalten zahlreicher Gase, wie beispielsweise die Edelgase, Wasserstoff, Sauerstoff, Stickstoff usw. unter normalen Bedingungen mit diesem Modell beschrieben werden. Die Approximation ist hierbei umso genauer, je schwieriger es ist, das Gas unter Normaldruck zu verflüssigen.

Verteilung der Moleküle

Räumliche Verteilung

Ist das Gas abgeschlossen, das heißt es wirken keine äußeren Kräfte, so ist offensichtlich das Prinzip der Homogenität erfüllt. Das heißt: Im Volumen des Gases ist kein Raumpunkt ausgezeichnet. Ansonsten müsste hier eine Ursache wirksam sein. Da wir die inneren Kräfte als Null angenommen haben, aus der Abgeschlossenheit folgt, dass auch keine äußeren Kräfte wirksam sein sollen, kann somit kein Grund für eine spezielle räumliche Verteilung nachgewiesen werden.

Liefern diese allgemeinen Überlegungen lediglich eine qualitative Aussage, so erhalten wir hier quantitative Ergebnisse durch die Statistik. Erstens sagt uns der Mittelwert was für einen Wert wir hier bei der Beobachtung erwarten dürfen, zweitens gibt die Standartabweichung an, in wieweit hierbei eine signifikante Abweichung vom Mittelwert vorliegt. Im Zusammenhang mit unserem Problem hat hierbei das Boltzmann’sche Verteilungsmodell als Erkenntnisprinzip grundsätzliche Bedeutung. Wir werden dies im Folgenden in den Grundzügen erläutern.

Kombinatorik

Zunächst benötigen wir einige Grundregeln der Kombinatorik.

Gegeben seien drei Elemente a, b, c. Wie viele Möglichkeiten gibt es für deren Anordnung? Zunächst können wir jeden Buchstaben an die erste Position setzen:

a b c (1)

Nun gibt es je zwei Möglichkeiten für das Anfügen des nächsten Buchstabens:

ab ac ba bc ca cb (2)

Jetzt verbleibt nur noch jeweils eine Möglichkeit für das weitere Anfügen:

abc acb bac bca cab cba (3)

Vergleicht man das Anwachsen der Möglichkeiten bei jeder der obigen Reihen, so sieht man, dass diese wie zunehmen, man erhält also 6 Möglichkeiten.

Allgemein definieren wir:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

[Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten] „Fakultät“ (4)

Natürlich gilt dann auch [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten]und wir erhalten beispielsweise:

[Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten] Also gilt:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Allgemein:

(5)

Also:

Es gibt bei 3 unterscheidbaren Elemente 3! Vertauschungen. Was gilt bei 4? Greifen wir hierzu eine der obigen 6 Möglichkeiten bei Vertauschung von 3 Elemente heraus: bac. Dann können wir d an vier Stellen einfügen:

dbac bdac badc bacd (6)

Offenbar können wir dies für jede dieser Möglichkeiten tun, also erhalten wir 3! 4 = 4! verschiedene Möglichkeiten.

Allgemein können wir induktiv folgendermaßen schließen:

Wir dürfen annehmen:

Bei n Elementen gibt es n! Vertauschungen.

Haben wir dann n + 1 Elemente, so wählen wir eine bestimmte Vertauschung und können das (n+1) - te Element an n+1 Postionen dieser Vertauschung einfügen. Dies gilt für jede der n! Vertauschungen. Also gibt es insgesamt n! (n+1) = (n+1)! verschiedene Möglichkeiten.

Ergebnis:

Eine beliebige Vertauschung von n unterscheidbaren Elemente heißt eine Permutation. Insgesamt gibt es dann n! Permutationen.

Wie sind nun die Verhältnisse wenn gewisse Elemente bezüglich ihrer Vertauschung nicht unterschieden werden sollen?

Beispiel:

Wir betrachten:

ac1c2c3d (7)

Zunächst berücksichtigen wir die ci in ihrer Reihenfolge. Dann wissen wir, dass es 5! = 120 Permutationen gibt. Nun fassen wir alle Permutationen je zu einer Klasse zusammen, wo lediglich die Reihenfolge der a und d berücksichtigt wird. Da es für die ci 3! Permutationen gibt, muss jede Klasse 6 als nichtunterscheidbar betrachtete Elemente enthalten.

Beispiel:

Kcdcca: c1dc2c3a c1dc3c2a c2dc1c3a c2dc3c1a c3dc1c2a c3dc2c1a (8)

Sei s die Anzahl der Klassen. Dann muss offenbar gelten:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

(9)

Wäre nun a und d ebenfalls ununterscheidbar, so würde gelten:

Kcdcca = Kcaccd.

Wir müssten also (9) noch eimal durch 2! dividieren:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Allgemein:

Gegeben seien n Elemente. Diese teilen wir in r Gruppen ein, 1 r n. Dabei enthalte die Gruppe Gi ni Gruppenelemente, 1 r, 0 ni n, = n, die wir bezüglich ihrer Anordnung nicht unterscheiden.

Dann gilt für die Anzahl der möglichen Kombinationen (Klassen):

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

(10)

Beispiel 1:

Gegeben:

aabbbcddeeee

Anzahl der möglichglichen Kombinationen:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

[...]

Ende der Leseprobe aus 160 Seiten

Details

Titel
Einführung in die Thermodynamik
Hochschule
Duale Hochschule Baden Württemberg Mosbach
Veranstaltung
Einführung in die Thermodynamik
Autor
Jahr
2015
Seiten
160
Katalognummer
V275330
ISBN (eBook)
9783656684862
ISBN (Buch)
9783656684848
Dateigröße
2802 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
einführung, thermodynamik
Arbeit zitieren
Dr. Wolfgang Schlageter (Autor:in), 2015, Einführung in die Thermodynamik, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/275330

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