Indoktrination auf der Schulbank

Wie das NS-Regime seine Schüler auf den Krieg vorbereitete


Bachelorarbeit, 2012

32 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Hitlers Ansichten über Schule und Erziehung
2.1 Zu den Begriffen Bildung und Erziehung
2.2 Unterrichtsprinzipien
2.3 Veränderungen der wissenschaftlichen Schulbildung
2.4 Auslese der fähigsten Kräfte

3. Die Absichten nationalsozialistischer Schulpolitik
3.1 Die Verdrängung jüdischer Lehrer und Schüler
3.2 Indoktrination
3.3 Organisatorische Erfassung der Lehrerschaft
3.4 Vereinheitlichung
3.5 Auslese

4. Schulischer Unterricht im Geiste der Kriegsvorbereitung
4.1 Allgemeine Richtlinien und Stundentafeln
4.2 Die Ausrichtung einzelner Unterrichtsfächer
4.2.1 Die Pflege des Wehrgedankens in der Leibeserziehung
4.2.2 Biologie und Naturkunde als ideologisches Fundament
4.2.3 Nationalstolz und Zuversicht durch Geschichtsunterricht
4.2.4 Die Aufdeckung deutscher Tugenden im Deutschunterricht
4.2.5 Heimat- und Rassebewusstsein im Erdkundeunterricht
4.2.6 Gemeinschaftsgefühl und Ausgrenzung in künstlerischen Fächern

5. Schluss

Literaturverzeichnis:

1. Einleitung

Bis zum heutigen Tag lösen die Erinnerungen an den zweiten Weltkrieg und seine insgesamt 62 Millionen Todesopfer allgemeine Betroffenheit aus.[1] Auf die späteren Generationen wirkt es geradezu unbegreiflich, dass Hitler so viele Menschen zu einem Krieg bewegen konnte, der die „rassische Neuordnung Europas“ sowie die Eroberung einer deutschen Weltmachtstellung verfolgte.[2] Die vorliegende Arbeit widmet sich der Beantwortung der Frage, ob das totalitäre System des Nationalsozialismus auch Schule und Unterricht erfasste und diese letztlich in den Dienst einer Vorbereitung auf ihren ideologisch motivierten Krieg stellte. Es soll hierbei untersucht werden, ob vonseiten der Regierung beabsichtigt wurde, die Schüler körperlich und mental zu diesem Zweck zu schulen. Hierfür sollen zunächst die in Mein Kampf dargelegten Vorstellungen Hitlers über den „völkischen Staat“ dahingehend untersucht werden, welche Rolle Schule und Unterricht in ebendiesem spielen sollten. Anschließend soll auf Grundlage von ab 1933 verabschiedeten schulpolitischen Erlassen, Gesetzen und Richtlinien geprüft werden, ob die hiermit zusammenhängenden strukturellen Veränderungen im Schulwesen auf den zu untersuchenden Zweck hindeuten. Abschließend soll dargelegt werden, ob über Lehrpläne, Handreichungen und Schulbücher versucht wurde, schulischen Unterricht in den Dienst mentaler und körperlicher Kriegsvorbereitung zu stellen. Da es für den Krieg vor allem qualifizierter junger Männer bedurfte, wird die vorliegende Arbeit an Stellen, die eine Unterscheidung nötig machen würde, ihren Fokus auf die Beschulung des männlichen Geschlechts legen.

2. Hitlers Ansichten über Schule und Erziehung

Im Folgenden sollen die Ansichten Adolf Hitlers über die Zwecke von Schule und Erziehung untersucht werden. Nach einer kurzen grundlegenden Darlegung zum nationalsozialistischen Verständnis über die schulrelevanten Kategorien „Bildung und Erziehung“ soll hierzu herausgearbeitet werden, welchen Prinzipien Hitler die schulische Erziehung unterwarf. Abschließend soll untersucht werden, wie seiner Ansicht nach fähige Schüler erkannt und gefördert werden sollten. Die Untersuchungen basieren auf Hitlers Ausführungen zur Erziehung in seinem Werk Mein Kampf.[3]

2.1 Zu den Begriffen Bildung und Erziehung

Ein vorrangiges Ziel der Schule und anderer pädagogisch wirkender Institutionen, wie etwa der Hitler-Jugend, war das Erzeugen einer geistigen Haltung, die es den Jugendlichen ermöglichen sollte, den nationalsozialistischen Werten gemäß zu handeln, ohne diese zu hinterfragen.[4] Einem solchen Ziel kann jedoch allenfalls Erziehung, jedoch nicht eine aufgeklärte Bildung im humanistischen Sinne entsprechen, die ein freies, allein auf eigener Vernunft und Reflexion basierendes Handeln ermöglichen soll.[5] In den Jahren vor 1933 fand dieser humanistisch geprägte Geist zunehmend Eingang in die Werke vieler Reformpädagogen und somit in die Schulen. Sich aus dieser Entwicklung speisende Postulate für die Schule waren beispielsweise individuelle Lernwege und ein freundschaftlicher Umgang zwischen Lehrern und Schülern. Hitler verurteilte diese Erscheinungen im Schulwesen scharf.[6] Er schätzte die Bildung und die hiermit zusammenhängende freie Entfaltung einer eigenen Persönlichkeit nicht, sondern setzte einen deutlichen Akzent auf die Bedeutung der Erziehung und der damit einhergehenden äußeren Einflussnahme auf die Entwicklung des heranwachsenden Menschen.[7] Diese Einflussnahme bedeutete für ihn gleichzeitig, dass der Zweck der Erziehung auf staatliche Bedürfnisse ausgerichtet sein sollte. So schrieb er zum Beispiel: „Treue, Opferwilligkeit, Verschwiegenheit sind Tugenden, die ein großes Volk nötig braucht, und deren Anerziehung und Ausbildung in der Schule wichtiger ist, als manches von dem, was zur Zeit unsere Lehrpläne ausfüllt.“[8] Ebenso wenig schätzte er die Mittel humanistisch geprägter Bildungs- und Erziehungsarbeit. Stattdessen forderte er „Drill, Zucht, äußerste Belastung aller […] Kräfte […], parteipolitische, ideologische Schulung als auch wirksame berufsorientierte Ausbildung.“[9] Vor diesem Hintergrund wird deutlich, dass Hitler die Schulen nicht in den Dienst der Bildung im humanistischen Sinne gestellt sah, sondern vielmehr befürwortete, dass sie die Schüler zu brauchbaren Instrumenten des Staates erziehen. Im nächsten Kapitel soll untersucht werden, wie sich diese Erziehung nach Hitlers Ansicht konkret auf den Unterricht auswirken sollte.

2.2 Unterrichtsprinzipien

Für Hitler war die „erste Aufgabe des Staates […] die Erhaltung, Pflege und Entwicklung der besten rassischen Elemente“[10]. Für die Verwirklichung dieser Aufgabe nahm er unter anderem die schulische Erziehung in die Pflicht. Sie sollte hierfür zwei wesentliche Prinzipien berücksichtigen: primär sollte sie die Stärkung der körperlichen Gesundheit und sekundär die geistigen Fähigkeiten fördern. Unter geistige Fähigkeiten fasste Hitler hierbei vorrangig die Förderung von Charakterstärke und nachrangig eine noch zu modifizierende wissenschaftliche Bildung.[11] Im Folgenden soll dargelegt werden, inwiefern Hitler diese Prinzipien als Mittel zur Bearbeitung der oben formulierten Aufgabe verstand.

Stärkung des Körpers

„[Der Staat] muß vor allem dafür sorgen, dass nicht eine Generation von Stubenhockern herangebildet wird“[12] forderte Hitler und machte in diesem Zusammenhang deutlich, dass er die Schule als staatliche Institution in der Verantwortung sah, die körperliche Ertüchtigung ihrer Schüler zu fördern. Er kritisierte die Weimarer Verhältnisse, während welcher Schüler lediglich zwei Stunden pro Woche fakultativen Turnunterricht besuchen mussten. Das heranzuziehende Idealbild eines Menschen bestand für Hitler aus einer „trotzigen Verkörperung männlicher Kraft“ und aus „Weibern, die wieder Männer zur Welt zu bringen vermögen.“[13] Er maß in diesem Zusammenhang dem Boxen als Förderung von Angriffsgeist, blitzschneller Entschlusskraft und dem Ertragen von Schmerzen große Bedeutung bei.[14] Nun stellt sich die Frage, inwiefern die Aufwertung des Sportunterrichts und der hiermit zusammenhängenden vermeintlichen Tugenden Hitlers Ziel der „Rassenerhaltung“ zugute kommen sollte. Die Antwort hierauf liegt in seinen kriegerischen Ambitionen. In seinen Ausführungen hierzu in Mein Kampf machte er deutlich, dass das deutsche Volk für einen Krieg zur Bekämpfung der bestehenden Weltordnung bereit sein sollte.[15] Hiermit meinte Hitler, wie er an späterer Stelle deutlicher hervorhob den weltweiten Kampf der „arischen Rasse“ unter anderem gegen das Judentum.[16] Er sprach seine Zuversicht für einen erfolgreichen Ausgang dieses Krieges aus, wenn das deutsche Heer voller Selbstvertrauen aufgrund ihrer hervorragenden körperlichen Erziehung kämpfen könne.[17] Auch die schulische Erziehung sollte demnach der Erwartung des Krieges Rechnung tragen und dafür sorgen, „durch eine passende Erziehung der Jugend dereinst das für die letzten und größten Entscheidungen auf diesem Erdball reife Geschlecht zu erhalten.“[18]

Förderung von Charakterstärke

Die Förderung geistiger Fähigkeiten lag hinsichtlich ihrer Relevanz für Hitler hinter der Ausbildung körperlicher Fähigkeiten, wenngleich er ihr auch einen wichtigen Stellenwert zugestand. Er meinte hiermit jedoch nicht primär die Vermittlung von Wissen, sondern vielmehr die Schulung des Charakters. Er maß der wissenschaftlichen Schulung im Unterricht einen geringeren Stellenwert bei, weil er die Ansicht vertrat, „daß ein zwar wissenschaftlich wenig gebildeter, aber körperlich gesunder Mensch mit gutem festen Charakter, erfüllt von Entschlussfreudigkeit und Willenskraft, für die Volksgemeinschaft wertvoller [sei] als ein geistreicher Schwächling.“[19] Die Kritik an einer einseitig auf Wissensvermittlung ausgerichteten und Charakterschulung vernachlässigenden Schule übten bereits Reformpädagogen vor Hitlers Zeit. Jedoch entsprach ihre Vorstellung einer Charakterschulung dem oben beschriebenen humanistischen Bildungsverständnis, das unter einem charakterstarken Menschen eine individuelle Persönlichkeit mit verlässlicher Willensstärke und Treue gegenüber verantwortbaren Grundsätzen verstand. Für Hitler war ein charakterstarker Mensch jedoch vielmehr das Produkt einer gezielten Erziehung. Somit waren die Grundsätze, an welchen sich das Handeln eines festen Charakters auszurichten hatte, auch durch die erziehenden staatlichen Institutionen zu setzen.[20] Verschwiegenheit, Treue, Opferwilligkeit, Willens- und Entschlusskraft und das Aushalten von Schmerzen waren für Hitler hierbei Tugenden, die eine charakterliche Erziehung hervorbringen sollte. Er machte keinen Hehl aus der Absicht, die durch die Anerziehung dieser Eigenschaften verfolgt werden sollte, nämlich eine Ausbildung für den Krieg geeigneter charakterlicher Züge.[21] Es zeigt sich also, dass die beiden vorrangigen Grundprinzipien für schulischen Unterricht und Erziehung dem Zweck eines künftigen „rassischen“ Krieges unterstanden, indem körperliche und charakterliche Eigenschaften in Hinblick hierauf gefördert werden sollten.

2.3 Veränderungen der wissenschaftlichen Schulbildung

Wie bereits dargelegt, maß Hitler der Förderung geistiger Fähigkeiten durch wissenschaftliche Schulbildung einen geringeren Stellenwert zu, als man dies noch zu Weimarer Zeiten tat. Im Folgenden soll dargelegt werden, in welchen drei Punkten Hitler Veränderungen für eine solche Bildung vorschwebten.

Reduktion der Inhalte

Hitler war der Meinung, Schüler würden fünfundneunzig Prozent des in der Schule vermittelten Wissens nach ihrem Abschluss wieder vergessen und zudem keine Verwendung hierfür im späteren Leben finden. Hierauf basierend erachtete er die Vermittlung grundlegender Kenntnisse in der Schule für ausreichend. Spezialisiertes Wissen sollten sich lediglich diejenigen aneignen, die in ihrem späteren Beruf Verwendung für das jeweilige Fachgebiet fänden. Die frei werdenden zeitlichen Kapazitäten sollten laut Hitler „der Ausbildung des Körpers, des Charakters, der Willens- und Entschlusskraft zugute [kommen]“[22]. Hieran wird zunächst deutlich, dass er die Bildungsinhalte einzig unter den Zweck späterer beruflicher Verwendbarkeit stellte. Dies wiederum sollte Platz schaffen zur Verwirklichung seiner kriegerisch ambitionierten Postulate der körperlichen Ertüchtigung und Charakterschulung.

Erzeugung eines Nationalbewusstseins

Für Hitler war eine „idealistisch veranlagte Volksgemeinschaft“[23] die Vorraussetzung für wirtschaftliche und politische Entwicklung. Aufgrund dessen wertete er humanistische Fächer und in diesem Zusammenhang vor allem den Geschichtsunterricht gegenüber technisch-naturwissenschaftlichen Fächern auf, da diese seiner Ansicht nach angesichts industrieller Entwicklungen überhöht würden. Der Geschichtsunterricht sollte die Aufgabe erfüllen, durch die Hervorhebung deutscher historischer Persönlichkeiten einen Nationalstolz zu entfachen, der das gesamte Volk einen sollte. Große Kritik übte Hitler am Geschichtsunterricht der Weimarer Zeit, denn er „vermochte nicht, aus den verschiedenen Unterrichtsstoffen das für die Nation Ruhmvolle über das Niveau einer sachlichen Darstellung zu erheben und an solchen leuchtenden Beispielen den Nationalstolz zu entflammen.“[24] Die Richtlinien für das Fach Geschichte in der Weimarer Zeit riefen tatsächlich ganz im Geiste eines demokratischen Grundverständnisses dazu auf, dass sich der Unterricht am Ideal historischer Wahrheit orientieren sollte und nicht unter parteipolitische Zwecke gesetzt werden durfte.[25] Mit Hitlers Appell an die Schulen, die Deutschen zu „höchster Vaterlandsliebe“ und „fanatischer Nationalbegeisterung“ zu erziehen machte er deutlich, dass er den Unterricht nicht zwangsläufig in den Dienst einer möglichst neutralen und nüchternen Wahrheitsfindung stellte. Vielmehr sollte auch hierdurch eine geistige Grundhaltung erzeugt werden, die der allgemeinen Kriegsbereitschaft dienlich sein sollte.[26] Somit stellte Hitler letztlich auch die humanistischen Fächer unter den Zweck seiner politisch-militärischen Absichten. An späterer Stelle soll noch untersucht werden, ob diese Fächer von schulpolitischer Seite tatsächlich hierfür eingespannt wurden.

Erzeugung eines Rassebewusstseins

Hitler wollte, dass seine antisemitisch-rassistische Grundhaltung in der Schule ein wesentlicher Bestandteil der wissenschaftlichen Vermittlung wird. So schrieb er: „Die gesamte Bildungs- und Erziehungsarbeit des völkischen Staates muss ihre Krönung darin finden, dass sie den Rassesinn und das Rassegefühl instinkt- und verstandesmäßig in Herz und Gehirn der ihr anvertrauten Jugend hineinbrennt.“[27] Hitler wünschte, dass die Jugend auch theoretisch auf den von ihm erwarteten rassischen Krieg vorbereitet wird und ein Bewusstsein für die Notwendigkeit eines Sieges entwickelt.[28] Er formulierte damit ausdrücklich eine Aufforderung zur ideologischen Indoktrination der Jugend, damit diese seine Motive für einen Krieg teilte.

2.4 Auslese der fähigsten Kräfte

Ein wichtiges Anliegen Adolf Hitlers war das Angehen gegen die Reproduktion sozialer Schichten und Klassen. Er war der Ansicht, dass schöpferische Leistungen nur aus der Verbindung von Talent und erworbenem Wissen entstünden und es daher Aufgabe der Schulen sei, die Fähigkeit ihrer Jugendlichen unabhängig von ihrer sozialen Herkunft zu erkennen und sie in die entsprechenden Laufbahnen zu führen.[29] Seine abschließenden Ausführungen hierzu machen deutlich, dass er auch dieses Bestreben unter den Zweck eines künftigen Krieges stellte, indem er schrieb: „Wenn zwei Völker miteinander konkurrieren, die an sich gleich gut veranlagt sind, so wird dasjenige den Sieg erringen, das in seiner gesamten geistigen Führung seine besten Talente vertreten hat […]“[30].

3. Die Absichten nationalsozialistischer Schulpolitik

Untersucht man die schulpolitischen Richtlinien, Erlasse und Gesetze, die seit 1933 durch die Regierung der Nationalsozialisten erlassen wurden, kristallisieren sich im Wesentlichen fünf Absichten heraus, die sie mit ihren Änderungen im Schulwesen verfolgten. Im Folgenden sollen diese Intentionen und die ihnen zugrunde liegenden schulpolitischen Maßnahmen dargelegt werden. Hierbei soll der Frage nachgegangen werden, ob die Schule hinsichtlich dieser Neuerungen letztlich in den Dienst der Kriegsvorbereitung gestellt wurde.

3.1 Die Verdrängung jüdischer Lehrer und Schüler

Das Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums vom 7.April 1933 markierte den ersten großen Einschnitt für das Leben jüdischer Beamter und somit auch Lehrer. Diese und andere politisch missliebige Beamte schieden hierdurch aus dem Schuldienst aus. Betroffen waren insgesamt 3000 Lehrer, wobei sich das Ausmaß regional stark unterschied.[31] Das Gesetz gegen die Überfüllung deutscher Schulen und Hochschulen aus dem Jahr 1933 schränkte neben der „deutschen“ weiblichen Bevölkerung auch die Juden massiv in der Möglichkeit ein, höhere Schulen und Hochschulen zu besuchen. Im Rahmen von Erlassen zur Schülerauslese in den höheren Schulen fielen jüdische Schüler dieser Bildungsanstalt schließlich dem Postulat einer völkischen Auslese zum Opfer. Das zunehmend antisemitisch werdende Klima im nationalsozialistischen Deutschland verursachte in den ersten Jahren, dass jüdische Eltern ihre Kinder vermehrt auf jüdische Schulen schickten. Eine Stigmatisierung erfuhren diese Schüler dort jedoch dadurch, dass sie bei einem Besuch einer jüdischen höheren Schule im Jahr 1934 keine Reifeprüfungen ablegen durften. Im Jahr 1935 wurde dieses Verbot unter der Auflage aufgehoben, dass diese Reifeprüfungen entsprechend gekennzeichnet werden mussten. Noch einschneidender war jedoch ein nun auch jüdische Schüler an Volksschulen betreffendes Verbot, das in der Folge der Novemberprogrome 1938 erlassen wurde. Hiernach durften jüdische Schüler „deutsche Schulen“ überhaupt nicht mehr besuchen, sodass jüdische Bildungseinrichtungen einen noch größeren Zulauf nach 1938 erfuhren. Diese Schulen trugen den neuen Entwicklungen dahingehend Rechnung, dass sie ihre Schüler nun verstärkt auf Auswanderung und ein Leben im Ausland vorbereiteten. Eine endgültige Verdrängung der Juden aus dem Schulwesen wurde durch ein im Jahr 1942 erlassenes generelles Beschulungsverbot von jüdischen Schülern erlassen.[32] Die schrittweise Verdrängung jüdischer Schüler und Lehrer aus dem Schulwesen und somit aus der Volksgemeinschaft hatte selbstverständlich auch Auswirkungen auf die nicht-jüdischen Schüler. Durch diese Maßnahmen wurde zweifelsohne beabsichtigt, das von Hitler geforderte Bewusstsein über rassische Unterschiede und einer hierzu gehörigen feindseligen Haltung insbesondere gegenüber der jüdischen Bevölkerung zu schaffen. Im Folgenden Unterpunkt soll dargelegt werden, durch welche Maßnahmen eine Indoktrination der Schüler gezielt forciert wurde.

3.2 Indoktrination

Die nationalsozialistische Regierung verabschiedete verschiedene Erlasse, die eine weltanschauliche Prägung der Schüler forderten. Erfahrbar sollte hierbei z.B. die Idee der Volksgemeinschaft werden, indem die Bildungsanstalten dazu angehalten wurden, das Schulleben vermehrt durch Schulfeiern, Rituale und Gedenktage zu gestalten.[33] Die Propaganda ideologischer Inhalte sollte durch die „Gründung der Reichsstelle für den Unterrichtsfilm im Juni 1934 sowie die Einrichtung bzw. den Ausbau von Landes- und Kreisbildstellen zur Ausstattung der Schulen mit Dias, Filmen und Geräten“[34] gewährleistet werden. Der Einsatz dieser Medien sollte ausdrücklich „gerade bei den neuen Unterrichtsgegenständen der Rassen- und Volkskunde“[35] eingesetzt werden. Zunächst auf Landesebene wurde zudem durch die preußische Kultusverwaltung am 13. September 1933 der Erlass Vererbungslehre und Rassenkunde verabschiedet. Er forderte die Einbindung „rassenkundlicher Themen“ in die Unterrichtsfächer Biologie, Deutsch, Geschichte und Erdkunde und die Einräumung von zwei bis drei Unterrichtsstunden pro Woche für diesen Zweck. Nach der Gründung des Reichsministeriums für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung am 1.Mai 1934 galt der genannte Erlass schließlich reichseinheitlich. Ebenfalls von der preußischen Kultusverwaltung wurden Richtlinien für den Geschichtsunterricht verabschiedet, die sich die forcierte Förderung des Nationalstolzes zum Ziel setzten. Ähnliche Regelungen wurden in der Folge auch in anderen Ländern erlassen.[36] Somit wurden auf schulpolitischer Ebene Hitlers Vorstellungen aus Mein Kampf bezüglich der Ideologisierung des Schulunterrichts umgesetzt.[37] Welche Vorgaben sich für Schule und Unterricht jedoch konkret aus diesen Bestrebungen ergaben soll unter „4. Schulischer Unterricht im Geiste der Kriegsvorbereitung“ erörtert werden. Für die angestrebte Indoktrination mussten neben den Inhalten auch die Lehrer auf dieses Ziel „eingestellt“ werden. Der folgende Unterpunkt soll darlegen, welche Maßnahmen hierzu gefällt wurden.

[...]


[1] Vgl. Lüdeke, Alexander: Der Zweite Weltkrieg. Ursachen, Ausbruch, Verlauf, Folgen. Berlin 2007, S. 133.

[2] Vgl. Schreiber, Gerhard: Der Zweite Weltkrieg. München 22004, S. 8.

[3] Vgl. Hitler, Adolf: Mein Kampf, S. 451-487. [Im Folgenden zitiert als „Hitler, S.451-487.“]

[4] Vgl. Preising, Renate: Willensschulung. Zur Begründung einer Theorie der Schule im Nationalsozialismus. Köln 1976, S. 103. [Im Folgenden zitiert als „Preising, S.103.“]

[5] Vgl. Borst, Eva: Theorie der Bildung. Eine Einführung. Baltmannsweiler 2011, S.26-27.

[6] Vgl. Flessau, Kurt-Ingo: Schule der Diktatur. Lehrpläne und Schulbücher des Nationalsozialismus. München 1977, S. 22.-26. [Im Folgenden zitiert als „Flessau, S. 22-26.“]

[7] Vgl. Preising, S.104.

[8] Hitler, S.461.

[9] Flessau, S. 23.

[10] Hitler, S.451.

[11] Vgl. Hitler, S.451-452.

[12] ebenda, S. 453.

[13] Vgl. ebenda, S.455.

[14] Vgl. ebenda, S. 453-455.

[15] Vgl. ebenda, S.455-457.

[16] Vgl. ebenda, S.475.

[17] Vgl. Hitler, S.455-457.

[18] ebenda, S.475

[19] ebenda, S.452.

[20] Steinhaus, Hubert: Hitlers pädagogische Maximen. „Mein Kampf“ und die Dekonstruktion der Erziehung im Nationalsozialismus. Frankfurt am Main (u.a.) 1981 (Studien zur Pädagogik der Schule. Bd. 3), S.71-73.

[21] Vgl. Hitler, S. 460-464.

[22] Hitler, S.469 ; Vgl. den ganzen Absatz mit Hitler, S.464-469.

[23] ebenda,S.470.

[24] ebenda, S.471.

[25] Vgl. Flessau, S. 50.

[26] Vgl. Hitler, S. 473.

[27] ebenda, S.475-476.

[28] Vgl. ebenda, S. 476.

[29] Vgl. ebenda, S. 477-481.

[30] ebenda, S.482.

[31] Vgl. Link, Jörg-W.: „Erziehungsstätte des deutschen Volkes“ – Die Volksschule im Nationalsozialismus. In: Erziehungsverhältnisse im Nationalsozialismus. Totaler Anspruch und Erziehungswirklichkeit. Hrsg. v. Klaus Peter Horn und Jörg-W.Link. Bad Heilbrunn 2011, S. 81. [Im Folgenden zitiert als „Link, S.81.“]; Vgl. Kemnitz, Heidemarie und Tosch, Frank: Zwischen Indoktrination und Qualifikation – Höhere Schule im Nationalsozialismus. In: Erziehungsverhältnisse im Nationalsozialismus. Totaler Anspruch und Erziehungswirklichkeit. Hrsg. v. Klaus Peter Horn und Jörg-W.Link. Bad Heilbrunn 2011, S.113-114. [Im Folgenden zitiert als „Kemnitz & Tosch, S.113-114.“]

[32] Vgl. Kemnitz und Tosch, S.114-120.

[33] Vgl. Link, S. 82.

[34] ebenda, S.83.

[35] Unterrichtsfilm und amtliche Bildstellen vom 26.6.1934. In: Die Volksschule im NS-Staat. Hrsg. v. Apel, Hans Jürgen [u.a]. Köln 2000, S.324.

[36] Vgl. Link, S.82-84.

[37] Vgl. Unterpunkt 2.3.

Ende der Leseprobe aus 32 Seiten

Details

Titel
Indoktrination auf der Schulbank
Untertitel
Wie das NS-Regime seine Schüler auf den Krieg vorbereitete
Hochschule
Johannes Gutenberg-Universität Mainz
Note
2,0
Autor
Jahr
2012
Seiten
32
Katalognummer
V274965
ISBN (eBook)
9783656704577
ISBN (Buch)
9783656709879
Dateigröße
654 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
schulischer, unterricht, zeit, nationalsozialismus, mentale, vorbereitung, krieg
Arbeit zitieren
Christoph Hendrichs (Autor:in), 2012, Indoktrination auf der Schulbank, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/274965

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