Der Kontraktualismus bei Thomas Hobbes. Eine Anthropologie?


Hausarbeit, 2014

12 Seiten, Note: 2,00


Leseprobe


Einleitung

Schon in den Ursprüngen der menschlichen Gemeinwesen stellten sich Philosophen die Frage danach, was eine gute Herrschaft sei[1]. Die neuzeitliche politische Philosophie, beginnend mit Thomas Hobbes, greift diese Thematik unter einer radikaleren Frage auf: Wie kann Herrschaft als Solche legitimiert werden? Hier kann man weiter fragen: Können wir die Entstehung von positiven Recht mit der Natur des Menschen erklären und somit eine Herrschaft von Menschen über Menschen rechtfertigen? Geben die Untertanen eines Herrschaftsverhältnisses nicht ihre Freiheiten zum Wohle der Herrschenden auf? Welcher Rückgriff auf die Grundlagen des Rechts hilft uns zu entscheiden, was gerecht und ungerecht ist, gut und böse?

In diesem Sinne habe ich mich mit einigen Schriften des Kontraktualisten Thomas Hobbes beschäftigt. Wir mir scheint, handelt es sich bei seiner Darstellung eines Naturzustandes, auf die sich eine bürgerliche Gesellschaft gründet nicht um eine historische Darstellung von Ereignissen, sondern um eine Legitimationstheorie mit anthropologischem Charakter. Es gilt zu untersuchen, inwieweit Hobbes die menschliche Natur durch seine theoretische Konstruktion führt, ob sie Veränderungen unterliegt und wie natürlich d.h. anthropologisch konstant also ein Kontraktualismus sein kann und soll, der eine Grundlage des Zusammenlebens der Menschen zu begründen gesucht.

I. Problemstellung

Hinsichtlich der Frage, inwieweit die Überlegungen von Thomas Hobbes als Anthropologie zu betrachten sein können, muss zunächst erst einmal konstatiert werden, welche Bedingungen an diese gestellt werden können. Eine Anthropologie soll den Menschen so reflektieren, wie er seinem Wesen nach ist und in der Welt handelt. Das heißt sie muss ihre Aufgabe darin sehen, dieses grundbestimmende Wesen hinter den vielfältigen und diversen Ausdrücken des menschlichen Lebens zu suchen.[2] Als genaue Bestimmung hierfür dient meistens die Beschreibung einer dem Menschen immanenten und als solche nicht veränderlichen Doppelnatur, die ihn einerseits in einer Verstandeswelt und andererseits in der Sinneswelt verortet[3]. Theorien, die mit dem Verweis darauf begründet werden, dass sie ihre Ursprünge ihre Grundlagen in der menschlichen Natur finden, weisen sich durch einen relativ starken Geltungsanspruch aus.

Wie der Kontraktualismus selbst, soll die in dieser Arbeit diskutierte anthropologische Lesart einen strukturell theoretischen Charakter haben. Aus diesem Grund geht meine Betrachtung über die übersichtliche und inhaltliche Darstellung der theoretischen Eckpfeiler, hin zur Untersuchung, ob der innertheoretisch Weg in Hobbes´ Leviathan zu einer qualitativen Veränderung dessen führt, was er als das Wesen des Menschen ausmacht. Die notwendige Bedingung die Theorie von Thomas Hobbes´ kontraktualistischer Konstruktion als Anthropologie auszuweisen, ist also der Nachweis des gleichbleibenden Wesens des Menschen [4] sowohl im Naturzustand und der bürgerlichen Gesellschaft als auch insbesondere in der Grundlegung des Gesellschaftsvertrages, die einem Übergang dieser beiden theoretischen Gesellschaftszustände eine besondere „menschliche“ Sollgeltung verschaffen kann. Das Wesen des Menschen lässt sich über deren naturgemäße Rechte und Gesetze betrachten. Ohne eine Bewertung dieses Wesens, macht eine anthropologische Rückführung des Kontraktualismus wenig Sinn.

Die Frage des Vorhandenseins dieser Bedingung soll in der folgenden Hausarbeit behandelt werden.

II. Der Kontraktualismus und die Gesellschaftszustände II

Abschnitt 1: Das Grundmodell der Vertragstheorie.

Um zu beleuchten inwieweit eine anthropologische Konstante in Thomas Hobbes Ausführungen eingebettet sind, bedarf es zunächst einer übersichtlichen Darstellung der Idee des Kontraktualismus im Allgemeinen und im Speziellen eine Untersuchung der strukturellen Teile dieser Theorie im Leviathan.

Eindeutig klassifizieren könnte man den Kontraktualismus innerhalb der neuzeitlichen politischen Theorie als „die politische Philosophie des Gesellschaftsvertrags“[5], die ihre Aufgabe in den Kontext der Frage nach der „Legitimität politischer Herrschaft“[6] als solche stellt. Grundsätzlich könnte der Begriff Herrschaft ein Verhältnis zwischen verschiedenen Individuen beschreiben, in welchem ein einzelner dieser Subjekte oder einer Gruppe mehr Macht besitzt als Andere. Diese Macht ist immer eine Macht über die Freiheit der Anderen. Was gibt einem Menschen jedoch das Recht sich als Souverän über andere zu stellen und die Freiheit seiner Untertanen wirksam beschränken zu dürfen ? Stellte man die Frage so, muss von einer immanenten Gegensätzlichkeit zwischen Herrschaft und Freiheit ausgegangen werden. Zum Problem werden diese Überlegungen und gar die Herrschaft von Menschen über Menschen allgemein, wenn man jedem Menschen von Natur aus gleiche Rechte auf die eigenen Freiheiten zuschreibt. Wie soll es einem Menschen als Untertan in einem Herrschaftsverhältnis also möglich sein, der möglichst vollständigen Verwirklichung seiner persönlichen Freiheit nachzugehen?

Der Kontraktualismus versucht diesen Konflikt aufzulösen, indem er eine neue Legitimationsbasis für politische Herrschaft von Menschen über Menschen anführt[7]. Die Kernidee ist, Herrschaft nicht gegen sondern durch die Freiheit des Menschen zu begründen und die Bedingung der Herrschaftsverhältnisse in dem zu suchen, was den Menschen als solchen ausmacht. Eine konkrete Legitimierung entspringt also der bewussten „freiwillige[n] Selbstbeschränkung [individueller Freiheitsansprüche] aus eigenem Interesse unter der Rationalitätsbedingung einer strikten Wechselseitigkeit.“[8] Der Faktor der strikten Wechselseitigkeit setzt die „universale Zustimmung aller Gesellschaftsmitglieder“ voraus. Dieser Schritt der bürgerlichen Vergesellschaftung lässt sich strukturtheoretisch[9] als Vertrag auffassen, auch da er die Verbindlichkeit über eine freiwillige Verpflichtung begründet.

Im Modell des modernen Kontraktualismus, in welchem es gilt „die ganze Gesellschaft mitsamt all ihren verschiedenen institutionellen Strukturen und Arrangements als Vertragsverhältnis zu interpretieren“[10] muss also „im Zuge einer angemessenen Verallgemeinerung“[11], der Mensch als vertragsfähiges politisches Subjekt[12] ausgewiesen werden. Der Grundsatz der Freiwilligkeit kann nur einem grundsätzlich freien Menschen eingehalten. In den Verpflichtungen im Vertrag zur bürgerlichen Gesellschaft „manifestiert sich [also] die moralische Autonomie des Individuums“[13] qua Vertragspartners und weist diese Autonomie als „internen Geltungsgrund individueller Normen“[14] aus.

[...]


[1] Vgl. Aristoteles: Politik, Übers. v. Susemihl, Franz, Rowohlt Taschenbuch Verlag, Reinbeck bei Hamburg 1994, Buch I, 2, §4f.

[2] Vgl. Marquard, Odo: Anthropologie. In: Historisches Wörterbuch der Philosophie, Band 1, Basel 1971, S. 362ff.

[3] Ebenda.

[4] Vgl. Mocek, Reinhard: Natur, In: Sandkühler, Hans J. (Hrsg.): Enzyklopädie Philosophie, Bd. 2, Felix Meiner Verlag, Hamburg 2010, S. 1705f.

[5] Kersting, Wolfgang: Die politische Philosophie des Gesellschaftsvertrags, Darmstadt 1994. (Buchtitel).

[6] Kersting, Wolfgang: Die politische Philosophie des Gesellschaftsvertrags, Darmstadt 1994, S. 11.

[7] Vgl. Ebenda, S. 14f: „neu“ im Gegensatz zu den „traditionellen metaphysischen und theologischen Rechtfertigungsinstanzen“.

[8] Ebenda. S. 14f.

[9] Strukturtheoretisch meint, dass es sich bei der Betrachtung dieser Entwicklung als Vertrag und damit der Gesellschaftsmitglieder als Vertragspartner zunächst innerhalb dieser Theorie um eine „als ob“-Figur handelt.

[10] Kersting, Wolfgang: Die politische Philosophie des Gesellschaftsvertrags, Darmstadt 1994, S. 22.

[11] Ebenda.

[12] Dies bedeutet hier: Ein Wesen mit dem Vermögen zur individuellen Beteiligung (Vertragsschluss) an einer politischen Sozialität. Da sich in der Fähigkeit zur Kommunikation die Mündigkeit der Menschen ausdrückt, kann der Vertragsschluss durch einen kommunikativen Akt festgeschrieben werden. Allerdings könnte man dem Kontraktualismus an dieser Stelle vorwerfen, dass er bestimmte Menschengruppen, die Einschränkungen unterliegen, von vornherein ausschließen muss, da sie den Grundbedingungen des Vertragsschlusses nicht gerecht werden können.

[13] Ebenda.

[14] Ebenda.

Ende der Leseprobe aus 12 Seiten

Details

Titel
Der Kontraktualismus bei Thomas Hobbes. Eine Anthropologie?
Hochschule
Universität Leipzig  (Institut für Philosophie)
Veranstaltung
Angewandte Ethik, Seminar: Verfassungstheorien
Note
2,00
Autor
Jahr
2014
Seiten
12
Katalognummer
V274949
ISBN (eBook)
9783656675310
ISBN (Buch)
9783656675303
Dateigröße
468 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
kontraktualismus, thomas, hobbes, eine, anthropologie
Arbeit zitieren
Severin-Vasco Marschner (Autor:in), 2014, Der Kontraktualismus bei Thomas Hobbes. Eine Anthropologie?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/274949

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