Unwiderstehlich?!? Die Anziehungskraft des Journalistenberufs auf Frauen

Eine empirische Untersuchung zu Berufswahlmotiven künftiger Journalistinnen


Diplomarbeit, 2013

226 Seiten, Note: 1,1


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

Teil A - Theoretische Grundlagen
1 Einleitung
1.1 Einfuhrung
1.2 Fragestellung und Ziel der Arbeit
1.3 Aufbau der Arbeit
1.4 Stand der Forschung
2 Berufswahl - Konzepte und Begriffsbestimmungen
2.1 Beruf als Teil personlicher Identifikation
2.2 Berufswahl als komplexer Prozess
2.2.1 Psychologisch-personlichorientierte Berufswahlkonzepte
2.2.2 Soziologisch-okonomischorientierte Berufswahlkonzepte
2.3 Konstrukt von Motiv und Motivation
2.4 Intrinsische und extrinsische Motivation
2.5 Einfluss des Geschlechts auf die Berufswahl
2.6 Folgerungen fur die empirische Untersuchung I
3 Allgemeines Berufsbild von J ournalistinnen
3.1 Einfuhrung
3.2 Strukturdaten zum Berufsfeld
3.3 Berufsausbildung
3.4 Tatigkeiten und Aufgabenbereiche
3.5 Selbstbilder und journalistisches Selbstverstandnis
3.6 Das Image von Journalistinnen und Journalisten
3.7 Folgerungen fur die empirische Untersuchung II
4 Frauen im J ournalismus
4.1 Historischer Ruckblick: Der Journalismus als Mannerdomane
4.2 Frauenanteil in der journalistischen Ausbildung im Zeitverlauf
4.3 Frauen im Journalismus heute
4.3.1 Vereinbarkeit von Beruf und Familie
4.3.2 Frauen in Fuhrungspositionen
4.3.3 Finanzielle Aspekte
4.4 Folgerungen fur die empirische Untersuchung III
5 Kontext des gestiegenen Frauenanteils im Journalismus
5.1 Die Entwicklung der Erwerbstatigkeit von Frauen in Deutschland
5.2 Exkurs: erwerbstatige Frauen in der DDR
5.3 Veranderte Arbeitsmarktstrukturen im Journalismus
5.4 Gleichstellungsaktivitaten in den Medien
5.4.1 Frauengruppen in den offentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten
5.4.2 Frauenforderplane
5.4.3 Der Journalistinnenbund
5.4.4 Diskussionen um die Frauenquote
5.5 Folgerungen fur die empirische Untersuchung IV
6 Berufswahlmotive angehender J ournalistinnen
6.1 Einfuhrung
6.2 Sozialisation und Berufswahl
6.3 Extrinsische Berufswahlmotivationen
6.4 Intrinsische Berufswahlmotivationen
6.5 Folgerungen fur die empirische Untersuchung V

Teil B - Empirische Untersuchung
7 Forschungsdesign
7.1 Forschungsfragen und methodisches Vorgehen
7.2 Exkurs: Problematik der Messbarkeit von Motiven und Motivation
7.3 Vorstudie zur Erstellung des Untersuchungsinstruments
7.4 Instrument und Datenerhebung
8 Auswertung und Analyse der Daten
8.1 Zum Sample - Beschreibung der Stichprobe
8.1.1 Besonderheiten der Stichprobe
8.1.2 Altersstruktur und Herkunft
8.1.3 Familienstand und Kinder(wunsch)
8.1.4 Ausbildung und Dauer bisheriger journalistischen Praxiserfahrungen
8.2 Bedeutung von Berufstatigkeit fur kunftige Journalistinnen
8.3 Berufserwartungen der Stichprobe
8.4 Auspragung verschiedener Berufswahlmotive
8.4.1 Eroberung der einstigen Mannerdomane
8.4.2 Interesse fur bestimmte Themen
8.4.3 Journalistisches Selbstverstandnis in Bezug auf Macht und Einfluss
8.4.4 Journalistisches Selbstverstandnis in Bezug auf Rezipienten
8.4.5 Eigene Fahigkeiten und Charaktereigenschaften
8.4.6 Journalistische Tatigkeiten - Die Liebe zum Schreiben
8.4.7 Arbeitsbedingungen und Arbeitszeiten
8.4.8 Finanzielle Anreize und Arbeitsmarktchancen
8.4.9 Eitelkeit und Sendungsbewusstsein
8.4.10 Ansehen und Prestige
8.4.11 Erwartete Privilegien
8.4.12 Vorbilder und Ermutigung von AuBen
8.4.13 Romantische Berufsvorstellungen
8.4.14 Anschlussorientierte Motive
8.4.15 Wunsch nach Abwechslung
8.4.16 Wunsch nach Selbstverwirklichung
8.4.17 Wissenserweiterung, Neugier und lebenslanges Lernen
8.4.18 Vereinbarkeit von Beruf und Familie
8.5 Rangfolge I der Berufswahlmotive - gebildet durch die Befragten
8.6 Rangfolge II der Berufswahlmotive - nach haufigsten Nennungen
8.7 Rangfolge III der Berufswahlmotive - nach Clustern
9 SCHLUSSFOLGERUNGEN
9.1 Die wichtigsten Berufswahlmotive angehender Journalistinnen
9.2 Unterschiedliche Berufswahlmotive von Frauen und Mannern
9.3 Mogliche Grunde des Frauenuberschusses bei Bewerbungen
10 Fazit und Ausblick

Literaturverzeichnis

Anhang

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 2.1: Hexagonales Modell zu den Beziehungen der Personlichkeitstypen

Abbildung 3.1: Prozentuale Verteilung der Studienhauptfacher von akademisch ausgebildeten Journalistinnen und Journalisten

Abbildung 3.2: Journalistische Ausbildung in den Jahren 1993 und

Abbildung 4.1: Altersgruppen von Journalistinnen und Journalisten

Abbildung 4.2: Frauenanteil nach Position in den Jahren 1993 und

Abbildung 4.3: Durchschnittseinkommen (netto) von Journalistinnen und Journalisten

Abbildung 8.1: Altersstruktur der Stichprobe

Abbildung 8.2: Journalistische Ausbildung der Stichprobe

Abbildung 8.3: Journalistische Vorerfahrungen des Samples

Abbildung 8.4: Berufserfahrung der Stichprobe

Abbildung 8.5: Generelle Bedeutung von Berufstatigkeit bei den Befragten

Abbildung 8.6: Bedeutung von Berufstatigkeit fur angehende Journalistinnen

Abbildung 8.7: Spatere Wunscharbeitgeber kunftiger Journalistinnen und Journalisten

Abbildung 8.8: Spatere Wunschposition kunftiger Journalistinnen und Journalisten

Abbildung 8.9: Einstellung zur Frauenquote von kunftigen Journalistinnen und Journalisten

Abbildung 8.10: Einfluss von Themeninteressen auf die Berufswahl kunftiger Journalistinnen

Abbildung 8.11: Einfluss von Themeninteressen auf die Berufswahl kunftiger Journalisten

Abbildung 8.12: Themenanzahl, die die Berufswahl kunftiger Journalistinnen und Journalisten beeinflussten - pro Person

Abbildung 8.13: Einflussorientierte Berufswahlmotive

Abbildung 8.14: Bedeutung von Macht und Einfluss bei der Berufswahl

Abbildung 8.15: Rezipientenorientierte Berufswahlmotive - Auszuge der freien Antworten

Abbildung 8.16: Einfluss publikumsorientierter Motive auf die Berufswahl

Abbildung 8.17: Fahigkeiten und Eigenschaften laut Selbsteinschatzung

Abbildung 8.18: Tatigkeitsbezogene Aspekte bei die Berufswahl kunftiger Journalistinnen

Abbildung 8.19: Tatigkeitsorientierte Berufswahlmotive Auszuge der freien Antworten

Abbildung 8.20: Einfluss des Wunsches "viel unterwegs sein zu wollen" auf die Berufswahl

Abbildung 8.21: Einfluss erwarteter Arbeitszeiten auf die Berufswahl

Abbildung 8.22: Summenkurve vom erwartetem Einkommen nach Alter

Abbildung 8.23: Summenkurve vom erwartetem Einkommen kunftiger Journalistinnen und Journalisten

Abbildung 8.24: Einfluss von Sendungsbewusstsein auf die Berufswahl

Abbildung 8.25: Gewunschter Bekanntheitsgrad als Berufswahlmotiv

Abbildung 8.26: Einfluss von Eitelkeit auf die Berufswahl

Abbildung 8.27: Rolle von Ansehen und Prestige bei der Berufswahl

Abbildung 8.28: Bedeutung von Privilegien als Berufswahlmotiv

Abbildung 8.29: Berufswahleinfluss von Vorbildern und Bezugspersonen

Abbildung 8.30: Mediennutzung kunftiger Journalistinnen und Journalisten

Abbildung 8.31: Berufswahleinfluss romantischer Berufsvorstellungen

Abbildung 8.32: Anschlussorientierte Berufswahlmotive - Auszuge der freien Antworten

Abbildung 8.33: Berufswahl-Einfluss anschlussorientierter Aspekte kunftiger Journalistinnen

Abbildung 8.34: Berufswahl-Einfluss des Motivs der Abwechslung - Auszuge der freien Antworten

Abbildung 8.35: Einfluss des Wunsches nach Abwechslung auf die Berufswahl

Abbildung 8.36: Selbstverwirklichung als Berufswahlmotiv - Auszuge der freien Antworten

Abbildung 8.37: Selbstverwirklichung als Berufswahlmotiv kunftiger Journalistinnen

Abbildung 8.38: Wissenserweiterung als Berufswahlmotiv - Auszuge der freien Antworten

Abbildung 8.39: Personliche Wissenserweiterung als Berufswahlmotiv

Abbildung 8.40: Berufswahl-Einfluss des Wunsches nach eigener Meinungsbildung

Abbildung 8.41: Einstellungen zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie

Abbildung 8.42: Einfluss des Wunsches von Vereinbarkeit von Beruf und Familie auf die Berufswahl

Abbildung 8.43: Rangfolge der wichtigsten Berufswahlmotive kunftiger Journalistinnen

Abbildung 8.44: Rangfolge der wichtigsten Berufswahlmotive kunftiger Journalisten

Abbildung 8.45: Berufswahlmotive kunftiger Journalistinnen - nach Clustern

Abbildung 8.46: Berufswahlmotive kunftiger Journalisten - nach Clustern

Abbildung 9.1: Zusammenhang und Bedeutung einzelner Berufswahlmotive angehender Journalistinnen im Jahr

Tabellenverzeichnis

Tabelle 3.1: Nettoeinkommen von Joumalistinnen und Journalisten nach Medium

Tabelle 4.1: Entwicklung des Frauenanteils im Journalismus

Tabelle 4.2: Geschlechterverhaltnisse im Journalismus nach Hierarchie-Positionen

Tabelle 4.3: Anteil der Frauen in Fuhrungspositionen im offentlich-rechtlichen Rundfunk

Tabelle 4.4: Entwicklung des Frauenanteils in der universitaren Journalistenausbildung

Tabelle 4.5: Entwicklung des Frauenanteils an deutschen Journalistenschulen

Tabelle 4.6: Entwicklung des Frauenanteils in der betrieblichen journalistischen Ausbildung

Tabelle 4.7: Bewerberzahlen an verschieden journalistischen Ausbildungsstatten

Tabelle 6.1: Motive fur die Berufswahl aus dem Jahr

Tabelle 6.2: Motive fur die Berufswahl Anfang der 1990er Jahre

Tabelle 6.3: Reiz des journalistischen Berufs in Bezug auf mit Tatigkeiten

Tabelle 9.1: Wichtigste Motive fur die Berufswahl angehender Joumalistinnen im Jahr

Teil A - Theoretische Grundlagen

1 Einleitung

1.1 Einfuhrung

Der Joumalistenberuf gilt als Traumjob - trotz Zeitungskrise, neuer Medienplattformen, trotz crossmedialer Weiterentwicklungen und kostenloser, journalistischer Inhalte im Internet. Das bele- gen die konstant hohen Bewerberzahlen um journalistische Ausbildungsangebote. Studiengange, die eine wissenschaftlich fundierte, journalistische Ausbildung anbieten und praxisnahe Volonta­riatsplatze in Rundfunkanstalten sowie Print- und Onlinemedienunternehmen sind heiB begehrt - vor allem bei Frauen. Ihr Anteil unter den Bewerbern steigt seit Beginn der 1990er Jahre zuneh- mend. Die Anregung fur die vorliegende, wissenschaftliche Arbeit kam aus der Praxis. In der Aus- und Fortbildungsredaktion des Westdeutschen Rundfunks wurde beobachtet, dass der Frauenanteil der Bewerberinnen um Volontariatsplatze nicht nur gestiegen ist, sondern mittlerweile den der mannlichen Bewerber seit einigen Jahren bei Weitem ubersteigt. Interessant ist dies besonders vor dem Hintergrund, dass der Journalismus noch vor drei Jahrzehnten de facto eine Domane der Man­ner war. Frauen waren nicht nur unterprasent, sie arbeiteten, wenn uberhaupt, an den Randberei- chen dieses Berufsfeldes und wurden allein aufgrund ihres biologischen Geschlechts in ihrer Be- rufseignung im Journalismus infrage gestellt. Welche Forschungsfragen sich daraus ergeben und wie sie innerhalb der vorliegenden Abschlussarbeit beantwortet werden konnen, werden innerhalb der Kapitel 1.2 und 1.3 erortert.

1.2 Fragestellung und Ziel der Arbeit

Wenn sich seit einigen Jahren wiederholt mehr Frauen als Manner um Volontariatsplatze beim Westdeutschen Rundfunk bewerben, ergeben sich daraus verschiedene Fragen, die mit der vorlie- genden Forschungsarbeit beantwortet werden sollen. Beispielsweise die Frage, wie es sich bei an- deren Ausbildungsstatten und Medienunternehmen verhalt. Lasst sich der hohe Frauenanteil auf das Gesamtsystem des Journalismus ubertragen und verallgemeinern? Falls das Phanomen generali- sierbar ist, stellt sich die Frage, worin die Anziehungskraft des Berufs, die auf Frauen zunehmend starker zu wirken scheint als auf Manner, besteht. Was bewegt Frauen dazu, sich fur den Journalis- tenberuf zu entscheiden? Und nicht zuletzt: Unterscheiden sich die Berufswahlmotive von Frauen und Mannern und wenn ja, wie?[1] Kann damit das ungleiche Geschlechterverhaltnis bei den Bewer- berzahlen um Volontariatsplatze begrundet werden? Ziel der Arbeit ist es, Antworten auf diese Fragen zu finden.

Um die vorgestellten Problemstellungen untersuchen zu konnen, ist ein Blick auf die Erklarungsan- satze klassischer Berufswahltheorien sinnvoll. Hierbei ist von Interesse, wie Berufswahl uberhaupt erklart werden kann. Welche Faktoren beeinflussen die Berufswahlentscheidung und welche Aus- wirkungen haben diese? Was motiviert bei der Berufswahl und welche Erkenntnisse zu den unter- schiedlichen Motiven gibt es bereits in der Forschung?

Im Zuge der Auseinandersetzung mit dieser Thematik gilt es zunachst, sich mit der derzeitigen Si­tuation von Frauen im Journalismus zu befassen. Was erwartet junge Frauen, wenn sie im Beruf angekommen sind? Welche Rolle spielen Frauen heute im Journalismus? Kann daraus ein gestei- gertes Interesse von Frauen an diesem Beruf abgeleitet werden? Welchen Stellenwert haben Gleichstellungsfragen und Vereinbarkeit von Beruf und Familie bei der Berufswahl?

Der Journalismus gilt als vierte Gewalt im Staat. Menschen, die innerhalb des Journalismus arbei- ten, verfugen in nicht unerheblichem MaBe uber Macht und Einfluss. Sie setzen Themen und be- stimmen mit, woruber in einer Gesellschaft diskutiert wird. [2] Journalistinnen und Journalisten sind Verantwortungstrager. Sind sie sich dessen bewusst? Welchen Einfluss hat das Berufsethos auf die Berufswahl? Uberwiegen Motive, die sich eher am journalistischen Berufsethos orientieren oder uberwiegen personlich motivierte, erlebnisorientierte Grunde? Welche Rolle spielen auBere Fakto- ren wie die Situation auf dem Arbeitsmarkt, finanzielle Anreize oder Aufstiegschancen? Werden junge Frauen bei der Berufswahl durch Bezugspersonen beeinflusst? Welche Rolle spielen Vorbil- der oder durch Medien transportierte Berufsbilder?

Die Relevanz dieser Arbeit besteht darin, diese Fragen zu beantworten und damit auf eine For- schungslucke innerhalb der Journalistik einzugehen. Die Untersuchung soll dazu beizutragen, diese zu schlieBen. Zwar existieren Studien zu Geschlechterverhaltnissen und Rollenbildern in den Me- dien, jedoch steht dabei die Frage nach der personlichen Berufsmotivation eher selten bis nie im Zentrum der Betrachtungen (vgl. Kapitel 1.4).[3] Im Hinblick auf die hohe gesellschaftliche Verant- wortung dieses Berufsstandes ist dies jedoch von auBerordentlichem Interesse. Wie die Untersu- chung vorgeht um die vorgestellten Fragestellungen zu beantworten, wird im Kapitel 1.3 erlautert.

1.3 Aufbau der Arbeit

Kapitel 1.4 wird den Forschungsstand vorstellen, auf dem die vorliegende Diplomarbeit aufbauen und zuruckgreifen kann. Im weiteren Verlauf von Teil A werden die fur die vorliegende Untersu- chung notwendigen theoretischen Grundlagen erortert, um so den empirischen Teil B der Untersu- chung vorzubereiten.

In Teil A nahert sich diese Diplomarbeit dem Forschungsfeld aus verschiedenen Richtungen her deduktiv und bezieht dafur neben Erkenntnissen aus der Journalistik auch Erkenntnisse aus der Psychologie sowie aus den Sozialwissenschaften mit ein. Einen zentralen Bestandteil der theoreti­schen Grundlagen bildet zunachst die Auseinandersetzung mit Berufswahl. Wie Berufswahl von- statten geht und was sie beeinflusst, wird mithilfe allgemeiner Motivationstheorien sowie mittels ausgewahlter Berufswahltheorien erklart. Im Anschluss daran folgt in Kapitel 3 eine Auseinander- setzung mit dem journalistischen Berufsbild. Besonderes Augenmerk wird danach in Kapitel 4 auf Frauen im Journalismus gerichtet. Im Zuge dessen wird auch erortert, wie sich die berufliche Situa­tion von Frauen in der einstigen Mannerdomane des Journalismus verandert hat. Kapitel 5 stellt dar, welche gesellschaftlichen Entwicklungen dazu beitrugen, dass Frauen heute im Journalismus keine Seltenheit mehr sind. Im Anschluss daran arbeitet Kapitel 6 Motive heraus, von denen be- kannt ist, dass sie einzelne Journalistinnen fur den Beruf begeistert haben. Inwiefern diese Motive auch heute noch Bestand haben, ob sie sich auf eine breite Masse ubertragen lassen und ob even- tuell neue Motive hinzu gekommen sind, wird in Teil B der Arbeit uberpruft.

Durch die im Teil A gewonnenen Erkenntnisse wird die empirische Erhebung im zweiten Teil die- ser Arbeit mithilfe quantitativer, sozialwissenschaftlicher Methoden die Forschungsfragen beant- worten. Dafur werden angehende Journalistinnen und als Vergleichsgruppe auch angehende Jour- nalisten zu ihren Berufswahlmotiven befragt. Nachdem Kapitel 7 das Forschungsdesign vorgestellt und die methodische Vorgehensweise erlautert hat, wertet Kapitel 8 die erhobenen Daten aus und nimmt eine Analyse vor. Der besseren Lesbarkeit wegen befinden sich die ausfuhrlichen Auswer- tungsergebnisse mit allen Details im Anhang. Im Anschluss an die Auswertung geht Kapitel 9 auf die wichtigsten Erkenntnisse ein, bevor in Kapitel 10 ein Fazit gezogen werden kann. Mit einem Ausblick, was die durch die vorliegende Arbeit gewonnenen Erkenntnisse fur die weitere For- schung bedeuten und welche neuen Fragen sich dadurch ergeben, schlieBt diese Studie ab.

1.4 Stand der Forschung

Die vorliegende Arbeit legt den Fokus auf Motive und Beweggrunde, die angehende Journalistin- nen in ihrer Berufswahl bestarken. Ferner ist es fur diese Untersuchung von Interesse, ob, und wenn ja, wie sich die weiblichen von den mannlichen Berufswahlmotiven unterscheiden. Im Folgenden wird daher zusammengefasst, inwiefern sich die Journalistik bereits mit diesem Forschungsfeld be- fasst hat und wo eventuell Forschungslucken auftauchen, zu deren SchlieBung die vorliegende Ar­beit beitragen soll.

Vorab ist festzuhalten, dass bislang keine umfassenden, systematischen Studien explizit zu Berufs­wahlmotiven von Frauen, die sich fur den Einstieg in den Journalismus interessieren, existieren. Al- lerdings kann sich diese Arbeit auf umfassende Literatur zum Thema „Frauen im Joumalismus“ stutzen und auch auf Literatur aus der Berufswahlforschung. Letztere liefert allgemeinere Erkenn- tnisse zu Prozessen der Berufswahl. Die wissenschaftliche Literatur aus der Journalistik befasst sich stets nur am Rande mit den Beweggrunden, die Journalistinnen und Journalisten antreiben. Jedoch lassen sich daraus wertvolle Erkenntnisse fur die vorliegende Studie gewinnen. Im Folgenden sei ein Uberblick zu den fur diese Arbeit wichtigsten Werken innerhalb der Journalistik gegeben.

Die wahrscheinlich altesten Erkenntnisse zur Berufsmotivation in der Journalistik stammen vermut- lich von Freise und Draht. 1977 betrachteten sie in ihrer Doppeldissertation ,Die Rundfunkjourna- listin‘ dieses Feld erstmals wissenschaftlich und stellten hierbei unter anderem fest, dass der Be- rufswahl zur Journalistin eher Motive zugrunde liegen, die sehr stark „ich-orientiert“ sind. Vorran- gig geht es ihnen um die Erfullung eigener Bedurfnisse (vgl. Freise und Draht 1977, S. 190-191). Motive, die Draht in seiner qualitativen Untersuchung 1977 herausgearbeitet hat, sind die Folgen- den:

- Erlebnisse durch Lehrer beim Aufsatzschreiben
- wollte kritisieren
- der uberwiegende Teil hatte keine konkrete Vorstellung zur Ausbildung gehabt
- Vorstellung, ,,man musse schreiben konnen“
- einige glauben, im Journalismus hatten sie die ,,wesentliche Moglichkeit, eigene Meinungen multiplizieren zu konnen“
- Vorstellung des Rasenden Reporters, der zwar unangenehm ist, aber alles als erster weiB
- chic, diesen Beruf auszuuben
- man lernt viele interessante Menschen kennen
- man kommt viel rum
- man selbst werde popular
- zum Beruf gehore Vielseitigkeit
- der Beruf ist ohne besondere Voraussetzungen erlernbar
- Vorbilder durch Eltern oder Freunde (vgl. Freise und Draht 1977, S. 190-191).

Diese Erkenntnisse werden ebenso von Barbara von Becker gestutzt (Becker von 1980b, S. 60). Sie fragte beispielsweise danach, worin fur Journalistinnen der Reiz an der journalistischen Tatigkeit besteht. Aus ihrer Untersuchung ging hervor, dass die Motivationen stark personlich-individuellen Bedurfnissen entspringen. Sie kommt zu dem Schluss, dass vor allem „innere Momente fur die Be- rufswahl ausschlaggebend waren. Fur eine Fremdbestimmung der Entscheidung durch auBere Zwange gibt es keinerlei Anzeichen“ (Becker von 1980b, S. 154).

Die Untersuchung von Freise und Draht sowie von Beckers Studie liegen inzwischen mehr als 30 Jahre zuruck. Im Rahmen der vorliegenden Arbeit wird zu prufen sein, inwiefern diese Erkenntnis- se heute noch Relevanz besitzen oder ob sich die Motive kunftiger Journalistinnen inzwischen ver- andert haben. Denn die Situation von Frauen im Journalismus hat sich in den letzten dreiBig Jahren grundlegend verandert (vgl. Kapitel 4).

Kommunikatorstudien, die am Rande auch auf Berufswahlmotive, unterscheiden Klaus zufolge haufig zwischen einem inhaltlichen Interesse an der Tatigkeit und einem eher personlich motivier- ten Karrierestreben (vgl. Klaus 1998, S. 198). Ebenso befasst sich Holtz-Bacha in ihrer Untersu- chung mit Berufswahlmotiven und stellt Unterschiede zwischen Mannern und Frauen fest. Diese wurden sich Holtz-Bacha zufolge entlang der Einteilung von intrinsischer und extrinsischer Moti­vation bewegen. Demnach waren Frauen eher von intrinsischer Motivation bei der Berufswahl ge- pragt, da sie es wichtiger fanden, sich fur Werte und Ideale einzusetzen sowie ihre Interessen wei- terzuentwickeln und sich zu spezialisieren. Manner hingegen wurden mehr Wert legen auf extrinsi- sche Motivationsanreize, da ihnen vor allem ihr Ansehen und ein sicherer Arbeitsplatz wichtig sei- en (vgl. Holtz-Bacha 1995a, S. 34). Ferner wird bei Holtz-Bacha deutlich, dass „Joumalistinnen of- fenbar solche Motive, die mitmenschliche bzw. kommunikative Aspekte beinhalten, bei der Be- rufswahl wichtiger sind als Journalisten“ (Holtz-Bacha 1995a, S. 34). Auch diese Ergebnisse sind inzwischen nicht mehr auf dem neusten Stand. Sie bieten zwar Orientierung, bedurfen aber einer Uberprufung.

Interessante Einblicke in dieses Forschungsfeld bieten auch Slavko Splichal und Colin Sparks (vgl. Splichal; Sparks 1994), die Mitte der 1990er Jahre eine vergleichende Untersuchung uber Journa- lismuskonzepte von Studenten journalistischer Studienfacher aus 22 Landern vorgelegt haben. Die empirische Studie hat im Zuge dessen auch Berufsmotive der Journalistik-Studenten erhoben. Im Kern wurden drei verschiedene Konzepte ermittelt, mit denen die angehenden Journalistinnen und Journalisten ihre Berufswahl begrundeten: Das Modell der Aufklarung, in dem es darum geht, auf- zuklaren und zu informieren, das Modell der Kontrolle, in dessen Zentrum die Kontrolle von Funk- tionstragern in den jeweiligen Gesellschaften steht, und das Modell der Unterhaltung, dass vorran- gig die Rezipienten im Blick hat. Durch diese Studie wird deutlich, dass sich Hinweise zur Berufs- motivation ferner aus der Literatur zum journalistischen Selbstverstandnis ableiten lassen. Wahrend Klaus zu dem Schluss kommt, dass hierbei keinerlei geschlechtsspezifische Differenzen nachge- wiesen werden konnen (vgl. Klaus 1998, S. 195-196), kommt Holtz-Bacha zu anderen Ergebnissen (vgl. Holtz-Bacha 1995a, S. 34).

Ausfuhrlichere Erkenntnisse zur Berufsmotivation von Journalistinnen zieht die vorliegende Arbeit vorrangig aus einigen qualitativen Studien. Dazu gehoren beispielsweise die Interviews, die Uta van Steen Ende der 1980er Jahre gefuhrt hat (vgl. Steen van 1988). Auf diese wird im weiteren Verlauf der vorliegenden Arbeit noch naher eingegangen. Auch bei Klaus finden sich Berufswahl- motive, wenngleich diese bereits etwas langer zuruckliegen. So distanzierten sich beispielsweise in einer Befragung von Journalistinnen der fruhen Nachkriegszeit ,,einige der Zeitungsfrauen von Ei- telkeit und Konkurrenzdenken, die sie als Triebfeder der Arbeit ihrer Kollegen ansahen. Im Gegen- satz dazu nannten sie das Interesse am menschlichen Leben als zentrales Motiv ihrer eigenen Be- rufswahl“ (Klaus 1998, S. 198; vgl. auch Klaus et al. 1993).

Ebenso finden sich interessante Einblicke bei Godbersen (vgl. Godbersen 1993; S. 60) oder in Un- tersuchungen, die am Dortmunder Institut fur Journalistik im Rahmen von Abschlussarbeiten ange- fertigt wurden - wie zum Beispiel die Studie von Maria Dickmeis, die anhand qualitativer Inter­views den Berufsalltag und die Karriereorientierung von Journalistinnen in den 1980ern beschreibt (vgl. Dickmeis 1988). Die Motive stehen zwar nie wirklich im Zentrum der Untersuchung, spielen aber in den Interviews immer wieder eine Rolle. Gleiches gilt fur die uber zwanzig Jahre spater ent- standene Arbeit von Sarah Salin, die in ihrer qualitativen Untersuchung der Frage nachgeht, ob

Frauen den Journalismus verandern. Auch die Interviews, die sie fur ihre Arbeit gefuhrt hat, enthal- ten Hinweise zur moglichen Berufswahlmotivation einzelner Journalistinnen (vgl. Salin 2010).

Bei der Bearbeitung der Forschungsfrage kommt man nicht umhin, sich zunachst einen allgemei- nen Uberblick zur wissenschaftlichen Literatur zu „Frauen im Joumalismus“ zu verschaffen. Lange Zeit fand die Variable ,Geschlecht‘ in kommunikationswissenschaftlichen Studien keine groBere Berucksichtigung (vgl. Angerer und Dorer 1994, S. 67 sowie Klaus 1998, S. 221). Inzwischen ist die Zahl der Studien zu Journalistinnen recht groB. Die meisten geben einen Uberblick zur Berufs- situation von Frauen und deren Anteil im Journalismus.

Tenor alterer Studien ist die Diskriminierung von Frauen in einem Berufsfeld, das lange Zeit den Mannern vorbehalten war (vgl. u. a. Welser 1977; Berg und Ruths 1980; Neverla und Kanzleiter 1984; Baldes 1884, S. 7; Holtz-Bacha 1994a, S. 37-38; Klaus 1998, S. 152-153, 173 sowie Wei- schenberg et al. 1994, S. 8). „Frauen mussten, wollten sie sich in Medien Gehor verschaffen, nicht selten unter einem mannlichen Pseudonym schreiben“ (Angerer und Dorer 1994, S. 67). Noch En- de der 1970er diskutierte die Kommunikationsforschung uber die Eignung von Frauen in diesem Beruf. Spater ging es eher darum, zu ermitteln, wie Frauen uberhaupt im Journalismus tatig waren und unter welchen Arbeitsbedingungen sie ihren Beruf ausubten. Geforscht wurde an ausgewahlten Biografien mittels einschlagiger Oral-History-Verfahren (vgl. Holtz-Bacha 1994a, S. 37-38 sowie Angerer und Dorer 1994, S. 67). Wahrend die ersten Studien hierzu Mitte der 1970er Jahre im Um- feld der neuen Frauenbewegung entstanden und von Journalistinnen und Frauengruppen in den Rundfunkanstalten selbst angefertigt wurden, interessierte sich bald auch zunehmend die Wissen- schaft fur diese Thematik (vgl. Holtz-Bacha 1994a, S. 37 sowie Klaus 1998, S. 152). Die Ergebnis- se waren eindeutig: Frauen im Journalismus waren in den Medienbetrieben deutlich unterreprasen- tiert - erst recht in leitenden Positionen. Zudem waren Arbeitsaufgaben entlang geschlechtsspezifi- scher Zuweisungen strukturiert. Der Journalismus galt lange Zeit als Mannerdomane, in der arbei- tende Frauen eine Minderheit waren - das ist das Fazit zahlreicher Studien (vgl. Becker von 1980b; Klaus 1998, S. 152-153; Neverla und Kanzleiter 1984; Holtz-Bacha 1994a, S. 37). Inwiefern es fur Frauen heute noch eine Motivation darstellt, diesen Beruf zu ergreifen, um sich in der einstigen Mannerdomane durchzusetzen, lassen die meisten Studien jedoch zumeist offen. Innerhalb der vor- liegenden Untersuchung wird dies uberpruft werden.

Spatere Studien untersuchten, wie allmahlich Frauen in dieses Berufsfeld vordrangen, welchen Schwierigkeiten sie dabei ausgesetzt waren und welche Barrieren es zu uberwinden galt (vgl. Amend 1993; Angerer und Dorer 1994, S. 67; Armbruster und Koziol 1994, Frohlich 1995; Hesse 2003; Deutscher Journalistenverband 2012, S. 1-2). Zu Beginn der 1990er Jahre beschreibt Klaus die Datenlage zur Beschaftigungssituation von Frauen als defizitar (vgl. Klaus 1998, S. 153). Nicht nur bei den offentlich-rechtlichen Sendeanstalten galten Beschaftigungszahlen von Frauen als Be- triebsgeheimnis, sondern auch bei kommerziellen Rundfunkanstalten und den privaten Printme- dienverlagen (vgl. Klaus 1998, S. 153). Erst nach und nach begannen die Medien- und Kommuni- kationswissenschaften in den 1990er Jahren damit, die Geschlechterforschung systematischer auf- zuarbeiten. Genderfragen wurden zudem immer ofter Gegenstand bei Tagungen. So wurde 1991 die Arbeitsgruppe Frauenforschung innerhalb der Deutschen Gesellschaft fur Publizistik- und Kommunikationswissenschaften (DGPuK) gegrundet (vgl. Angerer und Dorer 1994, S. 2-3). Hin- zukommen zahlreiche Abschlussarbeiten an Universitaten und kommunikationswissenschaftlichen Instituten. Einen, wenn auch mittlerweile etwas veralteten, aber dadurch sehr interessanten Uber- blick uber den Bestand an Grauer Literatur zu dieser Thematik findet sich bei Roser (vgl. Roser 1993). Ihre kommentierte Bibliografie umfasst uber 340 Diplomarbeiten und Dissertationen aus den 1980er und 1990er Jahren, die in Deutschland, Osterreich und der Schweiz bis 1993 zu diesem Themenfeld entstanden sind. Durch ihr Alter gewahren diese Arbeiten Einblicke in die Berufssitua- tion von Frauen, die heute bereits der Vergangenheit angehoren (vgl. Roser 1993).

Mitte der 1990er kritisierten Angerer und Dorer, dass - von einigen groBer angelegten Studien ab- gesehen - die geschlechtsspezifische Medienforschung vorwiegend im Rahmen studentischer Ab­schlussarbeiten oder im auBeruniversitaren Raum entstand und die Forschung nicht adaquat auf Veranderungen reagierte (vgl. Angerer und Dorer 1994, S. 1). Inzwischen hat sich dies geandert. Konkretere, medienhauserubergreifende Daten zu dem langsam, aber stetig steigenden Frauenanteil im Journalismus finden sich bereits 1994 bei Weischenberg oder bei Holtz-Bacha sowie bei Froh- lich (vgl. Weischenberg et al. 1994 und Holtz-Bacha 1994a, S. 37 sowie Frohlich, Romy 1995). Die Situation von ,Joumalistinnen in Europa‘ wurde 1997 von Lunenborg naher analysiert (vgl. Lunenborg 1997). Neuere Untersuchungsergebnisse liefern die Dissertation von Susanne Keil von 2000 (vgl. Keil 2000) sowie die Untersuchung von Julia Koch (vgl. Koch 2007). Obwohl die Lite­ratur zu ,,Frauen im Journalismus“ auf dem ersten Blick inzwischen zahlreich erscheint, muss die vorliegende Arbeit zum Thema Berufswahlmotive jedoch mitunter auch auf Abschlussarbeiten zu- ruckgreifen.

Die meisten der vorgestellten Studien arbeiten lediglich heraus, dass Frauen im Journalismus lange Zeit unterreprasentiert waren, bzw. dass sich ihre Situation allmahlich verandert hat. Diese Unter- suchungen richten den Blick in erster Line auf den Berufsalltag und die damit verbundene Zusam- menarbeit mit mannlichen Kollegen. Daruber hinaus ist die Frage nach geschlechtsspezifischen Diskriminierungen sowie nach der beruflichen Zufriedenheit fur diese Studien von Interesse (vgl. Holtz-Bacha 1995a, S. 23). Ebenfalls ist Forschungsgegenstand in der Kommunikationswissen- schaft, wie aufstiegsorientiert Frauen im Journalismus sind (vgl. Holtz-Bacha 1995a, S. 22-23; Hesse 2003, S. 4-5). Andere Studien konzentrieren sich vor allem auf soziodemografische Frages- tellungen, also auf die Frage nach familiaren Verhaltnissen der im Journalismus tatigen Frauen. Studien, die diese Dimension vordergrundig untersuchen, wollen feststellen, inwieweit Frauen ,,durch Beruf, Haushalt und Familie Doppelbelastungen ausgesetzt sind und wie sich familiare Verpflichtungen mit der journalistischen Tatigkeit vereinbaren lassen” (Holtz-Bacha 1995a, S. 22­23; vgl. auch Kolodziej-Nimo 1994). Bei Frohlich findet sich aufschlussreiches Datenmaterial zur Ausbildung von Journalistinnen in Deutschland (vgl. Frohlich, Romy 1995, S. 93 ff).

Angerer und Dorer beanstanden Mitte der 1990er Jahre, dass es der systematischen, geschlechts- spezifischen Medienforschung trotz einiger punktueller Studien „an finanziellen und personellen Ressourcen und in der Regel auch an Interesse der meist mannlichen Kommunikationswissen- schaftler [mangelt]“ (Angerer und Dorer 1994, S. 1). Die Tatsache, dass die vorliegende Arbeit nicht nur ideell, sondern auch finanziell durch die Aus- und Fortbildungsredaktion des Westdeut- schen Rundfunks unterstutzt wurde, deutet auf ein gestiegenes Interesse an frauenspezifischen Themen in der Kommunikationsforschung hin.

Wie durch diesen Uberblick deutlich wurde, existieren zwar mittlerweile eine Vielzahl an Aufsat- zen und Studien, die sich mit Frauen im Journalismus auseinandersetzen. Aber spezifische Erkenn- tnisse zum Prozess der Berufswahl und daruber wie Motivation die Berufswahl beeinflusst, bieten jedoch weder Kommunikationsforschung noch Journalistik. Das folgende Kapitel 2 setzt sich daher ausfuhrlicher mit dieser Thematik auseinander, um somit die Grundlage fur die spatere, empirische Untersuchung zu schaffen.

2 Berufswahl - Konzepte und Begriffsbestimmungen

2.1 Beruf als Teil personlicher Identifikation

Unter Beruf wird eine Betatigung gesehen, die dauerhaft angelegt ist, in der Regel eine Ausbildung voraussetzt und „die Arbeitskraft sowie Arbeitszeit uberwiegend in Anspruch nimmt“ (Schmidt und Bartscher o.J.). Das Statistische Bundesamt betont zudem, dass es sich hierbei um Tatigkeiten handelt, die auf Erwerb gerichtet sind und ,,durch die der Einzelne an der Leistung der Gesamtheit im Rahmen der Volkswirtschaft mitschafft“ (Gruner und Kahl 1995: S. 44, zit. nach Statistisches Bundesamt Stuttgart 1992, S. 15). Die Spannbreite beruflicher Tatigkeiten ist groB; so konnen diese sowohl in Angestelltenverhaltnissen als auch als selbststandige Tatigkeiten ausgeubt werden. ,,An- gestellt arbeiten kann man in Vollzeit oder in Teilzeit, es ist auch moglich, neben einem Hauptberuf zusatzliche Nebentatigkeiten auszuuben“ (Schmidt und Bartscher o.J.). Uber den Beruf eines Men- schen erfolgt in hohem MaBe ein wesentlicher Teil personlicher und sozialer Identifikation, da die- ser einen groBen Teil der Lebenszeit einnimmt.

2.2 Berufswahl als komplexer Prozess

In Deutschland besteht nach Artikel 12 des Grundgesetzes das Recht, „den Beruf frei wahlen zu konnen, allerdings ohne Gewahrleistung der Moglichkeit zum tatsachlichen Tatigwerden“ (Schmidt und Bartscher o.J.). Zahlreiche Einflussfaktoren machen die Berufswahl zu einem komplexen For- schungsfeld (vgl. Tschope und Witzki 2004, S. 49), das nicht nur in der praxisbezogenen, eher be- ratungsorientierten Literatur, sondern ebenso in der systemischen, wissenschaftlichen Auseinander- setzung viel Beachtung findet (vgl. z.B. ForBbohm 2010; Dimbath 2003; Tschope und Witzki 2004; Hellberg 2005; Scharmann 1956 sowie Holland 1985). Die Wahl des Berufes gehort zu den zentralen Weichenstellungen im Leben eines Menschen. Die Auseinandersetzung mit der berufli- chen Zukunft zahlt daher zu den wichtigen Entwicklungsaufgaben in der Phase der Adoleszenz (vgl. Hellberg 2005, S. 1). Im Allgemeinen kann Berufswahl verstanden werden als Prozess der Zuordnung von personlichen Eigenschaften zu Merkmalen von Beru- fen [...]. Die individuellen Fahigkeiten, Eignungen und Interessen werden den Anfor- derungen der verfugbaren Berufe so alloziert, dass der am besten passende Beruf eruiert werden kann“ (Herzog und Neuenschwander 2006, S. 14).

Das bedeutet, dass neben personlichen Merkmalen vor allem erwartete Vorstellungen von be- stimmten Berufen in die Berufswahl mit einflieBen. „Die Zuordnung von Personlichkeits- und Be- rufseigenschaften erfordert einerseits Wissen uber die Anforderungen der Berufe, andererseits Kenntnisse uber die Person“ (Herzog und Neuenschwander 2006, S. 14-15). Woher dieses Wissen allerdings stammt, bleibt in den meisten Untersuchungen unbeantwortet. Fur die vorliegende Arbeit sollte daher das Augenmerk auch darauf gerichtet werden, welchen Einfluss beispielsweise fiktive oder reale Journalistinnen oder Journalisten auf die Berufswahl kunftiger Journalistinnen haben.

Uberwiegt der Anteil medial vermittelter Vorstellungen des journalistischen Alltages oder konnen angehende Journalistinnen und Journalisten auf reale Kontakte und Erfahrungen zuruckgreifen?

Die Berufswahl ist keine einmalige Entscheidung, sondern vielmehr als ein vielschichtiger Prozess zu sehen, durch den die oder der Einzelne zu einer beruflichen Position kommt (vgl. Kohli 1973, S. 6). Dieser Prozess lauft auf verschiedenen Ebenen ab und zeichnet sich dadurch aus, dass er hochgradig kognitiv ist und zwischen verschiedensten Faktoren abwagt. Zudem ist es auch ein un- bewusster, emotionaler Prozess. Der Verlauf und das Resultat der Berufswahl „lassen sich selten monokausal festmachen“ (Becker von 1980b, S. 56). Berufseinsteiger wahlen aus einer Vielzahl von Optionen, bei denen es moglich ist, dass die beste Option vom Entscheider bislang noch nicht in Betracht gezogen wurde. Laut Hellberg liegt die besondere Schwierigkeit von Berufswahlent- scheidungen vor allem darin, dass jede einzelne Option wiederum eine Vielzahl moglicher Konse- quenzen nach sich zieht, die nicht unbedingt miteinander vergleichbar sind (vgl. Hellberg 2005, S. 42). Hinzu kommt, dass sich die Konsequenzen einer Entscheidung nicht sicher vorhersagen lassen.

Ein weiterer, wesentlicher Aspekt bei Berufswahlentscheidungen ist die Zeitdynamik: So besteht die Moglichkeit, dass die Entscheidung fur eine Option zu einem spateren Zeitpunkt zu anderen Konsequenzen gefuhrt hatte, da sich Gegebenheiten wie Studienordnungen verandern oder sich durch die zunehmende Lebenserfahrung der jeweiligen Berufswahlerinnen und -wahler die eigenen Werte verandern (vgl. Hellberg 2005, S. 443). Daruber hinaus ist die Berufswahlentscheidung in der Regel einmalig, was mit den Vorstellungen zusammenhangt, dass ein Beruf ein Leben lang ausgeubt wird (vgl. Hellberg 2005, S. 43) - wenngleich mehrmalige Berufswechsel in der Er- werbsbiografie inzwischen keine Seltenheit mehr sind (vgl. ForBbohm 2010, S. 1). Hinzu kommt, dass die Berufswahlentscheidung vom Berufswahler selbst getroffen werden muss. Zwar konnen andere Personen durchaus auf die Berufswahl Einfluss nehmen, jedoch liegt die Verantwortung fur die Entscheidung letztendlich beim Entscheider (vgl. Hellberg 2005, S. 443).

Als Strukturelemente von Entscheidungen identifiziert Hellberg Optionen, Zustande der Welt, be- stimmte Ereignisse, mogliche Konsequenzen sowie Ziele und Grunde (vgl. Hellberg 2005, S. 38­41). Berufswahlerinnen und -wahler konnen und mussen demnach nicht nur zwischen verschiede- nen Optionen entscheiden. Zugleich ist Berufswahl abhangig von Gegebenheiten, die einerseits nicht direkt beeinflussbar sind, die aber andererseits fur den Ausgang der Entscheidung von zentra- ler Bedeutung sein konnen. So beruhen Berufswahlentscheidungen nicht selten auf Zufallen, die nicht unbedingt logisch und nachvollziehbar sind. Zufallige Begegnungen spielen ebenso eine Rol- le wie Freunde oder Bekannte - beispielsweise dann, wenn kunftige Studenten unhinterfragt Ent- scheidungen ihrer Freunde ubernehmen und sich an derselben Universitat fur denselben Studien- gang einschreiben.

,,Fur ein derartiges Verhalten konnte man zwar auch Grunde finden, die die Entschei- dung der Person als 'rational' erscheinen lieBen, zum Beispiel im Hinblick auf die Ziel- setzung einer groBtmoglichen sozialen Anbindung. Es handelt sich hier jedoch nicht um eine rationale Entscheidung im eigentlichen Sinne, bei der die Person mehrere Al- ternativen bewusst nach rationalen Gesichtspunkten abwagt, um zu einer zielorientier- ten Auswahl zu gelangen“ (Hellberg 2005, S. 37-38).

Wenn spater die Berufswahl begrundet werden soll, setzt sich die Erklarung dafur zusammen aus ,,[...] rationalen Anteilen, wie Erfahrungswerten, aber auch aus irrationalen Anteilen, wie bei- spielsweise unbegrundeten Angsten sowie Werthaltungen, Einstellungen etc. [...]“ (Hellberg 2005, S. 41). Um nach auBen hin konsistent zu erscheinen, wird infolgedessen haufig nur der rationale Anteil bekundet, da Sachargumente gesellschaftlich akzeptabler erscheinen als emotionale Grunde (vgl. Hellberg 2005, S. 41). Dies ist im Hinblick auf die vorliegende Untersuchung wichtig - die Gefahr besteht, dass die geplante Untersuchung lediglich den rationalen Teil der Berufswahl zum Vorschein bringt, nicht aber den emotionalen Teil.

Da die Berufswahl ein so komplexer Prozess ist, gibt es verschiedenste Erklarungsansatze (vgl. Herzog und Neuenschwander 2006, S. 14-24). Im Folgenden sollen einige ausgewahlte Konzepte kurz vorgestellt werden, die bei der Berufswahl eine Rolle spielen. Diese Konzepte stellen keine abgerundeten Theorien dar, vielmehr bieten sie verschiedene Perspektiven auf den Prozess der Be­rufswahl. Die folgenden Abschnitte dienen dazu, einen Uberblick zu geben und verweisen auf wei- terfuhrende Literatur, da eine ausfuhrlichere Betrachtung der verschiedenen Konzepte im Rahmen der vorliegenden Arbeit nicht moglich ist.

2.2.1 Psychologisch-personlichorientierte Berufswahlkonzepte

Im Mittelpunkt der psychologisch-personlichorientierten Berufswahlkonzepte steht die menschli- che Personlichkeit. Berufswahl ist nach dieser Lesart subjektiv und individuell (vgl. ForBbohm 2010, S. 20): ,,Das Individuum reagiert dabei in Abhangigkeit von seiner Personlichkeitsstruktur und der abhangigen Variable Berufswahl“ (ForBbohm 2010, S. 20). Innerhalb der psychologischen Berufswahltheorien lassen sich Beinke zufolge drei Ansatze unterschieden:

,,1) tiefenpsychologische oder psychoanalytische Berufswahltheorien (J.L Holland, U. Moser u.a.)
2) entwicklungspsychologische Berufswahltheorien (Ginzberg, D.E., Super, D: V: Tiedemann, R.P.O'Hara u. a.)
3) sozialpsychologische Berufswahltheorien (Th. Scharmann, H. Daheim u.a.)“ (Beinke 1999, S. 73)

Tiefenspsychologische Ansatze erklaren laut Beinke das Berufswahlverhalten aufgrund von Erleb- nissen aus der Kindheit und dem familiaren Umfeld. Entwicklungspsychologische Berufswahltheo­rien hingegen gehen eher auf die personlichen Entwicklungsphasen ein (vgl. Beinke 1999, S. 73). Daruberhinaus fuhrt ForBbohm bedurfnispsychologische Konzepte an (vgl. ForBbohm 2010, S. 25­32) und auch bei Herzog finden sich weitere Unterspielarten psychologischer Ansatze fur die Be- rufswahl (vgl. Herzog und Neuenschwander 2006, S. 14-24).

Die psychologischen Berufswahltheorien gehen davon aus, dass sich Berufswahlerinnen und Be- rufswahler bei ihrer Entscheidung vor allem an eigenen Interessen, Eignungen und Fahigkeiten orientieren (vgl. Tschope und Witzki 2004, S. 37). Tschope und Witzki zufolge zeichnen Berufs­wahltheorien wie die von Holland (vgl. Holland1985) das Bild eines jungen Menschen, der die Be- rufswahlentscheidungen aktiv angeht (vgl. Tschope und Witzki 2004, S. 37). „Nachdem er sich grundlich uberlegt hat, was ihn interessiert, was ihm SpaB macht und was er gut kann, begibt er sich auf die Suche nach einem Beruf, der zu seinem Profil aus Neigungen und Interessen passt“ (Tscho- pe und Witzki 2004, S. 37).

Allerdings gibt es verschiedene Strategien bei der Berufswahl. So identifizierten Tschope und Witzki unterschiedliche Gruppen von Berufswahlerinnen und Berufswahlern (vgl. Tschope und Witzki 2004, S. 39). Jene, die bei ihrer Entscheidung besonders auf „Eignung und Spafi“ achten, jene, denen eher „Verdienst- und Aufstiegschancen sowie Ansehen“ wichtig sind, und jene, denen es bei der Berufswahl eher um die Verwirklichung sozialer Ziele geht, also darum, „anderen zu hel- fen und Menschen zu treffen“. Daruber hinaus gibt es eine Gruppe von Berufswahlern, die allem voran tatigkeitsorientiert entscheiden, die also ,,gerne reisen, an der frischen Luft [sind] oder mit Maschinen arbeiten mochte[n]“ (Tschope und Witzki 2004, S. 39).

Systematisiert und in Verbindung gebracht mit den Individuen innewohnenden Personlichkeits- strukturen wurde Berufswahl u. a. von John L. Holland. Seine Kategorisierung findet in der Be- rufswahlliteratur breite Beachtung (vgl. ForBbohm 2010, S. 37-46; Beinke 2006, S. 32-33; Herzog und Neuenschwander 2006, S. 15). Er stellt verschiedene Personlichkeitstypen bestimmten Berufs- typen gegenuber und geht davon aus, dass eine hohe Ubereinstimmung von Personlichkeitstyp und Berufstypus zu einer hohen beruflichen Zufriedenheit fuhrt (vgl. Herzog und Neuenschwander 2006, S. 15). Sein Modell wird daher auch als Kongruenztheorie bezeichnet (vgl. ForBbohm 2010, S. 38). Laut Holland gibt es unter den Berufswahlern die folgenden sechs modellhaften, idealtypi- schen Personlichkeitstypen, die sich seiner Meinung nach am ehesten fur die in Klammern stehen- den Berufe eignen (vgl. Holland 1997, S. 17 ff.; Beinke 2006, S. 32-33; Herzog und Neuenschwan­der 2006, S. 15).

[1] Der realistische Personlichkeitstyp - Typ R

(der einen Beruf als Mechaniker, Klempner, Landwirt oder Zimmermann wahlt),

Der intellektuelle, forschende Personlichkeitstyp - Typ I

(der als Anthropologe, Chemiker, Astronom oder Mathematiker Erfullung findet),

der soziale Personlichkeitstyp - Typ S

(der am ehesten als Sozialarbeiter, Lehrer, Missionar oder Berufsberater arbeitet),

der angepasste, konventionelle Personlichkeitstyp - Typ K

(der als Buchhalter, Statistiker, Bankangestellter oder Steuerberater geeignet ist),

der dominante, unternehmerische Personlichkeitstyp - Typ E

(der als Politiker, Geschaftsreisender, Industrieberater oder Unternehmer auftritt)

der sogenannte asthetische, kunstlerische Personlichkeitstyp - Typ A

(der Erfullung als Dichter, Komponist, Sanger, Karikaturist oder Journalist findet.)

Eine bedeutende Grundannahme dieser Theorie ist ForBbohm zufolge, dass die Mitglieder einer be- stimmten Berufsgruppe eine ahnliche Personlichkeitsstruktur sowie eine ahnliche personliche Ent- wicklungsgeschichte aufweisen. Das wiederum bedeutet, dass davon ausgegangen werden kann, dass Angehorige einer Berufsgruppe in „vielen Situationen ahnlich reagieren“ (ForBbohm 2010, S. 38). Die folgende Abbildung 2.1 verdeutlicht dies.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2.1: Hexagonales Modell zu den Beziehungen der Personlichkeitstypen nach Holland (vgl. Ertelt 2011, S. 10)

Hierbei gilt, dass benachbarte Personlichkeitstypen ahnlicher sind als weit entfernte. Journalistin- nen und Journalisten sind in diesem Modell unter Typ A einzuordnen - dem kunstlerischen Person- lichkeitstyp. Die wichtigsten Merkmale dieses Typs fasst Ertelt wie folgt zusammen:

1) Bevorzugt expressive, nicht-konformistische, originelle Tatigkeiten, vermeidet Aufgaben mit Routine-Charakter.

Liebt Erfahrungen und Herausforderungen im asthetischen Bereich,

Selbst-Ausdruck, Imagination; mochte nicht abhangig oder verantwortlich sein; ist sehr offen fur Gefuhle und Ideen auch anderer, auBerst liberal denkend.

Selbst-Wahrnehmung: expressiv, offen, originell, intuitiv, liberal, nonkonformistisch, unabhangig, talentiert fur Schauspiel, Literatur, Musik; schatzt weniger okonomische Aktivitaten und repetitives Arbeiten.

Versucht Probleme eher unkonventionell, mit kunstlerischen Mitteln zu losen.

(Ertelt 2011, S. 15)

Ertelt zufolge, der diese Ubersicht zum Zwecke der Qualifizierung von Berufsbildungspersonal zu- sammengestellt hat, bringen Personen dieses Personlichkeitstyps in der Berufsberatung starker Emotionen ein und betrachten ,,den Entscheidungsprozess eher affektiv als kognitiv logisch“ (Ertelt 2011, S. 15). Anzumerken ist, dass es sich bei diesem Modell um Idealtypen handelt, die nicht un- bedingt mit der Realitat ubereinstimmen mussen. Mischtypen und Sonderfalle bleiben hierbei wei- testgehend unberucksichtigt. Durch den Versuch der Kategorisierung von Personlichkeitsstrukturen wird jedoch deutlich, dass das Selbstkonzept bei der Berufswahl eine nicht unwesentliche Rolle einnimmt, beispielsweise „in Bezug auf FleiB oder Faulheit, Kontaktfreude oder Scheu, Belastbar- keit oder Empfindlichkeit, Risikofreude oder Sicherheitsorientierung usw.“ (Tschope und Witzki 2004, S. 47).

In einigen identitatspsychologischen Auseinandersetzungen werden Selbstkonzepte als ,motivatio- nale Selbstbilder’ bezeichnet (vgl. Rheinberg 2006, S. 198). Sie sind das ,,Ergebnis bewusster Wahmehmungen“ (Rheinberg 2006, S. 198) und beruhen auf einer kognitiven Basis. Aktiv werden motivationale Selbstbilder laut Rheinberg, wenn Individuen in sehr komplexen Entscheidungssitua- tionen stehen, in denen es gilt, nicht nur fur sich selbst begrundbare Entscheidungen zu treffen, sondern diese auch vor dem sozialen Umfeld erklaren zu konnen (vgl. Rheinberg 2006, S. 198).

,,Wenn wir in solchen und ahnlichen Situationen uns dann uberlegen, wie wir jetzt sinnvollerweise entscheiden und welche Ziele wir verfolgen sollten, dann orientieren wir uns an unseren motivationalen Selbstbildern. Hierbei gibt es typischerweise die Bemuhungen, Ubereinstimmungen zwischen Selbsteinschatzung und eigenem Verhal- ten zu erreichen. Damit gewinnen Selbsteinschatzungen an Einfluss“ (Rheinberg 2006, S. 198).

Das Konzept von sich selbst kann daher bezeichnet werden als ,,Summe der Einstellungen gegenu- ber der eigenen Person“ (Tschope und Witzki 2004, S. 45). Elemente des Selbstbildes oder Selbst- konzeptes werden durch Erfahrung erworben (vgl. Tschope und Witzki 2004, S. 45). Neben den ei­genen Wahrnehmungen schlagen sich auch Sozialisationseinflusse nieder (vgl. Rheinberg 2006, S. 199). Dazu gehoren Einschatzungen von Bezugspersonen sowie deren Bewertungen und deren Wunsche sowie kulturelle Normen (vgl. Rheinberg 2006, S. 198). Auch Ruckschlusse, die aus dem Verhalten anderer Personen gezogen werden, Vergleiche mit anderen und Ruckschlusse aus dem eigenen Verhalten beeinflussen das Selbstbild (vgl. Tschope und Witzki 2004, S. 45) und somit in unerheblichen MaBe die Berufswahl. Zum Selbstkonzept gehoren auch Wertorientierungen, die es gilt, mit dem gewunschten Beruf in Ubereinstimmung zu bringen. Hierzu gehoren sowohl der Stel- lenwert von Freizeit und Familie als auch die Identifikation mit der eigenen Geschlechterrolle (vgl. Tschope und Witzki 2004, S. 47).

2.2.2 Soziologisch-okonomischorientierte Berufswahlkonzepte

Auch wenn Berufswahl in erster Linie als subjektive Entscheidung erlebt wird, so sind die Prozesse innerhalb der Berufswahl doch auch abhangig von auBeren Einflussfaktoren (vgl. Beinke 2006, S. 33) und lassen sich nicht losgelost von der Gesellschaft betrachten (vgl. Beinke 1999, S. 75). Im Gegenteil: Nach Scharmann sind Berufswahl und Berufsfindung ,,in hohem MaBe abhangig von den allgemeinen kulturellen und sozialen Bedingungen und Faktoren, auf die der Einzelne meist nur einen geringen Einfluss hat“ (Scharmann 1965, S. 14). Daruber hinaus sind bei der Berufswahl volkswirtschaftliche Aspekte, wie etwa allgemeine Wirtschaftsentwicklungen (vgl. Dimbath 2003, S. 129) oder ,,die Einschatzung der Chancen auf dem Arbeitsmarkt“ (Tschope und Witzki 2004, S. 39) von Bedeutung. ForBbaum geht davon aus, dass Berufswahlerinnen und Berufswahler ,,person- liche okonomische Interessen verfolgen und vor dem Gesichtspunkt des Nettovorteils - vorzugs- weise definiert als bestes Lohn- und Gehaltsniveau - vorteilhafte Beschaftigungen suchen und nicht vorteilhafte Beschaftigungen meiden“ (ForBbohm 2010, S. 14). Was allerdings in der Theorie plau- sibel klingt, ist in der Praxis nicht so leicht umsetzbar. Berufswahlerinnen und Berufswahler stehen nicht selten vor Konfliktsituationen, da sie uber okonomische Aspekte zu wenig wissen und so dem Risiko einer Fehlentscheidung ausgesetzt sind (vgl. Seifert 1982, S. 79).

Im Rahmen der okonomischen Berufswahlkonzepte spielen neben dem moglichen Einkommen und den eventuellen Investitionskosten in die berufliche Bildung noch andere Faktoren eine Rolle. Laut Beinke sind dies regionale Faktoren wie die GroBe des Wohnortes, Ausbildungsmoglichkeiten, die sozio-okonomische Schichtzugehorigkeit der Berufswahler sowie die Entwicklung und Bedeutung der Berufe (vgl. Beinke 2006, S. 33).

Dennoch scheinen okonomische Aspekte bei der Berufswahl nicht unbedingt die wichtigste Rolle zu spielen. Seifert zufolge werden „okonomische Nachteile und ungunstige oder unsichere berufli- che Chancen [...] (sofern sie uberhaupt bekannt sind oder ernst genommen werden) bei der bevor- zugten Alternative in erstaunlichem Umfange in Kauf genommen“ (Seifert 1982, S. 80). Im Hin- blick auf die vorliegende Untersuchung steht also die Frage im Raum, wie bedeutend okonomische Aspekte bei der Berufswahl fur angehende Journalistinnen sind. Denn auch wenn okonomische Aspekte bei der Berufswahl noch nicht unbedingt einen groBen Stellenwert zu haben scheinen, so nimmt Seifert zufolge mit zunehmendem Alter ,,[...] der EinfluB der beruflich-okonomischen Fak­toren auf die Handlungsbereitschaft deutlich zu, d. h. die Frustrationstoleranz [...] gegenuber ent- sprechenden negativen Informationen nimmt ab“ (Seifert 1982, S. 80).

Unter die okonomisch-soziologischen Theorien fallt gleichermaBen der Einfluss der personlichen Sozialisation, beispielsweise durch Eltern, Freunde oder Bildungseinrichtungen (vgl. ForBbohm 2010, S. 72 ff). Innerhalb der vorliegenden Untersuchung konnen soziologische Einflussfaktoren bei der Berufswahl angehender Journalistinnen lediglich basierend auf subjektiven Einschatzungen analysiert werden. Eine systemische Analyse, die die gesamtgesellschaftlichen Einflussfaktoren un- tersucht und erfasst, ist im Rahmen dieser Diplomarbeit nicht zu realisieren.

2.3 Konstrukt von Motiv und Motivation

Motive und Berufswahl sind eng miteinander verknupft, weswegen sich der folgende Abschnitt na- her mit der Begriffsbestimmung von „Motivation“ und „Motiven“ auseinandersetzt. Hierfur eignet sich zunachst die Definition Rudolfs:[4]

,,Das Wort,Motivation ist abgeleitet von dem lateinischen Verb ,movere‘ = bewegen. Motivation hat insofern mit Bewegung zu tun, als der Begriff dasjenige bezeichnet, was uns zu einer Handlung veranlasst oder uns in Bewegung versetzt. Ein Mangel an Moti­vation fuhrt dagegen dazu, dass wir eine Handlung unterlassen.[5] Motivation kann im Rahmen einer Begriffsbestimmung definiert werden als die Gesamtheit der Prozesse, die zielgerichtetes Verhalten auslosen und aufrechterhalten“ (Rudolf2007, S. 1).

Motivation wird in der vorliegenden Untersuchung nicht im alltaglichen Sinne verstanden, wonach ein Schuler, der besonders gut ist oder ein Angestellter, der freiwillig Uberstunden macht, als moti- viert gilt, sondern im Sinne der Motivationspsychologie definiert (vgl. Vollmeyer 2005, S. 9). Der Motiv- oder Motivationsbegriff ist demnach keine fest umrissene und naturalistisch gegebene Erlebens- und Verhaltenseinheit, sondern in gewisser Weise Abstraktion [...]“ (Rheinberg 2006, S. 16).[6] Allerdings sind Motive und Motivation keine unabhangigen Gedankenkonstruktionen. Sie sind nicht nur abhangig vom personlichen Lebenslauf und der individuellen Lebenssituation, sondern auch von zeitgeschichtlichen Bedingungen sowie den zu erwartenden Ergebnissen (vgl. Becker von 1980b, S. 56; Heckhausen und Heckhausen 2006, S. 3; Rudolf 2007, S. 1). Motivation setzt sich zusammen aus Erwartungen, Werten, Selbstbildern, Willensprozessen, Affekten und Emotionen, aber auch aus neurohormonellen Prozessen (vgl. Vollmeyer 2005, S. 10).

Dabei sind Motive eng verknupft mit Zielen und drangen Schneider zufolge zu Handlungen. Sie ,,bedingen Zielsetzungen und determinieren die Bewertung der angestrebten Ziele, aber auch ande- rer handlungsrelevanter Momente, z. B. die Beurteilung der Realisierungschancen einer Zielset- zung“ (Schneider und Schmalt 2000, c1981, S. 13). Motivation ist also folglich als ein prozesshaf- tes Geschehen zu betrachten ,,[...] in dem Handlungsziele herausgebildet und das Verhalten und Erleben auf diese Ziele ausgerichtet [wird]“ (Schneider und Schmalt 2000, c1981, S. 34).

Was die wissenschaftliche Annaherung an die Handlungsmotive bestimmter Personengruppen, wie beispielsweise von angehenden Journalistinnen und Journalisten, schwierig gestaltet, ist die Tatsa- che, dass Motive nicht direkt von auBen beobachtbar sind. Vielmehr sind sie „hilfreiche Gedanken­konstruktionen (hypothetische Konstrukte), die uns das Handeln von Personen besser verstandlich machen“ (Rheinberg 2006, S. 20; vgl. auch Schneider und Schmalt 2000, c1981, S. 29-30; Voll­meyer 2005, S. 9). Die Motivationsforschung, die ,,aus der alltaglichen Suche nach den Ursachen des Verhaltens von Menschen und Tieren erwachsen [ist]“ (Schneider und Schmalt 2000, c1981, S. 36), hilft bei der Beantwortung der Forschungsfrage nur bedingt weiter. Zumal sich allein mit den Methoden der Motivationsforschung nur schwerlich Verhalten erklaren lasst, wie Schneider ein- raumt. Haufig sei unklar, welche Verhaltenseinheit genau analysiert werden soll, da Verhalten sel- ten einen definierten Anfang und ein definiertes Ende hat (vgl. Schneider und Schmalt 2000, c1981, S. 92). Auch fur die Berufswahl trifft dies im Grunde genommen zu, da sie keinen definierten Start- und Endpunkt hat. Also selbst wenn der Weg in den Journalismus eingeschlagen wurde, bedeutet dies nicht zwangslaufig, dass er auch zu Ende gegangen wird.

2.4 Intrinsische und extrinsische Motivation

Die unterschiedlichsten Handlungsmotive konnen in zwei ubergeordnete Kategorien eingeordnet werden: in intrinsische und extrinsische Motivation. Die Wissenschaft bezeichnet ein Verhalten dann als intrinsisch motiviert, wenn es um seiner Selbst willen geschieht, wenn eine Person aus ei- genem Antrieb handelt und wenn daruber hinaus die Tatigkeit allein wegen des Tatigkeitsvollzuges ausgefuhrt wird (vgl. Rheinberg 2006, S. 149). Die Handlung selbst erscheint also als „interessant, spannend oder wie auch immer zufriedenstellend“ (Schiefele und Streblow 2005, S. 40). Das be­deutet im Umkehrschluss auch, dass die Handlung nicht aufgrund wunschenswerter Konsequenzen ausgefuhrt wird (wie zum Beispiel soziale Anerkennung), sondern die Ausubung der Tatigkeit be- reits Belohnung genug ist (vgl. Schiefele und Streblow 2005, S. 40). Dieser Eingrenzung intrinsi- scher Motivation zu folgen, bedeutet, klar zwischen Handlung, Ergebnis und Folgen zu trennen (vgl. Schiefele und Streblow 2005, S. 40). Das Bedurfnis nach Selbstbestimmung und Kompetenz ist eine tragende Saule und Grundlage intrinsisch motivierten Verhaltens (vgl. Schiefele und Streb­low 2005, S. 47). ,,Intrinsische Motivation energetisiert eine Vielzahl von Handlungen und psycho- logischen Prozessen, deren wichtigste ,Belohnung‘ darin besteht, dass die handelnde Person sich selbst als kompetent und selbstbestimmt erlebt” (Schiefele und Streblow 2005, S. 44).

In Zusammenhang mit intrinsischer Motivation tritt haufig ein Phanomen auf, das in der Wissen­schaft als Flow-Erleben bezeichnet wird (vgl. Engeser und Vollmeyer 2005, S. 63).[7] Der Wunsch, dieses Flow-Erleben bei der Ausubung der beruflichen Tatigkeit zu verspuren, kann ebenfalls als Motiv fur die Berufswahl gewertet werden (sofern die mit dem Beruf in Verbindung stehenden Ta- tigkeiten bei der betreffenden Person Flow-Erleben auslosen).

Im Gegensatz dazu wird ein Verhalten als extrinsisch motiviert bezeichnet, ,,wenn der Beweggrund des Verhaltens auBerhalb der eigentlichen Handlung liegt, oder weiter gefasst: wenn die Person von auBen gesteuert erscheint“ (Rheinberg 2006, S. 149). Als extrinsisch motiviert gelten daher ,,alle Aktivitaten, die auf den Anreiz von Zielen oder Ereignissen gerichtet sind [...]“ (Rheinberg 2006, S. 149). Es besteht bei extrinsischer Motivation der Wunsch bzw. die Absicht, mit der Handlung ,,positive Folgen herbeizufuhren oder negative Folgen zu vermeiden“ (Schiefele und Streblow 2005, S. 41). Davon abhangig, welche Folgen angestrebt werden, unterscheidet die Motivations- psychologie verschiedene Formen extrinsischer Motivation. Die drei wichtigsten sind hierbei das Leistungsmotiv, das Machtmotiv und das Anschlussmotiv:

Unter Leistungsmotiv versteht man, wenn Personen das Ziel haben, sich mit einem GutemaBstab auseinanderzusetzen.

[.] Unter Machtmotiv versteht man, wenn Personen das Ziel haben, das Erleben und Verhalten anderer Personen zu beeinflussen.

[.] Unter Anschlussmotiv versteht man, wenn Personen das Ziel haben, wechselseitig positive Beziehungen herzustellen“ (Vollmeyer 2005, S. 11).

Schiefele und Streblow betonen, dass sich trotz aller Unterschiede die beiden Motivationsformen intrinsischer und extrinsischer Motivation nicht unbedingt ausschlieBen:

„Eine Person, die sich bewusst und ohne jeglichen Druck von auBen fur ein Studien- fach entscheidet, weil es moglicherweise zu einem hohen Einkommen fuhrt (extrinsi- sche Motivation), kann sich durchaus im Einklang mit ihren Bedurfnissen nach Kom- petenz und Selbstbestimmung befinden“ (Schiefele und Streblow 2005, S. 44).

Allerdings gibt es Prozesse, „die zur Folge haben, dass situative Faktoren (insbesondere Belohnun- gen) die intrinsische Motivation beeintrachtigen“ (Schiefele und Streblow 2005, S. 44-45). Das be- deutet, dass eine Person, die ursprunglich intrinsisch motiviert handelt, bei der kognitiven Evaluati­on der Ursachen eventuell zu der Auffassung gelangen konnte, dass sie nur deshalb handelt, damit sie eine Belohnung dafur erhalt (vgl. Schiefele und Streblow 2005, S. 45). Ubertragen auf das Be- rufsbild von Journalistinnen und Journalisten kann es bei der Ausubung des Berufs dazu kommen, dass die ursprunglich intrinsisch motivierte journalistische Tatigkeit durch die berufsmaBige Ausu- bung und die damit verbundene monetare Anerkennung an Reiz verlieren kann.

2.5 Einfluss des Geschlechts auf die Berufswahl

Bei der Berufswahl spielt Geschlechtszugehorigkeit bzw. die Konstruktion von Geschlecht eben- falls eine Rolle. Auch wenn sich die vorliegende Untersuchung in erster Linie mit dem biologi- schen Geschlecht auseinandersetzt, sollten an dieser Stelle einige Erkenntnissen der Genderfor- schung dargestellt werden. Allerdings kann, aufgrund der Komplexitat dieses eigenstandigen For- schungsfeldes, hier lediglich ein knapper Uberblick gegeben werden.[8]

Im Fokus des Forschungsinteresses feministischer Forschung und auch der Genderforschung stand lange die Diskriminierung von Frauen.[9] Neuere Arbeiten setzen sich verstarkt mit Frauen als han- delnden Subjekten auseinander (vgl. Klaus 1998, S. 26). Dies gilt auch fur die vorliegende Unter­suchung - wenngleich sich die Diskriminierung von Frauen, da sie strukturell haufig sehr offen- sichtlich ist, nicht immer ganzlich ausgeklammert werden kann.

Im Allgemeinen wird in der Gender- bzw. in der feministischen Forschung zwischen Gender und Sex unterschieden, also zwischen dem ,sozialem‘ bzw. ,kulturellem‘ Geschlecht und dem ,biologi- schen‘ bzw. ,anatomischen‘ Geschlecht (vgl. Angerer und Dorer 1994a, S. 8 sowie Franzke 2010, S.4ff). Das soziale Geschlecht bezieht sich auf die eigene Geschlechtsidentitat und Geschlechtszu- schreibungen durch andere. Laut Franzke wird es in „Interaktion mit anderen produziert und repro- duziert“ (Franzke 2010, S.4). Die Konstruktion des sozialen Geschlechts entsteht in erster Linie durch eine unterschiedliche, geschlechtsspezifische Sozialisation, die den Geschlechtern unter- schiedliche Eigenschaften zuweist. Das biologische Geschlecht hingegen entsteht aufgrund biologi- scher Unterschiede, wie beispielsweise die Fahigkeit zu Stillen (vgl. Franzke 2010, S.4). Die Gen- derforschung geht demnach weit Uber biologische Unterschiede zwischen Mannern und Frauen hi- naus und beschaftigt sich mit dem geschlechtsspezifischen Rollenverstandnis, das zum Beispiel bei mannlich orientiertem Fuhrungsverhalten auch im Journalismus zum Tragen kommt.[10]

Zwei Ansatze, die in dieser Forschungsrichtung immer wieder diskutiert werden, sind der Gleich- heits- und der Differenzansatz (vgl. Klaus 1998, S. 31-32 sowie Ostendorf 2005, S. 111). Der Gleichheitsansatz verfolgt das Ziel, gesellschaftliche und individuelle Einschrankungen zu erfor- schen und aufzuzeigen, wie Frauen unter anderem durch Sozialisation und Diskriminierung in der Entwicklung ihrer Fahigkeiten behindert werden (vgl. Klaus 1998, S. 31). Hierbei werden gesell- schaftliche und individuelle Diskriminierungsmechanismen ebenso untersucht wie Sozialisations- vorgange (vgl. Klaus 1998, S. 31). Im Gegensatz dazu geht es im Differenzansatz in erster Linie darum, die Komplexitat des weiblichen Lebenszusammenhanges anzuerkennen und divergente Sichtweisen und Erfahrungen zu beachten (vgl. Klaus 1998, S. 32).[11] Der Differenzansatz zeigt dem- zufolge auf, ,,dass Frauen nicht nur Opfer der gesellschaftlichen Verhaltnisse sind, sondern diese selbsttatig mitgestalten“ (Klaus 1998, S. 33-34). Diese Sichtweise baut auf der Annahme, dass die Lebenswirklichkeiten von Mannern und Frauen sich dadurch unterscheiden, ,,weil sie - historisch und aktuell - in unterschiedlichen Erfahrungs- und Alltagswelten leben“ (Klaus 1998, S. 32).[12]

Die unterschiedliche Sozialisation beginnt bereits im Sauglingsalter (vgl. Franzke 2010, S.10), was bedeutet, dass die Gesellschaft Mannern und Frauen unterschiedliche Funktionsbereiche zuweist (vgl. Holtz-Bacha 1994a, S. 42). Lange galt: ,,Frauen sind primar auf die private Sphare in Haus und Familie, auf die Reproduktionsleistungen fur die Gesellschaft verwiesen, bei Mannern steht die Berufsarbeit, der Produktionsbereich, die offentliche Sphare im Vordergrund“ (Holtz-Bacha 1994a, S. 42). Daraus resultieren Holtz-Bacha zufolge auch unterschiedliche Anforderungen an Geschlech- terrollen, die sich auch im Berufsfeld des Journalismus auswirkten:

,,Von Mannern wird Leistungsorientierung erwartet und damit korrespondierende Ei- genschaften wie Sachkompetenz, Unabhangigkeit, Selbstkontrolle und Durchsetzungs- vermogen. Die Erwartung an Frauen lautet soziale Orientierung, dazu gehort Sensibili- tat, Betonung von Gefuhlen, Abhangigkeit, sich den Interessen anderer unterzuordnen” (Holtz-Bacha 1994a, S. 42).

Dies wiederum hat Auswirkungen auf die Motivation von Frauen bei der Berufswahl. In der Ver- gangenheit war die Offentlichkeit ein den Mannern zugewiesener Bereich, weshalb Frauen der Zu- gang generell erschwert wurde (vgl. Holtz-Bacha 1994a, S. 42). Im Zuge der Geschlechtszugeho- rigkeit entstehen Geschlechterrollen, denen bestimmte Erwartungen zugeschrieben werden (Franz- ke 2010, S.8). Auch diese konnen die Berufswahl beeinflussen. So sind Berufsrollen, die Frauen zugeschrieben werden, eher mit einem niedrigen sozialen Status verbunden, wohingegen mannliche Berufsrollen eher ein hohes Ansehen genieBen (vgl. Franzke 2010, S.9). Auch bei Korner finden sich ahnliche Feststellungen. In Bezug auf die geschlechtsspezifische Berufswahl halt sie fest, dass fur Madchen inhaltliche Kriterien bei der Berufswahl die wichtigste Rolle spie- len. Junge Manner legen mehr Wert auf ,viel Geld verdienen‘ und ,Aufstiegsmoglich- keiten‘. Auf der anderen Seite sind heute in den Berufswunschen junger Frauen auch Zeichen von GroBenfantasien und Aufbruchsvorstellungen, Phanomenen, die [...] als adoleszenztypisch beschrieben werden, deutlich zu erkennen” (Korner 2006, S. 7).

Auch die Humankapitaltheorie hat sich mit der Berufswahl von Frauen auseinandergesetzt. Ihre Vertreter gehen davon aus, dass Frauen Berufe bevorzugen, die verbunden sind mit ,,einem relativ hohen Anfangseinkommen, weniger Zwangen und angenehmeren Arbeitsbedingungen, in denen Laufbahnunterbrechungen gering bestraft werden“ (ForBbohm 2010, S. 18). Diese Perspektive geht davon aus, dass Frauen bereits bei der Berufswahl den Faktor Vereinbarkeit von Beruf und Familie berucksichtigen, da sie Kinder gebaren und die Hauptverantwortung fur deren Erziehung innehaben (vgl. ForBbohm 2010, S. 18).[13] Ferner wirke sich ForBbohm zufolge der diskontinuierliche, weibli- che Erwerbsverlauf auf die Bereitschaft aus, in die eigene berufliche Bildung zu investieren, ,,was wiederum eine Minderung des Einkommens zu Folge haben kann“ (ForBbohm 2010, S. 14). Die Ursache dieser Diskontinuitat steht im Zusammenhang mit Ausfallzeiten durch Kinder. Korner je- doch, die keine Vertreterin der Humankapitaltheorie ist, sondern aus der Praxis kommt, merkt zur Vereinbarkeitsproblematik an, dass der ,,Lebensentwurf und die jeweilige Berufswahlentscheidung nur begrenzt zusammenhangen“ (Korner 2009, S. 8). Zunachst steht bei der Berufswahl der Beruf selbst im Vordergrund. ,,Die Frage der Vereinbarkeit stellen sich junge Frauen erst spater“ (Korner 2009, S. 8). Im Hinblick auf die vorliegende Studie ist besonders der Aspekt der Geschlechterrolle interessant, da ihr Einfluss auf die Berufswahl als sehr hoch eingeschatzt werden kann:

,,Insgesamt gilt offensichtlich, dass sich berufliche Praferenzen durch die Geschlechts- zugehorigkeit weit besser prognostizieren lassen als durch vorhandene Eignungen. Fur junge Frauen gilt dabei, dass sie kreative, kommunikative und soziale Aspekte den technischen deutlich vorziehen. Diese Tendenz besteht interessanterweise unabhangig von der Befahigung“ (Tschope und Witzki 2004, S. 47).[14]

Trotz dieser Beobachtung Tschopes und Witzkis ist die Rolle der Geschlechtszugehorigkeit auf die Berufswahl den Berufswahlerinnen und Berufswahlern selbst oft nicht bewusst. Laut Korner mes- sen junge Frauen dem Geschlecht bei der Berufswahl keine Bedeutung bei, da die Berufswahl als individuelle Entscheidung betrachtet wird, die vor allem mit Interessen zusammenhangt. Weiter fuhrt Korner aus, dass Frauen, die vor der Berufswahlentscheidung stehen, nicht als Opfer betrach­tet werden wollen: „Sie nehmen an, dass ihnen die Arbeitswelt genauso offen steht wie den Man- nem“ (Korner 2009, S. 12).

Diese Haltung bleibt nicht ohne Folgen und ist teilweise mitverantwortlich fur die veranderte Situa­tion der Frauenerwerbstatigkeit insgesamt (vgl. Kapitel 5.1). So kommt Salin 2010 zu dem Schluss: „Diese Generation der Alpha-Madchen ist unabhangig, zielstrebig und selbstbewusst“ (Salin 2011, S. 10). Vielleicht lasst sich durch das neue Selbstbewusstsein auch die Berufswahlmotivation jun- ger Frauen erklaren. Dies wird der empirische Teil der Untersuchung zeigen.

Angemerkt werden muss aber gerade im Hinblick auf die vorliegende Arbeit, dass es die jungen Frauen bzw.,die Berufswahlerinnen nicht gibt (vgl. Korner 2009, S. 12). Vielmehr muss differen- ziert werden, um welche jungen Frauen es sich handelt. Denn auch wenn es entlang der Geschlech- terlinien Unterschiede zwischen Mannern und Frauen geben mag, so setzt sich doch die Gruppe der Frauen bzw. die Gruppe der angehenden Journalistinnen aus hochst heterogenen Personlichkeiten zusammen, die eventuell bis auf ihr Geschlecht keine weiteren Gemeinsamkeiten haben.

2.6 Folgerungen fur die empirische Untersuchung I

Im vorangegangenen Abschnitt wurde deutlich, dass Berufswahl ein komplexer Prozess ist, der auf mehreren Ebenen stattfindet und von verschieden Faktoren beeinflusst wird, wie beispielsweise ok- nomischen Aspekten, Selbstbildern oder emotionale Beweggrunde. Die Geschlechtszugehorigkeit ist ebenso fur die Berufswahl relevant wie der Personlichkeitstyp sowie Interessen und Fahigkeiten. Nicht zuletzt kann auch der Zufall eine Rolle spielen. Die meisten Motive lassen sich einteilen in intrinsisch und extrinsisch motivierte Beweggrunde. Innerhalb der vorliegenden Untersuchung wird die Frage im Vordergrund stehen, ob bei der Berufswahl kunftiger Journalistinnen eher intrinsische oder extrinsische, eher ich-bezogene Motive oder vorrangig auBere Faktoren von Bedeutung sind und wie es sich im Gegensatz dazu bei den mannlichen Berufsanwartern verhalt. Im Hinblick auf die Forschungsfrage wird zu klaren sein, was das fur den Journalismus im Allgemeinen und fur In- stitutionen, die journalistische Ausbildung ermoglichen, bedeutet.

Um den empirischen Teil der Untersuchung weiter vorzubereiten, erfolgt nun eine Auseinanderset- zung mit dem journalistischen Berufsfeld. Dies ist notwendig, da die Kenntnis uber das angestrebte Tatigkeitsgebiet einen wesentlichen Einfluss auf die Berufswahl hat.

3 Allgemeines Berufsbild von Journalistinnen 3.1 Einfuhrung

„Die Herausbildung des Berufswunsches, die Berufsentscheidung und die tatsachlichen ersten Schritte in den Beruf mussen vor dem Hintergrund des Berufsbildes gesehen werden“ (Neverla und Kanzleiter 1984, S. 67). Deshalb skizzieren die kommenden Abschnitte das Berufsbild von Journa- listinnen und Journalisten. Dazu gehoren allgemeine Strukturdaten des Berufsfeldes, Ausbildungs- modalitaten und mit dem Beruf in Verbindung stehende Tatigkeiten. Daruber hinaus wird das Be­rufsbild aus dem Selbstbild der Journalistinnen und Journalisten geformt, also davon, wie sie sich und ihren Beruf selbst sehen. Aber auch das Image, also wie andere sie sehen, spielt eine Rolle und formt das Berufsbild dieser Berufsgruppe. Rudolf stellt fest: ,,Wir haben Erwartungen bezuglich der Konsequenzen unseres Handelns, und diese Erwartungen steuern das Handeln“ (Rudolf 2007, S. 2 - 3). Eine Auseinandersetzung mit dem Berufsfeld bedeutet demzufolge auch eine Auseinanderset- zung mit den Erwartungen, die Berufseinsteiger an ihr spateres Arbeitsumfeld haben. So fugt Ru­dolf an, dass Menschen sich so verhalten, dass die Summe erwarteter positiver und negativer Kon­sequenzen moglichst gunstig ausfallt (vgl. Rudolf 2007, S. 3). In diesem Zusammenhang ist davon auszugehen, dass die in den folgenden Abschnitten beschriebenen Sachverhalte und Konsequenzen auf junge Frauen mit dem Berufswunsch Journalistin, reizvoll wirken.

3.2 Strukturdaten zum Berufsfeld

Die Journalistin oder den Journalisten gibt es nicht. Da die Berufsbezeichnung in Deutschland nicht geschutzt ist, darf sich im Prinzip jeder Mensch als ,Journalistin‘ bzw. als ,Journalist‘ bezeichnen. Grundlage dafur ist das im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland verankerte Recht auf freie MeinungsauBerung in Artikel 5 (vgl. auch fur die Hintergrunde Lieske 2008, S. 26). Das folgende Kapitel gibt einen Uberblick uber das journalistische Berufsfeld, zeigt auf, wo Journalistinnen und Journalisten arbeiten, und was sie verdienen.

Eine Entscheidung fur den Journalismus bedeutet zunachst keine Festlegung auf das tatsachliche spatere Tatigkeitsfeld. Neverla zufolge hat der Journalistenberuf die Aura eines ,freien Berufes‘ in- ne, der einerseits auBerhalb stereotyper Angestelltentatigkeiten zu stehen scheint und andererseits sehr unterschiedlichen Berufen gleichzeitig nahe steht (vgl. Neverla und Kanzleiter 1984, S. 67). Die Arbeitsverhaltnisse konnen sehr unterschiedlich sein: „freiberuflich, als Nebentatigkeit, fast als Hobby [...] sowie fest angestellt, hauptberuflich mit dem (verallgemeinerten) Image permanenter Einsatzbereitschaft“ (vgl. Neverla und Kanzleiter 1984, S. 67). Die etwa 60.000 in Deutschland ta- tigen Journalistinnen und Journalisten, von denen etwa 48.000 hauptberuflich tatig sind und 12.000 freiberuflich (vgl. Weischenberg et al. 2006, S. 36), arbeiten innerhalb der verschiedenen Medien in unterschiedlichen Positionen und Funktionen. Vielfaltig sind Einsatzmoglichkeiten, Tatigkeitsbe- reiche, potenzielle Arbeitgeber und Arbeitsfelder, in denen Journalistinnen und Journaliten anzut- reffen sind. 47,5 Prozent der fest angestellten Journalistinnen und Journalisten (inklusive Volonta- rinnen und Volontaren) arbeiten bei Zeitungen; 17,5 Prozent bei Zeitschriften, 17 Prozent im of- fentlich-rechtlichen Rundfunk, 7 Prozent bei Anzeigenblattern; 6,5 Prozent bei privaten Rundfunk- sendern und 4,5 Prozent bei Agenturen/Diensten (vgl. Weischenberg, Loffelholz, Scholl, 1993, S. 26). Daruber hinaus arbeiten Journalistinnen und Journalisten auch „in der extemen oder intemen Kommunikationsabteilung von Wirtschaftsunternehmen, Verwaltungen oder gemeinnutzigen Or- ganisationen sowie in der medienbezogenen Beratung und Bildungsarbeit“ (Lieske 2008, S. 27). Die thematischen Schwerpunkte von Journalistinnen und Journalisten konnen je nach Ressort, Me­dium und Redaktion sehr unterschiedlich sein.

Ein Drittel der Journalistinnen und Journalisten ist junger als 36 Jahre. Auffallig sind die von Wei- schenberg ermittelten Werte, denen zufolge besonders in den Onlinemedien vor allem Jungere be- schaftigt sind (vgl. Weischenberg et al. 2006, S. 68). Bei der Betrachtung der absoluten Zahlen fallt auf, dass die meisten jungen Journalistinnen und Journalisten in Deutschland bei den Printmedien arbeiten (vgl. Weischenberg et al. 2006, S. 68). Die Mehrheit der Journalistinnen und Journalisten (40 %) ist zwischen Mitte 30 und Mitte 40 und nur 29 Prozent der Journalistinnen und Journalisten sind alter als 45 Jahre (vgl. Weischenberg et al. 2006, S. 68).

Journalistinnen und Journalisten sind eher in die unteren Einkommensklassen einzustufen. Laut Weischenberg verdienen rund 57 Prozent der Journalistinnen und Journalisten monatlich zwischen 1.000 und 2.500 Euro netto. Lediglich zwei Prozent - also eine kleine Minderheit - erhalten ein monatliches Gehalt von mehr als 5.000 Euro netto (vgl. Weischenberg et al. 2006, S. 61). Je nach Medium und je nachdem, ob dieses Medium in privater oder offentlich-rechtlicher Hand ist, unter- scheiden sich die Einkommen von Journalistinnen und Journalisten (vgl. Weischenberg et al. 2006, S. 62 sowie Lunenborg 1997, S. 101-102). Tabelle 3.1 verdeutlicht die Durchschnittseinkommen, aufgeschlusselt nach Medium und Geschaftsform.[15]

Tabelle 3.1: Nettoeinkommen von Journalistinnen und Journalisten nach Medium

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Eigene Darstellung nach Weischenberg et al. 2006, S. 62

Hinzu kommt ein Einkommensgefalle zwischen Festangestellten und Freien (vgl. Lunenborg 1997, S. 101). Dieses ist zwar geringer als das zwischen den unterschiedlichen Medien, doch sind die Un- terschiede offensichtlich nachweisbar. Im Schnitt verdienen Festangestellte im Monat rund 300 Eu­ro (netto) mehr als freie Journalistinnen und Journalisten (vgl. Weischenberg et al. 2006, S. 62-63). Hinzu kommt, dass Freiberuflerinnen und Freiberufler finanziell weniger abgesichert sind als fest­angestellte Journalistinnen und Journalisten (vgl. Lunenborg 1997, S. 101).[16]

Aus den vorgestellten statistischen Mittelwerten ergibt sich das folgende Bild des deutschen „Durchschnittsj oumalisten“:

„Den ,typischen deutschen Journalisten’ kann man heute mit folgendem Holzschnitt beschreiben: Ein knapp 41 Jahre alter Mann, der aus der Mittelschicht stammt, einen Hochschulabschluss hat, bei der Presse arbeitet, in einer festen Beziehung lebt und ca. 2300 Euro netto im Monat verdient.“ (Weischenberg et al. 2006, S. 57)

Dieses Bild unterscheidet sich nur unwesentlich von dem, das Weischenberg bereits im Jahr 1994 ermittelt hat (vgl. Weischenberg et al. 1994, S. 12). Ein Unterschied zu 2006: In den 1990ern war der Durchschnittsjournalist noch verheiratet, heute lebt er lediglich in einer festen Beziehung. Und fur die vorliegende Untersuchung besonders interessant: Der Durchschnittsjournalist ist mannlich.

3.3 Berufsausbildung

Wie unter Abschnitt 3.2 beschrieben ist der Berufszugang zum Journalismus in Deutschland nicht beschrankt. Berufseinsteiger mussen keine bestimmte Ausbildung absolvieren oder spezielle Exa- mina ablegen (Weischenberg et al. 2006, S. 13). Dementsprechend vielfaltig sind die Wege in den Journalismus. Trotz der vielen Moglichkeiten, in das Berufsfeld zu gelangen, wird gemeinhin das Volontariat als klassischer Zugang zum Journalismus gesehen, wodurch die Bedeutung dieser spe- zifischen Ausbildung sehr hoch eingeschatzt wird (vgl. Frohlich 1995, S. 97). Frohlich zufolge ha- ben fast drei Viertel aller Journalistinnen und Journalisten ein Volontariat absolviert - wobei es Un- terschiede zwischen den verschiedenen Medienarten gibt (vgl. Frohlich 1995, S. 107-108).

Journalistische Berufsausbildung findet auch an Journalistenschulen statt. Die meist mehijahrige Ausbildung zeichnet sich aus durch einen hohen Praxisbezug und ersetzt in der Regel das Volonta­riat. Allerdings ist der Zugang durch die wenigen Ausbildungsplatze stark reglementiert und die Hurden der Aufnahmebedingungen sind hoch. 1995 hatten nur vier Prozent der festangestellten Journalistinnen und Journalisten zuvor eine Journalistenschule besucht (vgl. Frohlich 1995, S. 102).

Haufig erfolgen heute der Besuch einer Journalistenschule oder das Volontariat im Anschluss einer akademischen Ausbildung. Verschwindend gering ist die Zahl derjenigen, die kein Abitur haben (vgl. Schausten 1999, S. 29). Zwar wird in diesem Berufsfeld ein Hochschulabschluss nicht zwin- gend vorausgesetzt, dennoch absolvierten 69 Prozent der Journalistinnen und Journalisten laut Wei­schenberg ein Hochschulstudium. ,,Wenn man die Studienabbrecher (15 %) mit einbezieht, haben heute sogar mehr als acht von zehn [Journalistinnen und] Joumalisten (84 %) eine Hochschule be- sucht“ (Weischenberg et al. 2006, S. 68). Der Journalismus ist demzufolge inzwischen ein akade- misch gepragter Beruf (vgl. Schausten 1999, S. 29).

Die universitare Ausbildung von Journalistinnen und Joumalisten ist in Deutschland im Vergleich zu anderen Studiengangen noch relativ jung. Erst seit Ende der 1970er Jahre wurden in Deutsch­land Studiengange fur Journalistik an Universitaten eingerichtet. Bis heute halt die Neugrundung weiterer einschlagiger Studiengange an (vgl. Frohlich 1995, S. 109). Auch werden die Studiengan­ge immer differenzierter: So sind heute Studiengange wie Onlinejournalismus, Technikjournalis- mus, Wissenschaftsjournalismus, Modejournalismus oder Musikjournalismus an verschiedenen Fakultaten etabliert. Im Fruhjahr 2013 wurde ein von einer Stiftung geforderter, wirtschaftspoliti- scher Journalistikstudiengang an der TU Dortmund ins Leben gerufen (vgl. Deutsches Stiftungs- zentrum Maecenate 2012). Im Mittelpunkt dieser Studiengange steht die Kombination von Theorie und Praxis. So liegen Schwerpunkte der theoretischen Wissensvermittlung in den „Bereichen Me- diensystem, Medien- bzw. Presserecht, journalistische Berufsforschung oder Publikumsforschung“ (Frohlich 1995, S. 109). Die praxisbezogene Ausbildung geschieht durch obligatorisch vorgesehene „externe und interne Praktika, Letzteres in eigens hierfur an den jeweiligen Studiengangen und In- stituten gegrundeten Lehrredaktionen [...]“(Frohlich 1995, S. 109). Die Lehrredaktionen verstehen sich nicht selten als Zukunftslabore, in denen innovative Redaktionssysteme und neue Darstel- lungsformen entwickelt und angewendet werden. Der Ausbau der praktischen Ausbildung inner- halb journalistischer Studiengange hat innerhalb der Curricula starkes Gewicht.

Weniger praxisbezogen sind die publizistischen bzw. kommunikations- und medienwissenschaftli- chen Studiengange. Im Fokus dieser Studiengange steht weniger die Ausbildung zur Journalistin oder zum Joumalisten, als vielmehr „die Analyse von Struktur, Bedingungen und Vorgangen mas- senmedial vermittelter Kommunikation“ (Frohlich 1995, S. 110). Praxisnahe Einblicke in journalis- tische Arbeitsweisen gewahren auch diese Studiengange durch obligatorische Praktika (vgl. Froh­lich 1995, S. 110). Obwohl es nicht Ziel dieser Studiengange ist, kunftige Journalistinnen und Jour- nalisten auszubilden, gaben bei einer Befragung 19 Prozent der deutschen Journalistinnen und Journalisten an, Publizistik sowie Zeitungs- oder Kommunikationswissenschaft im Haupt- oder Nebenfach studiert zu haben, und das, obwohl fur die Diplomstudiengange Journalistik ausdruck- lich eine gesonderte Antwortmoglichkeit gegeben war. Das kommunikationswissenschaftliche Stu- dium rangiert also hinter dem Volontariat an zweiter Stelle der am meist verbreitetsten Ausbildun- gen von im Journalismus tatiger Personen (Frohlich 1995, S. 110).[17]

Doch auch uber ein Fachstudium gelangen viele Journalistinnen und Journalisten in den Beruf. So arbeiten Absolventen und Absolventinnen der Politik-, Wirtschafts- oder Geschichtswissenschaft haufig in den entsprechenden Fachredaktionen. Natur- oder sportwissenschaftliche Studiengange konnen ebenfalls in den Journalismus fuhren. Weischenberg zufolge stammen die beliebtesten Stu- dienfacher der deutschen Journalistinnen und Joumalisten jedoch „aus dem klassischen Kanon der Geisteswissenschaften“ (Weischenberg et al. 2006, S. 68). Aus der nachfolgenden Ubersicht wird deutlich, wie sich die gewahlten Studienhauptfacher berufstatiger Journalisten und Journalistinnen im Jahr 2006 verteilten:

Germanistik / Literatur- und Sprachwissenschaften Journalistik / Kommunikationswissenschaften etc.

Sozialwissenschaften Naturwissenschaften Wirtschaftswissenschaften Geschichtswissenschaft andere Hauptfacher andere Geisteswissenschaften Jura

Abbildung 3.1: Prozentuale Verteilung der Studienhauptfacher von akademisch ausgebildeten

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Journalistinnen und Journalisten (Quelle: Weischenberg et al. 2006, S. 68)

Ein weiterer Weg in den Journalismus fuhrt uber - oft unbezahlte - Praktika und Hospitationen. Gegenuber dem Jahr 1993, als nur etwa 32 Prozent der Journalistinnen und Journalisten angaben ein Praktikum absolviert zu haben, waren es 13 Jahre spater bereits 69 Prozent. In der Altersgruppe der unter 36-Jahrigen liegt der Anteil derer, die bereits ein Praktikum absolivert haben, bei 90 Pro­zent (vgl. Weischenberg et al. 2006, S. 67). Insbesondere das Fernsehen, den Horfunk, Nachrich- tenagenturen oder den Onlinebereich mussen Journalistinnen und Journalisten laut Weischenberg offenbar durch ein Praktikum kennengelernt haben, um danach dort arbeiten zu konnen. Das Glei- che gilt fur die Ressorts Politik und Wirtschaft (Weischenberg et al. 2006, S. 67). Nicht selten wer- den von den Bewerberinnen und Bewerbern freiberufliche Vorerfahrungen oder ein anderweitiges, fruhes Engagement im journalistischen Bereich erwartet: „Am besten man/frau war schon bei der Schulerzeitung aktiv dabei. Ausschlaggebend ist auf jeden Fall ein nachgewiesenes Schreibtalent“ (Hesse 2003, S. 3).

Oft sind Praktika auch fester Bestandteil der Curricula an Hochschulen oder Journalistenschulen. Absolventinnen und Absolventen der Henry-Nannen-Schule in Hamburg verbringen wahrend ihrer 18-monatigen Ausbildung insgesamt ein Jahr in verschiedenen Redaktionen (vgl. Hesse 2003, S. 3), auch fur Studierende des Dortmunder Journalistikstudiengangs ist ein einjahriges Volontariats- praktikum im Rahmen ihrer Ausbildung obligatorisch:

,,Insbesondere im Fernsehen (26 %) und Horfunk (21 %) sowie bei Agenturen (22 %) gibt es uberdurchschnittlich viele Absolventen dieser journalismusaffinen Facher. Es sind ubrigens genau die Mediensparten, in denen auch haufiger ein Praktikum absol- viert wird - wahrscheinlich, weil die Studierenden in diesen Fachern dazu angehalten werden bzw. weil es von der Studienordnung her vorgesehen ist, [...]“ (Weischenberg et al. 2006, S. 68)

Die Wege in den Journalismus sind also vielfaltig. Abbildung 3.2 verdeutlicht zusammenfassend die Anteile der verschiedenen Ausbildungsmoglichkeiten im Journalismus und wie sie sich in den Jahren 1993 und 2005 voneinander unterscheiden:

Aus der Abbildung geht die gestiegene Bedeutung der praktischen Ausbildung hervor. Ebenso sind , sonstige Aus- und Weiterbildungen‘ auf dem Arbeitsmarkt scheinbar immer gefragter. Erwah- nenswert ist jedoch in diesem Zusammenhang, dass die Art der journalistischen Ausbildung keiner- lei Einfluss auf die spatere berufliche Position und nur wenig Einfluss auf das Gehalt hat (vgl. Wei­schenberg et al. 2006, S. 68). Den einen oder richtigen Weg in den Journalismus gibt es folglich nicht. Vielleicht besteht gerade in der Vielfalt der moglichen Ausbildungsgange ein Anreiz, sich fur dieses Berufsfeld zu interessieren. Anders als bei anderen Studiengangen oder Ausbildungsberufen ist die Vorhersehbarkeit der spateren Laufbahn und des genauen Tatigkeitsfeldes im Journalismus nur bedingt moglich - es sei denn, die Berufswahlerinnen und Berufswahler wissen von vornhe- rein, was sie genau wollen - also, in welchem Medium und in welchem Ressort sie arbeiten moch- ten. Oft ist dies aber nicht der Fall und die Berufseinsteigerinnen und -einsteiger scheinen durchaus bereit, sich vom Zufall uberraschen zu lassen (vgl. Neverla und Kanzleiter 1984, S. 77-79; Dick- meis 1988, S. 75-108). So beschreiben Neverla und Kanzleiter, dass Frauen sich diesem Beruf eher vorsichtig nahern und sich dabei durchaus noch die Moglichkeit offen lassen, ihre Plane wieder zu verandern. Durch diese Offenheit entsteht allerdings haufig das subjektive Empfinden, in den Beruf ,hereingerutscht‘ zu sein (vgl. Neverla und Kanzleiter 1984, S. 77). Nervaler und Kanzleiter spre- chen daher vom „Zufall als Strukturprmzip“ (Neverla und Kanzleiter 1984, S. 77).

3.4 Tatigkeiten und Aufgabenbereiche

Durch die verschiedenen Medien, in denen Journalistinnen und Journalisten arbeiten, und die unter- schiedlichen BetriebsgroBen der Medienunternehmen werden innerhalb desselben Berufsfeldes mannigfache Arbeitsbedingungen geschaffen, die den Arbeitsalltag der einzelnen Personen auf sehr unterschiedliche Art und Weise strukturieren (vgl. Neverla und Kanzleiter 1984, S. 67). Die Tatig- keitsgebiete von Joumalistinnen und Joumalisten sind sehr breit gefachert. Wer „Joumalist“ oder „Journalistin“ sagt, fasst mit einem Wort eine Vielzahl verschiedener Berufe zusammen, die mitun- ter gar nicht so viel miteinander gemeinsam haben. Deutlich wird dies unter anderen bei Riedl und Stuven, die allein im Printbereich zwolf verschiedene journalistische Berufe benennen und im Fernseh- und Horfunkbereich jeweils zehn verschiedene journalistische Berufe (vgl. Riedel und Stuven 1996, S. 208-223). Dennoch haben all diese Journalistinnen und Journalisten trotz ihrer Verschiedenheit auch Gemeinsamkeiten, die Weischenberg so zusammenfasst:

„Sie beschreiben und veroffentlichen gesellschaftliche Ereignisse und Entwicklungen, die sie fur neu halten, die auf Tatsachen basieren und die sie als relevant erachten. Sie unterscheiden sich von anderen gesellschaftlichen Kommunikatoren dadurch, dass sie (in der Regel) uber Themen berichten, in die sie selbst nicht involviert sind. Sie beo- bachten Ereignisse und Entwicklungen in der Gesellschaft, also aus einer gewissen Dis- tanz, bieten Fremdbeschreibungen an“ (Weischenberg et al. 2006, S. 30).

Journalistinnen und Journalisten unterscheiden sich durch ihren gesellschaftlichen Auftrag von Be- schaftigten der Werbung, der Offentlichkeitsarbeit oder auch von Romanautorinnen und -autoren. Dies macht sie zu Vertretern einer machtigen Berufsgruppe (vgl. Weischenberg et al. 2006, S. 30 - 31). Die klassisch journalistischen Tatigkeiten sind Recherche, Moderation und die Produktion journalistischer Erzeugnisse. Ein GroBteil des Berufs bestimmt den Umgang mit Sprache, etwa beim Verfassen eigener Texte, beim Redigieren fremder Texte und bei der Auswahl von Texten. Daruber hinaus bestimmen organisatorische, verwaltende und technische Tatigkeiten den Berufsall- tag (vgl. Weischenberg et al. 1994, S. 28 und 79 sowie Scholl und Weischenberg 1998, S. 88).

Die Arbeitszeiten im Journalismus gelten als wenig familienfreundlich, denn eine Stoppuhrmentali- tat, wenn es darum geht, fruher Feierabend zu machen, gilt als verpont (vgl.Kolodziej-Nimo 1994, S. 84). Anders verhalt es sich bei der Einhaltung von Deadlines, Redaktionsschluss oder Sendezei- ten. Journalistinnen und Journalisten gehorten zu den letzten Berufsgruppen, die 1981 die 40- Stunden- und Funf-Tagewoche tarifvertraglich geregelt haben. Mittlerweile betragt die tariflich festgeschriebene Wochenarbeitszeit zwar 37,5 Stunden (vgl. Kolodziej-Nimo 1994, S. 85), jedoch sieht die Realitat oft anders aus. Weitere anschauliche und zugleich leicht negativ konnotierte Ein- blicke in den Journalistenalltag gibt Weischenberg (vgl. Weischenberg et al. 2006, S. 186).

3.5 Selbstbilder und journalistisches Selbstverstandnis

Denkbar ist, dass das journalistische Selbstverstandnis Einfluss auf die Berufsmotivation hat und andersherum. Journalistisches Selbstverstandnis bezieht sich meist auf das Berufsethos oder die ethisch begrundeten, journalistischen Ziele und Aufgaben (vgl. Weischenberg et al. 2006, S. 98). Verschiedene Untersuchungen zu dieser Thematik werden von Klaus vorgestellt und ausgewertet (vgl. Klaus 1998). Interessanterweise zeigen die von Klaus befragten Journalistinnen und Journalis- ten, trotz der eingangs beschriebenen Vielzahl joumalistischer Arbeitsfelder, in verschiedenen Stu- dien in der Tendenz ein sehr ahnliches Antwortverhalten (vgl. Klaus 1998, S. 195-196):

„Mehr als 70 % der befragten Manner und Frauen ist es wichtig, ,dem Publikum (mog- lichst) schnell Informationen zu vermitteln‘, es, moglichst neutral und prazise zu in- formieren‘ und ,komplexe Sachverhalte zu erklaren und zu vermitteln‘. Jeweils 60 % geht es auch darum, ,die Realitat genauso abzubilden, wie sie ist‘, ,Kritik an Missstan- den zu uben‘ und ,Nachrichten nicht zu bringen, deren faktischer Inhalt nicht bestatigt ist‘(Klaus 1998, S. 196).

Weniger wichtig sei es laut Klaus fur die befragten Journalistinnen und Journalisten „,die politische Tagesordnung zu beeinflussen‘, sich ,als Gegenpart zur Wirtschaft zu verstehen‘, ,Aussagen und Stellungnahmen der Regierung zu untersuchen‘ und ,nationale Politik zu diskutieren, die noch in der Entwicklung steht‘M (Klaus 1998, S. 196). Die Halfte der Studienteilnehmerinnen und -teilnehmer wurde diesen Zielen nur eine geringe Bedeutung beimessen (vgl. Klaus 1998, S. 196).

Die Vorstellung dessen, was journalistisches Selbstverstandnis ausmacht, wurde in der Journalistik umfassend und systematisch aufbereitet (vgl. Weischenberg et al. 2006b, S. 355ff). Es lassen sich funf groBe Kategorien bilden, in denen die meisten Rollenbilder eingeordnet werden konnen. Diese geben Aufschluss uber die innere Haltung berufstatiger Journalistinnen und Journalisten gegenuber ihrem Beruf. Die Journalistik unterscheidet zwischen:

informationsorientierten Journalismus kommunikatororientierten Journalismus publikumsorientierten Journalismus anwaltschaftlichorientierten Journalismus kontrollorientierten Journalismus (vgl. Weischenberg et al. 1994, S. 33-36; Weischenberg et. al. 2005, S. 417 sowie Haas, Prurer 1991, S. 72-74).[18]

Fur die vorliegende Untersuchung ist besonders interessant, dass Klaus ,,in der Rangfolge der als besonders wichtig eingeschatzten sechs Ziele keinerlei geschlechtsspezifische Differenzen“ ausma- chen konnte (vgl. Klaus 1998, S. 196). Weischenberg kommt im GroBen und Ganzen zu ahnlichen Ergebnissen (vgl. Weischenberg et al. 1994, S. 31). Lediglich leichte Unterschiede konnte er in der Tendenz ausmachen: In vier von 21 moglichen Bereichen konnte Weischenberg nennenswerte Abweichungen erkennen:

,,So messen die weiblichen Befragten den joumalistischen Zielen ,intellektuelle und kulturelle Interessen des Publikums ansprechen‘, ,dem Publikum Unterhaltung und Entspannung bieten‘ und ,Lebenshilfe fur das Publikum bieten‘ jeweils etwas grofiere Bedeutung zu als ihre Kollegen, wohingegen diese der Aussage ,mich auf Nachrichten konzentrieren, die fur das weitest mogliche Publikum interessant sind‘ starker zustim- men" (Weischenberg et al. 1994, S. 31).

In der Tendenz fand demnach Weischenberg zufolge das neutral-informative ebenso wie das kri- tisch-kontrollierende Konzept unter mannlichen Journalisten eine etwas groBere Zustimmung, wo­hingegen Konzepte, die sich eher an den Interessen des Publikums bzw. an der Person der jeweili- gen Kommunikatoren orientieren, eher weiblich belegt waren. Am ehesten geschlechtsneutral stell- te sich fur die Forscher um Weischenberg das kritisch-anwaltschaftliche Journalismuskonzept dar. Allerdings macht Weischenberg mehrmals darauf aufmerksam, dass es sich hierbei lediglich um Tendenzen handelt und monokausale Zusammenhange zwischen der Bevorzugung einzelner Kon­zepte und dem biologischen Geschlecht nicht belegt sind (vgl. Weischenberg et al. 1994, S. 36). Vielmehr konnten die unterschiedlichen Antwortmoglichkeiten im Zusammenhang mit der Res- sortverteilung stehen (vgl. u. a. Weischenberg et al. 1994, S. 7 und S. 53).

Neben den beschriebenen ,klassischen‘ joumalistischen Selbstbildern orientieren sich neuere Rol- lenselbstbilder laut Weischenberg explizit am sogenannten ,Unterhaltungs- und Lifestylejournalis- mus‘ und am ,Nutzwertjournalismus‘ (vgl. Weischenberg et al. 2006, S. 110).,,[...] hierbei handelt es sich um eine Mischung aus Service- und Verbraucherinformation mit Ratgebercharakter, die zwar schon lange Bestandteil der etablierten Medien ist, aber als ,neue Funktion‘ profiliert wird, weil sichjetzt damit Geld verdienen lasst“ (Weischenberg et al. 2006, S. 110).

Anzumerken ist, dass die Bedeutung derartiger Berufsvorstellungen mitunter einem zeitlichen Wandel unterlegen ist. So fuhlten sich noch Ende der 1970er die Mehrheit der Journalistinnen und Journalisten als ,,eine Art ,Gegenelite’ zu den Machtigen im Staat wie Politik, Verwaltung und Wirtschaft. Sie verstanden sich selbst meist als ,Kritiker an Missstanden’ und ,Wachter der Demo- kratie’“ (Lieske 2008, S. 60). Als wichtigstes Hauptmotiv, den Joumalistenberuf zu ergreifen, galt zur damaligen Zeit die Distanz zu Wirtschaft, Verwaltung und Politik (vgl. Lieske 2008, S. 60). Spater hat sich das Selbstbild der Journalistinnen und Journalisten dahingehend gewandelt, ,,dass sich die Mehrheit der deutschen Journalistinnen und Journalisten mittlerweile nicht mehr primar als ,Kritiker an Missstanden’ versteht, sondern sich vornehmlich den Standards eines neutralen Infor- mationsjournalismus verpflichtet fuhlt“ (Lieske 2008, S. 60-61). Innerhalb der vorliegenden Unter- suchung ist nun die Frage interessant, inwieweit die jeweiligen Konzepte joumalistischen Selbst- verstandnisses eine Motivation fur den Einstieg in den Beruf darstellen und welches dieser Konzep- te dabei die heutige Generation kunftiger Journalistinnen am meisten fur ihre Berufswahl motiviert.

3.6 Das Image von Journalistinnen und Journalisten

Fur die Berufswahl kann es Tschope und Witzki zufolge wichtig sein, „ob der Beruf nach der eige- nen Ansicht fur die personliche Aubendarstellung geeignet ist oder nicht“ (Tschope und Witzki 2004, S. 47). Denn: ,,Die Frage nach dem Beruf gehort haufig zu den ersten Fragen beim Kennen- lernen eines Menschen. Der ausgeubte Beruf [...] beeinflusst maBgeblich das Bild, welches man sich von einer Person macht“ (Tschope und Witzki 2004, S. 47 ff.). Insofern kann es fur Berufs- wahlerinnen und -wahller von groBer Wichtigkeit sein, wie der von ihnen gewahlte Beruf im nahe- ren Umfeld und der eigenen Lebenswirklichkeit ankommt (vgl. Tschope und Witzki 2004, S. 48) - auch dann, wenn ,,das Image nicht zwangslaufig damit ubereinstimmen muss, wie eine Sache oder eine Person tatsachlich ist, sondern wie sie jemanden erscheint" (Lieske 2008, S. 19). Das nachste- hende Kapitel spiegelt daher von der Wissenschaft ermittelte Vorstellungen wieder, die in der Ge- sellschaft zu diesem Berufsfeld existieren und die auch bei Berufseinsteigerinnen und -einsteigern prasent sein durften:

„Die Faszination, die die journalistische Tatigkeit alljahrlich auf Heerscharen von Berufsanwartern und -anwarterinnen ausubt, verdankt sich nicht zuletzt auch dem Um- stand, dass der Journalismus ein aufgeschontes Bild seiner selbst zu verbreiten weiB.

Dies betrifft ebenso die schlecht gedeckten Anspruche auf eine ausdifferenzierte jour­nalistische Ethik wie die Begabungs- und Kreativitatsideologie, mit der - zugegeben mit Massenerfolg - der Nachwuchs rekrutiert wird“ (Baldes 1984, S. 2).

Kunczik zufolge ist die Vorstellung unter Berufsanfangerinnen und -anfangern weitverbreitet, Journalistinnen und Journalisten seien ,,unabhangig, dynamisch und hart; vergleichbar einem Pri- vatdetektiv“ (Kunczik 1988, S. 110). Unbeirrt wurden sie sich durch einen Sumpf von Bestechun- gen, Korruption, Verbrechen und sonstigen menschlichen Lastern und Gemeinheiten kampfen, ein- sam und auf der Suche nach der Wahrheit (vgl. Kunczik 1988, S. 110).

Auch Lieske stellt in ihrer qualitativen Untersuchung ,Das Image von Journalisten4 fest, dass diese ,,fur ihre Arbeit geradezu bewundert zu werden [...]. Diese Leute seien: ,, ,hochgebildet‘, ,irgend- wie interessant’, hatten einen ,spannenden Job’ und ein ,aufregendes Leben’ - so die Aussagen, die man zu horen bekommt“ (Lieske 2008, S. 15). Jedoch arbeitet Lieske auch heraus, dass das journa- listische Image durchaus ambivalent ist und Journalistinnen und Journalisten nicht nur bewundert, sondern andererseits ebenso ,,ganz pauschal verteufelt [werden]“ (Lieske 2008, S. 15).

Nach der Auswertung mehrerer einschlagiger Studien zu dieser Thematik kommt Schausten zu dem Schluss, ,,dass das Ansehen der [Journalistinnen und] Journalisten in der Offentlichkeit weder eindeutig positiv noch eindeutig negativ ist“ (Schausten 1999, S. 45). So genieBt ein Teil der Jour- nalistinnen und Journalisten in der offentlichen Meinung ein sehr hohes Ansehen - z. B. politische Kommentatorinnen und Kommentatoren, Kulturkritikerinnen und Kulturkritiker, einige TV- Moderatorinnen und -Moderatoren sowie Korrespondentinnen und Korrespondenten.

[...]


[1] Wenn innerhalb dieser Studie Geschlechterunterschiede untersucht werden, so wird das entlang des biologischen Geschlechts ge- schehen und das soziale im Sinne der Genderforschung (vgl. Kapitel 2.5) weitgehend vernachlassigt.

[2] Eine tiefere Auseinandersetzung mit allokationstheoretischen Ansatzen fmdet sich bei Daheim 1967 und Scharmann 1956.

[3] Ein GroBteil der psychologischen Motivationstheorien ist daher fur die Bearbeitung der vorliegenden Forschungsfrage nicht sonder- lich hilfreich (vgl. Rudolf 2007, S. XIII). Weder Freuds psychoanalytische Theorie, Hulls behavioristische Theorie, Skinners Verstar- kungstheorie, Lewins Feldtheorie, Atkinsins Theorie der Leistungsmotivation oder diverse Attributionstheorie-Ansatze und Ansatze der Willenspsychologie sowie Evolutionare Theorien der Motivation scheinen geeignet, die Frage nach der Motivation zur Wahl des Journalistenberufs beantworten zu konnen. Viel hilfreicher scheint an dieser Stelle die Auseinandersetzung mit den kognitiven Be- weggrunden fur die Berufswahl.

[4] vgl. auch Csikszentmihaly und Aebli 2008 sowie Sommerfeld und Vales 2010

[5] Fur tiefere Einblicke siehe u.a. Angerer und Dorer 1994a, S. 8-20 ; Koch 2007, S. 60-65; Klaus 1998 und Ostendorf 2005.

[6] Ziel feministischer Forschungen ist es daher oft, Theorie und Praxis zu verbinden und durch die Forschung Handlungsanweisungen zu bieten (vgl. (Angerer und Dorer 1994A, S. 12)

[7] In der Tat belegen jedoch auch Studien, dass nicht alle Unterschiede auf die Sozialisation zuruckzufuhren sind. So ergaben biologi­sche Experimente, ,,dass in Konkurrenzverhaltnissen bei Mannern ihr Adrenalin-Spiegel steigt, der sie in produktive Spannung und Aufmerksamkeit versetzt, wohingegen bei Frauen in vergleichbaren Situationen der Adrenalien-Spiegel sinkt“ (Salin 2010, S. 12-13)

[8] Wenngleich interessanterweise in diesem Bereich weitestgehend (biologisch) weibliche Wissenschaftler forschen (vgl. Holtz-Bacha 1994a, S. 43).

[9] Fur weitere Ausfuhrungen im Hinblick auf Frauenerwerbstatigkeit vgl. Ostendorf 2005, S. 111-113.

[10] Zur Vereinbarkeitsproblematik siehe auch Horstkemper 1990, Liesering 1996, Bertram et al. 2005

[11] Vgl. auch Ostendorf 2005, S. 205

[12] Vgl. auch Lieske 2008, S. 26 sowie Weischenberg et al. 2006, S. 227

[13] Die letztgenannte Gruppe soll jedoch im weiteren Verlauf der vorliegenden Arbeit unberUcksichtigt bleiben. UnberUcksichtigt blei- ben auch rein technische Berufe, Redaktionsassistenzen, Fotografinnen und Fotografen, Kameraleute sowie jene, die zwar journalis- tisch arbeiten, dies aber fur Mitgliederpublikationen oder ehrenamtlich erstellte Medien tun.

[14] Dies konnte an der fehlenden Zugangsbeschrankung der kommunikationswissenschaftlichen Studiengange liegen: Im Gegensatz zu den zulassungsbeschrankten Journalistik-Studiengangen, die nicht selten einen Numerus Clausus von 1,0 - 1,3 haben, sind kommuni- kationswissenschaftlichen Studiengange oft frei zuganglich.

[15] Eine tiefere Auseinandersetzung mit den genannten Konzepten sowie genderspezifischen Unterschieden innerhalb dieser Konzepte, wurde uber den Rahmen der vorliegenden Studie hinaus gehen. Zudem sind diese Ansatze in der Journalistik bereits hinreichend dis- kutiert und durften somit als bekannt vorausgesetzt werden.

[16] Dies bestätigten Gespräche auf dem jährlichen Herbsttreffen der Medienfrauen 2012. Ältere Journalistinnen erinnerten sich daran, dass es für damalige Berufseinsteigerinnen zugleich Ansporn und Motivation war, als Frau in einer Männerdomäne zu bestehen.

[17] In den DDR-Redaktionen waren Frauen deutlich präsenter, da Gleichberechtigung quasi staatlich verordnet war (vgl. Zentrum für Kulturforschung (Hrsg.) 1995, S. 148; Lünenborg 1997, S. 121-131). Schätzungsweise lag der Frauenanteil in den Fernsehredaktionen bei 57 %, im Rundfunk bei 44 % (vgl. Klaus 1998, S. 156). Für weitere Ausführungen siehe auch Kapitel 5.2.

[18] Wobei bereits diese Zahlen im Vergleich zum Frauenanteil im Journalismus unmittelbar nach dem Krieg einen vergleichsweise hohen Anteil weiblicher Journalisten darstellen. Zum Vergleich: Klaus zufolge waren zumindest bei den sieben Zeitungsverlagen im Ruhrgebiet am 1. Juli 1950 von insgesamt 132 Vollredakteuren gerade mal vier Frauen beschäftigt, was einen Frauenanteil von ganzen drei Prozent bedeutete (vgl. Klaus 1993, S. 196-197).

Ende der Leseprobe aus 226 Seiten

Details

Titel
Unwiderstehlich?!? Die Anziehungskraft des Journalistenberufs auf Frauen
Untertitel
Eine empirische Untersuchung zu Berufswahlmotiven künftiger Journalistinnen
Hochschule
Technische Universität Dortmund
Note
1,1
Autor
Jahr
2013
Seiten
226
Katalognummer
V274862
ISBN (eBook)
9783656668459
ISBN (Buch)
9783656668442
Dateigröße
5309 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
unwiderstehlich, anziehungskraft, journalistenberufs, frauen, eine, untersuchung, berufswahlmotiven, journalistinnen
Arbeit zitieren
Dipl.-Soz.-Wiss. Katalin Valeš (Autor:in), 2013, Unwiderstehlich?!? Die Anziehungskraft des Journalistenberufs auf Frauen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/274862

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